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Eine Nacht mit Folgen.
Ich hatte schon geahnt, dass ich auf der Hochzeit meines Bruders auf meinen Jugendschwarm Jude Malone treffen würde. Wir haben uns beide sehr verändert und aus dem schüchternen Teenager ist ein atemberaubender Mann geworden. Im Laufe des Abends entfaltet sich eine ungeahnte Chemie zwischen uns – wir tanzen, flirten und verbringen schließlich eine leidenschaftliche Nacht miteinander. Doch als Jude mich plötzlich fragt, ob ich seine Frau werden möchte, halte ich das zunächst für einen schlechten Scherz. Ich hatte immer geglaubt, dass man aus Liebe heiratet, und es ist offensichtlich, dass Jude nicht in mich verliebt ist.
Als er mir jedoch offenbart, warum er eine Frau braucht, gerate ich ins Grübeln: Kann man aus Vernunft heiraten und dennoch das Glück finden?
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Seitenzahl: 354
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Eine Nacht mit Folgen.
Ich hatte schon geahnt, dass ich auf der Hochzeit meines Bruders auf meinen Jugendschwarm Jude Malone treffen würde. Wir haben uns beide sehr verändert und aus dem schüchternen Teenager ist ein atemberaubender Mann geworden. Im Laufe des Abends entfaltet sich eine ungeahnte Chemie zwischen uns – wir tanzen, flirten und verbringen schließlich eine leidenschaftliche Nacht miteinander. Doch als Jude mich plötzlich fragt, ob ich seine Frau werden möchte, halte ich das zunächst für einen schlechten Scherz. Ich hatte immer geglaubt, dass man aus Liebe heiratet, und es ist offensichtlich, dass Jude nicht in mich verliebt ist.
Als er mir jedoch offenbart, warum er eine Frau braucht, gerate ich ins Grübeln: Kann man aus Vernunft heiraten und dennoch das Glück finden?
Abby Brooks ist amerikanische Romance Autorin und lebt mit der Liebe ihres Lebens und ihren drei Kindern in einer Kleinstadt in Ohio. Sie liebt es, in der Küche zu tanzen, zu lachen und bis spät in die Nacht zu lesen.
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Abby Brooks
Reckless
Aus dem Amerikanischen von Ruth Sander
Cover
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
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Kapitel 1 — Izzy
Kapitel 2 — Izzy
Kapitel 3 — Jude
Kapitel 4 — Izzy
Kapitel 5 — Jude
Kapitel 6 — Izzy
Kapitel 7 — Izzy
Kapitel 8 — Jude
Kapitel 9 — Izzy
Kapitel 10 — Jude
Kapitel 11 — Izzy
Kapitel 12 — Izzy
Kapitel 13 — Jude
Kapitel 14 — Jude
Kapitel 15 — Izzy
Kapitel 16 — Jude
Kapitel 17 — Izzy
Kapitel 18 — Jude
Kapitel 19 — Jude
Kapitel 20 — Izzy
Kapitel 21 — Izzy
Kapitel 22 — Jude
Kapitel 23 — Izzy
Kapitel 24 — Jude
Kapitel 25 — Izzy
Kapitel 26 — Jude
Kapitel 27 — Izzy
Kapitel 28 — Izzy
Kapitel 29 — Jude
Kapitel 30 — Izzy
Kapitel 31 — Izzy
Kapitel 32 — Izzy
Kapitel 33 — Jude
Kapitel 34 — Jude
Kapitel 35 — Izzy
Kapitel 36 — Jude
Kapitel 37 — Izzy
Kapitel 38 — Jude
Kapitel 39 — Izzy
Kapitel 40 — Jude
Epilog — Izzy
Impressum
Lust auf more?
Izzy
»Ist hier noch frei?« Ohne auf eine Antwort zu warten, ließ Jude Malone sich auf den leeren Stuhl neben mir fallen.
Ich nippte an meinem Gin Tonic und lächelte dann den Trauzeugen meines Bruders an. »Jetzt nicht mehr.«
Judes Grinsen sollte verboten werden. Ein Teil von mir war sicher, er wusste, was es mit mir anstellte – es die ganzen Jahre, in denen wir bereits befreundet waren, gewusst hatte –, und es ihm einfach nur gefiel, wie unruhig es mich machte. Doch die wahrscheinlichere Erklärung war, dass er es liebte, Aufmerksamkeit zu erregen, ganz egal, von wem er sie bekam.
Selbst wenn bloß ich ihn bewunderte.
Wie auch immer, vor Judes Lächeln sollte man gewarnt werden. Außerdem hatten seine blonden Haare genau die richtige Länge und er sah in seinem Smoking so zum Anbeißen aus, dass ich am liebsten so schnell wie möglich weggerannt wäre, ehe ich mich wider Willen blamierte.
Aber ich tat es nicht.
Obwohl es besser gewesen wäre.
Rund um uns herum tanzten und unterhielten sich fröhliche Menschen, während mein Bruder Alex und seine frisch angetraute Frau Evie bei ihrem Empfang von einem Gast zum anderen schlenderten. Anscheinend war ganz Wildrose Landing in das Hotel geströmt, also würde das glückliche Paar noch eine Weile beschäftigt sein. Nachdem ich einige betrunkene Avancen von Kerlen abgewehrt hatte, die zu viele Gerüchte über Brautjungfern gehört hatten, hatte ich an einem ruhigen Tisch ziemlich weit hinten Zuflucht gesucht – bis Jude mich entdeckt und sich neben mich gesetzt hatte.
»Du siehst heute Abend sehr schön aus. Rot ist definitiv deine Farbe.« Er warf einen Arm über die Rückenlehne seines Stuhls und nippte an seinem Whiskey, während ich ihn schockiert anstarrte. Da wir zwei schon so lange Freunde waren, hatte ich geglaubt, er hätte vergessen, dass ich eine Frau war.
Seit wann machte er mir Komplimente?
»Du siehst auch ziemlich gut aus.« Ich strich mein Kleid glatt und legte fragend den Kopf schief. »Aber sag mal, was haben Hochzeiten eigentlich an sich, dass alle sich so bereitwillig betrinken und Unsinn reden?«
»Ich rede keinen Unsinn«, sagte er und strahlte mich dabei an, und ich versuchte, nicht dahinzuschmelzen. »Ich habe nur das Gefühl, dass du wohl nicht genug Komplimente zu hören bekommst. Schließlich bist du sehr attraktiv, auch wenn du Alex’ kleine Schwester bist.«
Baggerte Jude mich gerade ernsthaft an? Das musste ich sofort beenden.
Ich lehnte mich zurück und schüttelte lachend den Kopf. »Es ist wahrscheinlich unnötig, aber ich sollte wohl besser für alle Fälle von vornherein etwas klarstellen. Auf Hochzeiten scheint es ja irgendwie Tradition zu sein, dass die Trauzeugen mit den Brautjungfern schlafen, aber zwischen uns wird nie was passieren, das wissen wir doch beide. Niemals. Also schlage ich vor, dass du dich anderweitig umsiehst, wenn es das ist, was du vorhast.«
Mein Körper war total anderer Meinung. Und mein Herz ebenso. Denn Jude war mein kleines Geheimnis. Der Mann meiner Träume. So stolz ich auch darauf war, eine starke Frau zu sein, wenn es um ihn ging, war ich schwach und jederzeit bereit, mich in seine Arme zu werfen, wenn er bloß mit dem Finger schnippte. Seit ich klein war, war ich unsterblich in ihn verliebt. Wo wir gerade von Peinlichkeiten reden. Welche Sorte Frau klammerte sich über ein Jahrzehnt an eine kindliche Schwärmerei? Jedenfalls bestimmt keine, die nach Unabhängigkeit strebte.
»Da komm ich nicht weit.« Jude grinste breit und wedelte mit den Händen. »Amelia und Jack sind praktisch verlobt und können die Augen nicht voneinander lassen. Evie hat gerade deinen Bruder geheiratet. Und der arme Austin ist so gern Single, dass er nicht mal eine Brautjungfer hatte, die er zum Traualtar führen konnte. Bleiben also nur noch wir beide übrig.«
»Wow. Ja. Jetzt fühl ich mich schon viel besser.« Ich verdrehte die Augen und boxte ihm gegen den Arm. »Danke, dass du meinem Selbstwertgefühl einen solchen Schub gegeben hast.«
»Hey.« Jude verschränkte die Hände hinter dem Kopf und präsentierte mir seine breite Brust. »Dafür bin ich doch da. Und du weißt auch, dass das mit dir und mir ein Scherz war, oder? Eigentlich wollte ich mit dir über etwas anderes reden. Wenn du mal Zeit hast.«
Ich kannte Jude bereits ewig. Irgendwie war es mir, als wir Kinder waren, gelungen, meinem Bruder und seinen Freunden lange genug hinterherzulaufen, um mir den ehrenvollen Titel »eine von uns« zu verdienen. Es hatte ein paar Monate in der Highschool gegeben, in denen ich dachte, aus Jude und mir würde mehr werden, aber ach, damit hatte ich gründlich falschgelegen und mich dabei obendrein auch noch lächerlich gemacht. Seitdem hatte ich versucht – und war meist daran gescheitert –, mich in seiner Gegenwart normal zu benehmen. Die einzige Möglichkeit, das hinzubekommen, war, so wenig Zeit wie möglich mit dem Mann zu verbringen, was ziemlich schwierig war, weil wir einen gemeinsamen Freundeskreis hatten, der sich sehr gern traf. Deshalb hatte ich darauf geachtet, bei diesen Zusammenkünften erst spät aufzutauchen und Gespräche mit ihm auf einer möglichst sachlichen Ebene zu halten.
Apropos so wenig Zeit wie möglich …
Ich leerte mein Cocktailglas, schwenkte das Eis darin herum und schob meinen Stuhl zurück. »Ich hol mir noch was zu trinken. Willst du auch was?«
»Ich gehe.« Jude kippte seinen Whiskey herunter, stand auf und griff nach meinem Glas. »Gin Tonic, ja? Mit einem Spritzer Limette.«
Und da war es. Das unwiderstehliche Lächeln, mit dem er jede rumkriegte – und es zielte direkt auf mich.
Nun war ich sicher, dass er mich anbaggerte. Oder hatten sich bei mir, verflucht noch mal, Phantasie und Hoffnung zusammengetan und drehten jetzt gemeinsam durch? Egal, der Selbstschutz verlangte, dass ich Jude in seine Schranken wies, ehe er mir das Herz brach.
Wieder einmal.
»Glaub bloß nicht, dass es dich weiterbringt, wenn du weißt, was ich gern trinke.« Streng wackelte ich mit dem Zeigefinger, aber mein Lächeln verriet mich. »Was dir auch für heute Abend vorschwebt, es wird nicht funktionieren. Jedenfalls nicht bei mir. Vergiss nicht, dass ich gegen deinen Charme immun bin.«
Was natürlich gelogen war.
»Izzy«, sagte er und neigte den Kopf zur Seite, »das klingt nach einer Herausforderung. Und du weißt, dass ich denen nie aus dem Weg gehe.«
»Nein, das war keine Herausforderung, Jude.« Ich verdrehte die Augen. »Nur die Wahrheit.«
Er lachte in sich hinein, hob die Brauen und ging zur Bar.
Drei weitere Drinks und sehr viele Erinnerungen später ließ ich es ohne Gegenwehr zu, dass er mich vom Stuhl hoch und Richtung Tanzfläche zerrte.
»Ich tanze nicht«, murmelte ich, als er mich an sich zog.
»Das ist eine Schande.« Er schlang die Arme um meine Taille, und wir wiegten uns im Takt der romantischen Musik. »Eine wie du sollte immer tanzen.«
Kraftlos schaute ich in seine Augen, und er hielt meinem Blick stand.
Verdammt nochmal. Hatte er es irgendwie geschafft, noch anziehender zu werden? Wie war denn das möglich?
»Eine wie ich?«
Er nickte, wirbelte mich herum und zog mich wieder in seine Arme. »Du bist etwas Besonderes. Auch etwas, das du wohl nicht oft genug zu hören bekommst.«
Schnell legte ich meinen Kopf an seine Brust, um den Blickkontakt zu unterbrechen, denn ich konnte mich nicht daran erinnern, wann er mich jemals so angesehen hatte. Seine Hände glitten an meinem Rücken empor, und ich atmete den Duft seines Rasierwassers ein. Das war auch nicht besser. Mein Körper glühte vor Freude, in seinen Armen zu liegen, und verlangte, dass ich diesen Abend zu seinem natürlichen – wahrscheinlich hüllenlosen – Ende brachte. Als ich wieder aufschaute, schenkte Jude mir ein sehr intimes Lächeln, das nur für mich gedacht war.
»Wenn ich gewusst hätte, wie sich das anfühlt, hätte ich bereits viel früher mit dir getanzt.« Seine warme Flüsterstimme berauschte mich …
Ich kicherte, als wäre ich wieder sechzehn. »Funktioniert so was wirklich bei Frauen?«
»Ich weiß nicht«, raunte er und kam mir noch näher. »Funktioniert es denn bei dir?«
Ich hätte Nein sagen sollen. Ich hätte ihn abweisen, gegen den Arm boxen und weiterhin ignorieren müssen, dass mein Herz jedes Mal, wenn er einen Raum betrat, einen Schlag aussetzte.
Aber ich tat es nicht.
Vielleicht lag es am Alkohol.
Vielleicht an der Musik.
Vielleicht hatte ich es aber auch einfach satt, gegen meine Gefühle für diesen Mann anzukämpfen.
Warum auch immer, mein Bauch war jedenfalls kurz davor, meinen Kopf zu verraten – und mein armes, dummes Herz freute sich darauf.
»Sieht ganz danach aus«, flüsterte ich schwer atmend.
Mit einem Lächeln, das mir durch und durch ging, schob Jude mir eine Haarsträhne hinters Ohr. »Gut.«
Dann tanzte er mit mir in eine Ecke, nahm mein Gesicht in beide Hände und küsste mich. Ich seufzte in seinen Mund und schlang überwältigt die Arme um ihn. Ich begehrte ihn schon lange.
So, so lange.
Dieser gestohlene Augenblick fühlte sich an, als wäre ein Traum in Erfüllung gegangen.
War es endlich so weit, dass der Mann, den ich begehrte, mich auch haben wollte?
Ich schmolz dahin. War Wachs in seinen Händen. Erinnerte mich an jeden albernen Tagtraum. Und mein Herz jubilierte, weil mein Warten nun belohnt wurde und Judes Hände auf meiner Haut sich wie ein Triumph anfühlten.
»Sollen wir von hier verschwinden?«, fragte er leise, wobei seine Lippen mein Ohr streiften und sich dann unerträglich langsam auf meinen Mund zubewegten.
Als ich nickte, nahm er mich bei der Hand und führte mich zielstrebig weg von der Feier.
Izzy
Mein Brautjungfernkleid war ein rotseidenes Knäuel auf dem Boden. Die Spur seines Smokings erzählte die Geschichte einer Verführung, die von der Haustür zu seinem Schlafzimmer im Obergeschoss führte. Das Jackett lag zerknüllt im Foyer. Der Kummerbund vergessen im Flur. Die Fliege baumelte an den Stöckeln meiner Schuhe, die umgedreht neben dem Bett lagen.
Die Bettdecke hatte sich um unsere Beine gewickelt.
Unsere Brustkörbe hoben und senkten sich schwer, und unsere Herzen hämmerten.
Jude ließ sich auf sein Kissen fallen und grinste die Zimmerdecke an, während er sich einen Schweißtropfen von der Schläfe wischte. »Lass uns heiraten, Izzy.«
»Haha«, spöttelte ich, ließ das Kopfteil los und strich mir das Haar aus dem Gesicht. »Sehr lustig.«
Er drehte sich auf die Seite und musterte mich unbeeindruckt. »Nein, ich meine es ernst. Ich möchte, dass du meine Frau wirst.«
Ich schnaubte und starrte kopfschüttelnd an die Decke. Warum musste er etwas so Wunderschönes durch einen Scherz ruinieren? »Hör auf, dich so blöd aufzuführen.«
»Tu ich doch gar nicht. Ich sage die Wahrheit.« Er stützte sich auf einen Ellbogen. »Ich bitte dich, meine Frau zu werden.«
Langsam wandte ich den Kopf, um ihm in die Augen sehen zu können, denn mir war völlig schleierhaft, wie wir an diesen Punkt gelangt waren. »Du möchtest also, dass ich dich heirate«, sagte ich ausdruckslos.
Er nickte, als wäre es vollkommen logisch, eine Freundin das zu fragen, gleich nachdem man zufällig Sex mit ihr gehabt hatte. »Das wollte ich dich schon bei dem Empfang fragen, aber dann haben wir uns so gut verstanden, eins führte zum anderen und nun sind wir hier …«, er wackelte mit den Augenbrauen, »… aber ja. Irgendwie brauche ich eine Frau.«
Irgendwie brauchte er eine Frau?
Was sollte das denn heißen?
Bat Jude mich gerade ernsthaft, ihn zu heiraten? War das kein Scherz mit einer witzlosen Pointe am Schluss? Oder noch schlimmer, hatte er mit mir geschlafen, weil er dachte, das würde mich dazu bringen, Ja zu sagen?
Du hättest es besser wissen müssen, flüsterte es durch die Risse, die sich in meinem Herz auftaten. Du hättest es besser wissen müssen, und du hast trotzdem nachgegeben …
Ihm gegen den Arm zu boxen war zu wenig. Ich wollte ihm in sein schrecklich schönes Gesicht schlagen. Ich drückte die Bettdecke an meine Brust und ließ meine Augen Laserstrahlen schießen.
»Du siehst sauer aus.« Sein blondes Haar war allerliebst verwuschelt, doch sein unwiderstehliches Lächeln erlosch wieder, als er meinen mörderischen Blick sah.
»Sauer? Ich bin stinkwütend! Falls ich jemals herausfinde, wie man wirklich mit Blicken töten kann, hast du ein großes Problem.« Ich erhöhte die Intensität meiner Augenlaser, erreichte aber nichts.
Jude setzte sich auf, und die sexy Bauchmuskeln unter seiner bronzefarbenen Haut taten ihr Bestes, um mich von meinen blutrünstigen Absichten abzulenken. »Moment, Izzy. Lass es mich erklären.«
Ich zog die Augenbrauen bis zum Haaransatz hoch. »Erklären?« Ich schüttelte den Kopf, stieg schwankend aus dem Bett und riss mit einem entschlossenen Ruck die Bettdecke an mich. »Meinst du nicht, das hättest du tun sollen, ehe du mich in dein Bett gezerrt hast? Gott steh mir bei, Jude. Wenn du mit mir schläfst, um mich zu manipulieren, haben wir zwei uns nichts mehr zu sagen. Wenn das hier zu so einer Art Masterplan gehört …«
Ich war so eine blöde Kuh.
Als die Nacht anfing, hatte ich gedacht, Träume könnten tatsächlich in Erfüllung gehen, und als sie endete, erkannte ich, dass so etwas im echten Leben nicht geschah. Im echten Leben blieben jahrzehntelange Schwärmereien genau das. Der Junge, der meinen Bruder mir vorgezogen hatte, hatte selbst als erwachsener Mann noch nicht begriffen, dass er sich für den falschen Prescott entschieden hatte.
Hastig hob ich mein Kleid und meine Schuhe auf und drehte mich auf der Suche nach meinem BH und meinem Slip verwirrt einmal um mich selbst. Dann entdeckte ich den BH, der über der Lampe auf dem Nachttisch drapiert war, und sollte der Slip sich nicht bald zeigen, würde ich ohne aus dem Zimmer rauschen, denn dieser Abend war vorüber.
»Izzy …« Jude stöhnte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich schwöre dir … das hier war nicht geplant. Nicht mal ansatzweise. Wir haben uns so gut amüsiert, dass ich ein bisschen über die Stränge geschlagen habe …«
»Über die Stränge geschlagen? Verflucht nochmal, Jude. Ist das dein Ernst?« Ich zeigte mit einem Stöckelabsatz auf ihn und bremste mich dann. Ahnte er wirklich nicht, wie viel er mir bedeutete?
»Bei dieser Sache läuft alles falsch. Ich dachte, es wäre lustig, so um deine Hand anzuhalten …« Er hob die Hände und ruderte eilig zurück. »Jetzt sehe ich ein, dass ich mich getäuscht habe, aber ich habe mir vorgestellt, wir würden noch jahrelang darüber lachen. Du würdest lächeln und sagen: Der Sex war so gut, dass Jude mir auf der Stelle einen Antrag gemacht hat!, und ich würde nur grinsen und die Achseln zucken und so etwas sagen wie: Stimmt. Der Sex war wirklich ziemlich geil.«
Mir fiel die Kinnlade herunter. »Das hast du allen Ernstes gedacht?«
»Ja, ist mir plötzlich eingefallen. Ich war nicht darauf vorbereitet, dass wir beide so gut zusammenpassen, deshalb habe ich das Erste gesagt, was mir in den Kopf gekommen ist. Darf ich mich auf vorübergehendes Irresein berufen, mich entschuldigen und dir erklären, worum es in Wahrheit geht?«
Er sah so verzweifelt aus, dass ich anfing, ihm zu glauben. »Du hast fünf Minuten, Malone. Nutze sie.«
Jude
Ich hatte in meinem Leben schon viele Frauen abgeschreckt, aber keine hatte mich jemals so mordlustig angesehen wie Izzy Prescott, die mit meiner Bettdecke gewappnet durch mein Schlafzimmer marschierte. Ihr dunkles Haar war total zerzaust. Der leuchtend rote Lippenstift verschmiert. Und ihre Augen? Normalerweise waren sie warm und golden wie Honig im Sonnenschein. Doch heute Abend erinnerten sie eher an eine Supernova, die mich gern zu Asche verbrennen würde.
Mist. Das hatte ich echt verbockt.
»Izzy …« Ich kletterte aus dem Bett und versuchte, meine Gedanken zu ordnen.
»Bei diesem Tempo sind die fünf Minuten schnell vorbei«, sagte sie feixend, während ich meine Unterwäsche anzog.
»Ich habe doch nicht mit dir geschlafen, um dich dazu zu bringen, mich zu heiraten. Das musst du unbedingt verstehen.«
»Was soll ich dazu sagen, Jude? Gut?« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist die lächerlichste Situation, in der ich je gewesen bin.«
Ich hätte mich an meinen Plan halten und bei der Hochzeit mit ihr reden sollen. Stattdessen hatte ich es zugelassen, dass der Alkohol und das Tanzen mir zu Kopf stiegen. Denn nach der Nacht in unserer Jugend, in der alles schieflief, hatte Izzy mich bei diesem langen Empfang am Ende endlich wieder so angesehen, als sei ich das Wichtigste für sie. Statt sich mit einer Ausrede zu verdrücken, als ich mich zu ihr setzte, war sie geblieben.
Und all die Gründe, warum ich früher dachte, ich sei in sie verliebt, waren sofort wieder an die Oberfläche gekommen, so dass ich meine Mission aus den Augen verloren hatte.
Im Laufe der Jahre hatte sie klargemacht, dass sie es kaum ertragen konnte, in meiner Nähe zu sein. Sie mied mich, so gut es ging. Kam immer, wenn ich dabei war, später, damit sie nicht gezwungen war, sich mit mir abzugeben. Verdammt, Izzy verteilte Umarmungen wie Bonbons, nur nicht an mich. O nein. Ich bekam einen von diesen sonderbaren Rückenklopfern ohne Drücken, die für unangenehme Onkels reserviert waren.
Aber wie sollte ich ihr das erklären? Ich konnte es ihr einfach nicht sagen, als sie mich heute Abend so angeschaut hatte, als würde ich ihr was bedeuten. Dieser Blick hatte alle anderen Gedanken als den an sie aus meinem Kopf verdrängt.
Ich war so ein Volltrottel.
Entnervt fuhr ich mir mit den Händen durchs Haar, ließ langsam den Atem entweichen und schaute ihr in die Augen. »Ich habe einen Halbbruder.«
»Seit wann?« Izzy war zurückgezuckt und sah so überrascht aus, wie ich es gewesen war, als ich den Jungen zum ersten Mal gesehen hatte. »Und was hat das damit zu tun, dass du eine Frau brauchst?«
»Seit wann? Na, da er fünfzehn ist, wohl so lange schon.« Ich hockte mich auf den Bettrand. »Ich wusste nichts von seiner Existenz, bis er letztes Jahr im Cheers ’n’ Beers aufgetaucht ist.«
Auch die Situation war lächerlich gewesen. Diesen Teenager, der genauso aussah wie ich – damals als Jugendlicher –, zu mir an die Bar kommen zu sehen. Ich war davon ausgegangen, dass er einen falschen Ausweis zücken würde, und hätte ihn fast sofort hinausgeworfen, aber irgendetwas in seinen Augen hielt mich davon ab. Es lag nicht nur daran, dass er mir bekannt vorkam. Er wirkte so verdammt ehrlich, also hörte ich mir an, was er mir sagen wollte. Als er mir berichtete, wir hätten einen gemeinsamen Vater, war ich nicht allzu überrascht. Und als er mir weiter erzählte, dass der Mann vor zehn Jahren gestorben sei, überraschte mich das genauso wenig. Ich hatte meinen Vater kaum gekannt, aber er war mir nie so vorgekommen wie ein Typ, der ein gesegnetes Alter erreichte und umgeben von Menschen, die ihn liebten, sanft entschlief.
All das teilte ich Izzy mit, die mich mit offenem Mund ungläubig anstarrte. Was ich gut verstand. Denn es war schwer zu verdauen.
»Er heißt Brennen«, fuhr ich fort. »Seine Mom ist übrigens eine echte Katastrophe – genau wie unser Dad. Vielleicht sogar schlimmer als Dad, obwohl ich das nicht genau weiß, weil es irgendwie schwer herauszukriegen ist. Aber ich weiß, dass dieser Junge eine Chance verdient, und die wird er nicht bekommen, wenn er bei ihr bleibt. Er ist ein feiner Kerl, aber ein Mensch kann nur einem begrenzten Maß an Schlechtem ausgesetzt werden, ehe es sich bei ihm einnistet, weißt du? Ich kann nicht danebenstehen und zusehen, wie das mit ihm passiert, also werde ich darum kämpfen, das Sorgerecht zu bekommen. Mein Rechtsanwalt hat gesagt, dass meine Chancen, den Prozess zu gewinnen, besser stehen würden, wenn ich verheiratet wäre …«
Izzys Schuhe fielen mit einem Knallen auf den Boden.
»Wieso wusste ich nicht, dass du einen Bruder hast? Du weißt das seit einem Jahr? Warum hast du kein Wort davon gesagt?«
»Es schien mir nicht wichtig zu sein.«
»Es schien dir nicht … Jude!« Sie riss die Augen auf und sah mich an, als hätte ich eine Todsünde begangen. »Hast du es irgendjemand anderem erzählt? Alex? Jack? Austin?«
Ich schüttelte den Kopf und zuckte mit den Achseln. »Ich finde, das ist nichts, was man mit anderen besprechen sollte.«
»Das sind deine besten Freunde, und du hast nicht gedacht, du solltest ihnen sagen, dass du einen Halbbruder hast, den du adoptieren möchtest?« Izzy stemmte die Fäuste in die Seiten und musterte mich kritisch.
Ich hasste diesen Blick.
Diese Mischung aus Überlegenheit und Missbilligung, die mich jedes Mal traf, wenn ich eine Idee hatte. Zugegeben, einige waren nicht gut gewesen und die ein oder andere hatte sogar ein schlechtes Ende genommen, aber manche waren echt toll gewesen. Wie zum Beispiel die, eine Bar zu eröffnen. Oder meinen kleinen Bruder zu adoptieren, um es ihm zu ermöglichen, ein besseres Leben zu führen. Ich würde wohl nie eine Familie gründen. Es gab da draußen einfach keine Frau, die mich interessierte. Eine Scheinehe zum Wohl meines Bruders würde mich nicht daran hindern, so zu leben, wie ich wollte, außerdem war es das Beste für ihn. Und darauf kam es an.
Ich stand auf und lief frustriert hin und her. »Ich gehöre nicht zu denen, die über so was reden. Nicht bevor es amtlich ist.«
Izzy blies die Backen auf. »Ich habe keine Ahnung, was ich dazu sagen soll, aber ich werde so tun, als hättest du das nicht von dir gegeben.«
Ich durchquerte den Raum, legte beide Hände auf ihre Schultern und schaute ihr tief in die Augen. »Weißt du, warum du die einzige Frau bist, die ich mich überhaupt traue zu fragen, ob sie so tun würde, als wäre sie meine Ehefrau? Weil du nett bist. Und klug. Und ehrgeizig. Du kommst großartig mit Jacks Kindern aus und bist ein hervorragendes Vorbild. Weil du Brennen zeigen könntest, wie eine Frau sein sollte, statt nur seine Mutter als Beispiel zu haben.«
Ich stand in meiner Unterwäsche in meinem Schlafzimmer und sah die Frau an, die ich schon fast mein ganzes Leben lang kannte, die Frau, mit der ich soeben wahnsinnig tollen Sex gehabt hatte, die Frau, der es gelang, in einer Bettdecke wunderschön auszusehen …
… und die mich nach wie vor anstarrte, als hätte ich den Verstand verloren.
Ich presste die Hände auf die Augen und stöhnte laut. »Ich hätte warten sollen und es nicht direkt nach dem Sex ansprechen dürfen.«
»Vielleicht hättest du es einfach ganz lassen sollen, Punkt.« Izzy riss ihren BH von der Lampe und warf mir einen wütenden Blick zu. »Im Moment habe ich keinen Schimmer, was ich dir sagen soll – außer Tschüs.«
Während sie meine Bettdecke immer noch fest um sich gewickelt hatte, stürmte sie ins Bad und ließ mich hinter ihr her glotzend stehen. Wie in aller Welt war das Ganze nur so aus dem Ruder gelaufen? Ich hatte geglaubt, sie würde verstehen, wie logisch mein Vorschlag war, da sie sich stets so bemühte, anderen zu helfen, also hatte ich ohne groß nachzudenken um ihre Hand angehalten.
Wenn sie Ja sagte, würde ich den Prozess gewinnen, und wir alle hatten uns am Ende ein wenig verbessert.
Warum um alles in der Welt war sie jetzt beleidigt?
Ein paar Minuten später erschien Izzy wieder in der Tür. Sie hatte ihr Kleid an und die High Heels in der Hand. Sie hatte ihren Lippenstift nachgezogen und das Haar geglättet, aber ihre braunen Augen funkelten immer noch wütend. »Nur fürs Protokoll, ich finde das, was du für deinen Bruder tun willst, nobel. Es ist bloß … Ich bin siebenundzwanzig und nie eine große Romantikerin gewesen, aber ich habe mir vorgestellt, wenn mich irgendwann mal jemand heiraten möchte, würde er das tun wollen, weil er mich liebt.« Sie schluckte schwer. »Ich habe definitiv nicht damit gerechnet, dass ich zuerst denken würde, das wäre ein Scherz.«
»Tut mir leid, Iz. Ich wollte dich wirklich nicht kränken.«
»Das glaube ich dir, aber verdammt nochmal, Jude. Du musst auch gelegentlich an andere denken.« Kopfschüttelnd verschwand sie.
Ich sollte an andere denken?
Genau das tat ich doch!
Ich hatte nie heiraten wollen. Niemals. Die Vorstellung, mich für den Rest meines Lebens an einen anderen Menschen zu ketten, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Man wusste ja nie, bei wem man endete. Meine Mom und mein Stiefvater wirkten sehr glücklich, aber wenn meine Mutter bei meinem Dad geblieben wäre, wäre mein Leben ganz anders verlaufen. Doch trotz alldem war ich bereit, die Sache durchzuziehen, nur damit mein kleiner Bruder noch eine Chance bekam. Nach dem Gespräch mit meinem Rechtsanwalt hatte ich mir reiflich überlegt, ob ich jemanden ehelichen sollte, und später dann darüber, mit wem ich eventuell so viel Zeit verbringen wollte. Und je länger ich darüber nachgedacht hatte, desto klarer war mir geworden, dass Izzy die Richtige war.
Wir waren seit Jahren befreundet, und die besten Ehen führten Menschen, die einander ehrlich mochten. Izzy war nett. Arbeitete hart. Und dass es nicht nur Spaß machte, mit ihr zusammen zu sein, sondern ich sie auch gern ansah, machte die Aussicht auf eine Einigung noch schöner.
Dachte ich jedenfalls.
»Das ist ja gerade noch mal gut gegangen, Malone«, murmelte ich, als die Haustür zuschlug. Ich wartete darauf, den Motor anspringen zu hören, dann fiel mir ein, dass wir Izzys Wagen auf dem Hotelparkplatz stehen lassen hatten. Schnell streifte ich eine Jogginghose und ein Cheers ’n’ Beers-T-Shirt über, rannte zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinunter und schnappte mir unterwegs meine Autoschlüssel.
Als ich durch die Haustür kam, saß Izzy auf den Verandastufen und starrte in der Oktoberluft zitternd auf ihre Schuhe.
»Ich fahr dich zu deinem Wagen.«
»Nicht nötig.« Sie drehte sich nicht einmal zu mir um, sondern schlang bloß die Arme um ihre Mitte und kauerte sich zusammen. »Ich habe mir ein Uber gerufen.«
»Komm schon, Iz. Das ist das Mindeste, was ich tun kann.« Ich trat vor sie und reichte ihr meine Hand. »Ich meine, selbst beim dämlichsten falschen Heiratsantrag sollte man eine Heimfahrt anbieten.«
Izzy lachte schnaubend und blickte mir in die Augen. »Ich kann nicht glauben, dass das wirklich passiert ist. Bitte sag mir, dass der Alkohol schuld war.«
Doch das war er nicht. Wenn irgendjemand meine Ehefrau spielte, sollte es Izzy sein, aber ich war klug genug, zu wissen, wann ich aufgeben musste. »Der hatte bestimmt eine Menge damit zu tun«, sagte ich, als ich ihr aufhalf. »Jetzt komm mit, und lass uns diese Nacht vergessen, ehe noch mehr danebengeht.«
Izzy
Eine Woche nach Judes absurdem Antrag parkte ich in Amelias Einfahrt. Die Abendsonne schien schräg durch die Bäume und warf ein Muster aus Licht- und Schattenstreifen aufs Gras. Als ich ausstieg und die Autotür schloss, biss der Herbstwind mir in die Haut, und die trockenen Blätter der Ahornbäume neben der Einfahrt segelten mir im Zickzack vor die Füße.
Auf der anderen Seite des Vorgartens trat Evie aus ihrem Haus, zog mit einer Hand ihren Pullover fester um sich und winkte mir mit der anderen, während sie auf mich zukam. »Dieses Wetter ist ein Schock für das Nervensystem, wenn man eine Woche in den Florida Keys gewesen ist.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte verträumt. »Im Übrigen kann ich eine große Hochzeit und Flitterwochen nur empfehlen. Obwohl man das Heiraten wohl auch lassen und einen anderen Grund finden könnte, um im Hutton Hotel abzusteigen. Das war irgendwie das Beste, was ich je gemacht habe … außer die Frau deines Bruders zu werden.«
Ich musste daran denken, wie Jude nackt um meine Hand angehalten hatte. O Gott, wenn Evie das wüsste! Alle erwarteten, dass Jack Amelia in den nächsten Tagen einen Antrag machte. Was sie wohl sagen würden, wenn sie erführen, dass wir ihnen zuvorgekommen waren?
Ich grinste meine Schwägerin an und schob diese Gedanken weit, weit von mir. Dann stiegen wir zwei die Verandastufen hinauf, und als ich die Hand nach der Klingel ausstreckte, schaute Evie mich an, als sei ich verrückt, und ging einfach ins Haus. »Amelia!«, brüllte sie. »Deine Freundinnen sind da und möchten begrüßt werden!«
Amelia spähte durch die Tür zum Wohnzimmer. »Was ist das bei euch Prescotts bloß, dass ihr immer schreiend ins Haus kommt?«
Ich zuckte die Achseln. »Das liegt daran, dass ich das bei Alex immer gemacht habe, als wir Kinder waren. Er war oft in Gedanken versunken und lebte in seiner eigenen Welt, also bin ich in sein Zimmer gestürmt und habe seinen Namen geschrien, was ihn zu Tode erschreckt hat. Er war jedes Mal so angepisst, dass ich völlig begeistert war. Aber dann hat er angefangen, es bei mir genauso zu machen, und jetzt macht sie es bei allen …« Ich zeigte mit dem Daumen auf Evie. »Es ist bei uns wohl einfach zur Gewohnheit geworden.«
Auf der geschwungenen Treppe war Fußgetrappel zu hören, und gleich darauf kamen Amelias zukünftige Stiefkinder – Garrett, Connor und ihre kleine Schwester Charlie – ins Zimmer gerannt, um uns zu begrüßen. Nach einer Reihe von Umarmungen, einem Vortrag darüber, warum Ketchup und Senf eine schreckliche Kriegsbemalung waren, und dem Versprechen, ein paar von den Cupcakes, die sie morgen backen wollten, für uns aufzubewahren, liefen sie wieder zum Spielen nach oben, während Amelia, Evie und ich in die Küche gingen.
»Ich freu mich so, dass es euch nichts ausmacht, hierherzukommen statt in die Bar zu gehen«, sagte Amelia. »Jack wollte mit seinen Kumpels abhängen, und ich wollte euch zwei sehen, und das hier ist der beste Weg, das alles hinzukriegen, weil wir immer noch kein Kindermädchen finden können, das sich traut, zu uns zu kommen. Auch wenn ich denke, dass sich das bald ändern wird«, sagte sie abschließend, kreuzte die Finger und winkte damit.
Jacks Kinder hatten zu kämpfen gehabt, als ihre Mutter gestorben war, und das hatte sich an ihrem Benehmen gezeigt. Jetzt, wo sie Amelia hatten, ging es ihnen viel besser, aber es würde wohl noch eine Weile dauern, ehe die Babysitter von Wildrose Landing bereit waren, es wieder mit ihnen zu versuchen. Im Moment war ich jedenfalls mehr als zufrieden damit, in Amelias Küche herumzulungern und nicht mit den Jungs in der Bar, da ich Jude nach wie vor aus dem Weg gehen wollte, auch in der nächsten Zukunft.
Zwischen uns hatte nicht nur die Chemie gestimmt – wie immer …
Und er war nicht nur lieb und nett gewesen – auch wie immer …
Er hatte sich sogar vorgenommen, zu heiraten, um das Sorgerecht für seinen Halbbruder zu bekommen. Wenn man dann noch sein unverschämt gutes Aussehen dazunahm, war es kein Wunder, dass ich in den Kerl verliebt war, aber mein Herz brauchte etwas Ruhe vor ihm, weil ich es einfach nicht schaffte, seinem Charme zu widerstehen. Wenn er in einen Raum geschlendert kam, lösten sich all meine Vorsätze in Luft auf, und ich war bereit, alles zu tun, was er von mir wollte.
Was hatte er bloß an sich, das mich so peinlich schwach machte, wo ich doch so hart daran arbeitete, in allen anderen Lebensbereichen stark zu sein?
»Ich freue mich, hier zu sein«, sagte ich zu Amelia. »Ich kämpfe gegen Kopfschmerzen an und glaube nicht, dass ich das laute Gewusel im Cheers ’n’ Beers aushalten könnte.«
Mit gerunzelter Stirn holte Amelia drei Weingläser aus dem Schrank. »Und ich dachte, du könntest es kaum erwarten, Jude wiederzusehen, nachdem ihr zwei euch bei dem Empfang so schöne Augen gemacht habt.«
Ich unterdrückte ein Stöhnen. So viel dazu, dass ich alles, was mit Malone zu tun hatte, meiden wollte.
»Wie bitte?« Schmunzelnd wandte Evie sich mir zu und drückte die gefalteten Hände unters Kinn. »Ist endlich was zwischen euch passiert?«
»Das kann man wohl sagen.« Lachend reihte Amelia die Gläser auf der Theke auf. »Jude und unsere liebe Izzy wurden zuletzt eng schwofend auf der Tanzfläche gesehen, und danach waren sie irgendwie nicht mehr zu finden. Als hätte jemand einen Zauberstab geschwungen und sie verschwinden lassen. Der einzige Beweis dafür, dass sie überhaupt da waren, war Izzys Wagen, der ganz allein auf dem Parkplatz stand, nachdem alle gegangen waren.«
Evies Schmunzeln wurde zu einem Strahlen. »Wie kommt es, dass ich nichts davon weiß?«
Ich wollte nicht über Jude reden. Was war der beste Weg, eine Frischverheiratete dazu zu bringen, das Thema zu wechseln? Ich durchforstete mein Hirn nach Ideen und sagte das Erste, was mir in den Sinn kam. »Ähm … du warst meistens damit beschäftigt, meinen Bruder so glücklich zu machen, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Und da wir gerade davon sprechen, erzähl doch mal von euren Flitterwochen. Warum war der Aufenthalt im Hutton Hotel das Schönste, was du je erlebt hast?«
So. Das sollte reichen.
»O nein. Das willst du nicht hören.« Evie kicherte in sich hinein. »Dann würdest du wesentlich mehr über den Körperbau deines Bruders erfahren, als dir lieb ist. Glaub mir. Denn wir waren sehr oft nackt. Also sehr, sehr oft.«
Abwehrend hob ich die Hände. »Okay, schon gut. Ich habe verstanden.«
Amelia griff mit einer Hand nach einer Flasche Rotwein, mit der anderen nach einer mit Weißwein und streckte uns beide entgegen, damit wir eine auswählten. Evie entschied sich für den Rotwein, während ich den Kopf schüttelte. »Ich glaube, ich verzichte heute Abend auf Alkohol. Im Moment sind die Kopfschmerzen auszuhalten. Wein wird sie nur schlimmer machen.«
»Da bist du bei mir ja goldrichtig.« Amelia füllte ein Glas mit Wasser und schob es mir zu, dann zog sie eine Rollerflasche mit Aromaöl aus der Tasche. »Das hier ist eine Mischung aus Pfefferminz, Eukalyptus, Rosmarin und Lavendel. Tupf dir einfach etwas davon auf die Schläfen und vielleicht auf den Nacken, das sollte gegen die Spannungen helfen.«
Vor einem Jahr hätte ich bei dem Vorschlag die Augen verdreht, aber nachdem ich Amelia kennengelernt und einige Zeit in ihrem Geschäft verbracht hatte – dem Hokuspokus-Himmel –, hatte ich herausgefunden, dass eine ganze Menge von diesem Zeug tatsächlich funktionierte. Daher trug ich das Öl wie angewiesen auf und gab die Flasche dann zurück.
»Da wir gerade vom Heiraten reden, was glaubst du, wann wird Jack dich fragen?« Ich lächelte triumphierend, denn jetzt hatte ich es. Das Thema, das alle anderen toppte.
Amelias Gesicht verzog sich zu einem so wunderschönen Lächeln, dass ich ihr am liebsten selbst einen Antrag gemacht hätte. »Ich glaube, er hat es vor. Ich meine, kommt schon. Würde Jack sich mit jemandem ein Haus kaufen, mit dem er nicht für immer zusammenbleiben will?« Sie stützte sich auf die Theke und seufzte verträumt. »Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, wie er es macht. Was er sich auch ausdenkt, es wird sicher perfekt sein. Genau wie er.«
Ich verdrehte die Augen, weil mir schlecht wurde. Frisch Verliebte machten sich so ekelhaft süße Komplimente, dass ich sie ohne Weiteres neben den Geleebohnen im Sweet Stuff, meinem Bonbonladen in der Main Street, zum Kauf anbieten könnte. Als ich mich Hilfe suchend zu Evie umdrehte, sah sie genauso verträumt aus wie Amelia, also lehnte ich mich aufstöhnend an den Tresen. »Ach du meine Güte. Ich bin die einzige Vernünftige hier.«
»Eigentlich bist du nur die einzige Alleinstehende hier.« Evie lachte und nahm einen großen Schluck Wein.
»Aber vielleicht nicht mehr lange.« Amelia wackelte mit den Augenbrauen. »Ich wünschte, du hättest mitbekommen, wie sie ausgesehen hat, als sie bei eurer Hochzeit mit Jude getanzt hat. Es war magisch.« Sie hob die Hände und tat so, als würde sie Feenstaub verstreuen.
»Mädels, zwischen mir und Jude ist nichts«, sagte ich hitziger als beabsichtigt. Dann schloss ich die Augen und stieß einen langen Seufzer aus.
Tief durchatmen, Izzy. Wenn du willst, dass sie das Thema fallen lassen, musst du aufhören, dich so zu benehmen, als gäbe es einen Grund für ihr Interesse.
»Oha. Ist etwas schiefgelaufen?« Amelia beugte sich vor. »Sag mir nicht, dass Jude schlecht im Bett ist.«
Ich schüttelte den Kopf und öffnete den Mund, um ihr zu sagen, dass ich ja wohl nicht wissen könne, wie er im Bett sei, doch dann klappte ich den Mund wieder zu und saugte die Lippen ein. Ich war eine total schlechte Lügnerin, deshalb hielt ich mich lieber zurück.
»O nein.« Evie nahm noch einen Schluck Wein und setzte ihr Glas auf dem Tresen ab. »Da ist wirklich etwas schiefgegangen.«
»Sagen wir einfach, Jude hat mich an dem besagten Abend nur angebaggert, weil er auf etwas anderes aus war.«
Meine Freundinnen schnappten nach Luft. Schnell hielt Evie sich den Mund zu, während Amelia eine Hand auf ihr Herz legte und »Nein …« flüsterte.
»Jude?« Evie runzelte die Stirn. »Ich meine, ich sehe ja, dass er seine Attraktivität bei anderen Frauen als Waffe einsetzt, aber bei dir? Ihr zwei kennt euch doch schon ewig, oder? Und er ist Alex’ bester Freund. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er nicht nett zu dir war.«
Ich fragte mich, ob sie das genauso sehen würde, wenn sie wüsste, was zwischen uns vorgefallen war, als ich noch zur Highschool ging. Eine nächtelange Unterhaltung hatte zu einem Kuss geführt. Meinem ersten. Nach dem wir dann in meinem Bett gelandet waren, wo Judes Hand über meinen Bauch gewandert war, während ich nach Luft rang und innerlich verbrannte. Doch in dem Moment, als mir klar wurde, dass ich überhaupt nichts dagegen hatte, mit ihm zu schlafen, ließ er mich im Stich und stammelte etwas über seine Freundschaft mit Alex, die zu wichtig sei, um sie zu zerstören. Die Sache mit der Scheinehe ähnelte dieser Situation so sehr, dass ich mich zweimal für dumm verkauft fühlte. Bei Jude war ich einfach zu schnell bereit, mit ihm ins Bett zu gehen, und es war zu wahrscheinlich, dass er mir das Herz brach. Wenn ich schlau war, hielt ich mich eine Weile von ihm fern. Am besten so lange wie möglich.
Trotzdem konnte ich den Gedanken an seinen Halbbruder nicht mehr loswerden. Ich hasste die Vorstellung, dass irgendjemand in einem problematischen Elternhaus aufwachsen musste. Falls ich etwas tun konnte, um zu helfen, sollte ich eventuell noch einmal nachdenken …
»Also hast du …« Evie legte den Kopf schief.
Amelia biss sich auf die Unterlippe. »Hast du …«
Dem Himmel sei Dank für meine neugierigen Freundinnen, die diesen Gedankengang unterbrachen. Zog ich es allen Ernstes in Betracht, den Kerl, den ich schon mein Leben lang liebte, zum Schein zu heiraten?
Ich holte tief Luft, schob die Überlegung in meinem Kopf nach ganz hinten und konzentrierte mich wieder auf meine Mädels. »Ja, ich habe mit Jude geschlafen. Und es war großartig, okay? Er hat alle Erwartungen, die er mit seinem unwiderstehlichen Lächeln und diesem Aufreißer-Gang weckt, erfüllt. Er kannte sich mit meinem Körper aus, als wäre er für ihn gemacht.«
»Vielleicht ist es ja auch so. Das Universum vertut sich nie.« Amelia betrachtete mich mit einem Lächeln, das mir verriet, dass sie jeden Augenblick eine Liste von Zeichen aufzählen würde, die bewiesen, dass mein Höheres Selbst das Ganze geplant hatte.
»Nein, ich bin ganz bestimmt nicht für Jude Malone gemacht worden.« Mit einem Finger malte ich im Kondenswasser an meinem Glas herum. »So gut er auch im Bett war, am Ende hat er bewiesen, dass er noch viel besser darin ist, sich unmöglich zu benehmen.«
Hoffentlich war das Thema damit erledigt. Vielleicht reichte das. Vielleicht konnte die Unterhaltung nun weitergehen und wir über irgendetwas anderes reden.
»Ich will damit ja bloß sagen«, meinte Amelia und zuckte unbeeindruckt die Achseln, »dass eure Geschichte noch nicht zu Ende sein könnte. Also, wenn du mir weismachen möchtest, es wäre kein Zeichen, dass ihr zwei bei der Hochzeit deines Bruders zusammengekommen seid, lache ich mich schlapp.«
»Dann mach das ruhig, denn ich habe weit und breit kein Zeichen entdeckt – nur eine Stimme gehört, die mir sagte: Hey, Izzy! Du hast einen großen Fehler gemacht, als du mit diesem Kerl geschlafen hast.«