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„Was machst du hier draußen?“, fragte mich eine so vertraute Stimme, die mir ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. „Ich denke nach.“, sagte ich schlicht und merkte, wie sie sich hinter mich setzte und ihre Arme um mich legte. „Willst du mir sagen worüber du, hier alleine im Mondschein, nachdenkst?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht?! Wenn du mir sagst was dich die ganze Zeit beschäftigt?“ Jodi und Alex haben eine gemeinsame Vergangenheit, aber nur eine von beiden erinnert sich daran. In einer Reise durch die Vergangenheit, versuchen sie immer wieder sich gegenseitig zu beschützen. Finden sie einen Weg hinaus aus den Schatten ihrer Vergangenheit?
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Seitenzahl: 440
Veröffentlichungsjahr: 2022
Redblood in einem anderen Leben
Redblood
Jodi & Alex
Jodi & Alex
Tracy Bossa
© 2022 Tracy Bossa
Cover erstellt von BMonkey
Buchsatz von tredition, erstellt mit dem tredition Designer
ISBN Softcover: 978-3-347-61375-1
ISBN Hardcover: 978-3-347-61376-8
ISBN E-Book: 978-3-347-61377-5
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Cover
Halbe Titelseite
Titelblatt
Urheberrechte
Es ist der Anfang
Verwirrt
Alexs Sicht der Dinge
Erdbeben?
Das Leuchten des Kristalls
Der erste Weg zur Antwort
Vertrauen
Entscheidungen
Ein wenig Normalität
Starrsinn
Die Entscheidung ist gefallen
Redblood erwacht
Klärungsbedarf
Unerwartete Dinge
Aura
Ein Wiedersehen?
Offenbarung
Vorteile
Spiegel
Der Brief
Unter Strom
Rachsucht
Was ich tun musste…
Wo bist du?
Du bist hier?
Gefunden
Wahrheit
Das Telefonat
Komm mit mir zurück
Der Aufstand
Urlaub?
Roadtrip
Keine Wahl
Anwesen
Schnee
Hoffnung auf ein Wiedersehen …
Epilog
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Titelblatt
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Es ist der Anfang
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Es ist der Anfang
„Bald bin ich Zuhause“, hallte der Gedanke durch meinen Kopf. Die alte Pferdekutsche, in der ich saß, schlitterte über den vereisten Boden. Es schneite und die Kälte kroch immer mehr durch die Öffnungen ins Innere. Die Hände reibend, drehte sich in meinem Kopf alles um die Botschaft, die ich erhalten hatte. Hätte mich der Brief nicht erreicht, wäre ich in diesem Winter nicht in mein Elternhaus zurückgekehrt. Meine Hand in die Manteltasche steckend, fühlte ich den Zettel an meinen Fingerspitzen. Einige Zeit spielte ich mir dem Brief herum, ehe ich ihn erneut aufklappte. „Du musst kommen, etwas ist geschehen!“ Meine Finger glitten über die Buchstaben bis hin zu dem Siegel oben auf dem Blatt. Wäre auf dem Briefpapier nicht das Siegel meiner Familie, hätte ich die Nachricht nicht erkannt. Kein Gruß, keine Unterschrift, nur diese Zeilen. Mein ganzer Körper begann zu kribbeln, bei den Erinnerungen an meine Kindheit.
Als ich damals überstürzt aufbrach mit dem Schwur, niemals zurückzukehren, hatte ich alles an Familie verlassen, was ich kannte. Niemals wollte ich wieder die Schwelle dieses Haus übertreten und machte mich eines Nachts auf den Weg in die Großstadt. Meine Gedanken schweiften ab und kreisten um meine nie gewollte Rückkehr. Mein Blick glitt nach draußen, die Bäume lichteten sich langsam und einige zeit später, konnte ich es sehen. Auf einer Anhöhe prangte sie wie ein Mahnmal, eine weiße beachtliche Villa. Der angrenzende Garten sah früher wunderschön aus, überall Blumen und Bäume, die die Villa mit Bunten Farben umspielten. Hier hatte ich die meiste Zeit meiner Kindheit verbracht. Unsicherheit machte sich in mir breit und stieg, bis die Kutsche auf dem Anwesen hielt und ich ausstieg. Die Kutsche machte sich weiter auf die Reise und ließ mich allein zurück. Mein Blick heftete sich an die Kutsche, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwand. Die Augen schließend, sammelte ich all meine Beherrschung, um mich meiner Familie zu stellen. Ich lief die Treppe zur Haupttür empor und erstarrte. In diesem Moment wurde mir klar, dass es im ganzen Anwesen viel zu ruhig war. Etwas stimmte hier nicht. Als ich damals hier fortging, war immer reges Treiben auf dem Anwesen gewesen. Kinder spielten im Garten und die Frauen und Männer waren immer unterwegs, um alles in Ordnung zu bringen und ihrer Arbeit nach zu gehen. Langsam drehte ich mich um mich selbst, um mir einen Überblick zu verschaffen. Mein Magen verkrampfte sich, als ich verstand, dass hier niemand war. Keiner lief über das Anwesen, niemand spielte im Garten, die Fensterläden waren geschlossen.
„Hallo?“ Rief ich über den Hof und lief weiter die Treppe hinauf zur Villa. Niemand antwortete, alles blieb still. Ich ging zur Tür und versuchte den Türklopfer zu benutzen, dieser wurde seit Tagen nicht benutzt, eine dicke Eisschicht hatte sich darüber gelegt. Ich klopfte gegen das Holz und wartete auf eine Reaktion, doch es war nichts zu hören. Ich griff nach dem Türknauf und versuchte, sie zu öffnen, sie war festgefroren. Aufbrausend blickte ich mich erneut um. „Was soll ich hier?“, sagte ich zu mir selbst und ließ mich mit meinem Gewicht gegen die Tür fallen. Sie bewegte sich ein Stück und ich versuchte sie aufzudrücken. Es dauerte mehrere Minuten, bis die Tür einen Spalt geöffnet war, sodass ich mit meinen Fuß über die Schwelle meines Elternhauses trat. Meine Augen mussten sich erst an die Dunkelheit im Haus gewöhnen. Einen Fuß vor den anderen setzend machte ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer. Es war dunkel fast schwarz vor Augen, so waren die Räume nur zu erahnen. Ich fand ein Fenster und schaffte, dieses zu öffnen. Geblendet vom einfallenden Licht, blinzelte ich und drehte mich wieder zum Zimmer um. Es legte sich ein beklemmendes Gefühl in meinen Magen. Mein Blick durch den Raum schweifend, wurde diese Empfindung immer intensiver. Die Möbel waren abgedeckt, die Feuer im Kamin waren erloschen, sie schienen einfach ausgebrannt zu sein. Mit den Fingern fuhr ich über die Staubschicht, die sich auf dem Kamin abgelegt hatte. Mit ihm in meinen Fingern spielend lief ich weiter ins nächste Zimmer. Ich ging ins Esszimmer, das am Wohnzimmer angrenzte. Öffnete hier ein Fenster, um zu sehen, das der Tisch eingedeckt ist als ob gleich alle beieinander sitzen und essen würden. Das Einzige, was nicht stimmte, war das Spinnennetz, das sich über das Geschirr zog. Wie lange war hier schon keiner mehr? Wo sind sie alle? Dachte ich, es sah nicht so aus, als wäre in letzter Zeit jemand hier gewesen. Diese Stille war kaum zu ertragen, keine Schritte, keine Musik, kein Gelächter, einfach eine schneidende beängstigende Stille.
„Hallo“, rief ich in die Kälte des Hauses, doch es kam keine Antwort. Nicht das ich eine erwartet hätte, so wie es hier aussah. Ich ging zur Treppe und stieg die Stufen langsam hinauf. Das Fenster, das es auf dem Weg gab, war zugenagelt worden. Ich ging weiter nach oben und lauschte, doch auch hier war es Toten still. Ich ging nach links zu meinem ehemaligen Zimmer. Schon vor der Tür stieg mir ein komischer Geruch in die Nase. Als die Tür sich öffnete, betrat ich schnell den Raum in Richtung des Fensters. Licht und Luft durchfluteten den Raum, als ich es schaffte, das Fenster zu öffnen. Ich atmete kurz die frische Luft ein und betrachtete den Ausblick. Es war malerisch mit all dem Schnee auf den Bäumen und in den Bergen, die am Horizont zu sehen waren. Ich saugte das Bild in mich auf, ehe ich mich wieder in den Raum drehte. Hier wurde nichts abgedeckt, alles lag noch genauso, wie ich es damals verlassen hatte, meine Bücher lagen auf dem Tisch. Mein Bett war gemacht. Meine Fingerspitzen fuhren über die Möbel, die alle mit kleinen Schnitzereien verziert waren. Ich Male die Schnörkel nach und sah mir alles genau an. Meine Schmuckschachtel lag neben meiner Bürste. Merkwürdig ich hatte sie doch damals mitgenommen, da bin ich mir sehr sicher. Dachte ich kurz darüber nach. Verwirrt lief ich aus dem Zimmer und ging weiter zum Zimmer meiner Schwester. Als ich die Tür öffnete, war alles schwarz, es war gar nichts Zusehen. Es roch anders in diesem Raum als im Rest des Hauses, irgendwie nach Rauch. Die Arme nach vorn ausgestreckt, um nicht gegen etwas zu laufen, versuchte ich das Fenster zu erreichen. Nach ein paar Minuten kam ich am Fenster an, es war ein Brett vor genagelt, doch mit etwas Geduld und viel ziehen und zerren gab es nach und ich konnte das Fenster öffnen. Abwartend bis meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah ich auf meine Hände, sie waren schwarz. Ich drehte mich langsam um, doch als ich das Zimmer sah, wusste ich, was der Geruch und meine schwarzen Hände zu bedeuten hatten. Mir stockte der Atem, mein Mund blieb offen stehen, als meine Augen durch das Zimmer wanderten und versuchten, zu erfassen, was ich hier gerade sah. Der Kleiderschrank war zerfallen und die Türen verschwunden, das Himmelbett war, nicht mehr zu erkennen, lediglich der obere Rahmen lag auf dem Boden in einem Haufen Asche. Es hatte gebrannt, das Zimmer meiner Schwester war fast komplett ausgebrannt. Ich ging zum Kamin, doch dieser war noch intakt genauso wie der Boden davor, dieser war nicht der Auslöser des Feuers gewesen. Mein Magen zog sich immer mehr zusammen und mein Herz fing an zu rasen. Was zum Teufel ist hier passiert, wo ist meine Familie? Ein kleiner Anflug von Panik machte sich in mir breit. Ich rannte aus dem Zimmer und ging durch jedes Zimmer, meiner Familie öffnete die Fenster und sah nach, ob jemand hier war. Nur eins war noch übrig das Schlafzimmer meiner Eltern, ich öffnete es langsam, doch was ich hier sah, hätte ich im Leben nicht erwartet. Bei dem Anblick wurde mir schlecht, die Fenster standen offen, man konnte sehen, dass hier etwas Grauenhaftes geschehen war. Ich starrte auf das Bett, danach an die Wände und auf den Boden.
Alles war voll mit Blut, es gab Spritzer an der Wand, an der Decke, auf dem Bett und am Boden gab es eine große Blutlache. Das war so viel Blut, ich wusste gar nicht, das Menschen so viel Blut in sich hatten. Ich taumelte rückwärts aus dem Zimmer, mir war so schwindlig. Ich wollte einfach nur hier raus, als ich in Gedanken versunken durch den Flur rannte und an der Treppe ankam, fiel mir eine Gestallt auf, die gerade die Treppe unten verlassen hatte. Ich rief ihr nach „Hey, warte!! Ich habe dich gesehen ich weiß das du da bist!“, ohne nachzudenken, hechtete ich die Treppe runter, schlitterte dabei einige Stufen hinab und konnte mich gerade noch am Geländer festhalten. „Bitte, Warte!! Kannst du mir sagen was hier passiert ist?“ Als ich unten ankam, war von der Gestallt nichts mehr zu sehen. Hatte ich sie mir nur eingebildet? Da polterte es in der Küche, mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich vorsichtig die Tür zur Küche öffnete. Da Stand sie, eine Frau in einem weißen langen Kleid. Als sich unsere Augen trafen, konnte ich smaragdgrüne Augen sehen. Ich musterte sie und brachte kein Wort heraus. Ein länglich schmales Gesicht mit grünen Augen und leicht geöffneten vollen Lippen starrte mich an. Sie hatte lange braune Haare, die sie zum Teil geflochten hatte, der Rest lag offen auf ihren Schultern. Unfähig etwas zu sagen, starrte ich sie einfach an, bis sie sich etwas bewegte. Doch sie sagte nicht ein Wort, sondern erwiderte meinen Blick. „Du hast mich ziemlich erschreckt.“, brachte ich endlich die Worte über meine Lippen, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Ich sah, dass sie mich ganz genau beobachtete, also blieb ich genau da stehen, wo ich war. „Kannst du mir sagen wer du bist?“, Versuchte ich sie zum Reden zu bewegen, doch ich bekam keine Antwort. „Verstehst du mich?“ In Erwartung auch jetzt keine Reaktion zu erhalten nickte sie. Das brachte mich zum Lächeln. „Ok, also meine Familie lebte hier. Meine Schwester hat mir geschrieben das ich nach Hause kommen soll, doch niemand ist hier außer du.“, plapperte ich, ohne Luft zu holen, bis meine Stimme versagte. Ich atmete einige Male ruhig ein und aus, ehe ich weiter sprach. „Ich heiße Jodi. Nennst du mir deinen Namen?“ Ich sah sie hoffnungsvoll an. Sie brach kurz unseren Blickkontakt, atmete tief durch, sah mir dann wieder in die Augen und sagte „Alex“.
In dem Moment öffnete ich meine Augen und sah an die Decke.
Verwirrt
Schwer atmend schreckte ich hoch und blickte mich um. Als ich meine Wohnung wieder erkannte, verstand ich, dass es nur ein Traum gewesen war. Ich setzte mich auf den Rand meines Bettes und legte meinen Kopf in meine Hände. Meine Augen schließend, tauchten sofort diese langen braunen Haare wieder auf. Der Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es sehr früh am Morgen war. Um klare Gedanken zu bekommen, stand ich auf um unter die Dusche zu gehen. Die Geschehnisse aus meinem Traum rasten durch meine Gedanken. Ihre Augen zogen mich immer wieder zu ihr zurück. Ich stellte die Dusche auf kalt, ich musste einen klaren Kopf bekommen und nicht an jemanden denken, den ich nicht kannte. Erfrischt stieg ich aus der Dusche und betrachtete mich im Spiegel, bis ich wieder ihr Gesicht sah. Kopfschüttelnd lief ich zu meinem Kleiderschrank und holte eine schwarze Lederhose, ein blaues Shirt und meine schwarzen Stiefel heraus.
Meine Wohnung war nicht sehr groß, aber für mich war genug Platz. Ich ging in die Küche, um mir einen Tee zumachen. Aus Routine schalte ich den Fernseher ein, um meine Gedanken auf etwas zu richten, das mich in der Gegenwart hielt. Bald schon hielt ich es in meiner Wohnung nicht mehr aus, ich fühlte mich schnell eingesperrt. Nahm meine Schlüssel und meine Tasche in die Hand und verließ meine Wohnung. Ich stieg in mein Auto und fuhr zur Uni. In der Uni angekommen, ging ich ins Dozentenzimmer, um meine neue Studentenliste zu bekommen. Als ich diese in den Händen hielt, machte ich mich auf den Weg zum Kunstsaal. Nach und nach trafen weitere Dozenten ein, sie grüßten mich, aber wirklich nahe standen wir uns nicht. Ich sah aus dem Zimmer des Kunstsaals, in Richtung des Uniparks und verfiel in einen Tagtraum. Ich musste wieder an diesen Traum denken, ging jedes Detail nochmal durch und dachte an diese Frau. An diese Augen, diese Lippen und dieses lange weiße Kleid. Ich blickte durchs Fenster, auf den grünen Innenhof der Uni. Einige Menschen waren bereits auf den Campus, heute würde es nur ein Kennenlernen der Studenten geben. Zeit für ihre Fragen, ihre wünsche an den Kurs und meine Vorstellung der Ziele für Ende des Jahres. Ich ging meinen Plan für das Semester in Gedanken durch, bis mein Blick plötzlich stockte und ich erschauderte. Das kann nicht sein, ich hatte es geträumt. Ich rieb mir die Augen ungläubig, was ich da sah. Dort stand sie, im Park und schaute sich die Gebäude an. Mein Magen zog sich zusammen, ich wollte meinen Blick abwenden, aber er blieb einfach an ihr kleben. So sehr ich auch wollte, konnte ich mich nicht dazu zwingen, meinen Blick zu lösen. Es war wie ein Bann, in dem ich gefangen war und nicht entfliehen konnte. Als ob sie es bemerkte, sah sie mich plötzlich an und mir stockte der Atem. Sie sah mir direkt in die Augen, musterte mich von oben bis unten und als sie ihren Blick langsam wieder nach oben gleiten lies, blieb ihr Blick an meinen blauen Augen hängen. Ich sah ihr tief in die Augen, nachdem ich mir ihren Körper ganz bewusst angeschaut hatte. Heute trug sie kein Kleid, sondern eine schwarze Hose und dazu ein sehr tief ausgeschnittenes rotes Shirt. Ihre Haare waren oben geflochten und zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Sie stand einfach nur da und starrte mich an. Ich konnte nichts anderes machen, als zurück zu starren. Nach einer Weile hob ich meinen Arm, um ihr zu winken. Warum ich das machte, wusste ich nicht, da sie eine Unbekannte für mich war. Als ich gerade winkte, wandte sie sich einfach ab und ging in Richtung des Hauptgebäudes der Uni, das auf der anderen Seite des Campus lag davon. Ich stand noch mit gehobenen Arm da und schaute ihr nach. Ich nahm meinen Arm herunter und hing den Fragen in meinem Kopf nach.
„Warum hatte sie nicht reagiert? Warum hatte ich von ihr geträumt?“ Ich sah ihr nach, bis sie hinter einer Hecke verschwand. Eine Weile starrte ich noch auf die Stelle, hinter der sie verschwunden war, und fühlte mich plötzlich allein. Ich kannte dieses Gefühl nicht, ich war immer lieber für mich gewesen, doch mit der Frau stimmte etwas nicht. Ich begann zu schmunzeln, viele Bekannte aus meiner Schulzeit würden über mich genau dasselbe sagen. Ich tat mich schwer Freunde zu finden, ich schaffte es selten, mich interessant zu machen und mich mit anderen zu unterhalten. Das Einzige, was ich gut konnte, war Unterrichten. Mich mit den Studenten zu beschäftigen in der Hoffnung das sie aus meinem Kurs etwas mitnahmen, reichte mir als Anerkennung. Der erste Tag zeigte mir, mit was für Persönlichkeiten ich im kommenden Jahr zu tun hatte. In diesem Jahr lief es entspannter als erwartet. Bis Mittag hatten wir alle Fragen geklärt und ich konnte die Studenten in ihren freien Nachmittag entlassen. Ich packte meine Sachen zusammen und blickte dabei immer wieder aus dem Fenster, an die Stelle, wo sie verschwunden war, Alex. Der Name kam mir plötzlich wieder ins Gedächtnis. Ich nahm meine Tasche und ging zur Tür, in Gedanken versunken merkte ich erst jetzt, dass ich nicht alleine war. Im hinteren Teil stand eine Frau, die ich nicht kannte. Ich musterte sie von ihren blonden hochgesteckten Haaren über ihr schwarzes Kleid, das bis zum Boden reichte, der vordere Teil wurde mit schnüren zusammengehalten. Es war ärmellos und doch passte es irgendwie nicht zur neusten Mode. „Entschuldigung, kann ich ihnen helfen?“, fragte ich die Frau in der Ferne, doch sie antwortete nicht. Langsam ging ich auf sie zu „Miss, ich möchte nicht unhöflich sein aber der Kurs ist für heute vorbei.“ Ich stand fast vor ihr, als ich meine Tasche fallen ließ, denn ich starrte in mein eigenes Gesicht. Sie sah mich an, sagte aber kein Wort. Ich stand wie versteinert vor ihr, vor mir, ich begann zu blinzeln und dann war sie weg. Ich war allein, ich sah durch den Raum. „Wo war sie hin?“
„Jetzt bilde ich mir schon Menschen ein. War ich doch so einsam?“ Ich hob meine Tasche auf und verließ fluchtartig den Raum. Betrat den Flur auf den Weg in den Campusgarten. „Vorsicht! Miss Calla, Stop!“, rief mir ein anderer jemand hinterher, Ben Kasra. Ich sah auf und erkannte, dass ich fast, gegen eine Statue gelaufen wäre, die hier sonst nicht stand. Es war eine aus Stein gemeißelte Frau. Ich drehte mich um, „Danke Mister Kasra, ich hätte schwören können das die da heute morgen noch nicht stand.“ Mister Kasra war der Dozent für Wirtschaft und Mathematik an der Uni. Er trug immer ein Hemd mit Anzugshose und hatte schwarze Haare, die er sich zur Seite kämmte. Er kam auf mich zu „Da haben sie durchaus recht, die Statuen wurden erst heute geliefert, ich dachte das Sie es wüssten, Sie gehören doch zum Fachbereich Kunst oder etwa nicht?“ Ich sah ihn genervt an, er wusste, dass ich dem Fachbereich Kunst unterstand, es bei mir jedoch um Kreatives schreiben im Kurs ging. „Ja sicher, jedoch kümmere ich mich nicht um alle belange im Fachbereich Mister Kasra.“, antwortete ich und drehte mich wieder weg, um ihn stehen zu lassen. „Wollen Sie mich hier einfach so zurück lassen?“ Stumm drehte ich mich zu ihm zurück und sah ihn fragend an. „Ich dachte wir gehen mal was essen oder so?“, brachte er mit hochgezogenen Augenbrauen heraus. „Nein, entschuldige ich vermische Berufliches und Privates nicht miteinander.“ Drehte mich nun endgültig um und verließ das Gebäude. Als die Tür hinter mir zu fiel und ich endlich an der frischen Luft war, konnte ich durchatmen. Da es erst Mittag war, entschied ich mich noch auf dem Campus zu bleiben, um auf einem der Parkbänke etwas zu lesen und die Sonne zu genießen. Ich hatte mein Buch zwar in der Hand, schaffte jedoch keine einzelne Seite. Meine Gedanken kreisten nur um Sie.
Ich bemerkte erst wie lange ich dort saß, als der Regen auf meine Hand fiel. Mein Blick hob sich in den Himmel, der sich verdunkelt hatte. Die Wolken waren in verschiedene lila Tönen gefärbt. Mir lief ein Schauer über den Rücken, das hatte ich noch nie gesehen. Ich betrachtete die Wolken und der Regen tropfte in mein Gesicht. Das Buch, in meine Tasche legend, machte ich mich auf den Weg zu meinem Wagen. Das Wetter schlug schlagartig um, solch einen Regen hatte ich noch nie erlebt, noch bevor ich am Wagen ankam, war ich komplett durchnässt. Es donnerte und Blitze durchzuckten den Himmel. „Wie konnte es so schnell so gewaltig werden?“, dachte ich und rannte mittlerweile zu meinen Wagen, als ich plötzlich zurückgestoßen wurde. In dem Moment schlug direkt vor mir ein Blitz in den Boden. Ich sah geschockt auf die Stelle, ungläubig das dieser mich getroffen hätte, wäre ich nicht umgerissen worden. Ich sah verwirrt umher, was mich gerettet hatte. Neben mir lag eine Frau auf dem Boden. Sie stand auf, sah mich an und sagte „Du solltest wirklich besser aufpassen! Es Gewittert und du rennst durch einen Park!“ Fassungslos starrte ich die Frau über mir an und wischte mir den Regen von den Augen. Ihre grünen Augen starrten mich an und der regen hatte ihre langen braunen Haare bereits durchnässt. Unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, starrte ich sie an. Sie hatte mich berührt, sie war real. In ihrem Gesicht konnte ich ihren Ärger deutlich sehen. Ihre Hand berührte mich am Arm und zog mich zurück ins Unigebäude. Das Gefühl von Vertrautheit machte sich in mir breit, als ich ihr folgte. Sie hatte einen sehr festen Griff, mein Arm begann zu schmerzen, doch mir war es egal. Ich war damit, beschäftigt ihre Berührung zu spüren und ihr Äußeres in mich aufzunehmen. Ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden. Sie zog mich in den Eingangsbereich des Hauptgebäudes. Als wir durch die Tür waren, ließ sie mich los. Ich richtete meinen Blick auf die Stelle, die sie berührt hatte, sie brannte irgendwie und fühlte sich gleichzeitig leer an. Sie fuhr sich mit den Händen durch ihre nassen Haare und sah zu mir. „Warum gehst du bei diesem Wetter überhaupt nach draußen? Weißt du nicht das es Gefährlich ist?“, fragte sie mich ziemlich aufgebracht. Ich versuchte, etwas zu sagen, doch meine Stimme versagte. Tief durchatmend brachte ich das Wort „Auto“ heraus. Wütend über mich selbst stand ich da und berührte meinen Arm.
„Du wolltest bei dem Wetter mit deinem Wagen fahren?“, fragte sie mich erstaunt. Ich blickte nur stumm zurück, sie schnaubte und drehte sich von mir weg. Ich wischte mir das Wasser aus dem Gesicht und sammelte mich für meinen ersten Satz. „Danke, für Ihre Hilfe gerade.“ Sie schnellte überrascht zurück zu mir. „Ich war mir nicht sicher ob du unter Schock stehst, Jodi.“ Ich wich einen Schritt zurück, woher kannte sie meinen Namen? Sie schien mein Unbehagen zu bemerken und reichte mir ihre Hand, „Alex Naledi“. Ich sah sie irritiert an, ergriff ihre Hand und spürte, wie alles um mich herum sich zu drehen begann und mir schwarz vor Augen wurde.
Als ich meine Augen aufschlug, sah ich in ihre Augen. Zuletzt hatte sie mir ihren Namen genannt. Ich sah auf ihr Kleid, es hatte rote Flecken, aus Blut.
„Geht es dir gut? Bist du verletzt?“, fragte ich sie und ging ein paar Schritte auf sie zu, doch sie wich zurück. Ich blieb stehen und zeigte auf ihren Arm, „Du hast da Blut am Kleid.“ Ich hob die Hände, um sie in Sicherheit zu wiegen. Sie sah kurz auf ihren Arm und musterte mich danach. Sie machte mich nervös, so das ich mein Herz schlagen hörte. Sie nicht aus den Augen lassend nannte ich ihr meinen Namen und versuchte, ihr zu erklären, dass dies mein Elternhaus war. Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen, als ich über meine Familie sprach und brachte mich ins Stocken. „Die Menschen die hier gelebt haben, waren nicht deine Familie!“, sagte sie in einem kalten Ton. Verwirrt sah ich sie an und schüttelte den Kopf. Ich war bereit etwas darauf zu erwidern.
„Das waren nur Menschen, die auf dich aufpassen sollten.“ Ich stand wie versteinert da und glaubte ihr kein Wort.
„Was meinst du damit? Ich bin hier aufgewachsen mit meinen Eltern und meinen Schwestern. Meine Schwester hat mir einen Brief geschrieben das ich Heim kommen soll.“ Sie unterbrach mich. „Der Brief ist von mir, der Zirkel hat mich hierher geschickt um dich zu holen, aber du warst nicht hier, deshalb der Brief. Ich fand nur die leeren Körper dieser Menschen, sie wurden begraben.“, sagte sie mir gefühllos ins Gesicht. Ich musste mich an der Tür festhalten. „Das stimmt nicht, ich weiß es genau, ich kann mich an Sie erinnern seit meiner Kindheit. Wer verdammt bist du und was machst du in meinem Haus?“ Schmetterte ich ihr boshaft entgegen. Sie bewegte sich auf mich zu, doch ich trat einen Schritt zurück.
„Ich wollte dir keine Angst machen das tut mir leid, aber wir müssen hier weg. Du musst jetzt mitkommen es ist zu deinem Besten!“, sagte sie, doch ich drehte mich fluchtartig um und rannte davon. Ich wollte die Treppe erreichen, doch plötzlich wurde es schwarz um mich.
„Jodi?, Jodi?“
Schlagartig wurde ich in die Gegenwart gerissen und blickte in grüne Augen. Sie sah besorgt aus „Geht es dir gut?“, fragte sie mich, ich nickte und versuchte, mich aufzusetzen. Als ich mich bewegte wurde mir klar, dass ich in ihren Armen lag, sie hatte mich aufgefangen. In dem Bewusstsein was geschehen war, wurde ich rot. Sie hielt mich immer noch in ihren festen Armen und sah auf mich hinunter. Mir wurde so heiß, es fühlte sich an, als würde ich innerlich verbrennen. Das Gefühl lies nach, als sie ihre Arme langsam wegzog und mich gegen die Wand lehnte. Im nächsten Moment reichte sie mir eine Flasche Wasser.
„Danke für ihre Hilfe.“, nuschelte ich, öffnete die Flasche und trank einen Schluck. Das Wasser tat mir gut, kühlte mich innerlich ab. „Scheint irgendwie meine Aufgabe zu sein.“, sagte sie und blickte kurz an mir vorbei. „Was haben Sie gesagt? Es ist wie ein Dejavu, als hätte ich das schon öfters gehört.“, Platze es aus mir heraus, da ich es eben erst geträumt hatte. Sie sah mir erneut direkt in die Augen, ich wusste nicht ob es ein neutraler oder erschrockener Blick war. Ihre Blicke änderten sich gefühlt jede Sekunde. „Heute zumindest nicht. Du kannst mich übrigens Alex nennen, mir wäre das `Du` lieber.“ Ich brauchte kurz, um die Informationen zu verarbeiten. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, doch jetzt die Klarheit über ihren Namen zu erlangen machte mich innerlich unruhig. „Ok, danke dir Alex für deine Hilfe heute, aber ich möchte dich nicht aufhalten. Ich komme schon zurecht.“, brachte ich über meine Lippen. Sie schüttelte den Kopf und stand auf. Sie stand kurz unschlüssig da, hielt mir dann ihre Hand hin. Unsere Blicke trafen sich, ich legte meine Hand in ihre. Doch auf das, was dann geschah, war ich nicht vorbereitet, mich durchfluteten Bilder und ich sah, wie sie im weißen Kleid vor mir stand, wie ich sie heute Vormittag das erste Mal gesehen hatte. Ich sah sie mit Blumen und weinend über mir. Ich sah sie erschrocken an. „Was war das? Hast du es auch gesehen?“ Sie stand wie angewurzelt vor mir. „Nein ich weiß nicht was du meinst.“ War ihre Antwort und drehte sich weg, so das ich ihre Augen nicht mehr sehen konnte. Ich versuchte, meine Hand wieder zu bekommen, doch sie hatte einen sehr festen Griff. Sie lies plötzlich meine Hand los und sah mir nochmal tief in die Augen.
„Du solltest jetzt gehen, das Gewitter ist vorüber.“ Sie brach den Blickkontakt, drehte sich um und ging, ohne noch ein weiteres Wort zu sagen. Ich stand wie versteinert da, jetzt fühlte ich mich irgendwie allein. Ich sah ihr nach, bis sie das Gebäude verlassen hatte. Jetzt war ich allein. Als ich aus meinen Gedanken kam, bückte ich mich, um meine Tasche aufzuheben. Mein Blick fiel auf eine Kette, die am Boden lag. Es war ein hellgrüner Zapfenstein mit Blüten an der Fassung, mit einer silbernen langen Kette. Ist die Kette von ihr? Ich spielte mit der Kette in meiner Hand, als ich das Gebäude verließ, um endlich nach Hause zu fahren.
Alexs Sicht der Dinge
Alexs Sicht
Was hatte ich nur getan? Ich sollte mich ihr nicht offenbaren. Es war mir verboten und jetzt haben wir uns gegenüber gestanden. Ich wusste, dass sie an dem Campus arbeitete, jedoch dachte ich, er sei so groß das, ich ihr nicht über den Weg laufen würde. Ich ging die Geschehnisse immer wieder in meinem Kopf durch.
Nervös erreichte ich den Campus. Mein Gewissen ermahnte mich, hier sofort wieder abzuhauen. Doch ich hörte nicht darauf, parkte mein Auto und lief durch den Park. Er erstreckte sich quer über das Campusgelände. Ein Gefühl von Wärme machte sich in mir breit und wurde immer stärker. Ich konnte sie spüren, mein Gewissen ermahnte mich, mich nicht umzudrehen. Doch im nächsten Augenblick sah ich sie, mein Herz setzte aus. Sie zog mich wie damals in ihren Bann und ließ mich wie angewurzelt stehen bleiben. In diesem Moment hätte ich die Flucht ergreifen sollen, doch ich tat es nicht. Meine Gedanken standen still, bis sie sich bewegte und mich aus meiner Trance riss. Schnellen Schrittes drehte ich mich um und lief in die andere Richtung davon. Das schlechte Gewissen überrannte mich, jeder Kontakt zu Jodi war verboten und ich stand da und starrte sie an. Ich versuchte mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Mein Fokus musste sich wieder auf die Ausstellung legen. Als ich endlich das Büro des Dekans fand, atmete ich tief durch, ehe ich klopfte. Professor Luzian bat mich hinein und erklärte mir genau, wo er sich die Ausstellung vorstellte. Nach der Einweisung ins Campus geschehen, nannte er mir die verschiedenen Kollegen im Fachbereich Kunst. Miss Nea für den musikalischen Bereich, Miss Kasra für die künstlerischen Aspekte und Miss Calla für kreatives Schreiben. Ein kurzer Anflug von Panik, machte sich in mir breit, als ich ihren Namen hörte. Als alles Wichtige geklärt war, ging ich an die frische Luft. Ich atmete einige Male tief durch und hoffte, dass alles gut wird und sie sich nicht an mich erinnert. Meine Handflächen begannen zu kribbeln. Eineriesige Welle an Gefühlen rollte auf mich zu und ließ meine Kontrolle schwinden. Ich griff nach meiner Halskette, begann mit ihr zu spielen und meine Gedanken auf sie zu konzentrieren. Auf keinen Fall dürfte ich jetzt die Kontrolle verlieren und mein Ziel aus den Augen verlieren. Einige Minuten später machte ich mich auf den Weg zu den besprochenen Räumlichkeiten.
Ich arbeitete schon eine ganze Weile, als plötzlich einige Studenten den Flur betraten und an mir und meiner Arbeit vorbeigingen. Lautes Getümmel, bei der Arbeit lenkte mich nicht ab. Einige Studenten blieben interessiert stehen und sahen sich die Werke an, andere gingen einfach daran vorbei. Ich wurde, auf die Statuen angesprochen, erklärte und berichtete von ihrer Entstehung, Herkunft und ihrem Material. Gerade waren die Interessenten weg, ging ich zum hinteren Teil der Ausstellung, als ich plötzlich ihren Namen hörte. Eine männliche Stimme warnte sie vor den Statuen. Ich blieb im hinteren Teil wie angewurzelt stehen. Als ich sie sah, versteckte ich mich, hinter einer Statue auf keinen Fall wollte ich von ihr erkannt werden. Ich wartete ab und beobachtete die Situation, sie fühlte sich eindeutig unwohl mit ihm. Es kostete mich viel Kraft um mich zurückzuhalten. Am liebsten wäre ich dazwischen gegangen.
Ich wusste nicht, wie sie reagieren würde, wenn wir uns in diesem Leben wieder trafen. Ich starrte ihr nach, bis sie das Gebäude verlassen hatte. Die Gefahr war vorerst gebannt. Ich entspannte mich ein wenig, bis das Vibrieren in meiner Hosentasche mich aus meinen Gedanken riss. Ich sah auf das Handy, um zu sehen, wer mich anrief. Es war Natali. Ich ging ran „Hallo, was gibts?“ „Hey Alex, ich wollte nur Fragen ob alles ok ist? Wie Läuft der Job?“, fragte Natali wohl wissend, dass mit „Job“ nicht die Statuen gemeint waren. Ich berichtete ihr, dass ich Jodi gesehen hatte. Mich ansonsten aber an alle Versprechen gehalten hatte. Sie bestätigte das es ok sei wenn wir uns sehen, ich aber vorsichtig sein müsste nicht das wir sie wieder verlieren. Ich erschauerte an den Gedanken, dass sich alles nochmal wiederholen könnte. Das wollte ich auf keinen Fall, ich hatte sie gerade wieder gefunden. Dieses Mal würde es anders laufen, sie würde ohne mich Leben und dadurch in Sicherheit bleiben. Ein Donnern riss mich aus dem Telefonat und ich verabschiedete mich von Natali, im Wissen das wir uns nachher zuhause weiter unterhalten konnten. Ich öffnete die Tür und sah lila-blaue Wolken am Himmel, es donnerte und regnete bereits. Etwas Ungewöhnliches lag in der Luft und plötzlich wurde ich unruhig, als es zu blitzen begann. Mein Blick schweifte in die Ferne, da lief sie, Jodi. Was machte sie da, war sie verrückt? Im nächsten Augenblick spürte ich die Gefahr und rannte los. Meine Sorge ließ mich meine Pflicht vergessen. Ich rannte direkt in Jodi hinein, um sie von dem Fleck wegzureißen, auf dem sie stand. Der Blitz traf die Stelle einige Sekunden später. Ich sah sie an und konnte mich nicht zurückhalten. Ich sagte ihr, mit ernsten und zugleich besorgten Ton das es nicht gut war, bei dem Wetter draußen zu sein.
Sie starrte mich an, als hätte sie einen Geist gesehen. Als sie nicht reagierte, griff ich ihre Hand, um sie in Sicherheit zu bringen. Ihre Haut zu spüren, wühlte mich innerlich auf. In dem Moment wurde mir bewusst, wie sehr ich Jodi all die Jahre vermisst hatte. Mein Gewissen erinnerte mich daran, das ich diese Verbindung so schnell wie möglich wieder lösen musste. Doch als wir im Hauptgebäude ankamen, ließ ich sie wieder willig los und sprach weiter mit ihr.
„Warum gehst du bei diesem Wetter überhaupt nach draußen? Weißt du nicht das es Gefährlich ist?“, fragte ich sie gereizt. Die einzige Antwort, die ich erhielt, war
„Auto.“ Hatte sie wirklich vor gehabt bei der Sicht Auto zu fahren? Ich fragte sie erstaunt, ob sie wirklich bei dem Wetter Auto fahren wollte? Doch ich bekam keine
Antwort. Wie auch, ich war eine Fremde für sie. Sie starrte mich immer nur an, ich hielt ihre Blicke nicht aus. Was machte ich hier, komm ihr nicht zu nahe, hatten Sie mir gesagt und ich stand genau hier vor ihr. Ich drehte mich weg und sah mich nach einem Fluchtweg um. Biss mir auf die Lippe, als ich sie sagen hörte„ Danke, für ihre Hilfe gerade.“ Sie sah mich überrascht an „Ich war mir nicht sicher ob du unter Schock stehst, da du fast nichts gesagt hast Jodi.“, sagte ich, ohne nachzudenken. Ihr Unbehagen war spürbar, was hatte ich nur getan.
Also reichte ich ihr meine Hand, um mich vorzustellen,
„Alex Naledi“ Ich konnte es in ihren Augen sehen, irgendwas stimmte nicht. Sie starrte mich an und begann zu wanken. Ich fing sie auf, als sie zusammenbrach. Bei dem Wetter war keine Hilfe zu erwarten. Wir glitten auf den Boden und ich hielt sie in meinen Armen fest. Ihr Geruch stieg mir in die Nase, ich könnte ihn nie vergessen. Ich nahm sie fest in meine Arme und legte meinen Kopf an ihren. „Es tut mir so leid Jodi, ich hätte mich von dir fern halten sollen.“, sagte ich zu ihr, obwohl sie es nicht hörte, das konnte sie in ihrem Zustand nicht. Mir blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis sie wieder aufwachte. Ich nutzte den Moment, um einfach bei ihr zu sein. Ich versprach mir, dass ich sie immer Beschützen würde.
Ich sah auf meine Uhr, bereits seit einer Stunde saß ich bei Jodi, ohne ein Anzeichen der Besserung. Plötzlich begann sie zu zittern, und ich wurde nervös. Das durfte jetzt nicht passieren, ich musste sie wecken. Ich rüttelte an Ihren Schultern „Jodi, Jodi?“.
Endlich öffnete sie ihre Augen, mir viel ein Stein vom Herzen. „Geht es dir gut?“, fragte ich sie. Sie nickte und versuchte, sich hinzusetzen. Ich sollte sie loslassen und mich endlich zurückziehen. Langsam schaffte ich es, meinen Griff zu lockern, als sie sich gegen die Wand lehnte. Sie musste am Verdursten sein, früher war sie nach der Trance immer durstig gewesen. Es entzog ihr viel Kraft. Ich holte aus meiner Tasche eine Flasche Wasser und reichte sie ihr. „Danke für ihre Hilfe.“, sagte sie kaum hörbar. „Scheint irgendwie meine Aufgabe zu sein.“, antwortete ich und blickte kurz an ihr vorbei.
„Was sagen Sie da? Es ist wie ein Dejavu, als hätte ich das schon öfters gehört.“ Fragte sie mich. Sie hatte es gesehen, in ihrer Trance, es hatte begonnen und es war meine Schuld. Meine Gedanken kreisten umher und führten mich in die Panik. Ich sah sie geschockt an „Heute zumindest nicht. Du kannst mich übrigens Alex nennen, mir wäre das
`Du` lieber.“, brachte ich raus, im versuch ruhe zu bewahren. Sie bedankte sich für meine Hilfe. Wenn sie nur wüsste, wer ich war, was würde sie dann denken. Ich musste diese Gedanken loswerden, es gab einen Plan und ich hielt mich gerade keines Wegs daran. Ich stand auf, um ein wenig Raum zwischen uns zu schaffen, doch ehe ich mich versah, reichte ich ihr meine Hand. Ich wollte sie noch einmal spüren. Sie blickte mir direkt in die Augen und berührte meine Hand. Ich spürte es, aber ich konnte es nicht aufhalten. Es gab etwas in mir, das nur sie auslösen konnte. Es passierte in diesem Moment. Ich konnte sehen, was sie sah. Besser gesagt konnte sie meine Gedanken sehen, meine Erinnerungen, einfach alles. „Was war das? Hast du es auch gesehen?“, fragte sie mich und riss mich damit aus meinen Gedanken. „Nein ich weiß nicht was du meinst.“ War die Lüge, die ich ihr erzählte. Ich durfte es ihr nicht sagen, aber ich wusste genau, wovon sie sprach. Ich drehte mich weg und lies widerwillig ihre Hand los. Panik keimte in mir und versuchte meine Beherrschung zum Einsturz zu bringen. Ich musste schnell hier raus. „Du solltest jetzt gehen, das Gewitter ist vorüber.“, sagte ich zum Abschied, als ich es endlich schaffte, sie zu verlassen. Als ich das Gebäude hinter mir gelassen hatte, atmete ich tief durch. Meine Gefühle durften mich nicht übermannen. Im nächsten Moment kramte ich mein Handy aus der Hosentasche, um eine Nachricht zu verschicken.
„Natali, ich habe alles zerstört.“, textete ich ihr, steckte mein Handy wieder weg und rannte zu meinem Wagen. Ich startete den Motor, sah noch einmal zurück und fuhr niedergeschlagen nach Hause.
Einige Zeit später kam ich in unserem Anwesen außerhalb der Stadt an. In einem anderen Moment hätte ich die Schönheit gesehen. Es war umzäunt und lag inmitten einer grünen Landschaft. Wenn man nicht genau wusste, wo es lag, würde man es wahrscheinlich gar nicht finden. Aber Sicherheit und Abgeschiedenheit war für uns besonders wichtig. Ich öffnete das Haupttor per Fernbedienung, um auf das Anwesen zu fahren. Von weitem war eine ältere weiße Villa zu sehen. Natali stand schon draußen und lief in der Einfahrt auf und ab. Sie beruhigte sich ein wenig, als ich parkte und aus dem Auto stieg. „Was ist passiert?“, fragte sie mich direkt. „Ich habe einfach alles Versaut, ich hatte mich nicht im Griff.“, sagte ich wütend über mich selbst und erzählte ihr jedes Detail über den heutigen Tag. Sie war sprachlos. „Was soll ich jetzt machen?“, fragte ich sie, doch sie antwortete mir nicht direkt. Ich wurde immer unruhiger. „Natali sag etwas, irgendwas!“, flehte ich sie an. „Geh und mach dich frisch, ich muss jetzt erstmal in Ruhe über alles nachdenken, du weist das es so nicht laufen sollte. Jetzt ist es anders gekommen als erwartet und wenn ich deine aufgewühlte Aura spüre kann ich nicht klar denken.“ Mit diesen Worten ließ sie mich stehen. Ich ließ den Kopf hängen, betrat die Villa und ging die Stufen hinauf. Früher waren es alles einzelne Zimmer gewesen, doch das Anwesen gehörte seit, Jahrhunderten dem Zirkel und mittlerweile wurden die Räume zusammengelegt und Lofts daraus gemacht. Meins war eher spartanisch eingerichtet. Außer mein Bett, einen Schreibtisch und einiger Bücherregale, die bis unter die Decke reichten, hatte ich noch ein angrenzendes Badezimmer. Im Badezimmer ließ ich die Dusche laufen und stellte mich vor den Spiegel. Ich betrachtete mich und öffnete meine Haare. Das Wasser umhüllte mich in der Dusche, es war mein Element, es beruhigte mich immer. Es umhüllte meinen nackten Körper und meine Seele. Nach einer gefühlten Ewigkeit stieg ich aus der Dusche und stellte das Wasser ab. In ein Handtuch gehüllt stand ich eine Weile vor dem Spiegel und dachte an Jodi. Ich sah mir selbst in die Augen und versuchte, die Schwäche zu verbannen um sie durch Stärke zu ersetzten. Ich sah weiter an mir herunter und merkte, dass etwas nicht stimmte, meine Kette war weg. Ich sah auf den Boden, sie muss abgefallen sein. Ich durchsuchte das Loft, aber sie war nicht zu finden. Die Kette war alles, was ich aus unserem letzten Leben behalten durfte. Ich sank auf die Knie, „Es tut mir so Leid, Jodi“, sagte ich mit hängenden Kopf. Meine Gedanken kreisten über die ausweglose Situation, in die ich Jodi erneut mit hinein gezogen hatte. Mein Herz fühlte sich schwer an, als würde es gleich explodieren. Der versuch, tief durchzuatmen, scheiterte mehrere Male, bis ich es am Ende doch schaffte.
„Sieh mich an, Alex. Du musst jetzt aufstehen.“ Da stand sie, meine Jodi. Sie reichte mir ihre Hand, ich sah ihr tief in die Augen und ihr Gesicht formte ein lächeln. Unsere Hände berührten sich und sie zog mich auf die Füße. Sie nahm meine andere Hand in ihre, dass wir uns gegenüberstanden. „Ich vertraue dir, es wird alles gut gehen. Du wirst schon sehen.“, sagte sie zuversichtlich. Mir wurde bewusst, dass ich in eine Trance gesunken war. Meine Erinnerungen an damals waren noch da. Jodis Zuversicht hatte mich damals beruhigt, doch heute wusste ich, dass ich sie nicht retten konnte. Im wichtigsten Moment in meinem Leben reagierte ich zu spät.
Das Klopfen an meiner Tür riss mich langsam zurück in die Gegenwart, ich könnte ewig hier bei ihr bleiben. Es klopfte erneut, „Alex, ist alles in Ordnung?“, fragte Natali vor der Tür. Ich musste zurück, ich hatte keine Wahl, seufzend öffnete ich meine Augen, stand auf und ging zur Tür. Als ich sie öffnete, sah Natali mich verwirrt an. „Denkst du nicht du solltest dir was anziehen?“ Ich sah an mir herunter, ich trug immer noch das Handtuch.
Verlegen schüttelte ich mit dem Kopf und lies sie mein Loft betreten. Aus meiner Kommode nahm ich mir einige Kleidungsstücke und verschwand im Bad. Ich fragte sie durch die Tür. „Was möchtest du, Natali?“ „Du hast dich vor fünf Stunden zurückgezogen. Ich wollte nur nach dir sehen.“ Ich hatte gerade meine Haare nach hinten geflochten, da kam ich aus dem Badezimmer. Ich hatte mich für ein schwarzes Outfit entschieden, bestehend aus Hose und ärmellosen Shirt. „Wie meinst du das … fünf Stunden?“ Sah ich sie entgeistert an. Sie deutete auf die Uhr in meinem Zimmer, die mir verdeutlichte, dass es bereits spät am Abend war. Schwer atmend setzte ich mich aufs Bett, strich mir mit den Händen übers Gesicht bis in die Haare.
„Du warst bei ihr oder?“, fragte mich Natali. Ich brauchte nicht zu antworten, sie wusste, dass es so war. „Du weist das kannst du nicht mehr machen, Alex Irgendwann bringt es dich um. Du weißt wie es beim letzten Mal war.“
Sie stellte sich vor mich hin und sorgte dafür, dass ich sie ansah. „Bitte, du musst hier bleiben, du kannst nicht wieder Wochenlang in deine Trance flüchten. Das schaffst du nicht, du weist doch wie geschwächt du beim letzten mal warst.“ Ich nickte zur Bestätigung, ehe ich weiter sprach. „Ich weiß Natali, ich habe es im Griff, wirklich. Ich war nur überrascht wie spät es schon ist. Die Trance war wirklich nicht lange versprochen.“ Wie lange ich genau in meine Gedanken versunken war, wusste ich nicht. Wenn ich in Trance bei Jodi war, verschwamm die Zeit und dagegen half nichts. „Meinst du sie erinnert sich langsam?“, sprach mich Natali an. „Ich dachte das sei nicht möglich, aber sie sah mich an und meinte es ist wie ein Dejavu. Sie ist heute von alleine in Trance gefallen, sie dauerte etwa eine Stunde. Ich dachte sie wäre hier sicher.“ Ich knetete meine Hände unschlüssig, was ich jetzt machen sollte. „Das war nicht vorher zusehen, Alex. Keiner hätte ahnen können das sie wieder die selbe Macht erhält wie damals. Du hast diesen Weg gewählt, obwohl du wusstest das Jodi es nie so gewollt hätte. Du wusstest was sie für den Zirkel hinterlassen hatte, doch du hast dich entschieden, du wolltest diesen Weg gehen. Jetzt musst du ihn bis zum Ende gehen. Du hast es für den Zirkel so entschieden.“ Jetzt platzte es aus mir heraus. „Denkst du das hätte ich vergessen? Denkst du wirklich ich könnte irgendetwas von damals vergessen? Ich sehe alles noch genauso vor mir als wäre es gerade geschehen und nicht schon hunderte Jahre her! Ich erinnere mich genau was sie wollte, Ich weis das es ihr um Frieden ging. Ich weiß auch das es meine Schuld war, das sie an diesem Abend dort stand und nicht ich. Ich war dort, ich habe sie aufgefangen in diesem verdammten Meer aus Rosen, blutend und allein. Ich war bei ihr als sie hinüberging, ich habe sie gehalten und brachte sie zurück so wie es meine verdammte Pflicht war.“
„Deine Pflicht? Wovon redest du da?“, fragte mich Natali besorgt. „Ich hatte den Auftrag sie zu beschützen und habe mich ablenken lassen. Im wichtigsten Moment reagierte ich zu Spät um ihr zu Helfen. Das werde ich nicht nocheinmal zulassen. Rufe alle zusammen, wir haben viel zu tun um ihre Kräfte zu bannen.“, sagte ich bestimmt, endlich einer Lösung nahe. „Ihre Kräfte bannen? Das kann nicht dein ernst sein!? Weihe sie ein und schnapp dir die Liebe deiner Vergangenheit. Ihr habt eine zweite Chance nutze sie endlich.“ Sie legte mir die Hand auf die Schulter, doch ich schlug sie weg.
„Auf keinen Fall, sie wird sicher sein. Jodi wird in keine belange des Zirkels mehr mit rein gezogen. Die Menschen vor sich selbst zu retten und die Elemente in Schach zu halten, werden wir ohne Jodi schaffen.“, sagte ich und sah aus dem Fenster, es hatte angefangen zu regnen. In dem Moment hatten meine Gefühle die Macht übernommen. Meine Augen schließend versuchte ich mich zu beruhigen. Natali folgte meinem Blick „Du weist genau das sie das Gleichgewicht der Elemente herstellt. Wir unterstützen und beschützen Jodi, aber sie ist der Mittelpunkt des ganzen. Es geht nicht ohne Jodi! Das weißt du genau das es nicht so einfach ist wie du es gern hättest. Du kannst sie vor der Okahru nicht ewig verstecken und wenn die sie zuerst finden, haben wir keine Chance mehr. Warum willst du das alles riskieren?“
„Damit sie sicher ist Natali.“, sagte ich, als ich mich beruhigt hatte.
Erdbeben?
Jodis Sicht
Das Semester lief jetzt schon ein paar Wochen. Ich versuchte, mein Leben normal weiter zu leben, als ob nicht Geschehen wäre. Die Träume endeten immer am selben Punkt. Ich kam nicht vor und nicht zurück, genau wie in meinem Leben. Ich fuhr täglich in die Uni, leitete meine Kurse, las die Werke meiner Schüler, ging spazieren und war in meiner Wohnung. Alles sollte so normal wie möglich sein, aber ich fühlte mich alles andere als normal. Jeden Tag in der Uni ging ich an den Statuen vorbei und betrachtete diese. An manchen Tagen wollte ich einfach nicht daran denken, was geschehen war, und ging einfach an ihnen vorbei. Vor einigen Wochen wurde ich zu einem Treffen des Fachbereiches Kunst eingeladen. Als ich gerade absagen wollte, wurde uns mitgeteilt, dass es nicht stattfinden würde. Es wurde von seitens der Ausstellungsleitung abgesagt. Alex hatte es abgesagt. Ich hatte die Kette seitdem jeden Tag bei mir. Ich wollte sie ihr zurückgegeben, doch sie war verschwunden. Der Anhänger der Kette glitt über meine Handfläche, als ich in meiner Tasche damit spielte. Sie spukte durch meine Gedanken, ich konnte sie einfach nicht vergessen. Obwohl ich sie nicht kannte, war ich von ihr fasziniert. Mein Blick schweifte über den Campusgarten, in der Hoffnung sie wieder zusehen.
„Jodi kommst du?“, fragte mich Robin. Ich sah mich verwirrt im Hörsaal um und wusste nicht, was sie meinte.
„Du hast es vergessen oder? Heute ist doch Dozentenrunde der Uni. Es ist Anwesenheitspflicht! Da kannst selbst du dich nicht drücken.“, sagte sie lächelnd. Ich nickte nur, lies die Kette, aus meiner Hand gleiten und nahm meine Tasche. Robin wartete auf mich, in letzter Zeit war sie irgendwie sehr anhänglich. Immer wieder verwickelte Robin mich in Gespräche über ihre Familie und allem, was es sonst in ihrem Leben gab. Sie redete so viel, das es mir schwerfiel bei der Sache zu bleiben. Wir liefen in Richtung des größten Hörsaals der Uni zu der Versammlung. Alle Fachbereiche waren heute anwesend, dies war selten der Fall. Als wir uns alle auf unsere Plätze begeben hatten, trat Dekan Luzian ans Pult. Er sprach von Veränderungen der Zugangsvoraussetzungen der Uni, neue Fluchtpläne, Änderungen im Lehrmaterial. Alles in allem eine eher langweilige Versammlung. Ich griff in meine Tasche und spielte mit ihrer Kette zwischen meinen Fingern, als Dekan Luzian einen gewissen Namen aussprach, der mein Blut gefrieren ließ.