Reise durch England und Schottland - Johanna Schopenhauer - E-Book
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Johanna Schopenhauer

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Beschreibung

Johanna Schopenhauers Buch 'Reise durch England und Schottland' bietet einen faszinierenden Einblick in die Reiseerfahrungen einer bemerkenswerten Frau des 19. Jahrhunderts. Mit einem präzisen und zugleich poetischen Schreibstil beschreibt sie die Landschaften, Kulturen und Menschen, die sie auf ihrer Reise durch England und Schottland erlebt hat. Schopenhauers Werk zeigt deutlich ihren scharfen Beobachtungssinn und ihre kritische Haltung, die es zu einem wichtigen Dokument ihrer Zeit machen. Das Buch ist nicht nur ein Reisebericht, sondern auch ein Spiegel des literarischen und gesellschaftlichen Kontexts ihrer Epoche.

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Johanna Schopenhauer

Reise durch England und Schottland

Erinnerungen, Reisen und Eindrücke

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1202-6

Inhaltsverzeichnis

ENGLAND
VORLÄUFIGE BEMERKUNGEN ÜBER ENGLAND
Woburn-AbbeyJohanna trat die Reise nach längerem Aufenthalt in London mit ihrem Gatten am 30. Juni oder 31. Juli 1803 an
Stowe's Garden Landsitz des Marquis von Buckingham
Blenheim
Birmingham und Soho
Burton und Derby
Badeorte
Matlock
Chatsworth Landsitz des Herzogs von Devonshire
Castleton
Die Peaks Höhle
Buxton
Manchester
Leeds
Studley Park. Fountain's Abbey. Hackfall
Englische Gasthöfe
Richmond
Aukland, Durham, Sunderland und Newcastle
Alnwick Castle und Berwick
Schottland
Edinburgh
Pferderennen
Carron, Stirling
Perth
Kenmore
Killin
Dalmally
Inverary
Arrochar
Loch Lomond
Glasgow
Die Fälle des Stromes Clyde
ENGLAND
Die Lakes
Lancaster
Liverpool
Wentworth House und Rotherham
Nottingham
Tewkesbury und Cheltenham
Bristol
Hotwells
Bath
Salisbury und Stonehenge
Brighton
RÜCKKUNFT NACH LONDON
London
Ein Gang durch die Straßen in London
Bettler
Wohnungen in London
Lebensweise
Ein Tag in London
Sonntag
ÖFFENTLICHE VERGNÜGUNGEN
Theater
Das englische Publikum im Theater
Einrichtungen der beiden großen Londoner Theater in Hinsicht auf die Zuschauer
Drury Lane
Covent Garden
Die italienische Große Oper
Vauxhall
Konzerte
Palast von St. James. Die Parks von Kensington Gardens
Des Königs Geburtstag
Pension für Mädchen
Pension für Knaben
Das Britische Museum
Herrn Whitbreads Brauerei
Greenwich
Die St. Paulskirche
Der Tower
Der Palast von Westminster
Die Westminster Abtei
LONDONS UMGEBUNGEN
Windsor
Die Gärten von Kew
Richmond Hill
Staines. Slough. Oatlands
Westindische Docks. Knole, Landsitz des Herzogs von Dorset

ENGLAND

Inhaltsverzeichnis

VORLÄUFIGE BEMERKUNGEN ÜBER ENGLAND

Inhaltsverzeichnis

Es ist eigentlich recht erfreulich, in diesem Lande zu reisen. Die schönsten Landschaftsgemälden ähnlichen Parks, die Gärten, die zweckmäßige Einrichtung der Häuser, der raffinierte Luxus, die Nettigkeit der Ordnung überall, die selbst in dem unbedeutendsten Hausgeräte sich zeigende Eleganz und Bequemlichkeit, machen einen frohen Eindruck auf den Besuchenden. Man wünscht sich alle diese Dinge nicht, weil man ihrer nicht gewohnt ist, oft nicht einmal ihren Gebrauch kennt; aber man bekommt ein Gefühl von heiterem Lebensgenusse. Nur den Wunsch, sich der Kunstwerke recht zu erfreuen, sie zu studieren, vielleicht etwas zu kopieren, muß man nicht aufkommen lassen; denn seine Erfüllung ist in diesem Lande mit so vielen Schwierigkeiten umgeben, dass sie fast undenkbar wird.

Von den Schönheiten des Landes und der Wege, von den bequemen Gasthöfen, die man auch in den abgelegensten Gegenden findet und in welchen man nur einen wohlgefüllten Beutel braucht, um gleich so gut und vielleicht besser als zu Hause zu sein, von der trefflichen Einrichtung des Postwesens ist überall viel gesagt und geschrieben, und dennoch nicht zu viel, um dieses in seiner Art vollkommenste Ganze gehörig zu loben.

Für jetzt wollen wir uns aber darauf beschränken, eine allgemeine Idee eines englischen großen Landhauses mit seinen Umgebungen aufzustellen und alsdann versuchen zu beschreiben, was wir auf einer Reise von London durch das nördliche England nach Schottland zu sehen Gelegenheit hatten.

Ein englischer Park ist von dem, was man sich in Deutschland unter diesem Namen denkt, merklich verschieden. Er umfaßt die das Wohnhaus oder Schloß zunächst umgebenden, eigentlich zu demselben gehörigen Ländereien und ist gewöhnlich von ziemlichen Umfange. Äcker und Wiesen, mit lebendigen Hecken zierlich eingefasst, durchschnitten von wohlgehaltenen Kieswegen zum Gehen und Fahren, liegen in seinem Bezirk, sowie auch einzelne Wirtschaftsgebäude von gefälliger, aber doch ihre Bestimmung andeutender Form. Überall hat man nach malerischen Effekten gestrebt, und die sanften Anhöhen und Vertiefungen dieses Landes erleichtern dieses Streben; aber immer ist das Nützliche mit dem Schönen vereint.

Der höchste Schmuck dieses Parks sind die üppige Vegetation der wohlbestellten Äcker, die unvergleichlich schönen grünen Wiesen und die prächtigen Bäume, größtenteils Eichen und Buchen, welche überall in Gruppen verteilt stehen. In England haben die Bäume das Eigne, daß sie mehr als in anderen Ländern gleich von der Wurzel an ausschlagen und kleinere Zweige treiben. Enge, durch dichte Schatten und Gebüsche sich hinschlängelnde Gänge findet man in keinem Parke; auch Gehölze sind, wie überall in England, selten. Man könnte sagen, es fehle Schatten, wenn nicht gerade in diesem Lande, wo bei sehr milder Luft dennoch die Sonne selten recht heiß und hell scheint, der Schatten entbehrlicher wäre als anderswo. Die Kioske, Tempel, Einsiedeleien unserer Parks fehlen dort ebenfalls; alle diese zur Zierde dienenden Gebäude sind in die vom Park ganz verschiedenen, das Haus näher umgebenden Anlagen, in die sogenannten Pleasure-Grounds verwiesen. Nur in sehr großen Parks, wie die von Blenheim oder Stowe, steht hier und da ein Obelisk, eine Pyramide oder ein Turm, um vom Schloß aus eine Ansicht zu gewähren.

An Wasser darf es nie fehlen. Künstliche Wasserfälle kennt man nicht und noch weniger Springbrunnen. Fließt aber ein kleiner Fluß oder nur ein beträchtlicher Bach in der Nähe einer solchen Besitzung, so muß er, wenn auch mit großen Kosten herbeigeführt, sich in mannigfaltigen Krümmungen hindurchschlängeln. Fehlt es an lebendigem Wasser, so sucht man wenigstens einem stehenden Kanale den Schein davon zu leihen. Man gibt ihm eine leichte, natürliche Krümmung, verdeckt Anfang und Ende mit überhängendem Gebüsche, wirft schöne Brücken darüber und täuscht so das Auge, oder man verwandelt die Ufer eines Teichs in die unregelmäßigen Umgebungen eines kleinen Sees. Überall strebt man nach dem Schönen und flieht das Gesuchte, Steife, Pretiöse.

Die Staffage vollendet diese lebendige Landschaft. Hunderte von halbzahmen Hirschen und Rehen weiden beinahe ganz furchtlos auf den grünsten Wiesen der Welt; mit ihnen die schönsten Pferde, Kühe und Ziegen, besonders in der Nähe des Hauses, wo sich die Wiesen rings umher wie ein Teppich auf das herrlichste ausbreiten. Die schönen Gestalten dieser Tiere, ihre leichten freien Bewegungen, ihr Wohlsein geben dem Ganzen einen unbeschreiblichen Reiz.

Immer liegt das Wohnhaus auf einer sanften Anhöhe, alle Bäume sind aus seiner nächsten Nähe verbannt, damit Licht, Luft und Sonne kein Hindernis finden. Dennoch ist es nicht heiß in den Zimmern, teils weil es überhaupt in England nicht heiß ist, teils wegen der wenigen Fenster, die aber so verständig angebracht sind, daß jeder Teil des Gebäudes sein hinlängliches Licht hat.

Die äußere Ansicht der englischen Landhäuser ist aus unzähligen Kupferstichen bekannt genug. Selten herrscht ein ganz reiner Geschmack darin, oft sind sie mit Verzierungen überladen. Die Hauptfassade ist gewöhnlich mit Säulen geziert. Sind gleich die Verhältnisse derselben nicht immer die richtigsten, scheinen sie oft müßig dazustehen, so gewähren sie doch immer ein angenehmes, schattiges Plätzchen vor dem Hause, von welchem man recht behaglich ins Freie über den grünen Wiesenplan hinaussieht. Unter und vor diesen Säulen stehen unzählbare fremde Gesträuche und Blumen in Vasen, teils auf schönen Gestellen übereinander getürmt, teils auf den Stufen des Eingangs und den Geländern zierlich geordnet. Der Luxus, den man mit diesen Pflanzen treibt, ist unglaublich. Täglich müssen die verblühten hinweggeschafft und andere an ihre Stelle gesetzt werden.

Höchst reizend ist der Anblick dieser Shrubberies. Florens Schätze werden aus allen Ländern der Welt hierher gezaubert. Doch auch über diese schönsten Kinder der Natur herrscht in England das eiserne Zepter der Mode. In der Zeit, aus welcher diese Beschreibung stammt, hatte sie gerade die Eriken oder Heidekräuter ihrer besonderen Huld gewürdigt. Man gab wohl fünfzig und mehr Guineen für so ein geruch-, oft farbenloses Kraut hin, wenn es nur aus einem recht entfernten Winkel der Erde herstammte. Große Orangerien sind in England, außer in den königlichen Gärten, selten anzutreffen.

Die innere Einrichtung der Häuser richtet sich hier, wie überall, nach dem Reichtum und Geschmacke des Erbauers, des Bewohners und des Zeitalters, in welchem sie entstand. Die meisten haben große, vollkommen erleuchtete und hohe Souterrains, in welchen sich die Küche, die Gewölbe zur Bewahrung der Vorräte nebst den Bedientenzimmern befinden. Letztere sind durchaus gut möbliert, ja die der Haushälterin und des Haushofmeisters (in England Butler genannt) sogar elegant, hübsch tapeziert, mit Mahagonimöbeln und guten Fußteppichen. Auch bei den Bedienten wird die englische Sitte beobachtet, daß sie außer ihren Schlafzimmern noch Wohnzimmer und Speisezimmer haben.

Aus dem Garten tritt man gewöhnlich zuerst in eine große, hohe, öfters von oben beleuchtete Halle, die mit Gemälden oder Statuen, Basreliefs oder Vasen geziert ist. Zu beiden Seiten liegen die verschiedenen Putz- und Wohnzimmer; ein langes Zimmer enthält die Bibliothek, deren schöne Schränke und zierliche Einbände sie zu einem der elegantesten Zimmer des Schlosses machen. In vielen Häusern ist es Sitte, daß die Familie sich zum Frühstück darin versammelt. Sonst gibt es noch Frühstückszimmer, Arbeitszimmer, Musikzimmer, Gesellschaftszimmer, (Drawingrooms), Wohnzimmer (Parlours), Speisezimmer, Spielzimmer in Menge, doch selten von ausgezeichneter Größe. Überall einfache Pracht, Fußböden, Treppen und Vorplätze mit schönen Teppichen belegt.

In vielen Häusern wechselt man im Sommer die warmen Winterteppiche mit kühlen, von gemalter Wachsleinwand, welche von beträchtlicher Dicke eigens dazu fabriziert wird. Mahagoniholz sieht man meistens nur an Treppengeländern, großen Eßtischen, Bettstellen; die Möbel in den herrschaftlichen Zimmern sind von fremden köstlicheren oder kunstreich lackierten Hölzern.

Man findet es bürgerlich, unmodisch, lächerlich, die Möbel an den Wänden hinzustellen, wie es in Deutschland gebräuchlich ist; in den Wohn- und Gesellschaftszimmern stehen alle in einem großen Kreis umher, so daß noch ein beträchtlicher Raum zum Spazieren zwischen den Stühlen, Sofas, Tischen und den Wänden übrig bleibt. Die Schreibtische sowohl als die Pianofortes sind immer mitten im Zimmer, wo eben das Licht am günstigsten fällt und man nicht von der Hitze nahe am Kamin oder vom Zug nahe am Fenster leidet. Noch müssen wir der Kamine gedenken, die, künstlich in Marmor gearbeitet oder mit brillantiertem Stahl geschmückt, eine der größten Zierden der Zimmer ausmachen. Schöne Vasen und prächtige Kandelaber prangen auf ihren Gesimsen. Der zweite Stock enthält die Schlafzimmer, welche indessen den Fremden nur selten gezeigt werden. Diese, besonders die der Damen, sind ein Heiligtum, in welches kein sterbliches Auge dringen darf. Oft hörten wir Engländerinnen mit wahrem Grausen von der Sitte der Französinnen sprechen, welche gerade ihre Schlafzimmer zum Besuchszimmer vorzugsweise erwählen.

So viel von der inneren Einrichtung der englischen Villen im allgemeinen. Kehren wir jetzt zurück zu den nächsten äußeren Umgebungen derselben.

Die Obst- und Gemüsegärten, die Treibhäuser liegen mit allen zur inneren Ökonomie gehörigen Gebäuden ganz nahe am herrschaftlichen Hause, werden aber durch mancherlei Vorkehrungen dem Auge entzogen. Diese Bezirke sind es, was der Engländer eigentlich Gärten (Gardens) nennt. Der zur Fußpromenade bestimmte Teil der Besitzung heißt Pleasure-Ground und liegt ganz nahe am Hause. Hier trifft man Ähnlichkeit mit den deutschen Parks: Gänge, die sich bald durch dichte Schatten, bald mehr im Freien hinschlängeln, Tempel, Säulen, Denkmäler, Ruheplätze und den ganzen architektonischen Reichtum der neueren Gartenkunst. Alle Gebäude sind von Stein, alle Geländer und Türen von schönem eisernen Gitterwerk. Hier blühen und grünen die vielen einheimischen Gesträuche, Bäume und Blumen neben den aus fremden Ländern herübergebrachten, die stark genug sind, den Winter im Freien zu ertragen.

Viele Pflanzen, die wir in Deutschland sorgfältig vor der Kälte schützen müssen, halten den durch Seeluft gemilderten englischen Winter aus, zum Beispiel der Laurus Tinus, das Heliotropium und der Jasmin (Jasminum officinale). Die beiden letzteren haben wir oft in einer Höhe von sechs bis acht Fuß sich an den Mauern hinziehen sehen.

Obstbäume aller Art werden aus diesen Anlagen verbannt. Die verständige Weise, mit welcher alle Bäume mit Hinsicht auf Höhe, Wuchs und die dunklere oder hellere Farbe ihres Laubes geordnet sind, gibt dem Ganzen einen Zauber, den man fühlt, ohne sich ihn gleich erklären zu können. Alles ist zur schönsten befriedigenden Einheit gebracht. Das Auge wird sogar in Hinsicht der Entfernung eines Gegenstandes oft getäuscht. Die englischen Gärtner sind wahre Landschaftsmaler im Großen, ja wir möchten sie fast für die einzigen eigentlichen Künstler der Nation erklären. Jeden Vorteil, den Optik und die Regeln der Perspektive ihnen darbieten, wissen sie gar gut zu benutzen, ohne doch ins Kleinliche zu fallen. Mit den Nadelhölzern aller Art, den verschiedenen, uns zum Teil in Deutschland unbekannten, immergrünen Stauden und Sträuchern, deren einige sogar bisweilen im Dezember blühen, werden sehr schöne Effekte hervorgebracht. Gewöhnlich sieht man davon in der Nähe des Hauses eine Art Wintergarten an einem sonnigen Platz angelegt, in welchem man sich bei winterlichem Sonnenschein ergehen und, von allen Seiten durch das Grün getäuscht, in den Frühling hineinträumen kann. Solche Anstalten sind auf jener Insel notwendiger als bei uns: denn derselbe wunderliche Geist, der die Einwohner dieses Landes die Nacht zum Tage umzuschaffen bewog, verwirrte auch den Lauf der Jahreszeiten. Der Winter herrscht in Hinsicht auf Kleidung und Vergnügen bis über die Mitte des Junius hinaus. Dann fängt der Frühling erst an, und so muß der Sommer und mit ihm der Aufenthalt auf dem Lande, welcher in der Regel erst im August und noch später beginnt, bis nach Weihnachten verlängert werden, damit jedem neben dem Unrecht auch sein Recht geschehe.

Der Haupteingang zum Park, ein oft sehr prächtiges Tor, hat zu beiden Seiten zwei kleine Gebäude, die Wohnung des Türhüters und seiner Familie, bei welchem sich jeder Einlaßbegehrende vermittelst einer Glocke meldet. Dieses Tor mit seinen Gebäuden, the Lodge genannt, ist eine Hauptzierde des Parks. Die beiden Pavillons sind bald im gotischen Geschmacke, bald im ägyptischen; sie stellen Türme, griechische Tempel oder auch nur artige, moderne Gartenhäuschen vor, je nachdem der Geschmack des Erbauers war. Immer hat der Türhüter eine freundliche, artige Wohnung darin, mit Küche und Keller und allem, wessen er bedarf, wohl versehen, und manche angesehene Familie in Deutschland würde zufrieden sein, einen solchen Sommeraufenthalt zu besitzen.

Woburn-AbbeyJohanna trat die Reise nach längerem Aufenthalt in London mit ihrem Gatten am 30. Juni oder 31. Juli 1803 an

Inhaltsverzeichnis

Dieser Landsitz, der erste, welchen wir besuchten, ist das Eigentum des Herzogs von Bedford, des reichsten Particuliers und zugleich des größten Ökonomen in England. Sein Bruder, der Ökonomie mit noch größerem Eifer ergeben, starb vor wenigen Jahren, sechsunddreißig Jahre alt, und hinterließ dem jetzigen Besitzer, welcher sich dem geistlichen Stande gewidmet hatte, das große Vermögen.

Woburn liegt eine Tagesreise von London entfernt. Das erste, was man uns hier zeigt, waren natürlicherweise die Wirtschaftsgebäude, vor allem die Viehställe: denn der Herzog, wie seine Vorgänger, beschäftigt sich hauptsächlich mit diesem Zweige der Landwirtschaft. Auch machen die vierbeinigen Eleven aller Art ihrem Erzieher Freude und Ehre. Sie tragen bei den in England gewöhnlichen Preisbewerbungen in Hinsicht der Größe, Schönheit und des Gedeihens gewöhnlich über alle anderen Mitbewerber den Preis davon. Dafür wird auch alles getan, um ihr Andenken nach ihrem leider fast immer gewaltsamen Tode zu verewigen. Im Schloß wimmelt es von gemalten oder in Stein gehauenen ähnlichen Bildnissen der wohlgeratensten unter ihnen. Viele davon sind sogar in Kupfer gestochen, und ihr Porträt prangt in den Londoner Kupferstichläden neben anderen berühmten Porträts von großen Gelehrten oder Ministern.

So wenig wir auch vom Landbau verstehen mochten, so war es uns doch unmöglich, die Ordnung überall und die zweckmäßigen Einrichtungen ohne Vergnügen und Bewunderung zu sehen. Man zeigte uns viele in diesem Lande der Industrie erfundenen Maschinen, um die ländliche Arbeit zu vereinfachen, zu erleichtern und einträglicher zu machen. Zum Beispiel eine Dreschmaschine; eine andere um das Getreide abzuschälen, damit kein Mehl in den Kleien verlorengehe; noch eine, womit man in der Mühle vier Sorten Mehl mit einem Mal durchbeutelt, und noch manches andere von dieser Art.

In den Viehställen herrscht eine unglaubliche Reinlichkeit, besonders da, wo wir sie am wenigstens vermuten konnten, im Schweinestalle. Die Bewohner dieses Orts hatten aber auch ein so gesegnetes Gedeihen, waren so groß und von der Last ihres Fettes so niedergedrückt, daß sie uns völlig lebensmüde erschienen. Noch zeigte man uns verschiedene ihrer Schönheit wegen berühmte Stiere und einige indianische Kühe. Letztere haben einen geraderen Rücken und einen kleineren Kopf, übrigens sehen sie wie andere Kühe aus.

Der Park mit seinen herrlichen Wiesen und den ehrwürdigen Bäumen ist von pittoresker Schönheit. Herden zahmer Hirsche und Rehe grasten darin umher, zu achtzig Stück und mehrere zusammen, mitten unter ihnen die schönsten, größten Schafe, einige asiatische mit dicken Fettschwänzen. Die furchtlose Ruhe dieser Tiere von so verschiedenen Gattungen erfreute uns jedes Mal, so oft wir den lieblichen Anblick auch sahen; sie führte ein Bild der schönen goldenen Zeit vor die Seele.

Das an sich große Schloß zeichnet sich vor andren weder durch besondere Pracht noch große Schönheit aus. Es ist zu neu, um ehrwürdig, zu alt, um elegant zu erscheinen. Nur montags steht es Fremden offen; für uns traf es sich diesmal sehr glücklich. Wir durchliefen eine Menge Zimmer voll Gemälden, größtenteils Porträts. Sechs große wunderschöne van Dycks, ganze Gestalten in Lebensgröße, fielen uns besonders auf. Dann auch das Porträt des unglücklichen Grafen Essex, ebenfalls in Lebensgröße. Er hatte eine schlaue, höchst bedeutende Physiognomie und einen ganz roten Bart. Ihm gegenüber hängt das Porträt der Königin Elisabeth, im geschmacklosesten, übertriebensten Putz, ohne allen weiblichen Reiz. Der historischen Gemälde und Landschaften, größtenteils aus der niederländischen Schule, sind eine große Anzahl, und darunter gewiß Stücke von hohem Werte. Auch eine sehr elegante Bibliothek befindet sich im Schlosse.

Das Orangeriehaus ist einfach prächtig. Acht große Marmorsäulen tragen in der Mitte desselben eine von oben erleuchtete Kuppel und umgeben eine große, mit Basreliefs geschmückte antike Marmorvase, über die man ein ganzes Buch schreiben könnte und an der wir flüchtig vorübereilen mußten.

Zu beiden Seiten der Orangerie ist eine oben bedeckte Promenade angebracht: sie bildet einen halben Kreis und dient zum Spazierengehen bei schlechtem Wetter und im Winter. Geißblatt, Rosen, echter Jasmin, Heliotrop und viele andere ähnliche Gewächse umranken die Pfeiler und die auf ihnen ruhenden Bogen, welche die Bedachung tragen; unzählige seltene und schöne Blumen und Gewächse stehen in Vasen, der Promenade entlang.

Ganz in der Nähe ist das Reithaus, ein anderes Haus zum Ballschlagen und eine Art von Pracht-Milchkammer, mit Fenstern von gemaltem Glase. Alle zur Milcherei gehörigen Gefäße sind darin von seltenem japanischen und chinesischen Porzellan. – Die eigentlichen Spaziergänge fanden wir, im Vergleich mit den übrigen, weder groß noch prächtig, aber geschmackvoll angelegt.

Stowe's Garden Landsitz des Marquis von Buckingham

Inhaltsverzeichnis

Diese Gärten werden mit Recht für die schönsten und prächtigsten in England gehalten und liegen in nicht gar großer Entfernung von Woburn. Wir erreichten sie noch denselben Abend, nachdem wir nachmittags Woburn verlassen hatten, und fanden in dem dicht daneben liegenden Gasthofe sehr gute Bedienung.

Stowe's Garden enthält einen Reichtum von Tempeln, Obelisken, Säulen, Pavillons aller Art. In jedem beschränkteren Platze ist freilich weise Sparsamkeit mit solchen Verzierungen nicht genug zu empfehlen; aber hier in diesem großen Raume fällt die Anzahl der Gebäude nur auf, weil man jedesmal die glückliche Wahl bewundern muß, mit der sie angebracht sind, und zugleich den Reichtum, der die Mittel darbot, auf eine so kostbare Weise eines der natürlich schönsten Plätzchen der Erde noch zu verschönern. Unmöglich ist's, diese Gärten durch bloße Worte darzustellen, man muß sie gesehen haben, um sie sich denken zu können. Sie bilden die schönste, lieblichste Landschaft, die nur eine Dichter-Phantasie erfinden konnte. Auch wandelt man hier auf klassischem Boden. Lord Cobham, dem sie hauptsächlich ihre Verschönerung verdanken, lebte hier in der glänzendsten Zeit der englischen Literatur. Die besten Köpfe Britanniens waren seine Freunde und teilten in diesem reizenden Aufenthalte frohe Tage mit ihm.

Auch ist alles getan worden, um hier das Andenken jenes seltenen Vereins zu erhalten. In einem der Freundschaft gewidmeten Tempel stehen Cobhams und seiner Freunde Büsten in Marmor, eine Art halboffener Rotunde enthält die Büsten merkwürdiger Menschen, die zu verschiedenen Zeiten sich um das Vaterland verdient gemacht haben. König Alfred, Königin Elisabeth, Pope, Newton, Franz Drake und mehrere andere, durch Jahrhunderte voneinander getrennt, sieht man hier, wo nur das allen gemeinsame Streben gilt, in geschwisterlichem Vereine.

Eine hohe Säule, welche Lord Cobham zu erbauen anfing, ist von seinem Nachfolger Lord Temple vollendet und seinem Andenken gewidmet. Sie ist inwendig hohl und enthält eine hundertsiebzig Stufen hohe Wendeltreppe. Man genießt oben einer vortrefflichen Aussicht nach Oxford zu. Eine andere Säule steht hier zum Andenken des General Wolf; eine kleinere, mit einem Globus verziert, zu Ehren des Weltumseglers Kapitän Cook.

Noch müssen wir eines gotischen Tempels gedenken, mit Fenstern von gefärbtem Glase, durch welche die Gegend umher sich wunderbar ausnimmt. Diese Anlagen sind reich an schönen alten Bäumen, besonders Eichen und Zypressen; ein ungeheuer großer Taxusbaum zeichnet sich besonders aus. Schattige Gänge ziehen sich um einen kleinen See. Einige natürliche Wasserfälle, schöne malerische Brücken, alles ist hier vereint, was einen solchen Platz nur zu verschönern vermag.

Das Haus besteht aus einem zwei Stock hohen Hauptgebäude und zwei Flügeln von einem Stock. Unter einer von Marmorsäulen getragenen, weit vorspringenden Attika blühen die seltensten Pflanzen in Blumentöpfen. Von hier tritt man in die prächtige, durch eine Kuppel von oben erleuchtete Halle. Am Friese ist ein römischer Triumphzug in Marmor abgebildet. Marmorsäulen zieren ringsumher diese Halle; zwischen ihnen stehen marmorne Statuen.

Aus der Halle tritt man in einen kleineren, mit antiken Büsten verzierten Saal, in dessen Mitte ein schöner Apoll aufgestellt ist. Diese Statue sowohl als der größte Teil der in der Halle befindlichen, sind Antiken.

Die nicht ganz modern dekorierten Zimmer enthalten einen Reichtum an Gemälden, meist Niederländern, namentlich Rembrandts, unter anderem das eigene Porträt dieses Meisters, dessen Arbeiten in England besonders hochgeschätzt werden. Ein Kabinett voller Porträts, größtenteils aus dem merkwürdigen Kreise, den Lord Cobham hier um sich versammelte, ist sehr sehenswert. Hier findet man Pope, Swift, Steele, Addison, der ein höchst gutmütiges Gesicht hat, und viele andere; auch ein Originalporträt der unglücklichen Maria Stuart. Sie ist in wunderlicher Kleidung mit einem sehr hohen Halskragen dargestellt und erscheint weit weniger schön, als man sie sich zu denken gewohnt ist; doch mag auch wohl die nicht außerordentliche Kunst des Malers daran schuld sein.

Lady Buckingham und ihre Tochter beschäftigen sich auch mit der Malerei. Die Mutter malt in Öl, die Tochter Pastell; sie haben ein ganzes Zimmer mit ihren Arbeiten dekoriert, von denen sich übrigens nichts weiter sagen läßt, als daß es von solchen Damen doch lobenswert ist, wenn sie ihre Zeit auf diese Weise hinzubringen suchen.

Wir fuhren denselben Abend, an welchem wir uns in Stowe umgesehen hatten, nach Woodstock, einem Städtchen, das auf vielfache Weise bekannt ist. Das prächtige Schloß Blenheim, welches die Königin Anna ihrem Lieblinge, dem Herzog von MarlboroughJohn Churchill (1650-1722), Staatsmann und Feldherr, gewann vor allem durch den Einfluß seiner Frau Sarah auf die Königin Anna, die letzte Herrscherin aus dem Hause Stuart (1702-14), höchste politische Macht., zum Dank für seine erfochtenen Siege schenkte und nach einem der glänzendsten benannte, liegt ganz nahe daran. Auch werden hier die vorzüglichsten, in ganz England beliebten Stahlarbeiten nicht fabrikmäßig, sondern von einzelnen Arbeitern in ihren Häusern verfertigt. Wir besuchten einen der geschicktesten, um einiges von ihm zu kaufen. Wie ein Maler, der sein Lieblingsbild mit Gold weggeben muß, so betrachtete der gute Alte seine besten Scheren und Messer mit wahrem Künstlerschmerz, ehe er sie uns übergab und ermahnte uns noch beim Schneiden, sie ja gut zu bewahren und zweimal des Tages mit Wolle abzureiben: denn ihm schienen sie das Wichtigste, was uns beschäftigen könnte.

In historischer Hinsicht ist Woodstock besonders merkwürdig. Auf einer Wiese, die jetzt zum Park von Blenheim gezogen ist, stand einst ein Landhaus, in welchem die Königin Elisabeth in ihrer Jugend erzogen, ja gleichsam gefangen gehalten ward. Sie konnte damals nicht hoffen, daß ihre Ansprüche an die Krone von England einst geltend werden würden; und eben diese Ansprüche, die sie gewiß oft in jenen Zeiten bitter beweinte, waren es, die ihr Freiheit, Umgang mit Menschen und jede Jugendfreude raubten. Hier erwarb sie sich alle die Kenntnisse, die Festigkeit, Klugheit, welche sie späterhin zur weisen, glücklichen Regentin machten. Wie war es aber möglich, daß diese frühere Erfahrung des Unglücks, diese Einsamkeit, diese Bekanntschaft mit allen Guten und Großen, was weise Männer vor ihrer Zeit dachten und schrieben, sie nur klug, nicht auch gut machten? Sie, die einst auch gefangen war, wie konnte sie ihre unglückliche Schwester Leiden fühlen lassen, welche sie selbst nur zu gut aus Erfahrung kannte und sie zuletzt dem fürchterlichen Tode auf dem Blutgerüst weihen! Die Nachwelt ist gerecht. Jeder Engländer spricht noch jetzt von Elisabeth, dem Weibe, und der Name der unglücklichen Maria wird noch überall mit Liebe und Mitleid genannt. Die Fehler der Stuart sind vergessen, aber ihr Unglück und ihre Liebenswürdigkeit lebt noch in allen Herzen.

Blenheim

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Als wir uns in Woodstock morgens früh anschickten, nach unserer Gewohnheit vor's erste den Park zu durchwandern, sahen wir mit Erstaunen, daß ein himmelhoher Phaeton, mit zweien ziemlich unbändig scheinenden Schimmeln bespannt, unser vor der Tür des Gasthofes harrte. Die Wirtin versicherte uns mit der in solchen Fällen gebräuchlichen Eloquenz, es wäre geradezu unmöglich den Park zu Fuße zu sehen. Wir fügten uns also ihrer Einrichtung, bestiegen das so gefährlich aussehende Fuhrwerk und hatten alle Ursache, mit diesem Entschlusse zufrieden zu sein. Der Park ist so groß, daß kaum anderthalb Stunden zu der Fahrt hinreichten. Die Schimmel waren weniger unbändig, als sie zuerst schienen, und die große Höhe des jetzt aus der Mode gekommenen ganz unbedeckten Fuhrwerks erleichterte gar sehr das Umsehen nach allen Seiten und den Genuß der verschiedenen sich darbietenden Aussichten.

Übrigens wird Blenheim auf eine noch umständlichere und dadurch auch kostspieligere Weise gezeigt, als es bei anderen Landsitzen gebräuchlich ist. Der Geist der stolzen Frau ihrer Zeit, der Lady Sarah, Marlboroughs Gemahlin, scheint noch jetzt auf die in ihrem ehemaligen Wohnsitze übliche Etikette Einfluß zu haben.

Ein großes, prächtiges Tor mit zwei Nebengebäuden, die Wohnung des Türwärters, dient dem Park zum Haupteingange; eine Inschrift auf einer darüber angebrachten Marmorplatte belehrte uns, daß Lady Sarah diese Art von Triumphbogen ihrem verstorbenen Gemahl zu Ehren erbaute. Der Türhüter empfing uns mit einer wahrscheinlich für diesen Zweck ein für allemal auswendig gelernten Anrede, ging ganz ernsthaft etwa fünfzig Schritte neben dem Wagen her, dann ließ er ihn halten. »Dies ist die erste Aussicht«, rief er uns zu; »da drüben sehen Sie ein Wasser mit einer schönen geraden Brücke; daneben rechts steht ein hoher Obelisk, des Herzogs Taten, die Schlachten, die er schlug und gewann, sind daran zu lesen; seine Statue steht auf der Spitze des Obelisks und ist zehn Fuß hoch, so klein sie auch von hier aus erscheint.« So ging es eine feine Weile; uns ward langweilig zu Mute: denn alles, was wir später in der Nähe sehen sollten, ward hier von weitem gezeigt, ohne daß man uns Zeit gelassen hätte, der wirklich mannigfaltigen und lieblichen Aussicht uns zu erfreuen. Dennoch war es unmöglich, dem Strome dieser eingeübten Rede Einhalt zu tun.

Endlich waren wir an dem Orte, wo der lästige Redner, nach der hergebrachten Regel dieses Hauses, von uns scheiden mußte. Er übergab uns einem Förster, der uns zu Pferde begleitet, legte uns noch zum Beschluß, trotz der herzoglichen Livree, die er trug, den endlichen Zweck aller seiner Redekunst, besonders an's Herz und schied, nachdem er ihn erreicht hatte. Sein Nachfolger war zum Glück weniger beredt; bescheidentlich ritt er neben uns her und sprach nur, wo es notwendig war.

Der Park ist einer der schönsten in England. Sanfte Anhöhen, liebliche Täler in freundlicher Abwechslung, bedeckt mit dem schönsten Grase, werden von vielen hundert Rehen und Damhirschen belebt. Mehrere schöne steinerne Brücken führen über einen Kanal, welchem man sehr täuschend das Ansehen eines sanft sich hinwindenden Stroms zu geben wußte. Einige zerstreut liegende Tempel und andere Gebäude, der Obelisk mit der Statue des großen Marlborough und unzählige alte herrliche Bäume gaben ihm einen unbeschreiblichen Reiz. Überall sind mannigfaltige Aussichten auf das Schloß, das Wasser, die Brücken, die Gebäude mit Auswahl und bescheiden sich verhüllter Kunst veranlaßt. Nachdem wir alles gehörig bewundert und uns auch mit dem Förster abgefunden hatten, übergab uns dieser dem Gärtner, welcher uns in den das Schloß in der Nähe umgebenden, zum Spazierengehen bestimmten Anlagen herumführte. Auch diese sind sehr reizend und lieblich, aber bei weitem nicht so prächtig als die von Stowe. Ihre zierliche Einfachheit muß zwar gefallen, doch dünkte uns, sie würde sich besser zu jenem kleineren, in prunkloserem Stil erbauten Schlosse schicken, und dagegen die mit so viel Reichtum ausgestatteten Gärten von Stowe zum Prachtpalaste von Blenheim. Eine wasserreiche, immer laufende Kaskade, ein lieblicher Weg um einen kleinen See herum und viele vorzüglich große, schöne Bäume bilden hier die schönsten Partien.

Als wir des nachmittags hingingen, das Schloß zu sehen, wurden wir am Eingange des zweiten Hofes von einer alten Frau empfangen, die wir anfangs für die Haushälterin hielten, welche uns, wie das in England gebräuchlich ist, die Zimmer zeigen sollte. Sie machte, wie alle Engländerinnen der unteren Klasse, einen kleinen wunderlichen Knicks bei jedem Worte, das wir zu ihr sprachen, und führte uns mit großer Redseligkeit bis an das Schloß. Hier nahm sie wieder mit unzähligen Knicksen Abschied und belehrte uns, ihr Amt wäre, die hohen Herrschaften (the Quality nannte sie es) mit gebührendem Respekt zu empfangen und dahin zu sehen, daß sie, wie es sich gehöre, über den Hof begleitet würden. Wir gaben ihr lachen ein paar Schilling und das Zeugnis, daß sie ihrem Amte trefflich vorstehe, und so schieden wir mit wechselseitiger Zufriedenheit voneinander.

Das Schloß ist ein durch seine Größe imponierendes Gebäude; übrigens schwer, bunt, kraus, mit einer Unzahl von Säulen, Vasen, Treppen, Geländern und Türmen verziert oder verunziert.

Die große Halle, in welche man zuerst im Schlosse tritt, ist sehr hoch, sehr groß und, wie die in Stowe, ebenfalls von oben erleuchtet. Sie hat einen schön gemalten Plafond, den marmorne Säulen unterstützen, schöne, zum Teil antike Statuen stehen ringsumher. Die übrigen Zimmer sind von altmodischer Pracht, alles solid und köstlich, wie man es an diesem Orte erwarten muß. Französische Hautelisse-Tapeten schmücken mehrere Säle, alle stellen des großen Herzogs Siege vor, sind aber leider sehr verblichen.

Die Gemäldesammlung ist sehr groß; eine Magdalena von Tizian und eine heilige Familie von Leonardo da Vinci, zwei Marattis, Bettelbuben vorstellend, einige Porträts von van Dyck sind uns bei dem schnellen Durchfliegen noch einigermaßen im Gedächtnisse geblieben; Raffaele zeigte man uns wenigstens ein halb Dutzend, von denen dieser große Meister selbst wahrscheinlich nie einen sah. Treffliche Niederländer sind hier, verschiedene Gemälde von Rubens, Bauernstuben voll Leben und Wahrheit von Ostade, Steen und anderen. Gewaltsam mußten wir uns von diesen, in engen Banden gehaltenen Schätzen wegwenden. Ein großes Gemälde von Sir Joshua Reynolds, den jetzigen Herzog und seine Familie vorstellend, hängt auch hier; aber die Nachbarschaft sowohl als das Kostüm tut ihm Schaden.

Noch ein großer, hoher, von oben erleuchteter Saal, von la Guerre mit vieler Wahrheit gemalt, dünkt uns des Erwähnens wert. Der Plafond stellt den Herzog vor, wie Zeit und Friede ihn in seinem Triumphwagen aufhalten. Die Wände sind wie eine offene Halle gemalt; rundum läuft ein Geländer, hinter welchem alle europäischen Nationen mit charakteristischer Physiognomie und Kleidung in verschiedenen Stellungen stehen. Die Figuren, etwas über Lebensgröße, übrigens von täuschender Wahrheit, ragen halb über das Geländer vor.

Die Bibliothek, ein sehr langes schmales Zimmer, soll an siebzigtausend Bände enthalten. Am Ende derselben steht die marmorne Statue der Königin Anna in völliger Staatstracht; mit dem Königsmantel, dem langen, über einen oben schmalen, unten breiten Reifrock gespannten Kleide, dem hohen Halskragen und der Krone auf dem Haupte, sieht sie wie eine große Weihnachtspuppe aus; Spitzen und Stickereien aber sind mit bewundernswürdigem Fleiße in den harten Stein gearbeitet. Auch in der Bibliothek hängen viele Porträts; der große Herzog und seine Sarah sind hier abgebildet; sie hält die herzogliche Krone recht fest und schaut keck und übermütig in die Welt hinein.

In der Schloßkapelle zeigte man uns das große Grabmal, welches Lady Sarah sich, ihrem Gemahl und ihren zwei Kindern noch bei Lebzeiten setzen ließ. Die Familie ist in Lebensgröße darauf zu sehen, nebst einem ansehnlichen Gefolge von Tugenden und Genien. Es ward in London gefertigt und sehr teuer bezahlt; das ist alles, was wir davon zu sagen wissen; weder der Gedanke noch die Ausführung zog uns an.

Des flüchtigen Sehens überdrüssig, ermüdet von dem Stehen und Gehen in den vielen großen Zimmern, eilten wir in unseren Gasthof zurück und entsagten einer Sammlung von altem echten japanischen und chinesischen Porzellan, die man uns als etwas sehr Merkwürdiges zu zeigen sich erbot.

Birmingham und Soho

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Wir reisten jetzt auf Birminghamheute einer der größten Industriestädte der Welt mit über 1 Million Einwohnern, hatte zur Zeit Johannas etwa 75 000 zu. Die Gegend verschönte sich mit jeder Meile, Berge wechselten mit lachenden Tälern. Wir mußten zuweilen die Räder einhemmen, weil der Weg zu steil bergab führte. Die Aussichten von der Höhe sind sehr reizend. In Birmingham selbst erklommen wir noch einen steilen Berg, der uns lebhaft an den Hradschin in Prag erinnerte, ehe wir zu dem großen eleganten Gasthofe gelangten. Dieser heißt noch immer »Zur Henne mit den Küchlein«, obgleich der Wirt in unseren, immer vornehmer werdenden Zeiten sich alle Mühe gibt, ihn zu Lloyd's Hotel umzustempeln.

Birmingham ist durch seine Fabriken weit und breit berühmt, ja man könnte fast behaupten, es gäbe kein Dorf im kultivierten Europa, vielleicht kein Haus, in welchem nicht irgendein Produkt der Industrie dieser Stadt zu finden wäre, sei es auch nur ein Knopf, eine Nadel oder ein Bleistift. Die Stadt selbst ist schon durch ihre bergige Lage nicht schön; der Rauch der vielen Fabriken und Werkstätten, die hier ihr Wesen treiben, gibt ihr ein düsteres, schmutziges Ansehen. Überall hört man hämmern und pochen, alles läuft am Tage geschäftig hin und wider, niemand hat Zeit, solange die Sonne leuchtet. Dafür hallen des abends die Straßen vom Geschrei und von Gesängen derer wider, die sich den Tag über unter der schweren Last des Lebens abarbeiteten. In den wenigen Stunden, die sie dem alle Sinne lähmenden Schlafe des ermüdeten Arbeiters abstehlen können, suchen sie in Tavernen und Spielhäusern die Freude zu haschen, an die sie den Tag über nicht denken konnten.

Den Tag nach unserer Ankunft eilten wir, den merkwürdigsten Punkt dieser Gegend, Soho, das zwei Meilen von Birmingham gelegene Etablissement des Herrn BoultonMatthew (1728-1809) gründete mit James Watt die erst Dampfmaschinenfabrik der Welt; die Fabrikanlagen in Soho gründete er 1762 zu besuchen.

Wir finden in ganz England, vielleicht in ganz Europa keinen glänzenderen Beweis von dem, was Industrie, Fleiß und anhaltendes Streben nach einem Ziele vermögen, als diesen kleinen freundlichen Fleck. Herzlich freuten wir uns, seinen Schöpfer, den achtzigjährigen Boulton, noch in völliger Geisteslebendigkeit kennen zu lernen, obgleich sein Körper der Krankheit, dem Alter und der unermüdeten Arbeit längst unterlag. Wir fanden ihn durch Steinschmerzen völlig gelähmt; im Hause ließ er sich durch zwei rüstige Bediente herumtragen; im Freien fuhr er sich selbst in einem der kleinen bequemen Fuhrwerke, die in England zum Troste der dort so häufigen Lahmen und Gebrechlichen erfunden wurden. Alles dies hinderte ihn nicht, uns, die wir ihm durch einen seiner Freunde empfohlen waren, überall selbst hinzubegleiten. Sein dunkles Auge blitzte von Jugendfeuer, als er uns erzählte, wie er alle die vielen sich ihm entgegenstellenden Schwierigkeiten mutig bekämpfte und glücklich überwand. Freundlich erklärte und zeigte er uns alles. Und als wir in die dortigen Anlagen traten, die er mit Hilfe einer Dampfmaschine dem unfruchtbaren Sumpfe abgewann, sprangen uns seine blühenden Enkel entgegen, spannten sich vor sein Wägelchen und fuhren den glücklichen Greis wie im Triumph davon.

Achthundert Menschen finden in Soho täglich Arbeit und Brot. Hier werden englische Kupfermünzen und ausländische, für die ostindische Compagnie, für Amerika und manche fremde Höfe geprägt. In Deutschland sagt das Gerücht: Boulton lasse auch die vielen falschen Münzen fabrizieren, die von England aus Deutschland überschwemmen. Dem ist aber nicht so, er hat an dem gesetzlichen Wege mehr Arbeit, als er bestreiten kann, und ist zu rechtlich, zu reich, um sich einem so gefährlichen Handwerke zu unterziehen. Vor diesem war das Nachprägen fremder Münzen, wenn nicht erlaubt, doch in England toleriert; sie wurden wie Rechenpfennige angesehen und in großer Menge, meistens auf Bestellung spekulativer Köpfe in Deutschland und anderen Ländern, ziemlich öffentlich fabriziert. Seitdem aber der Galgen so gut auf diesen Zweig der Industrie gesetzt ist wie auf das Nachmachen englischer Banknoten und Münzen, wird dieses Geschäft nur ganz heimlich betrieben. Es soll indessen in Birmingham an dergleichen Fabriken, welchen oft eine Knopffabrik zum Aushängeschild dient, nicht fehlen.

Außer der Münze enthält Soho noch eine große Fabrik von plattierten Waren aller Art, eine Glasfabrik und eine von Dampfmaschinen.

Die erstaunenswürdigste Erfindung der letzteren, bei dem Reichtum an Steinkohlen für England von unermeßlichem Wert, hat Boulton erst auf den Gipfel von Vollkommenheit gebracht, auf welchem sie jetzt steht. Er verfertigt Dampfmaschinen für ganz Europa und Amerika, läßt aber diese Fabrik niemanden sehen, weil sich oft Leute bei ihm einschlichen, die seine Gastfreundschaft mißbrauchten und mühsam errungenen Vorteile ihm abzusehen strebten, während er sie freundlich bei sich aufnahm. Er sagte uns, wir würden es unartig gefunden haben, daß er in allen Gasthöfen, viele Meilen um Birmingham her, ein Avertissement anschlagen ließ, in welchem er bekanntmachte: daß ohne besondere Empfehlung an ihn keinem Fremden sein Etablissement gezeigt werden. Durch den ewigen Zulauf von Fremden, der ihm oder doch einem seiner Associés alle Zeit raubte und unter seinen Arbeitern ewige Störungen veranlaßte, wurde er zu diesem Schritte gezwungen, den er höchst ungern tat. »Nichts ist unerträglicher«, sagte er, »als ein Haus zu besitzen, das eine Sehenswürdigkeit ist (a rare show) oder gar selbst eine zu sein; beides war mein Fall, denn jeder, der Soho gesehen hatte, glaubte schon aus Höflichkeit dessen Stifter in Augenschein nehmen zu müssen, und so wußte ich mir am Ende nicht anders zu helfen, als auf diese unfreundliche Weise.«

Das Wohnhaus in Soho ist ein hübsches, bequemes und großes Gebäude, überall Sauberkeit und Eleganz, nirgends Pracht, nirgends ein Streben, mit den prächtigen Villen der Großen des Landes zu wetteifern. Es liegt sehr angenehm: aus den vorderen Zimmern übersieht man eine sehr schöne, reiche Gegend, im Vordergrunde die Stadt; fruchtbare angebaute Hügel steigen über ihr empor. Dicht vor dem Hause liegt ein hübscher Garten voll Blumen und fremder Pflanzen und hinter dem Hause eine reizende Promenade, längs den Ufern eines kleinen Sees, welchen Boulton schuf, indem er vermittelst der Dampfmaschine die alten Sümpfe austrocknete und das Wasser hier sammelte. In einer Ecke desselben ergießt sich ein Wasserfall von einem mit schönen Blumen und Bäumen gezierten Hügel. Alles dieses war vor ungefähr zwanzig Jahren eine öde, sumpfige Heide.

Die Fabrik von plattierten Sachen erschien uns besonders interessant. Es ist unmöglich, schönere Formen und bessere Politur zu sehen, als dem Silber hier gegeben wird. Man kann das Plattierte von dem ganz Silbernen durch's Auge allein nicht unterscheiden, und es gibt auch, auf die Weise wie hier gearbeitet, dem Silber an Dauer wenig nach.

Auf ein Stück Kupfer, etwa eine halbe Elle lang und eine Achtelelle im Durchmesser, werden Längen aus zwei Platten von ganz reinem Silber, etwa den zehnten Teil so dick als Kupfer ist, oben und unten aufgeschmolzen. Dann wird es durch Walzen, von einer Dampfmaschine getrieben, zu Blech ausgedehnt, so dünne man es bedarf. Das Silber bleibt dabei immer mit dem Kupfer im nämlichen Verhältnisse. Dieses Blech braucht man zur Verfertigung der Leuchter, Kannen und allen Silbergerätes, welches eine Fläche bietet; zu den Henkeln, Füßen und dergleichen nimmt man eine runde, mit Silber belegte Stange Kupfer, die auf die nämliche Weise, wie wir oben beschrieben, behandelt wird. Die äußeren Ecken werden den Gefäßen von massivem Silber angesetzt; auch sind die meisten Verzierungen daran ganz Silber.

Die Glasschleiferei ist ebenfalls merkwürdig. In einem sehr langen Zimmer sieht man eine Menge Schleifsteine unaufhörlich schnell sich drehen. Eine lange hölzerne, am Boden horizontal liegende Walze, welche durch eine unter dem Zimmer sich befindende Dampfmaschine getrieben wird, setzt sie alle in Bewegung. Mit der größten anscheinenden Leichtigkeit schleifen die Arbeiter die schönsten Muster auf die Gläser mit einer bewundernswürdigen Genauigkeit, ohne alle Vorzeichnung, indem sie dieselben an die wie von Zauberei getriebenen Scheiben halten. Von hier aus kommen größtenteils die schönen Girandolen, Lüster, Trinkgläser und Prachtvasen, die glänzendste Zierde großer Tafeln, welche wir oft in den, bei nächtlicher Beleuchtung einem Feenschloß ähnlichen, flimmernden Glasläden Londons nicht genug bewundern konnten. Die letzte Politur wird dem Glase vermittelst einer hölzernen Scheibe, statt des Schleifsteins, gegeben.

Die Münze arbeitete gerade diesen Tag nicht. Herr Boulton ließ aber einige kleine Geldstücke prägen, um uns den Mechanismus zu zeigen. Acht Prägstöcke werden hier ebenfalls von einer Dampfmaschine getrieben; jeder derselben prägt in einer Minute dreißig bis einhundertzwanzig Stücke aus, je nachdem sie größer oder kleiner sind, und zwar auf beiden Seiten zugleich. Bei jedem Stempel ist eine höchst sinnreich erfundene Maschine angebracht, die mit Blitzesschnelle das eben geprägte Stück fort und ein noch ungeprägtes an dessen Stelle einschiebt. Alles dieses scheint wie von unsichtbaren Geistern getrieben. Das Gepräge der Münzen ist durchgängig schön. Sie sind alle vollkommen rund, von gleicher Größe und möglichst gleichem Werte.

In einem anderen Zimmer werden die Münzen geschnitten, ehe sie geprägt werden; noch in einem anderen nach dem Prägen gereinigt, indem sie in langen leinenen Säcken hin und her geschwungen werden. Auch diese Operation wird durch die Dampfmaschine bewerkstelligt.

Zum Abschiede statteten wir noch der Dampfmaschine selbst einen Besuch ab. Wir sahen in einem unterirdischen Gewölbe eine Pumpe durch den Dampf des darunter in einem verschlossenen, eingemauerten Kessel kochenden Wassers unaufhörlich in Bewegung gesetzt. Diese Pumpe trieb einige große Räder, diese Räder kommunizierten mit den vielen, in den oberen Zimmern befindlichen mannigfaltigen Maschinen und brachten alle die Wunder hervor, die uns oben in Erstaunen gesetzt hatten. Das ist alles, was wir durch's bloße Anschauen von dieser bewundernswerten Erfindung begriffen. Das Wasser muß das ganze Jahr im Kochen erhalten werden, damit die Maschine nie stocke. Herr Boulton versicherte uns, es gehöre weit weniger Feuerung dazu, als man auf den ersten Augenblick glauben möchte.

Burton und Derby

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Von Birmingham reisten wir über BurtonBurton-upon-Trent, berühmte Brauereistadt, die ihre Entstehung den braukundigen Mönchen der Burton Abbey im 11. Jahrhundert verdankt. Die Güte dieses Bieres wird auf die Qualität des Wasser zurückgeführt nach Derby. Burton ist ein freundliches Städtchen, weltberühmt durch das Ale, welches nirgends so gut gebraut wird als hier. In Friedenszeiten gehen jährlich große Sendungen davon nach ganz Europa, besonders nach Rußland. Auch nach Amerika ward viel davon verschifft. In England trinkt man es, wenn es einige Jahre gelegen hat, in bürgerlichen Häusern zum Dessert. Auch ist es dann durch die Zeit so stark, daß es sich mit jedem Wein an Geist messen kann und den Biergeschmack ganz verliert.