Reigen: Zehn Dialoge - Arthur Schnitzler - E-Book

Reigen: Zehn Dialoge E-Book

Arthur Schnitzler

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Beschreibung

Arthur Schnitzlers 'Reigen' ist ein Bühnenstück, das erstmals 1903 erschien. In zehn erotischen Dialogen wird die 'unerbittliche Mechanik des Beischlafs' geschildert und so ein Bild der Moral in der Gesellschaft des 'Fin de siècle' gezeichnet. Das Stück löste nach seiner Uraufführung 1920 einen großen Theaterskandal aus, in dessen Folge Schnitzler ein Aufführungsverbot verhängte, das über seinen Tod hinaus bis 1982 in Kraft blieb. Mit Illustrationen von Egon Schiele und Franz von Bayros.

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ARTHUR SCHNITZLER

REIGEN

ZEHN DIALOGE

 

 

GESCHRIEBEN WINTER 1896–97

MIT ILLUSTRATIONEN VONEGON SCHIELE UNDFRANZ VON BAYROS

 

 

Der vorliegende Text folgt der Originalausgabe von 1903.Eindeutige Druck- und Satzfehler wurden korrigiert.

 

 

 

© 2017 Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hamburg

 

Alle Rechte, auch das der fotomechanischen Wiedergabe(einschließlich Fotokopie) oder der Speicherung aufelektronischen Systemen, vorbehalten.

All rights reserved.

 

ISBN: 978-3-86820-938-9

 

www.nikol-verlag.de

PERSONEN 

DIE DIRNE

DER SOLDAT

DAS STUBENMÄDCHEN

DER JUNGE HERR

DIE JUNGE FRAU

DER EHEGATTE

DAS SÜSSE MÄDEL

DER DICHTER

DIE SCHAUSPIELERIN

DER GRAF

DIE DIRNE UND DER SOLDAT

DIE DIRNE UND DER SOLDAT

Spät Abends. An der Augartenbrücke.

 

Soldat (kommt pfeifend, will nach Hause).

Dirne. Komm, mein schöner Engel.

Soldat (wendet sich um und geht wieder weiter).

Dirne. Willst du nicht mit mir kommen?

Soldat. Ah, ich bin der schöne Engel?

Dirne. Freilich, wer denn? Geh’, komm’ zu mir. Ich wohn’ gleich in der Näh’.

Soldat. Ich hab’ keine Zeit. Ich muß in die Kasern’!

Dirne. In die Kasern’ kommst immer noch zurecht. Bei mir is besser.

Soldat (ihr nahe). Das ist schon möglich.

Dirne. Pst. Jeden Moment kann ein Wachmann kommen.

Soldat. Lächerlich! Wachmann! Ich hab’ auch mein Seiteng’wehr!

Dirne. Geh’, komm’ mit.

Soldat. Laß mich in Ruh’. Geld hab’ ich eh kein’s.

Dirne. Ich brauch’ kein Geld.

Soldat (bleibt stehen. Sie sind bei einer Laterne). Du brauchst kein Geld? Wer bist denn du nachher?

Dirne. Zahlen tun mir die Zivilisten. So einer wie du, kann’s immer umsonst bei mir haben.

Soldat. Du bist am End’ die, von der mir der Huber erzählt hat. –

Dirne. Ich kenn’ kein’ Huber nicht.

Soldat. Du wirst schon die sein. Weißt – in dem Kaffeehaus in der Schiffgassen – von dort ist er mit dir z’ Haus gangen.

Dirne. Von dem Kaffeehaus bin ich schon mit gar vielen z’ Haus gangen … oh! oh! –

Soldat. Also geh’n wir, geh’n wir.

Dirne. Was, jetzt hast’s eilig?

Soldat. Na, worauf soll’n wir noch warten? Und um Zehn muß ich in der Kasern’ sein.

Dirne. Wie lang dienst denn schon?

Soldat. Was geht denn das dich an? Wohnst weit?

Dirne. Zehn Minuten zum geh’n.

Soldat. Das ist mir zu weit. Gib mir ein Pussel.

Dirne (küßt ihn). Das ist mir eh das liebste, wenn ich einen gern’ hab’!

Soldat. Mir nicht. Nein, ich geh’ nicht mit dir, es ist mir zu weit.

Dirne. Weißt was, komm’ morgen am Nachmittag.

Soldat. Gut is. Gib mir deine Adresse.

Dirne. Aber du kommst am End’ nicht.

Soldat. Wenn ich dir’s sag’!

Dirne. Du, weißt was – wenn’s dir zu weit ist heut’ Abend zu mir – da … da … (weist auf die Donau).

Soldat. Was ist das?

Dirne. Da ist auch schön ruhig … jetzt kommt kein Mensch.

Soldat. Ah, das ist nicht das rechte.

Dirne. Bei mir is immer das rechte. Geh’, bleib’ jetzt bei mir. Wer weiß, ob wir morgen noch ’s Leben haben.

Soldat. So komm’ – aber g’schwind!

Dirne. Gib obacht, da ist so dunkel. Wennst ausrutsch’st, liegst in der Donau.

Soldat. Wär’ eh das Beste.

Dirne. Pst, so wart’ nur ein bissel. Gleich kommen wir zu einer Bank.

Soldat. Kennst dich da gut aus.

Dirne. So einen wie dich möcht’ ich zum Geliebten.

Soldat. Ich tät’ dir zu viel eifern.

Dirne. Das möcht’ ich dir schon abgewöhnen.

Soldat. Ha –

Dirne. Nicht so laut. Manchmal is doch, daß sich ein Wachter her verirrt. Sollt man glauben, daß wir da mitten in der Wienerstadt sind?

Soldat. Daher komm’, daher.

Dirne. Aber was fällt dir denn ein, wenn wir da ausrutschen, liegen wir im Wasser unten.

Soldat (hat sie gepackt). Ah, du –

Dirne. Halt dich nur fest an.

Soldat. Hab kein’ Angst …

Dirne. Auf der Bank wär’s schon besser gewesen.

Soldat. Da oder da … Na, krall’ aufi.

Dirne. Was laufst denn so –

Soldat. Ich muß in die Kasern’, ich komm’ eh schon zu spät.

Dirne. Geh’, du, wie heißt denn?

Soldat. Was interessiert dich denn das, wie ich heiß?

Dirne. Ich heiß Leocadia.

Soldat. Ha! – So an’ Namen hab’ ich auch noch nie gehört.

Dirne. Du!

Soldat. Na, was willst denn?

Dirne. Geh, ein Sechserl für’n Hausmeister gib mir wenigstens! –

Soldat. Ha! … Glaubst, ich bin deine Wurzen … Servus! Leocadia …

Dirne. Strizzi! Fallott! –

(Er ist verschwunden.)

DER SOLDAT UND DAS STUBENMÄDCHEN

DER SOLDAT UND DAS STUBENMÄDCHEN

Prater. Sonntag Abend. Ein Weg, der vom Wurstelprater aus in die dunkeln Alleen führt. Hier hört man noch die wirre Musik aus dem Wurstelprater; auch die Klänge vom Fünfkreuzertanz, eine ordinäre Polka, von Bläsern gespielt. Der Soldat. Das Stubenmädchen.

 

Stubenmädchen. Jetzt sagen S’ mir aber, warum S’ durchaus schon haben fortgehen müssen.

Soldat (lacht verlegen, dumm).

Stubenmädchen. Es ist doch so schön gewesen. Ich tanz’ so gern’.

Soldat (faßt sie um die Taille).

Stubenmädchen (läßt’s geschehen). Jetzt tanzen wir ja nimmer. Warum halten S’ mich so fest?

Soldat. Wie heißen S’? Kathi?

Stubenmädchen. Ihnen ist immer eine Kathi im Kopf.

Soldat. Ich weiß, ich weiß schon … Marie.

Stubenmädchen. Sie, da ist aber dunkel. Ich krieg’ so eine Angst.

Soldat. Wenn ich bei Ihnen bin, brauchen S’ Ihnen nicht zu fürchten. Gott sei Dank, mir sein mir!

Stubenmädchen. Aber wohin kommen wir denn da? Da ist ja kein Mensch mehr. Kommen S’, gehen wir zurück! – Und so dunkel!

Soldat (zieht an seiner Virginierzigarre, daß das rote Ende leuchtet). ’s wird schon lichter! Haha! O, du Schatzerl!

Stubenmädchen. Ah, was machen S’ denn? Wenn ich das gewußt hätt’!

Soldat. Also der Teufel soll mich holen, wenn eine heut’ beim Swoboda mollerter gewesen ist als Sie, Fräul’n Marie.

Stubenmädchen. Haben S’ denn bei allen so probiert?

Soldat. Was man so merkt, beim Tanzen. Da merkt man gar viel! Ha!

Stubenmädchen. Aber mit der blonden mit dem schiefen Gesicht haben S’ doch mehr ’tanzt als mit mir.

Soldat. Das ist eine alte Bekannte von einem meinigen Freund.

Stubenmädchen. Von dem Korporal mit dem auf’drehten Schnurrbart?

Soldat. Ah nein, das ist der Zivilist gewesen, wissen S’, der im Anfang am Tisch mit mir g’sessen ist, der so heis’rig red’t.

Stubenmädchen. Ah, ich weiß schon. Das ist ein kecker Mensch.

Soldat. Hat er Ihnen was ’tan? Dem möcht’ ich’s zeigen! Was hat er Ihnen ’tan?

Stubenmädchen. Oh nichts – ich hab nur geseh’n, wie er mit die andern ist.

Soldat. Sagen S’, Fräulein Marie …

Stubenmädchen. Sie werden mich verbrennen mit Ihrer Zigarrn.

Soldat. Pahdon! – Fräul’n Marie. Sagen wir uns Du.

Stubenmädchen. Wir sein noch nicht so gute Bekannte. –

Soldat. Es können sich gar viele nicht leiden und sagen doch Du zueinander.

Stubenmädchen. ’s nächstemal, wenn wir … Aber, Herr Franz –

Soldat. Sie haben sich meinen Namen g’merkt?

Stubenmädchen. Aber, Herr Franz …

Soldat. Sagen S’ Franz, Fräulein Marie.

Stubenmädchen. So sein S’ nicht so keck – aber pst, wenn wer kommen tät!

Soldat. Und wenn schon einer kommen tät, man sieht ja nicht zwei Schritt weit.

Stubenmädchen. Aber um Gotteswillen, wohin kommen wir denn da?

Soldat. Sehn S’, da sind zwei g’rad wie mir.

Stubenmädchen. Wo denn? Ich seh’ gar nichts.

Soldat. Da … vor uns.

Stubenmädchen. Warum sagen S’ denn: zwei wie mir? –

Soldat. Na, ich mein’ halt, die haben sich auch gern’.

Stubenmädchen. Aber geben S’ doch acht, was ist denn da, jetzt wär’ ich beinah’ g’fallen.

Soldat. Ah, das ist das Gatter von der Wiesen.

Stubenmädchen. Stoßen S’ doch nicht so, ich fall’ ja um.

Soldat. Pst, nicht so laut.

Stubenmädchen. Sie, jetzt schrei ich aber wirklich. – Aber was machen S’ denn … aber –

Soldat. Da ist jetzt weit und breit keine Seel’.

Stubenmädchen. So gehn wir zurück, wo Leut sein.

Soldat. Wir brauchen keine Leut, was, Marie, wir brauchen … dazu … haha.

Stubenmädchen. Aber, Herr Franz, bitt’ Sie, um Gotteswillen,

schaun S’, wenn ich das … gewußt … oh … oh … komm! …

Soldat (selig). Herrgott noch einmal … ah …

Stubenmädchen. … Ich kann dein G’sicht gar nicht sehn.

Soldat. A was – G’sicht …

Soldat. Ja, Sie, Fräul’n Marie, da im Gras können S’ nicht liegen bleiben.

Stubenmädchen. Geh’, Franz, hilf mir.

Soldat. Na, komm zugi.

Stubenmädchen. Oh Gott, Franz.

Soldat. Na ja, was ist denn mit dem Franz?

Stubenmädchen. Du bist ein schlechter Mensch, Franz.

Soldat. Ja, ja. Geh’, wart’ ein bissel.

Stubenmädchen. Was laßt mich denn aus?

Soldat. Na, die Virginier werd’ ich mir doch anzünden dürfen.

Stubenmädchen. Es ist so dunkel.

Soldat. Morgen früh ist schon wieder licht.

Stubenmädchen. Sag’ wenigstens, hast mich gern’?

Soldat. Na, das mußt doch g’spürt haben, Fräul’n Marie, ha!

Stubenmädchen. Wohin geh’n wir denn?

Soldat. Na, zurück.

Stubenmädchen. Geh’, bitt’ dich, nicht so schnell!

Soldat. Na, was ist denn? Ich geh’ nicht gern’ in der finstern.

Stubenmädchen. Sag’, Franz, hast mich gern’?

Soldat. Aber grad’ hab’ ich’s g’sagt, daß ich dich gern’ hab’!

Stubenmädchen. Geh’, willst mir nicht ein Pussel geben?

Soldat (gnädig). Da … Hörst, – jetzt kann man schon wieder die Musik hören.

Stubenmädchen. Du möcht’st am End’ gar wieder tanzen geh’n?

Soldat. Na freilich, was denn?

Stubenmädchen. Ja, Franz, schau, ich muß zu Haus geh’n. Sie werden eh schon schimpfen, mei’ Frau ist so eine … die möcht’ am liebsten, man ging gar nicht fort.

Soldat. Na ja, geh’ halt zu Haus.

Stubenmädchen. Ich hab’ halt ’dacht, Herr Franz, Sie werden mich z’hausführen.

Soldat. Z’hausführen? Ah!

Stubenmädchen. Geh’n S’, es ist so traurig, allein z’haus geh’n.

Soldat. Wo wohnen S’ denn?

Stubenmädchen. Es ist gar nicht so weit – in der Porzellangasse.

Soldat. So? Ja, da haben wir ja einen Weg … aber jetzt ist’s mir zu früh … jetzt wird noch ’draht, heut hab’ ich über Zeit … vor zwölf brauch’ ich nicht in der Kasern’ zu sein. I’ geh’ noch tanzen.

Stubenmädchen. Freilich, ich weiß schon, jetzt kommt die Blonde mit dem schiefen Gesicht d’ran!

Soldat. Ha! – Der ihr G’sicht ist gar nicht so schief.

Stubenmädchen. Oh Gott, sein die Männer schlecht. Was, Sie machen’s sicher mit einer jeden so.

Soldat. Das wär’ z’viel! –

Stubenmädchen. Franz, bitt’ schön, heut’ nimmer, – heut’ bleiben S’ mit mir, schaun S’ –

Soldat. Ja, ja, ist schon gut. Aber tanzen werd’ ich doch noch dürfen.

Stubenmädchen. Ich tanz’ heut’ mit kein’ mehr!

Soldat. Da ist er ja schon …

Stubenmädchen. Wer denn?

Soldat. Der Swoboda! Wie schnell wir wieder da sein. Noch immer spielen s’ das … tadarada tadarada (singt mit) … Also wannst auf mich warten willst, so führ’ ich dich z’haus … wenn nicht … Servas –

Stubenmädchen. Ja, ich werd’ warten.

(Sie treten in den Tanzsaal ein.)

Soldat. Wissen S’, Fräul’n Marie, ein Glas Bier lassen’s Ihnen geben (Zu einer Blonden sich wendend, die eben mit einem Burschen vorbeitanzt, sehr hochdeutsch:) Mein Fräulein, darf ich bitten? –

DAS STUBENMÄDCHEN UND DER JUNGE HERR

DAS STUBENMÄDCHEN UND DER JUNGE HERR

Heißer Sommernachmittag. – Die Eltern sind schon auf dem Lande. – Die Köchin hat Ausgang. – Das Stubenmädchen schreibt in der Küche einen Brief an den Soldaten, der ihr Geliebter ist. Es klingelt aus dem Zimmer des jungen Herrn. Sie steht auf und geht ins Zimmer des jungen Herrn. Der junge Herr liegt auf dem Divan, raucht, und liest einen französischen Roman.

 

Das Stubenmädchen. Bitt’ schön, junger Herr?

Der junge Herr. Ah ja, Marie, ah ja, ich hab’ geläutet, ja … was hab’ ich nur … ja richtig, die Rouletten lassen S’ herunter, Marie … Es ist kühler, wenn die Rouletten unten sind … ja …

(Das Stubenmädchen geht zum Fenster und läßt die Rouletten herunter.)

Der junge Herr (liest weiter.) Was machen S’ denn, Marie? Ah ja. Jetzt sieht man aber gar nichts zum Lesen.

Das Stubenmädchen. Der junge Herr ist halt immer so fleißig.

Der junge Herr (überhört das vornehm). So, ist gut.

(Marie geht.)

Der junge Herr (versucht weiter zu lesen; läßt bald das Buch fallen, klingelt wieder).

Das Stubenmädchen (erscheint).

Der junge Herr. Sie, Marie … ja, was ich habe sagen wollen … ja … ist vielleicht ein Cognac zu Haus?

Das Stubenmädchen. Ja, der wird eingesperrt sein.

Der junge Herr. Na, wer hat denn die Schlüssel?

Das Stubenmädchen.