Reise ins spirituelle Afrika - Trutz Hardo - E-Book

Reise ins spirituelle Afrika E-Book

Trutz Hardo

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Beschreibung

Dies ist der letzte Band von insgesamt vier über die Weltreisen per Anhalter von Trutz Hardo. Nach der Reise zu den Geistern Afrikas geht es in diesem Buch weiter über Tansania, Ruanda, Kongo, Sambia und Zimbabwe nach Südafrika. Dort wie auch schon in Zimbabwe trifft Trutz Hardo einige hoch mediale Menschen, die ihm die Verbindung zur jenseitigen Welt herstellen. Dort erhält er auch das Geschenk der Automatischen Schrift. Trutz Hardo trifft Leute, die nicht nur Ufos gesichtet haben, sondern mit ihnen in engem Kontakt stehen. Über Mauritius und Madagaskar fliegt er von Johannesburg wieder zurück nach Deutschland. Dieser Band ist nicht nur das Abenteuer nach außen, sondern besonders nach innen. Und wer selbst auf der Suche nach höheren Wahrheiten Ausschau hält, der wird dieses spannend geschriebene Buch mit Freude lesen wollen.

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Impressum:

© 2016 by Trutz Hardo

2. Auflage

Umschlaggestaltung, Bildmaterial: Trutz Hardo

Titelfoto: Anja by pixabay.com

Satz: Angelika Fleckenstein; spotsrock.de

Verlag: tredition GmbH Hamburg

ISBN:

978-3-7345-1232-2 (Paperback)

978-3-7345-1233-9 (Hardcover)

978-3-7345-1234-6 (eBook)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Trutz Hardo

Reise ins spirituelle Afrika

Von Zentralafrika bis Südafrika

Weltreise Teil IV

Inhaltsverzeichnis

1.  Kapitel Von der Mitte Afrikas nach Simbabwe

1.     Im Militärgefängnis von Burundi

2.     In Ruanda, dem Herzen Afrikas

3.     Mit Anna Karenina auf dem aktivsten Vulkan von Zaire

4.     Beinahe von elf Löwinnen gefressen

5.     Abschied von Tansania

6.     In Sambia wieder verhaftet

7.     In der Spiritistenkirche des Apartheitsstaates Rhodesien

8.     Meine erste Teilnahme an Séancen

9.     Wie ich Fern kennenlernte

10.    Jüdische Schicksale

2. Kapitel Südafrika

1.     Im Zentrum des Apartheitsstaates

2.     Botschaften aus fliegenden Untertassen

3.     Geisterkontakte in Johannesburg

4.     Meine Begegnung mit dem Botschafter Gottes

5.     Über Namibia nach Kapstadt

6.     In Umkomas, der Stadt der guten Geister

7.     Spirituelle Ostererlebnisse in Durban

8.     Menschen von anderen Planeten

9.     Unverhoffte Botschaften aus höherer Dimension

3.  Kapitel Malawi, Mauritius, Madagaskar

1.     Das Polizeiverhör in Malawi

2.     Beim Tempelguru auf Mauritius

3.     Blutopfer auf Madagaskar

4.     Geisterspuk im Klassenzimmer

5.     Der Brief, der eine Umkehr bewirkte

4.  Kapitel Zurück nach Südafrika

1.     Der eifersüchtige Ehemann

2.     Wie ich die Automatische Schrift erhielt

3.     Das unverhoffte Geldgeschenk

4.     Ohne Benzin mit dem Auto gefahren

5.     Marias Brief

5.  Kapitel Wieder in Deutschland

1.     Wiedersehen mit Maria

2.     Der zerplatzte Luftballon

3.     Dichterstimme aus der Geisterwelt

4.     Auf Umwegen nach Kreta

6.  Kapitel Die Geburt des Farbromans

Anhang Zwei Kapitel aus dem Farbroman

1. Kapitel

Von der Mitte Afrikas nach Simbabwe

1.      Im Militärgefängnis von Burundi

Ich verließ Nairobi am 21. Juli und ließ mich wieder von Privatwagen mitnehmen. An einem Natronsee konnte ich Tausende von Flamingos mit ihren rosafarbigen langen Beinen bewundern und auch das Geräusch ihrer Flügel hören, als sie sich durch einen abgefeuerten Schuss alle zugleich in die Lüfte schwangen. Natürlich kramte ich meine Kamera schnell hervor, um dieses Ereignis festzuhalten. Später glaubte ich sogar ein Ufo auf diesem Foto entdecken zu können. Am Londiani Berg nahm ich die Straße nach Südwesten, bedauernd, dass ich nun nicht auf der Hauptstraße von Nairobi nach Kampala, der Hauptstadt von Uganda, weiterreisen konnte. Ich hätte jenes Land und seine Leute auch gern besucht. Am Abend gelangte ich nach Kericho.

Das Geruckel auf den oft ungeteerten Straßen samt den Schlaglöchern ließen mich, der ich entweder vorn neben einem Fahrer saß oder hinten auf der Ladefläche eines Lastwagens stand oder saß, wach bleiben, sodass ich viel Gelegenheit hatte, an meinen beiden Buchvorhaben weiterhin zu planen. Und immer wieder musste ich an Maria denken. Was würde sie jetzt machen? Sicherlich würde sie studieren. Aber wo und was?

Schon am nächsten Tag, nachdem die Straße an Teeplantagen entlang führte, überquerte ich die Grenze nach Tansania und erreichte am übernächsten Tag Mwanza, die zweitgrößte Stadt des Landes. Sie breitet sich direkt an einer Bucht des Viktoriasees aus und avancierte zum bedeutendsten Handelshafen dieses größten Binnensees Afrikas. Dieser ist nach dem Obersee in Nordamerika der zweitgrößte Süßwassersee der Welt, und mit einer Länge von 337 und einer Breite von 240 Kilometer entspricht seine Fläche ungefähr der Größe unserer Beneluxländer. Er bildet auch das Hauptreservoir für den weißen Nil. Der erste Europäer, der diesen See 1858 zu sehen bekam, war Engländer und benannte diesen nach seiner Königin Victoria. Reger Schiffsverkehr verbindet die Orte der fruchtbaren Gegenden. Nachdem Mwanza in der deutschen Kolonialzeit an das Eisenbahnnetz angeschlossen war, konnten auch die reichen Erträge, die man an und um diesem See erwirtschaftete, an die Küste des indischen Ozeans befördert werden, von wo dann Kaffee, Tee, Sisal, Baumwolle, Edelhölzer und andere Produkte nach Übersee exportiert wurden. Wie in allen Städten des Landes begegnet man den deutschen Kolonialbauten, die einst für die Verwaltung des Landes errichtet worden waren und zur Zeit meines Besuches noch der sozialistischen Regierung für Bezirksverwaltung, Polizei, Militär und Post- und Bahnwesen dienten. Die Stadt ist von felsigen Hügeln umgeben. Ein in der Stadt sich erhebender Felsklotz wurde noch stolz als Bismarckstuhl bezeichnet. Hier existierte auch noch der deutsche Friedhof, sind doch viele der Kolonisten damals an Tropenkrankheiten wie an Malaria und dem Schwarzwasserfieber gestorben. Tansania ist im Nachhinein noch immer der deutschen Kolonialregierung für die Erschließung des Landes durch Straßenbau und Schienenverlegung dankbar. Die Engländer haben für ihre eigenen Interessen daraus Nutzen gezogen und konnten die Erträge des Landes auf dem Weltmarkt gewinnbringendst veräußern. Dies empfanden die Einheimischen als rücksichtslose Ausbeutung. Als Deutscher wurde ich hingegen immer gern überall aufgenommen.

Ein Landsmann, den ich in der Stadt traf, erzählte mir von seinem deutschen Freund, der auf einer kleinen Insel alleine lebte und sich sicherlich freuen würde, wenn ich ihm einen Besuch abstatten würde. Und da ich bei solchen Begegnungen immer viel über das Land und seine Bewohner erfuhr, wie ich es schon bei Bert von Mutius in der Nähe von Arusha erlebt hatte, bestieg ich an einem Nachmittag eine Fähre, die mich dann auf diese Insel brachte. Das Haus befand sich in unmittelbarer Nähe der Anlegestelle. Ich schritt auf dieses zu und klopfte an die Tür. Obwohl ich drinnen Stimmen vernommen hatte, wurde mir, der ich wiederholt kräftiger an die Tür pochte, nicht aufgetan. Auch, als ich um das Haus herumging, und mein „Hallo!“ ertönen ließ, öffnete niemand. Und da es schon zu dämmern begann, ging ich zur verlassenen Fähre zurück und legte mich auf der Kommandobrücke nieder, von wo aus ich Lichtschein in jenem Haus erkennen konnte. Es wurde während der Nacht empfindlich kalt, zumal ein kräftiger Wind blies. Trotzdem ich in meinen dünnen Schlafsack gekrochen war, fror ich, lag doch der große See in einer Höhe von 1.130 Meter. Am nächsten Morgen wachte ich mit einer dicken Erkältung auf und fuhr mit dem Fährboot nach Mwanza zurück. Dort begegnete ich jenem Deutschen, dem ich über meinen erfolglosen Besuch berichtete. Und er erklärte mir den vermutlichen Grund für das Nichtöffnen der Tür. Am vorgestrigen Tag sei dessen Freundin aus Deutschland zu Besuch gekommen. Und sicherlich hatten die beiden ungestört bleiben wollen. „Va bene“ würde der Italiener nun sagen.

In Mwanza am Viktoriasee bezeichnet man diesen Felsbrocken als „Bismarckstuhl“.

Mein Oktavbüchlein füllte sich wieder mit Gedanken, die ich seit Nairobi mit mir herumtrug. In meinem Roman muss auch das 20. Jahrhundert aus philosophischer Sicht behandelt werden, denn es war ein Jahrhundert der Ideologien, in welchem sich der Kommunismus mit dem Nationalismus um die Vorherrschaft in Europa in einen erbitterten Kampf stützte, an dessen Ende jedoch der Materialismus siegte. Ein im Roman zu Wort kommender Philosoph sagt zu Molar: „Der Kommunismus kann sich nur durchsetzen, wenn die Menschen geistig erleuchtet werden, wenn sie das Ziel der Gemeinschaft über ihr eigenes Wohl setzen, das heißt auch, wenn sie die anderen lieben gelernt haben wie sich selbst. Der Kommunismus muss im Inneren geboren und nicht von außen aufgezwungen werden, da er somit nur Widerwillen erreicht. Und der Kommunismus verbreitet Hass, nicht Liebe. Deshalb musste er scheitern.“

Und da an der westlich des Viktoriasees gelegenen Seite Tansanias bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, deren eine Partei von dem benachbarten Uganda unterstützt wurde, musste ich, um nach Ruanda zu gelangen, den Umweg über Tabora nach Kigoma nehmen, während ich lieber das Schiff von Mwanza nach Bukoba genommen hätte, von wo aus es nur 200 Kilometer bis zur Grenze Ruandas gewesen wären. Kigoma liegt am Tanganyikasee, welcher mit 660 Kilometern der längste Süßwassersee und mit 1.470 Meter zugleich nach dem Baikalsee-See der tiefste der Welt ist, jedoch nur eine relativ geringe Breite von 12 bis 72 Kilometer misst. Wegen seiner relativen Enge wirkt er durch die Berge auf der kongolesischen und auf der tansanischen Seite an manchen Stellen wie eine tiefe Schlucht. Berühmt wurde dieser See in der europäischen Welt, nachdem der britische Journalist Henry Morton Stanley 1871 mit kundiger Hilfe arabischer Sklavenhändler dort den lange vermisst geglaubten englischen Missionar David Livingstone im benachbarten Ujiji vorfand und ihn mit der zu einem Bonmot gewordenen Begrüßung ansprach: „Mr. Livingstone, I presume.“ (Ich vermute, Sie sind Herr Livingstone.) Die deutschen Kolonialherren hatten die Bahnstrecke auch nach Kigoma gelegt, um von hier aus die Güter, die von oder mit den hier wohnenden Völkern erwirtschaftet wurden, zum Hafen am indischen Ozean zu befördern. Kaiser Friedrich Wilhelm II hatte seinen Besuch in dieser Kolonie angekündigt und auch wissen lassen, dass er ebenfalls nach Kigoma kommen wolle. Ihm zu Ehren wurde nun ein für diese abgeschiedene Gegend sicherlich pompös wirkendes dreistöckiges Bahnhofsgebäude errichtet. Doch der Weltkrieg verhinderte den Besuch seiner kaiserlichen Majestät. Von hier aus, wie ich in Mwanza erfahren hatte, gab es einen geregelten Schiffsverkehr den See hinauf nach Burundi, von wo aus ich nach Ruanda zu gelangen hoffte.

Das Schiff war übervoll mit Leuten, die mit der Bahn angekommen waren oder in Kigoma eingekauft hatten und nun meist nach Burundi und dann weiter über Land nach Ruanda wollten, schien dies doch für sie jetzt der einzige Weg zu sein, nachdem Uganda isoliert worden war. Von einem erhöhten Deck aus schaute ich auf das Treiben der eng aneinander liegenden oder beieinander stehenden Reisenden. Für alle waren nur zwei überdachte Toiletten, bestehend aus einem einfachen Loch, vorhanden, über das man sich zu kauern hatte. Doch das Spülwasser funktionierte nicht. Nach einigen Stunden waren beide Toiletten übervoll, und die Menschenkloake schwappte, begünstigt durch das Geschaukel des Schiffes, aufs Deck. Keiner konnte mehr die Toilette benutzen. Ich sprach daraufhin den Kapitän an, jemanden aus seiner Mannschaft die Verstopfung beheben zu lassen. Doch der zuckte mit den Achseln. Was sanitäre Anlagen betrafen, so habe ich in Afrika schon so manchen Schock über mich ergehen lassen müssen. Doch dies war bisher das Schlimmste. Der Gestank drang nun zu mir hoch. Die Leute, die sich auf dem unteren Deck befanden, versuchten ihr Gepäck vor der stinkenden Lache in Sicherheit zu bringen. Wie eigenartig, dass solche Erinnerung haften bleiben, während doch bestimmt viele andere, sehr schöne und interessantere Erlebnisse meinem Gedächtnis entschwunden sind.

Endlich legten wir am 6. August in Bujumbura, der Hauptstadt der Republik Burundi an. Hier war ich wieder in einem frankophilen Land, in welchem, wie auch in Ruanda und im Kongo, als Konversation der Gebildeten Französisch gesprochen wurde. Dieses Land ist um ein Drittel kleiner als die Schweiz. Es wird von der Minderheit der Tutsi regiert, da diese, vom Norden eingedrungen, schon seit über 400 Jahren über die Mehrheit des Hutu-Volkes herrschten und dieses als minderwertig ansahen, was natürlich den Groll der dadurch Verachteten weiterhin anschwellen ließ, ein tiefsitzender Groll, der sich 1972 nach einem Aufbegehren der Hutu in einer gewaltigen Kraftprobe zwischen beiden Stämmen entlud. Und da die Tutsi-Regierung über Militär- und Polizeigewalt samt schwerer Waffen und Ausrüstungen verfügte, behielte sie die Oberhand. Über 100.000 der etwa zwei Millionen Hutus ließen ihr Leben. Und die Regierung beeilte sich, die Gelegenheit wahrzunehmen, alle gebildeten Hutu-Männer, also die geistige Elite wie Ärzte, Lehrer und höhere Verwaltungsbeamte umzubringen, damit bei den Unterdrückten kein kluger Mann sein Volk zu einem erneuten Aufstand aufrufen könne – eine Praxis übrigens, die Hitler mit den Polen durchführte. Einige Jahre später sollte sich anlässlich des Volksaufstandes in Ruanda hier ein ähnliches Drama wiederholen, bei welchem diesmal die Hutus Hunderttausende der Tutsi abschlachteten.

Ein Kranker wird ins Krankenhaus getragen.

Es war kein Wunder, dass ich überall in Bujumbura Militär und Polizisten sah, um jegliches Zusammenstehen von Hutu-Männern sofort aufzulösen. Ich fühlte mich wie in einem Polizeistaat. Die Mehrheit der Bevölkerung litt unter der Willkür, konnten sich doch die bewaffneten Tutsi-Soldaten noch nachträglich an den Unterdrückten wie anderen Frauen rächen. Denn wer von den Wehrlosen würde es wagen, einen Angehörigen dieser Herrenrasse zu verklagen, waren doch praktisch alle Verwaltungsangestellten, also auch die Richter, Tutsis. Ich wusste, dass ich diesen Unrechtsstaat so schnell wie möglich wieder verlassen musste. Wie so manches Mal auf meinen Reisen fragte ich mich nach einer Missionsstation durch, da man hier oft sehr billig übernachten konnten, waren doch die Missionare froh, auf diese Weise ein zusätzliche Einkommen zu beziehen, um all die Not unter den Bedürftigen zu mildern.

Die mir bezeichnete Mission wurde von italienischen Geistlichen geleitet. Man nahm mich freundlich auf und wies mir ein kleines Zimmer zu. Zum Abendessen wurde ich zu den christlichen Brüdern geladen, die mich nicht nach meiner Religion fragten, nachdem ich zu Tisch beim gemeinsamen Gebet nicht anschließend das Kreuz über meine Brust geschlagen hatte. In meinem Zimmer hing ein Bild von Maria, der Heiligen Mutter Gottes. Ich bekam einen Schreck. Sie sah ja genauso aus wie meine Maria in Berlin. Und wieder war ich von meinem Liebeswahn zu jener fernen Geliebten ergriffen. Ich hatte sie seit eineinhalb Jahren nicht mehr gesehen, und trotzdem begleitete sie mich jeden Tag. Woher kommt solch eine unbegreifliche Sehnsucht nach einem weiblichen Wesen, das ich doch eigentlich gar nicht richtig kannte und dem ich als Lehrer nur einmal kurz die Hand bei der Abiturfeier gereicht hatte? Damals wusste ich noch nichts aus unseren früheren Leben. Denn, wie mir späterhin als Rückführungstherapeut immer wieder bewiesen werden sollte, reichen heftige Liebschaften in frühere Leben zurück. Je mächtiger die Liebe, desto intensiver kannte man sich aus früheren Liebesleben. Mein Vater, der Dichter Molar, musste zu seiner Geliebten ebenfalls wie ich von einem Liebeswahn befallen worden sein, dass er seine vier Kinder weggab, um allein für diese neue Frau frei zu sein und mit ihr dann wiederum zwei Kinder zu zeugen. Ich werde also in meinem geplanten Roman seine Geliebte ebenfalls Maria nennen. Denn dann werde ich sie beim Schreiben mit meiner ganzen Liebesleidenschaft vor Augen sehen und mich in die Gefühle Molars hineinversetzen können, um seine Liebe – nein, auch meine Liebe – in Liebesgluten nachzuempfinden. Doch er hatte es geschafft, seine Maria letztendlich zu erobern. Sollte ich es vielleicht auch schaffen? Im kommenden Monat hatte sie Geburtstag. Ja, ich werde ihr über meinen Freund meinen Roman T & F zukommen lassen, der meine Liebe zu meiner einstigen Medizinstudentin zum Inhalt hat. Doch hätte diese sich nicht damals einem anderen zugewandt, würde ich nie meine Weltreise unternommen haben. Und hätte sich Maria meiner Werbung ergeben, wäre ich jetzt Studienassessor und diese Reise durch Afrika hätte niemals stattgefunden. Vielleicht wollte meine unsichtbare Führung, dass ich diese Durchquerung des Schwarzen Kontinents aus dem Grunde unternahm, um aus der Distanz zu meinem bisherigen Denken zu höheren Erkenntnissen zu gelangen, die für meinen Molar-Roman von Bedeutung werden sollten.

Durch das Fenster schien der Mond in mein Zimmer. Die Gedanken an Maria und meinen Roman hatten mich wieder so sehr aufgewühlt, dass ich beschloss, noch einen kleinen Spaziergang zu unternehmen. Ich verließ also das eingezäunte Missionsgebäude und ging auf einem Feldweg an wunderbar riechenden Büschen entlang. Linkerhand hinter einer Wiese entdeckte ich ein Restaurant, dessen Gäste unter freiem Himmel saßen. Wie willkommen! – dachte ich. Dort werde ich noch eine Cola trinken und die Mondnacht in Gedanken an Maria genießen. Doch als ich näher trat, entdeckte ich, dass alle Gäste dort Militäruniformen trugen. Ich wollte gerade umkehren, als ich schon eine Stimme auf Französisch hörte: „Arretez! Venez ici!“ (Halt! Kommen Sie näher!) Ich blieb stehen. Und als sich die Aufforderung, näher zu kommen, wiederholte, schritt ich nun zögernd auf diese Männer zu, die, wie ich nun an ihrer Bekleidung sah, Offiziere waren. Der mich gerufen hatte, zitierte mich nun an seinen Tisch. Ich wurde von ihm in weiterhin befehlshaberischem Ton gefragt, wer ich sei. Ich nannte meinen Namen. Dann forderte er mich auf, ihm meinen Pass zu zeigen. Ich entgegnete, dass ich alle meine Sachen sowie auch meinen Pass in der italienischen Mission gelassen hätte. Er machte mir nun Vorhaltungen, was mir einfiele, ohne Ausweisdokument hier herumzuspazieren. Ich sagte, dass ich dieses eben holen könne. Doch er wehrte ab und winkte zwei an der Tür stehende Soldaten herbei, mich abzuführen. Wohin sollte ich gebracht werden? Was hatte ich denn verbrochen? Hielt man mich für einen Spion? Ich wurde zu einem Militärfahrzeug eskortiert. Rechts und links saß jeweils ein Uniformierter neben mir, während der Fahrer seinen Wagen durch die dunkle Stadt lenkte. Schließlich hielt er vor einem Gebäude. Das verschlossene Tor wurde auf ein Hubsignal hin geöffnet. Ich musste im Hof des Militärgefängnisses aussteigen und wurde zu dem wachhabenden Offizier gebracht. Diesem versuchte ich verstehen zu geben, dass ich aus Versehen mich diesem Offizierskasino – denn um ein solches musste es sich wohl gehandelt haben – genähert hatte. Er, sich in der Eingeborenensprache mit einem Untergebenen unterhaltend, ordnete an, mir im Hof eine Bank zuzuweisen. Er sagte mir noch, dass sich am Morgen der Vernehmungsoffizier mit mir auseinandersetzen würde. Dem könne ich dann alle Umstände erklären.

Wir schritten also über den Hof. An einer Wand befand sich eine schmale Bank, auf die er mich hinzulegen befahl. Einerseits war ich froh, nicht in irgendein stickiges und stinkendes Loch, wo sicherlich schon einige Inhaftierte auf engstem Raum schliefen, hineingeschubst worden zu sein, andererseits war es schon sehr kühl geworden, und ich hatte nichts, womit ich mich hätte zudecken könne. Was musste wohl alles durch meinen Kopf gegangen sein? Was könnte man mir vorwerfen? Sollte man mich der Spionage bezichtigen? Eventuell wollte jener Offizier mit seinen vielen Orden auf der Brust – vielleicht ein General höchst persönlich – sich vor den anderen aufspielen? Vielleicht hielt man mich für einen Journalisten, der die Machenschaften dieser Militärs und des Staates auskundschaftete, um für sein Magazin eine verurteilende Reportage zu schreiben? Und mir wurde klar, dass das Marienbild an der Wand meine Gedanken, als ich schon im Bett lag, aufgewühlt hatte, sodass ich, an meine Maria denkend, diesen nächtlichen Spaziergang unternahm. Und diese Gedanken an Maria hatten mich nun ins Gefängnis gebracht. Trotz der Kälte musste ich wohl nach einigen Stunden des Frierens eingeschlafen sein.

Als ich am Morgen aufwachte, setzte ich mich auf die Bank. Schließlich wurde ich ins Büro eines Offiziers begleitet. Vor ihm stehend musste ich auf all seine Fragen Antworten geben, die er notierte. Er machte mir ebenfalls wieder Vorhaltungen, warum ich ohne Ausweispapiere nachts in der Stadt herumgelaufen sei. Schließlich ordnete er an, dass zwei Soldaten mich zur Mission fahren sollten, um meinen Pass zu holen und zurückzukehren. In dem Missionshaus war man schon aufgeregt, da ich nicht zum Frühstück erschienen war und man mein Zimmer leer gefunden hatte. Wieder vor dem Offizier in seinem Büro stehend, überreichte ich ihm meinen Reisepass. Er sah ihn sich an und sagte, dass ich noch am selben Tag die Republik zu verlassen hätte.

Wohl keine Stunde später stand ich mit meinem Rucksack an der Ausgangsstraße, die nach Norden führte. Dennoch schaffte ich es nicht, wie mir befohlen, an diesem Tag über die Grenze nach Ruanda zu gelangen, sondern ich übernachtete in einem Ort wiederum bei italienischen Missionaren.

2.      In Ruanda, dem Herzen Afrikas

Ruanda und Burundi bestanden aus einem, manchmal aus zwei oder mehr Königreichen, die von Tutsi-Herrschern regiert wurden. Von 1894 bis Ende des Ersten Weltkrieges gehörten sie zu Deutsch-Ostafrika, kamen dann aber als Mandat mit dem Namen Ruanda-Urundi von 1922 bis 1962 unter belgische Verwaltung. Danach trennten sich beide Länder voneinander, nachdem Ruanda seinen König ins Exil zu gehen gezwungen hatte und eine Republik gründete, deren Regierung sich durch Mehrheitswahlrecht aus Hutus zusammensetzte, während sich Burundi erst 1966 als Republik mit einer Tutsi-Regierung etablierte. Bei dem Machtwechsel der Hutus unter ihrem ersten Präsidenten Grégoire Kayibanda flohen über 150.000 Tutsis in die Nachbarländer aus Furcht vor der Rache der bisher unterdrückten Mehrheitsbevölkerung. Ruanda mit seinen damals sechs Millionen Einwohnern, wovon über 80 Prozent den Hutu-Stämmen angehörten, ist an Flächenausdehnung noch etwas kleiner als Belgien. Nach einem gelungenen Staatsstreich wurde 1973 durch die Truppen eines Hutu-Generals namens Juvénal Habyarimana die Regierung ausgewechselt. Die einstigen Tutsis waren, soweit sie nicht geflohen waren, nun die Benachteiligten. 1990 hatten sich die in Uganda lebenden Tutsis zu einer Exilpartei zusammengeschlossen und fielen nun als stark bewaffnete Rebellen in ihr Heimatland ein. Habyarimana entschloss sich, um einen Waffenstillstand und anschließenden Frieden zwischen beiden Völkern herzustellen, die Partei der Tutsis in die Regierung zu integrieren. Viele Hutus waren darüber empört, dass nun wieder Tutsis, die sie doch Jahrhunderte lang unterdrückt hatten, in einigen Regierungs- und Verwaltungsposten über sie bestimmen sollten.

1994 explodierte das Flugzeug, in welchem die beiden Präsidenten von Ruanda und Burundi saßen. Obwohl dieses durch rebellische Hutus abgeschossen worden war, gab man den Tutsis die Schuld. Und nun begann ein Aufschrei innerhalb der Hutu-Bevölkerung: „Tötet die Tutsis!“ Daraufhin fand wohl die größte bisher in Afrika an einem Volk durchgeführte Abschlachtung statt. Über eine Million Menschen jeglichen Alters und Geschlechts wurden auf oft grausamste Weise ermordet. Die überwältigende Mehrheit der Ermordeten waren Tutsis. Wem es gelang zu entkommen, floh in die benachbarten Länder, vor allem nach der westlich gelegenen Demokratischen Republik Kongo. Viele kehrten erst nach 1996 in ihr Land zurück. Bei diesem Genozid schaute die ganze Welt voller Entsetzen untätig zu. Doch kurze Zeit danach wurde ein Internationales Gericht ins Leben gerufen, das über die mehr als 100.000 Männer richten sollte, die der Beihilfe am Völkermord beschuldigt worden waren. Um alle Fälle gerecht zu beurteilen, hätte man vielleicht 300 Jahre benötigt.

Hier werden die Babys auf die Waage gelegt und dann medizinisch untersucht.

Als ich mich am 10. und 11. August 1976 zwei Tage lang in der von Bergen umgebenen Hauptstadt Kigali mit seinen etwa 200.000 Einwohnern aufhielt, war die Spannung zwischen diesen beiden Völkern zu spüren. Die Tutsis erkannte man meistens an der etwas helleren Hautfarbe, dem feiner geschnittenen Gesicht und an ihrem stolzen Gang. Hier gab es eine von Deutschen aufgebaute Radiostation, wie sich im Übrigen die Deutsche Bundesrepublik bei vielen Projekten engagierte. Nachdem ich in ausliegenden Zeitschriften auf der deutschen Botschaft über mein Land die letzten Neuigkeiten gelesen hatte und am folgenden Tag auch mein Visum für Zaire abholen konnte, fuhr ich Richtung Norden. Ich war überrascht von der Schönheit des Landes. Es war viel zu schade, einfach an den Bergen vorbeizufahren. Ich ließ mich absetzen und wanderte in die Gegend hinein. Ich musste immer wieder stehen bleiben, um den Liebreiz der sich mir darbietenden Landschaft mit ihren fruchtbaren Feldern und Vulkanhügeln zu genießen. Feldarbeiter schauten erstaunt auf, als sie einen mit Rucksack und Regenschirm daher marschierenden weißen Fremden auf ihren Feldpfaden erblickten. Ich winkte ihnen zu und wurde so manches Mal eingeladen. Ich malte mir aus, mir hier einmal auf einem der sanften Hügel an einem unterhalb liegenden See ein Haus zu bauen. Seit Nepal, Bali und den Hochebenen von Peru hatten mich keine Länder mit ihrer landschaftlichen Schönheit derart beglückend angesprochen. Ich war im Herzen Afrikas angekommen. Ich fühlte mich zu Hause. Hatte ich vielleicht in einer früheren Inkarnation hier schon gelebt? Doch noch wusste ich nichts über meine früheren Leben.

Auf dem Weg in den Norden staunte ich über die Schönheit des Landes. Die armen Bewohner schauten mich verwundert an, denn noch nie sahen sie einen weißen Mann mit Rucksack bei ihren Hütten.

Am 12. August erreichte ich Ruhengeri, die Bezirkshauptstadt der den gleichen Namen tragenden Provinz im Nordwesten des Landes. Von hier aus ging ich wiederum in die schönen Landschaften hinein. Im Norden erhoben sich die mit dichten Urwäldern bedeckten Berge. Einige Kilometer südlich der Stadt schritt ich durch eine großflächige, nach beiden Seiten eines Weges sich ausbreitenden Bananenplantage. Wie ich entdeckte, befand sich alle 50 Meter auf jeder Seite eine Hütte, in der jeweils eine Familie wohnte, die für einen ihr zugeteilten Plantagenabschnitt verantwortlich war. Und während ich auf jenem grasbewachsenen Weg einherschritt, traute ich meinen Ohren nicht. Denn eine jede Familie verfügte über ein batteriebetriebenes Transistorradio. Mit diesem Gerät konnten sie jedoch nur den Sender Kigali hören. Die Radios waren anscheinend Tags über permanent eingestellt. Und nun, während ich an den Hütten vorbeiging, vernahm ich Beethovens achte Symphonie. Hätte sich dieser Komponist einmal träumen lassen, dass seine Musik mitten in Afrika von Millionen Menschen gehört werden würde?

In einem Restaurant lernte ich einen amerikanischen Biologiestudenten kennen, der drei Wochen lang während seiner Semesterferien bei der berühmten Gorillaforscherin Dian Fossey (1932-1985) verbracht hatte, und nun gerade nach Ruhengeri zurückgekehrt war. Er habe oben in den Bergen, wie er mir berichtete, ihr sehr hilfreich bei ihren vielen Arbeiten zur Hand gehen können. Sie lebe dort in einer Hütte. Zwei, manchmal drei schwarze Helfer wohnten in einer anderen, und eine stehe für eventuelle Besucher bereit, da immer wieder Biologiestudenten bei diesem Forschungsprojekt dabei sein wollen. Und ich fasse jetzt einmal zusammen, was ich von ihm, den ich Aron nenne, oder von anderen noch gehört oder später auch über Dian und die Berggorillas gelesen hatte.

1902 hatte zum ersten Mal der deutsche Forscher von Beringe diese Gorillas entdeckt und sie beschrieben, weshalb sein Name der Artenbezeichnung Gorilla Beringe hinzugefügt wurde. Diese Tiere leben in den hochgelegenen dichten Regenwäldern des Virunga Nationalparks, der von erloschenen Vulkanen durchzogen ist. Dieser Park zieht sich vom Nordwesten Ruandas in den Südwesten Ugandas und in die östlichen Berglandschaften und Steppen Zaires hinein. Die Gorillas leben in kleineren Familienverbänden, bestehend aus einem meist sehr starken Männchen – er ist der Anführer –, einem ihm unterstellten männlichen Verwandten und einigen Weibchen samt ihrem Nachwuchs. Finanziell und ideell unterstützt von dem berühmten Anthropologen Louis Leakey, der schon in den 1930er Jahren in der Oduvai-Schlucht Tansanias die bis dahin ältesten Menschenknochen finden konnte, suchte die damals 24-jährige Therapeutin Dian Fossey zuerst Jane Godall auf, die das Verhalten der Schimpansen in den Urwäldern Zaires studierte, um sich in die Methoden, wie man mit wilden Affen umzugehen habe, einweihen zu lassen. Mit diesen Erfahrungen ausgerüstet, schlug sie schließlich ihre zwei Zelte mit ihren zwei Helfern auf den Zaire zugehörigen 3.000 Meter hohen Bergen des Virunga Nationalparks auf und begann mit ihrer Beobachtung der Berggorillas, der größten Affenart Afrikas, ja der ganzen Welt. Zuerst wichen ihr die Tiere bei ihrer Annäherung aus. Dann lernte sie sich durch Laute ihnen bemerkbar zu machen und auch durch gewisse ihnen abgelauschte Töne zu vermitteln, dass sie keine Angst vor ihr zu haben brauchten, da sie sich ihnen in Freundschaft näheren wollte. Und schließlich gelang es ihr, deren Zutrauen zu gewinnen, sodass sie sogar den ein oder anderen von ihnen in die Arme nehmen konnte. Einer spielte schließlich mit ihrem Haar. Ihnen allen hatte sie einen Namen gegeben. Wenn es stark regnete – und das geschah in diesen hochgelegenen Regenwäldern sehr häufig –, schützten sich die Affen, indem sie eng beieinander standen und ihre Arme gegenseitig über ihre Köpfe stülpten. Und als diese mutige junge Frau ein andermal allein von einem starken Regen überrascht wurde, kam einer dieser dunkelgrauen Felltiere auf sie zu und beugte sich schützend über sie. Als schließlich ihr Buch Gorilla im Nebel veröffentlicht wurde und viele Zeitschriften und Fernsehsendungen es besprachen, wurde sie beinahe über Nacht zu einer Berühmtheit, denn der Amerikaner schätzt mutige Frauen, die sogar Dinge vollbringen, vor denen selbst ein Mann zurückschrecken würde. 1970 ging sie nach England, um in Cambridge ihre Doktorarbeit zu schreiben.

Wieder in den Bergen mit ihren Gorillas lebend, wurde sie von einem Rebellenführer aufgefordert, die Region zu verlassen. Ja, sie wurde sogar einige Wochen inhaftiert und konnte nur durch Bestechung ins Nachbarland entkommen. Sie war für die Afrikaner ein Störenfried. Denn seit jeher betrachteten die Einheimischen die Affen als „Fleisch in den Bäumen“. Dian jedoch wandte sich mit aller Macht gegen die Tötung dieser vom Aussterben bedrohten Tiere. Um weiterhin den geliebten und zu beschützenden Tieren nahe zu sein, schlug sie ihr Camp in den nördlich von Ruhengeri gelegen Bergen von Ruanda auf. Und obwohl die Gorillas wie auch die anderen Tiere offiziell im Virunga Nationalpark geschützt waren, musste sie immer wieder verschiedene Tiere aus den meist für Buschantilopen aufgestellten Fallen befreien, auch gelegentlich einen ihrer Gorillas. Doch die Einheimischen machten besonders auf diese Berggorillas Jagd. Denn einige ausländische Zoos zahlten hohe Preise für ein gutes Exemplar. Selbst die Hände, der Kopf und das Fell erzielten beste Bezahlung. Schließlich musste Dian sich mit einem Gewehr bewaffnen und bedrohte damit die Wilderer. Ja, sie schrie ihnen zu, damit sie Angst vor ihr bekämen, dass sie eine Zauberin sei, die sich an ihnen rächen würde. Trotz allem fand sie eines Tages ihre zwei Lieblingsaffen mit abgeschnittenem Kopf. Um die Affen weiter zu schützen, hatte sie den Tierjägern den Krieg erklärt und gründete auch mit bewaffneten Schwarzen eine Schutzgruppe gegen Wilderer. Sie nannte dieses Vorgehen „active conservation“ (aktiver Tierschutz). Die Regierung verwies sie 1981 des Landes, weil sie unerlaubte Aktionen durchführte. Sie durfte jedoch 1983 wieder in die Regenberge zu ihren Tieren zurückkehren. 1986 wurde sie jedoch von der Kugel eines Wilderers niedergestreckt. Auf ihrem Grabstein ist zu lesen: „No one loved gorillas more“ (Niemand liebte Gorillas mehr).

Nun habe ich in dem Bericht über diese mutige Frau vorausgegriffen. Noch befand ich mich im August 1976. Doch Aron hatte mich durch die Schilderung seiner Erlebnisse dort oben in den Bergen bei dieser ganz zurückgezogen lebenden Frau in Spannung versetzt. Auf meine Frage, ob sie denn einen Freund habe, antwortete er, dass sie ein, zweimal im Monat nach Ruhengeri komme, wo sie einen Freund besuche. Im Augenblick sei niemand anderes oben als sie und ihre beiden Helfer. Und auf meine weitere Frage, ob sie denn dort oben jemand wie mich gebrauchen könne, meinte er, dass dieses sicherlich der Fall sei, doch wolle sie zuvor erst einen Besucher kennen lernen oder nur jemanden von einem ihr bekannten Biologen Empfohlenen zu sich in ihr Camp heraufkommen lassen. Auch müsse er alle ihre Anordnung strengstens befolgen und dürfe auch keine Angst vor den Gorillas zeigen. Ich glaubte nun, der Richtige für solch eine Mitarbeit zu sein. Ich ließ mir von Aron den Weg zu ihr beschreiben. Er gab mir den Hinweis, oben auf den Feldern vor Beginn der Wälder einen Boten mit einem Schreiben zu ihr zu schicken, hasse sie es doch, wenn unangemeldet Weiße sie aufsuchten.

Es hatte geregnet. Die Pfade, die den Berg hinaufführten, waren teilweise glitschig. Aron hatte mir den Namen eines Mannes auf halber Berghöhe genannt, der öfter Lebensmittel und andere Dinge den Berg hinauf zum Camp brachte. Diesen, mich zu ihm durchfragend, traf ich nun in seiner aus Bambus erbauten Rundhütte, die sicherlich einen Durchmesser von acht Metern hatte. Ihn fragte ich, ob er gewillt sei, eine Nachricht zu Dian hochzubringen, würde ich ihn doch auch für seinen Botendienst bezahlen. Er willigte ein und meinte, dass er vor Sonnenuntergang wieder zurückgekehrt sein werde. Also machte er sich mit meinem Schreiben auf den steilen Weg nach oben. Auf diesem Zettel hatte ich Dian mitgeteilt, dass ich gerne bei ihr für einige Zeit, solange mein Visum Gültigkeit hätte, arbeiten wolle. Als es nach einigen Stunden schon dunkelte, war mein Bote noch nicht zurückgekehrt. Da ich sowieso erst frühesten am nächsten Tag den Weg nach oben zu ihrem Camp hätte hochmarschieren können, hatte ich die Frau des Boten gefragt, ob ich die Nacht in ihrer Hütte verbringen könne. Sie zeigte mir ihre Vorratskammer, wo ich auf engstem Raum meinen Schlafsack ausrollte. Auch bot sie mir etwas zum Essen an, während das Baby an ihrer Brust saugte. Nachdem auch ihre beiden anderen Kinder sich schlafen gelegt hatten, zog ich mich in meine nur durch eine dünne Bambuswand getrennte Kammer zurück. Es wurde empfindlich kalt, befanden wir uns doch auf einer Höhe von gut 2.000 Meter. Um die Hütte nun warm zu halten, hatte die Frau in der Mitte des Raumes ein Feuer aus Holzkohle brennen lassen. Und da es draußen regnete, hatte sie wohl die Lüftungsklappe auf dem Dach durch die herabhängende Schnur zugezogen. Nun verbreitete sich der Qualm in der ganzen Hütte und drang auch zu mir herein. Ich musste husten. Dies weckte wiederum das Baby auf, das dann durch die ungewohnten Laute zu weinen anfing. Immer wieder, wenn ich hustete, begann es zu weinen. Ich versuchte nun mit aller Macht, meinen Husten zu unterdrücken, wolle ich doch dem Kind nicht seinen Schlaf rauben. Schließlich musste es eingeschlafen sein. Doch dann raschelte etwas neben meinem Kopf. Natürlich konnte es sich nur um Ratten oder Mäuse handeln, die in der Vorratskammer nachforschen wollten, ob Körner unbedachtsamerweise liegen gelassen worden waren. Viele Gedanken mussten damals durch meinen Kopf gegangenen sein. Würde ich wohl die nächste Nacht schon im Gorilla-Camp schlafen? Hoffentlich würden oben warme Decken für mich vorhanden sein, werden doch die Nachttemperaturen dort noch tiefer sinken als hier.

Noch vor Mittag kam der Mann zurück und überreichte mir die schriftliche Antwort von Dian. Er entschuldigte sich, nicht gestern Abend zurückgekehrt zu sein, war doch „Madame“ noch irgendwo im Urwald gewesen und sei erst bei Dunkelheit zurückgekehrt. In diesem Schreiben teilte sie mir mit, dass sie nicht über Geld verfüge, um mich bei ihr einstellen zu können. Und mir fuhr es durch den Kopf, dass ich doch gar keine Bezahlung haben wollte. Sollte ich ihr also nochmals diesen Mann mit einer erneuten Botschaft hinaufschicken, in welcher ich ihr erklärte, dass ich ja gerne umsonst bei ihr arbeiten würde? Vielleicht wollte sie gar keinen neuen Mitarbeiter haben, und diese Antwort beinhaltete eine versteckte Absage? Wenn ich also meinen Boten wieder nach oben schicken würde, käme er vielleicht auch erst am folgenden Tag zurück und ich hätte noch einmal in dieser nachts verqualmten Hütte schlafen müssen. Außerdem regnete es wieder. Somit entschloss ich mich, nach Ruhengeri zurückzukehren. Sicherlich wäre mein Leben dort oben bei den Gorillas ein großes Abenteuer gewesen. Aber erlebte ich nicht schon genug Abenteuer? Somit blieben für mich die Gorillas im Nebel.

3.      Mit Anna Karenina auf dem aktivsten Vulkan von Zaire

Schon am übernächsten Tag überschritt ich bei Gisengi die Grenze und kam nach Goma in Zaire. Diese ehemalige belgische Kolonie ist in seiner gewaltigen Ausdehnung 77-mal größer als Belgien. Und trotzdem ist es nach dem Sudan und Algerien nur der drittgrößte Staat Afrikas. Obwohl es durch seine Bodenschätze wie Kupfer, Kobalt, Uran, Erdöl, Gold und Edelsteine zu einem der reichsten Länder der Welt gehört und mit Brasilien über den größten Baumbestand der Erde verfügt, zählt es dennoch zu einem der zehn ärmsten Länder unseres Planeten. Ausländische Firmen haben günstigste Konzessionen von der Regierung eingehandelt, und die Obersten des Landes wissen, wie man sich an dem Geldregen bereichern kann. Doch die Mehrheit der Bevölkerung bleibt von dem Reichtum ihres Landes ausgeklammert. Auf der Berliner Konferenz 1884/85 wurde über die Aufteilung Afrikas verhandelt, wobei dem belgischen König Leopold II. der Kongo als „persönliches Lehen“ zugesprochen worden war. Der Journalist und Livingstone-Auffinder Henry Morton Stanley hatte sich über dieses Gebiet dahingehend geäußert, dass es keinen Penny wert sei, da man die eventuell erwirtschafteten Produkte nicht exportieren könne, gebe es doch im Lande keinerlei Transportmöglichkeiten. Dieser König war einer der grausamsten unserer Neuzeit. Wer von den schwarzen Arbeitern nicht die vorgeschriebene Quote an Elfenbein oder Kautschuk erbrachte, dem ließ er die Hände abhacken oder gar die Nase abzwicken. Leider gab es damals noch keinen internationalen Gerichtshof. Die Schwarzen wurden wie Vieh behandelt, wie man es ja aus der Sklavenzeit nicht anders gekannt hatte. 1908 übergab dieser König sein Lehen an die belgische Regierung, die es zu einer Kolonie erhob. Nachdem die Briten Ghana 1957 die Unabhängigkeit gewährten, verbreitete sich das Schlagwort „Entkolonialisierung“ über ganz Afrika. Mit Gewalt wie zum Beispiel die Mau-Mau-Aufstände in Kenia oder durch die der Not gehorchenden Einsichtigkeit der Kolonialherren erhielten in den Folgejahren die afrikanischen Kolonien ihre Unabhängigkeit. So wurde auch damals die Belgische Kolonie 1960 in eine Demokratische Republik umgewandelt, die sich 1971 durch Präsident Mobutu Sese Seko den Namen Zaire zulegte, um die ewige Namensverwechslung mit dem nördlichen Nachbarstaat Republik Kongo zu vermeiden. Doch nach Absetzung seines seit 1965 diktatorisch regierenden Präsidenten nahm dieser Staat 1997 wieder offiziell den Namen Demokratische Republik Kongo an, obwohl man weiterhin von diesem als Zaire spricht. Dieses so riesengroße Land besitzt nur einen 40 Kilometer breiten Zugang zum Atlantischen Ozean. Somit müssen ihre im Süden reich vorgefundenen Bodenschätze über die Nachbarländer zu deren Häfen transportiert werden, die an diesen Durchgangstransporten gut verdienen.

Im Osten des Landes befinden sich hohe Berge, die zugleich die Grenze zu Uganda und Teile von Ruanda bilden. Die nördlichsten von ihnen bildet das Ruwenzori Gebirge, dessen höchster Berg eine Höhe von 5.119 Meter erreicht. Auf diesen hohen Gipfeln liegen ganzjährlich Eis und Schnee. Südlich davon breiten sich im Virunga Nationalpark mit einer Fläche von annähernd 8.000 Quadratkilometern ebenfalls in nordsüdlicher Richtung die Vulkanberge des Gorilla Nationalparks aus und in westöstlicher Richtung im sogenannten Vulkano Nationalpark neben kleineren auch riesige Vulkane, von denen zwei noch zu den aktiven zählen. Und der aktivste von ihnen heißt Nyiragongo. Er ist 3.470 Meter hoch, und der Umfang des Kraterrandes misst nahezu zwei Kilometer, während 250 Meter tiefer die immer aktive Lava brodelt. 1912, 1938 und 1948 waren die letzten Ausbrüche mit jeweils verheerenden Folgen. Und man wusste nie, wann dieser feuerspuckende Bergriese wieder einmal Steine und Asche in die Luft schleudern und rotglühende Lavaströme nach unten fließen lassen würde, wobei wiederum der Baumbestand, Behausungen, aber auch Menschen- und Tierleben in Gefahr gerieten. Trotz dieses Risikos eines unerwarteten Ausbruchs war er ein Magnet für Reisende, die diesen Berg besteigen wollten, um sich des Nachts in den Kraterrand zu setzen und das Schauspiel der blubbernden und manches Mal kurz hochpeitschenden roten Lavagluten mitzuerleben. Dieses Spektakel wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.

Am Morgen gelangte ich von Goma am Kivusee zum Fuße des Nyiragongo. Dort wollte sich nach dem Mittagessen, angeführt von afrikanischen Bergführern, eine kleine Menschengruppe aufmachen, den Vulkan zu besteigen. Ich schloss mich ihr an. Meinen Rucksack samt Schlafsack hatte ich vorsorglich dabei, wollte ich doch oben die halbe oder die ganze Nacht verbringen. Da die Bergführer die Gruppe anfeuerten, nicht zurückzubleiben und einen schnellen Marsch vorlegten, geriet ich bald außer Puste und musste zum Unwillen der Antreiber länger pausieren. Schließlich gaben sie auf, mich anzutreiben. Ich setzte mich auf einen Baumstamm und schlug wieder meinen Tolstoi-Roman Anna Karenina in englischer Übersetzung auf, den ich schon in Ruhengeri zu lesen begonnen hatte und nun mit größtem Eifer weiterlas. Es war ein Roman, der auch den vierten Quadranten, den spirituellen, ansprach. Und manche Sätze schrieb ich mir sogleich in mein Oktavheft wie die folgenden: „Der ewige Irrtum des Menschen besteht in der Vorstellung, dass das Glück in der Erfüllung seiner Wünsche liegt. … Wenn der Mensch denkt, dass der Tod das Ende von allem ist, dann gibt es für ihn auch nichts, was lebenswert wäre. … wir müssen nicht dem nachstreben, was uns anzieht oder was wir haben wollen, doch wir sollten für das Unfassbare, für Gott, leben, den niemand verstehen oder erfassen kann. … Es ist falsch, nur für den Magen zu leben. Wir müssen für die Wahrheit, für Gott leben. … Wenn gutes Verhalten sich nur darauf gründet, dass man dafür belohnt wird, dann ist es eigentlich kein echtes gutes Verhalten. Das richtige gute Verhalten ist jenseits von Ursache und Wirkung.“

Ich darf nicht wieder Literatur verfassen, um den Leser nur mit spannenden Geschichten und erbaulichen Gedanken in möglichst feingeschliffener Sprache zu erfreuen. Nein, ich habe von dem mir zugeflossenen Wissensschätzen zu künden, um des Lesers Bewusstsein zu erweitern und ihm zu verdeutlichen, dass es mehr gibt, als uns die Schulweisheit vermittelt. Der Mensch nährt sich von seinen vier Quadranten, nämlich von seinem körperlichen, der auch die Sexualität einschließt, von seinem seelischen, seinem geistigen und schließlich auch von seinem spirituellen Quadranten, der in den literarischen Werken zu kurz kommt oder meist gar nicht in Erscheinung tritt. Mein Molar-Roman muss alle vier Quadranten zu füttern in der Lage sein. Er muss ganz spannend sein, er muss die Emotionen wecken, er muss über die geschichtlichen Tatsachen der Zeit zwischen 1933 und 1949 informieren, er muss auch auf die Geheimnisse hinweisen, die in uns verborgen liegen. Und er muss unbedingt in irdischer und vor allem in spiritueller Hinsicht ein Liebesroman werden. Ja, im Ganzen soll dieser Roman ein Bewusstseinserweiterungsroman werden. Jawohl!

Mir wurde bewusst, dass ein Hinaufklettern auf Berge zugleich ein Höhenflug der Gedanken ist, vor allem, wenn man nicht nur den Berg hinauf hetzt, sondern sich immer wieder niedersetzt und seinen Gedanken freien Raum lässt. Man gewinnt Abstand vom Flachland, das heißt auch von der Oberflächlichkeit des Lebens, und betrachtet die Dinge des Lebens aus einer höheren Sicht. Die Menschen steigen nicht nur auf einen Berg, um die Höhenluft oder einen herrlichen Ausblick zu genießen, sondern unbewusst zieht es sie hinauf auf die Gipfel, um Abstand zu nehmen von ihrer Alltäglichkeit und um dem Höheren in uns oder, wie Tolstoi sich ausdrückt, um dem Unfassbaren, um Gott näher zu sein.

Und immer wieder pausierte ich, der ich nun ganz allein den steilen Berg hochschritt, betrachtete die herrliche Landschaft mit seinen Vulkanen, Tälern und fruchtbaren Feldern. Und der erloschene Vulkan Karesimi, der noch um 500 Meter höher ragt als der Nyiragongo, stellte sich in aller Majestät dar. Und dann setzte ich mich wieder und las in Tolstois Roman. Er führte mich ebenfalls auf Höhen, Höhen des Geistes und des Herzens. Ich muss meinen Romanhelden Molar ebenfalls ein Höhenerlebnis für dichterische Aufschwünge erleben lassen, war er doch anlässlich der Hochzeitsreise mit seiner zweiten Frau und uns vier Kindern zur Zugsspitze gefahren. Noch vor Dämmerung, die in den Subtropen und wie hier besonders am Äquator schon früh hereinbricht, kam ich oben in der Innenseite des Kraterrandes an. Die Bergführer machten mir Vorwürfe, wo ich so lange geblieben sein mochte. Sie hatten sich schon Sorgen bereitet, waren sie doch verantwortlich für ihre zu Betreuenden.

Und dann musste ich staunen über den großartigen Anblick, der sich mir bot. Selbst bei der hereinbrechenden Dämmerung war das brodelnde Rot der Lava gut zu erkennen. Doch je dunkler es am Himmel und um uns herum wurde, desto lebendiger schien es tief unten zu werden. Man reichte uns das hier oben zubereitete Essen und Tee. Auch war noch eine Decke für mich übrig geblieben, hatten die anderen sich doch schon mit zwei, wenn nicht mit drei Decken versehen. Die Nacht würde kalt werden. Obwohl unten im Krater Temperaturen von über 1.000 Grad herrschten, wurde es hier oben zunehmend kälter, sodass ich selbst im Schlafsack mit zusätzlicher Decke fror. Doch alle unsere Blicke waren auf das Innere des Kraters gerichtet. Es war ein Schauspiel unbeschreiblicher Art. Was fasziniert den Menschen eigentlich, wenn er wie gebannt lang anhaltend in Feuergluten blickt? Ist es die Faszination, dass alles Materielle sich einmal in Licht auflösen muss als eine tief in uns wohnende Ahnung unseres wahren Seins, dass wir jeweils am Ende einer Inkarnation lichtvolle Verwandlungen erleben, nachdem wir wiedererholt mit unserer Seele in die Materie hineinversetzt worden waren? Und wenn uns schon das Hineinschauen in ein Lagerfeuer gebannt halten kann, so steigert sich mit der Größe des Feuers auch unser Gebanntsein. Unter uns erstreckte sich eine nahezu kreisrunde Fläche von über 200 Meter Breite mit dem rotglühenden Feuer brodelnder Lava. Und manches Mal schoss ein Lavastrahl einige Meter in die Höhe. Von dem Widerschein des rötlichen Glanzes zeigten sich unsere Gesichter etwas gerötet, obwohl die heißen Gluten nicht bis zu den 250 Metern heraufdrangen, um uns zusätzlich zu wärmen.

Vom Kraterrand des Nyragongo schauten wir in die tief unten brodelnde Lavagluten.

Die erste Gruppe verließ gegen Mitternacht die Loge dieser Freilichtbühne, über der sich der Sternenhimmel ausgebreitet hatte, um mit Taschenlampen und einem der Führer wieder hinabzusteigen. Doch einige wollten bis zum Morgen bleiben, zu denen ich auch gehörte, waren doch jetzt genügend Decken vorhanden, um weiterhin ohne Kältegefühle in den heißen Gluttopf hineinzublicken. Nach durchwachter Nacht und den zwischendurch gereichten Tees, stiegen wir am frühen Morgen wieder den Berg hinab und fuhren zur 20 Kilometer entfernten Stadt Goma zurück.

Schon ein Jahr später grollte wieder dieser Berg. 2.000 Menschen sollen bei diesem alle überraschenden Ausbruch umgekommen sein und sicherlich Tausende von Tieren. Doch der schlimmste Ausbruch seit 100 Jahren ereignete sich im Jahre 2002. 400.000 Menschen mussten ihre Häuser zurücklassen oder flohen in Panik, denn 147 Dörfer wurden von Lava und dem dadurch entstandenen Feuer niedergebrannt oder von Ascheregen überschüttet. Die Lava strömte sogar bis nach Goma und steckte viele Häuser in Brand.

4.      Beinahe von elf Löwinnen gefressen

Der Virunga Park wurde schon 1925 gegründet und erfasst Teile von Uganda, von Ruanda und vor allem von Zaire, der Demokratischen Republik Kongo. Ich wollte mehr von diesem sich weit nach Norden hin ausdehnenden Park erkunden, weshalb ich mich in Goma bei Europäern nach den besonderen Attraktionen erkundigte. Zu jener Zeit gab es in diesem großen Naturpark noch keine geteerten Straßen. Wenn es geregnet hatte, verwandelten sich diese Pisten in Schlammstrecken, darum fuhren hier außer Landrovern nur Lastwagen entlang, die zugleich aus Mangel an Bussen den Personentransport auf der Ladefläche bewerkstelligten. Also stand ich an der Straße und streckte meinen Arm den äußerst selten daherkommenden LKW entgegen. Es war selbstverständlich, dass man den Fahrern eine Gebühr zu zahlen hatte, konnte ich ihnen doch nicht erklären, dass ich umsonst mitgenommen werden wollte, wie es doch allgemein auf meinen Reisen geschah. Übrigens wurde der weiße Mann in Afrika immer als ein wohlhabender angesehen, weshalb man nicht auf die Idee gekommen wäre, dass jemand ohne Bezahlung ein- oder aufsteigen möchte. Mein nächstes Ziel waren die nördlich des Virunga Parks gelegen Ruwenzori Gebirge. Der Lastwagen, der mich mitnahm, war mit Ölfässern beladen, auf denen nun meist stehend oder auf ihrem Gepäck sitzend viele Mitreisende enggedrängt Platz gefunden hatten. Es ruckelte so stark, dass ich nicht in meinem Tolstoi-Roman hätte weiterlesen können. Aber dazu hätte ich mich jetzt sowieso nicht verleiten lassen können, denn die Aussicht von diesem an Vulkanbergen vorbei und dann durch Steppen brummenden Gefährt war viel zu interessant, als dass ich etwas von den sich mir darbietenden Naturschönheiten und auch Ereignissen versäumen wollte. Denn in diesen Savannen sah ich die verschiedensten Tiere zu Land oder in der Luft.

Ein Mitreisender klopfte auf das Dach des Fahrers, um an einer Kreuzung auszusteigen. Nachdem der Wagen angehalten und er hinabgeklettert war, ging er nach vorn, um seine Mitfahrt zu bezahlen. Alsdann kam er auf meine Seite und rief den oben Stehenden zu, seine in einem Tuch zusammengefalteten Habseligkeiten herunterzuwerfen. Dieses, wie ich entdeckte, lag auf einem der Ölfässer, aus welchem durch einen undichten Verschluss Öl hervorgedrungen war und die ganze Unterseite seines Gepäckstücks durchtränkt hatte. Es wurde ihm nun heruntergeworfen. Er hob es auf und stemmte es nach oben, sodass wir sahen, wie das Öl aus seinem Tuch, das wohl sein ganzes Hab und Gut beinhaltete, heraustropfte. Doch dieser Mann lachte, was mich sehr verwunderte. Dann öffnete er den Beutel und entnahm ihm seinen Reisepass. Einen solchen zu erhalten ist für Afrikaner meist eine schwierige Angelegenheit, da er für ihre Verhältnisse viel Geld kostet, weshalb viele ihn sich nicht leisten können und deshalb schwarz an unkontrollierten Stellen die Grenzen überqueren. Dieser Pass, den er nun hochhielt, war durch und durch von Öl getränkt und sicherlich gänzlich unbrauchbar geworden. Ich war gespannt, ob ihm nun nicht sein Lachen vergehen würde, müsste er doch jetzt entsetzt und wütend reagieren. Alle schauten auf ihn hinunter. Und er lachte, lachte aus vollstem Herzen. Und alle stimmten nun in sein Lachen ein. Wie hätte wohl ein Weißer reagiert, wenn sein Pass auf einmal durch solch eine Entstellung wertlos geworden wäre? Doch dieser Afrikaner lachte! Was für eine große Lektion hatte ich aus seinem Verhalten für mich gewonnen. Man darf die Schicksale des Lebens nicht zu ernst nehmen. Sich zu ärgern lohnt nicht, dazu ist das Leben viel zu schade. Denn auch, wenn Schicksalsschläge uns in die Tiefe stürzen, geht es doch immer wieder irgendwann bergauf. Schicksalsschläge, wie mir immer mehr klar geworden war, ereignen sich nicht zufällig. Sie stehen schon vor unserem Geburtsantritt fest. Sie gehören zu unserem Lebensplan und dienen in der Schule des Lebens als Lern- oder Prüfungsaufgaben oder natürlich auch als karmisches Ausgleichsgeschehen. Wer diese als solche erkannt hat, nimmt sie als Vorgegebenes hin und macht aus solchen Verhängnissen das ihm Bestmögliche. Im Jenseits werden wir erkennen, warum diese Schicksale uns als Lernmöglichkeiten dienlich waren. Ja, auch mein Molar-Roman muss den Lesern noch im Diesseits Blicke hinter den Schleier unseres Daseins werfen lassen können.

Der kleine Ort Mutwanga, gleich oberhalb des Äquators, liegt direkt unter der Kette des Ruwenzori-Gebirges, dessen bis über 5.000 Meter hinaufragende Höhen wie der von oben herabwinkende Mount Stanley