Reise nach Irland - Herbert K. Huschka - E-Book

Reise nach Irland E-Book

Herbert K. Huschka

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Beschreibung

Die Reise des Autors und seiner Gefährtin beginnt am Flughafen von Dublin und führt ihn zunächst in die Grafschaft Kerry. Schon als Student hatten viele seiner Kommilitonen dieses Land, seine Menschen und Kultur in den farbigsten Tönen gerühmt. Nun, nach mehr als 40 Jahren, hat er sich aufgemacht, um den Ring of Kerry, Beara und die Dingle-Halbinsel zu erkunden, um dann nach Norden, nach Clifden, weiter zu reisen, wo er mit den Musikern und Tänzern von "Trad in the West" ganz unerwartet den Höhepunkt der Reise in seinem Tagebuch verzeichnen konnte. Der Autor schildert nicht nur atemberaubend schöne und bizarre Landschaften und Naturformationen, er entwirft auch, indem er einzelne Menschen, ihre Verhaltensweisen und Gebräuche detailliert beschreibt, schlaglichtartig ein Bild der irischen Gesellschaft. Nicht nur ein Tourist reist durch den Südwesten und den Westen der Insel, sondern ein Mensch, der gelernt hat, andere Menschen durch ihre jeweiligen Besonderheiten zu charakterisieren. Dabei veranlassen ihn die verfallenen Steinhäuschen aus der Hungersnot ebenso wie die leer stehenden modernen Häuser aus der Immobilienblase und auch die Touristenattraktionen wie Muckross House und Kylemore Abbey zu handgreiflichen, ganz und gar nicht theoretischen Betrachtungen geschichtlicher Wirklichkeit.

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Seitenzahl: 157

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Herbert K. Huschka

Reise nach Irland

Irisches Tagebuch 2012

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Ankunft I

Ankunft II

Landladies

Trad in the West

Glaube und Religion

Menschen, die wir treffen

Killorglin

Galway

Clifden

Westport

Die Dingle-Halbinsel

Muckross House

Ring of Kerry und Valentia Island

Beara

For Sale

Kylemore Abbey und mehr

Abschied

Impressum neobooks

Ankunft I

Es gibt dieses Irland:

Man muss nur hinfahren

und es suchen

318. Der Rezeptionist hinter dem Tresen schreibt die drei Ziffern auf das kleine Kärtchen, in das unser elektronischer Schlüssel eingeklemmt ist.

Am Vortag, zuhause noch, habe ich eine Mail an das Clarion Hotel Dublin Airport geschickt, den Wunsch nach einem ruhigen Zimmer formuliert, und auch prompt eine Antwort von Reservation AgentMuireannerhalten:

Good evening

Thank you for your email. I will allocate you in a quite room., ein Versprechen, das nach unseren Erfahrungen mit dem internationalen Hotelgewerbe tatsächlich auch eingehalten wird und sich nicht als eine gedankenlos hingeschriebenen Leerformel entpuppt, auch wenn es in diesem Fall mit der Orthographie der Autorin nicht zum Besten bestellt ist.

Ich muss noch meine Kreditkarte vorlegen, die am folgenden Morgen mit 69 € belastet werden wird, dann packen wir unsere beiden großen Koffer und das Bordcase, ich frage nach einem Aufzug, ja, den gibt es, aber nur für das Gepäck, und nur unter der Aufsicht eines Hotelangestellten. Wir verzichten dankend und machen uns auf den beschriebenen Weg in den ersten Stock, quer durch die Lobby, nach links ein paar Meter Gang, eine mit Teppichboden ausgelegte Treppe hinauf, jetzt scharf rechts in die Richtung, in die uns das Hinweisschild mit der Zahl 318 weist, einen endlosen Flur entlang. Auch hier werden unsere Schritte und die Rollen unserer Koffer durch den Teppichboden gedämpft, vor einer der Türen registrieren wir ein Tablett mit benutztem Geschirr und umgekippten Gläsern, und schließlich, gleich schräg gegenüber in dem quer verlaufenden Flügel: unser Zimmer.

Es ist fast Mitternacht, keine Menschenseele weit und breit, still ist es hier, wir können das fast nicht glauben. Ich schiebe den Schlüssel in den dafür vorgesehenen Schlitz, die Tür, an der gangwärtigen Seite in die Jahre gekommen, öffnet sich leicht und geräuschlos. Als ich das Licht anschalte, taucht eine Deckenlampe den kleinen Flur dahinter in ein warmes Gelb, und wir betreten neugierig den Schlafraum.

Twinbeds haben wir gebucht, und Twinbeds haben wir bekommen: Zwei hohe, jeweils einen Meter breite Betten mit einem Kopfteil aus Korbgeflecht sind mit weißen Leinentüchern bezogen, sie stehen in der Mitte des Raumes einer Schreibablage mit Spiegel gegenüber, vor dem Fenster ein runder Tisch mit zwei Sesseln, die Wände warmgelb wie auch die Möbel, heimelig und gemütlich. Die Vorhänge sind zugezogen, und wie so oft übe ich mich, wenn wir ein Hotelzimmer betreten, in diesem gleichen Ritual: die paar Schritte zum Fenster, Vorhang auf, gespannt, was es draußen zu sehen gibt. Wir schauen auf den Parkplatz des Hotels, nur in der Entfernung bemerke ich die Scheinwerfer von Autos: Erleichterung, Muireann hat Wort gehalten.

Wir nehmen nur die nötigsten Sachen aus dem Bordcase, deponieren unsere Toilettenartikel in dem großzügigen, weiß gekachelten Bad, denn wir wollen noch mal runter in die Lobby, besser gesagt, an die Bar, um unsere glückliche Ankunft und das ruhige Zimmer bei einem Glas Wein zu feiern.

Irene zieht Guinness vor, ich bekomme meinen Chardonnay, beides sündhaft teuer, aber wir wissen noch nicht, dass dies ein realistischer Vorgeschmack auf die irischen Preise ist. Wir sitzen nebeneinander auf einem kleinen Sofa, vor uns ein rechteckiger Holztisch, und haben einen freien Blick durch die Lobby bis hin zum Eingang und zur Rezeption.

Um etwa halb elf Ortszeit ist unser Flugzeug gelandet, ein Airbus 320 der Lufthansa, den wir zwei Stunden zuvor in Frankfurt bestiegen hatten. Hier in Dublin tauchte es in einen Schauer ein, der an die Scheiben klatschte und auf der Rollbahn Blasen warf. Der Flug war angenehm verlaufen, die Gepäckausgabe zügig von statten gegangen, und als wir von der Halle in Terminal 1 aus mit dem Clarion Hotel telefoniert und man uns den Weg zu unserem Shuttlebus erklärt hatte, mussten wir zwei Straßen überqueren und machten zum ersten Mal auf dieser Reise direkte Bekanntschaft mit dem oft zitierten irischen Regen, der uns jetzt milder als vorher das Flugzeug begrüßte. Aus dem sonnengetränkten Deutschland kommend waren wir sommerlich gekleidet, aber die Tropfen, die wir auf der Haut spürten, erschienen uns eher warm und eigentlich überhaupt nicht nass.

Der Bus stand schon zur Abfahrt bereit, randvoll mit Urlaubern, und weil im Laderaum kein Platz mehr für unser Gepäck war, wies uns der Fahrer an, die Koffer doch mit ins Innere des Fahrzeuges zu nehmen: In the aisle, sagte er zu mir, und gut, das ging, und so waren wir auch die ersten, die ausstiegen, unser Gepäck die paar Stufen hinauf an den Eingang wuchteten und durch die Drehtür hindurch an der Rezeption ankamen.

Jetzt genießen wir unsere Getränke, um uns herum trotz der späten Stunde Geschäftigkeit, kleine Grüppchen sitzen plaudernd zusammen, viele von ihnen Engländer, wie ich den Sprachfetzen zu entnehmen glaube. Es ist Zeit, zur Ruhe zu kommen, morgen Früh um zehn wollen wir unser vorbestelltes Mietauto abholen.

Was wir uns nie hätten träumen lassen: Wir schlafen hier, in diesem Flughafenhotel, die ganze Nacht über friedlich und ungestört durch. Zum Frühstück gibt es den mitgebrachten Filterkaffee, denn obwohl wir nur das Zimmer gebucht haben, laden uns der bereitgestellte Wasserkocher und die kleinen eingeschweißten Milchportionen zu einem heißen Getränk ein. Herz, was willst du mehr!

Bis zwölf Uhr, das ist die Zeit, zu der wir ausgecheckt haben müssen, bleibt uns genügend Spielraum, um das Auto abzuholen und dann erst mit unseren Koffern zu beladen. Wir steigen frohgemut in den Shuttlebus, der uns in wenigen Minuten zum Terminal 1 chauffiert. Der Fahrer begrüßt uns zuvorkommend und höflich: Ja, er wird uns sagen, wann wir aussteigen müssen, denn in der Nacht vorher haben wir uns die Örtlichkeit nicht sonderlich gut einprägen können. In der Flughafenhalle waren uns die Büros der Autovermieter aufgefallen, das von Hertz befindet sich genau neben dem Ausgang, und dort streben wir nun eiligen Schrittes hin. Vor dem Tresen stehend führen zwei ältere Damen Verhandlungen mit der Angestellten dahinter, die uns dann, als wir endlich an der Reihe sind, kurz und bündig erklärt, wir bekämen unseren Mietwagen irgendwo außerhalb, wir sollten nur draußen auf der anderen Straßenseite in den Bus von Hertz steigen, der würde uns dann an das gewünschte Ziel bringen. Durch den sonnigen und klaren, aber doch reichlich kühlen Vormittag laufen wir die paar Meter zurück, das Fahrzeug, nach dem wir Ausschau halten, ist deutlich gekennzeichnet und deshalb nicht zu verfehlen. Außer uns nur sind noch wenige andere Passagiere an Bord, und während der Fahrt auf den mehrspurigen Straßen versuchen wir uns den Weg einzuprägen, denn mit dieser Exkursion haben wir nun gar nicht gerechnet. Wir müssen ja wieder zurück zum Hotel, um unser Gepäck zu holen.

Zum Glück biegt der Bus schon nach wenigen Minuten auf ein Gelände ein, das in mehreren Flachdachbauten alle namhaften Autovermieter beherbergt. Vor dem Hertz-Gebäude rege Betriebsamkeit, Menschenknäuel, und dazwischen liegen verstreute Gepäckstücke, durch die wir uns den Weg zum Eingang bahnen. Der Raum dahinter ist klimatisiert, eine lange Schlange von Wartenden beobachtet aufmerksam die fünf oder sechs Schalter, an denen die Angestellten die Verleih-Formalitäten vornehmen. Ich mutmaße, dass wir hier vor einer Stunde nicht wegkommen, aber ich täusche mich. Schon nach zwanzig Minuten sind wir an der Reihe, und ich übergebe an einen jungen, blonden Iren meinen vom ADAC ausgestellten Voucher. Mir leuchten kurz zwei Hasenzähne entgegen, die aber schnell wieder hinter einer schmalen Oberlippe verschwinden, und der Hertz-Mitarbeiter hält sich mit weiteren Höflichkeiten durchaus zurück. Er verschwindet für mehrere Minuten im hinteren Bereich der Büroräume, und als er zurückkehrt, erhalte ich neben einem unscheinbaren Kassenbon als Beleg noch den Autoschlüssel und den dahingenuschelten Hinweis, das Mietfahrzeug sei der weiße "Toyota iQ" gleich neben der Eingangstür. Aha. Wir packen unsere Sachen zusammen. Draußen stehen wir dann vor einem Auto "ohne Hinterteil", das uns treu und brav in den nächsten zwölf Tagen kutschieren wird. Die Beschädigungen am vorderen rechten Kotflügel sind in den Übergabe-Papieren vermerkt, aber trotzdem stößt Irene einen Schrei aus: Oh Gott, das Steuer ist ja rechts! Und das wäre an sich nicht weiter schlimm gewesen, aber wie sich herausstellt, befindet sich der Schaltknüppel links vom Fahrer! Das wird schwierig. Als wir dann sitzen, und Irene das Fahrzeug zum Rollen bringt, merken wir, dass der Motor ächzt und stöhnt. Die Kiste muss schon alt sein, kommentiert Irene und steuert in Richtung des Ausgangs. Und beim Versuch, in den zweiten Gang zu schalten, wird ihr klar, dass sie im dritten gestartet ist. Kein Wunder also, dass sich das Auto so gequält hat. Jetzt, da es richtig behandelt wird, nimmt es Fahrt auf und gleitet munter, fröhlich fast, zurück zum Hotel.

Dort holen wir unsere Koffer, und ich begleiche unsere Rechnung an der Rezeption. Ich bedanke mich für das ruhige Zimmer und bitte darum, dass wir genau dieses in zwölf Tagen, also in der Nacht vor unserem Rückflug, wiederbekommen. Die junge Frau in dem schwarzen Kostüm stutzt zunächst - I'll see what I can do.-, klimpert dann aber auf der Tastatur ihres Rechners so lange herum, bis sie schließlich mit einem breiten Lächeln sagt: It's saved. Sieh mal an, man muss nur mit den Leuten reden.

Schon während ich bezahlt habe, hat Irene die beiden großen Koffer zum Auto geschleppt, und als ich mit dem Bordcase nachkomme, wirkt sie fast ein bisschen verzweifelt, denn sie hat große Mühe, unsere Habe trotz der umgeklappten Rücksitzlehne in dem kleinen Fahrzeug zu verstauen. Mit vereinten Kräften schaffen wir das doch, und nachdem Irene von der Hertz-Autovermietung zum Hotel zurückgefahren ist, setze ich mich jetzt an Steuer, denn ich will mich auch an das Fahrzeug und den Linksverkehr gewöhnen. Den ersten Gang einlegen, kuppeln und Gas geben schaffe ich gerade noch, aber beim Höherschalten schaue ich doch hinunter auf den Schaltknüppel, um meiner linken Hand besser und leichter die richtige Bewegung diktieren zu können. Dabei drehe ich das Lenkrad ganz offensichtlich nach links, und Irene, die auf dem Beifahrersitzplatz genommen hat, gibt den nächsten spitzen Schrei von sich. Was ist jetzt wieder? frage ich indigniert, doch ich muss ihr doch Recht geben, denn ich habe den Toyota fast in das Begrenzungsmäuerchen neben der Fahrbahn gesteuert. Okay, wir tauschen Platz, ich konzentriere mich auf die mitgebrachte Landkarte, und Irene fährt aus dem Hotelgelände hinaus und hinein in der Straßengewirr, das uns über die M50 zur M7 bringen soll. Die Reise in den Südwesten kann beginnen.

Ankunft II

Bei der Ausfahrt 9 biegen wir zielsicher auf die N7 ab, jetzt um die Mittagszeit gleiten wir unter einem stark bewölkten Sommerhimmel dahin, kaum, dass andere Fahrzeuge unterwegs sind, es gibt hier keine Leitplanken, und jenseits des mit einer gelben Linie abgetrennten Sicherheitsstreifens drängt sich eine dichte Grasdecke an die Autobahn, dahinter baumhohe Büsche, die den freien Blick auf die Landschaft einschränken. Aber bald schon klärt sich der Himmel auf, zwischen den weißen Wolkenknäueln arbeiten sich dunkelblaue, immer größer werdende Farbflecken hindurch. Die riesigen Hinweisschilder in gleicher Farbe mit der weißen Schrift am linken Straßenrand begleiten uns im Abstand der Ausfahrten auf unserem Weg und die jeweils größere, rechts davon angebrachte Tafel zeigt uns mit dem Wort Limerick und der Kombination M7, dass wir richtig sind. Der Verkehr verdichtet sich von Zeit zu Zeit, parallel zur Autobahn Versorgungsleitungen für Strom, mutmaßlich auch für Telefon, aber alles in allem bietet sich uns eine wenig eindrucksvolle Hügellandschaft, deren Kuppeln mit Wald bewachsen sind, und die zur Ebene hin in flaches Wiesengrün auslaufen. Sind wir dafür nach Irland gereist? Nur die üppigen Wolkenformationen über uns, weiß zerfasert an den Rändern und zur Erde hin in allen Grauabstufungen dunkel verfärbt, verhelfen uns zu der Ahnung, dass hier irgendetwas grundsätzlich anders ist als bei uns in Deutschland.

Unweit der Autobahn in der Ebene liegt hingeschmissen ein, wie es scheint, neu erbautes Dorf, die Häuser in ähnlichem Baustil, zweigeschossig und mit einem Schieferdach versehen. Ob die auch alle bewohnt sind? Und hier, wo sich offensichtlich Leben abspielt, wird die Straße auch durch Leitplanken begrenzt, Menschen allerdings sehen wir nicht. Kilometern um Kilometer das gleiche Landschaftsbild, hügelige Wiesen von Busch- und Baumreihen durchzogen, und irgendwo dahinter, weit in der Ferne erahnen wir höhere Erhebungen, Berge vielleicht sogar.

Wenige Kilometer nach Limerick verlassen wir die Autobahn und werden ab sofort für den Rest unserer Reise "entschleunigt": Waren die 110 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit bis hierher für deutsche Verhältnisse schon langsam genug, so werden wir in den nächsten elf Tagen selbst auf gut ausgebauten Landstraßen nie schneller als 70 km/h und auf vielen Nebenstrecken kaum schneller als 20-30 km/h fahren. Schon bald geraten wir in stockenden Verkehr, damit haben wir nun gar nicht gerechnet, nachdem unsere Fahrt bislang so zügig und problemlos verlaufen war. Drei Stunden bis Killarney, unserem heutigen Tagesziel, haben wir veranschlagt, aber diese Vorstellung erweist sich rasch und gründlich als Illusion. Schon weit vor Newcastle West bewegen wir uns im Schritttempo vorwärts, dort scheint man ein Fest zu feiern, so vermuten wir bei der Stop-and-go-Fahrt durch diese kleine Stadt. In den folgenden Ortschaften ziehen uns immer wieder historische Bauwerke in ihren Bann, Kirchen, Abbeys und teilweise ruinöse Burganlagen, aber wir steigen nicht aus, nehmen uns nicht die Zeit für eine genauere Betrachtung und sind froh, im jetzt wieder ruhigen Verkehrsfluss nach Süden zu schwimmen. Irene sucht dringend eine Toilette, in einem Pub am Straßenrand zeigt man ihr freundlich den Weg dorthin, auch hier keine Zeit und Gelegenheit, ein heißes Getränk zu uns zu nehmen, Wasser in Flaschen allerdings haben wir genug. Und endlich, nach endlos vielen Natursteinmauern am linken Straßenrand, die Mauerkronen mit üppigem Efeu bewachsen, dessen obere Triebe in der Sonne des späten Nachmittags hellgrün aufleuchten, jetzt endlich steuern wir auf Killarney in Kerry zu, von dem ich schon vor Jahrzehnten als Student in den Anfangssemestern schwärmerische Beschreibungen auf geschnappt hatte, und das ich als erstes Ziel auf unserer Reise sehen und besuchen wollte. Ganz in der Nähe im Schatten der Macgillycuddy's Rocks hatte ich im Internet ein B&B gefunden, das ruhig gelegen, von der Ausstattung her attraktiv wirkte und das als Adresse Gap of Dunloe angab.

Spätestens ab Castleisland ist es dann auch diese Ansammlung von Eintausendern, die sich als gewaltiges Massiv nach oben wuchten, und die unsere Aufmerksamkeit immer mehr für sich in Anspruch nehmen. Dunkle, unwirklich und abweisend wirkende Berge, selbstbewusst, fast rücksichtslos arbeiten sie sich hinauf in die tief hängenden Wolken, die sich in der letzten Stunde verdichtet und schwarz verfärbt haben, die Berggipfel einhüllen und unseren Augen entziehen. Vor Killarney verdichtet sich der Verkehr wieder, aber wir lassen den Ortskern vor uns liegen und biegen auf unserer Suche nach der Unterkunft nach Westen ab. Unsere Straßenkarte mit dem Maßstab 1:300.000 legt uns nahe, bis Beaufort zu fahren, ist dann aber für die Abzweigung in den Gap of Dunloe zu ungenau. Wir versuchen es auf gut Glück, probieren die eine, die andere und noch eine Abzweigung, enge, lehmbeschmierte Sträßchen sind das, und wir sehen dann mit einem Mal das Häuschen aus dem Internet am Straßenrand liegen, ganz allein zwar, aber in Wirklichkeit längst nicht so attraktiv wie auf dem Foto, das die Eigentümer ins Netz gestellt haben. Auf den letzten Kilometern hat sich nicht nur das Wetter, sondern auch Irenes Miene verdüstert. Geduldig hat sie diese Suche über sich ergehen lassen, aber ich sehe es an ihrem vorgeschobenen Kinn, dass sie mit irgendetwas ganz und gar nicht einverstanden ist.

Ja, eigentlich wollte ich ans Meer und nicht in die Berge, antwortet sie auf meine Frage hin, aber wenn du unbedingt hierbleiben willst, dann machen wir das eben.

Fast schon hätte ich zuhause ein Zimmer hier gebucht, habe auch auf dem Weg hierher mehrmals bereut, es nicht getan zu haben, jetzt wüssten wir wenigstens, wo wir die Nacht verbringen könnten.

Immerhin ist es schon gegen sechs Uhr abends, und das ist eigentlich der späteste Zeitpunkt, zu dem wir ein Zimmer gefunden haben wollten.

Also, sage ich mit Blick auf das nur leidlich attraktive Haus,

wir können schon noch weiterfahren, es bleibt ja noch lange hell.

Das tun wir dann auch, aber Irenes Miene klärt sich nur langsam und erst dann auf, als wir uns durch Beaufort zurücktasten und uns in die Hauptstraße in Richtung Killorglin einfädeln.

Dichtes Gehölz säumt dort den Ortseingang, und als wir aus der grünen Kuppel herausfahren, sehe ich rechterhand ein Schild mit der Aufschrift "B&B" und darunter den Hinweis: Vacancies.

Sollen wir? wende ich mich an Irene, doch sie ist schon hundert Meter weiter, hat das Schild nicht bemerkt.

Schauen wir erst noch mal, antwortet sie, da gibt's bestimmt auch andere, die was frei haben.

In der Tat, sie hat recht, unerwartet viele Zimmer sind jetzt um diese Jahreszeit frei, aber meist liegen die Häuser direkt am Straßenrand, und das wollen wir uns natürlich nicht antun.

Im Zentrum des Städtchens überspannt eine große Steinbrücke einen träg sich kräuselnden Fluss, und als wir über das Mini-Roundabout davor in Richtung Trailee weiterfahren, zieht ein Pub am Ufer meine Aufmerksamkeit auf sich, aber es ist nicht das Gebäude selber, sondern die vielen Menschen davor, die irgendetwas feiern, Rauch steigt auf, das könnte ein Grillfest sein.

Du, schau mal, wirkt gemütlich, das wäre doch was, kommentiere ich meine Beobachtung.

Der erste schöne Ort, seit wir hier sind, ergänze ich, aber Irene nimmt den Fuß nicht vom Gas, sie will ans Meer, und ich willige ein, die fünfundzwanzig Kilometer bis zur nächstgrößeren Stadt noch auszuharren.

Nach Milltown und Castlemaine, denen wir beide nichts abgewinnen können, klettern wir am Rand der Slieve Mish Mountains die ansteigende Straße hinauf, bis wir vom Scheitel aus einen Blick hinunter auf Trailee werfen können: Ein großflächiger Pfannkuchen aus Häusern und Hochhäusern, Mietskasernen vermuten wir, von Meer keine Spur, zumindest nicht von hier oben aus, und auch Irene fällt es jetzt leicht, den Rückwärtsgang einzulegen und zu wenden.

Das Ganze also im Eiltempo zurück, und, welch ein Glück, das Schild "Vacancies" am Ortseingang hängt noch. Es geht eine steile Einfahrt hinauf, gepflegte Rasenflächen, großkronige Bäume und bunte Blumenrabatten umgeben ein schmuckes, zweigeschossiges Haus. Zwei Autos sind davor geparkt, wir stellen unser Töfftöff dazu und eilen die paar Stufen zur Eingangstür hinauf.

Klingel drücken, warten, ob jemand zuhause ist, ja, es tut sich was.

Eine schlanke, dunkelhaarige Frau öffnet mit strahlendem Lächeln die Tür.

Da sind Sie ja! flötet sie uns entgegen, begrüßt uns mit Handschlag und der Frage: Sie sind aus Deutschland, nicht wahr?

Wie war denn der Verkehr? schiebt sie nach, und dann will sie uns ohne Umschweife unser Zimmer zeigen.

Sie wollen also ein Zimmer nach hinten raus, vergewissert sie sich.

Wir sind erstaunt und überrascht.

Woher sie das weiß, frage ich nun, und die Landlady stutzt einen Moment, scheint ihrerseits verunsichert und fragt dann mit hochgezogenen Brauen:

Haben wir nicht telefoniert, Sie sind doch aus Deutschland?