Reisetagebuch der Nordpol-Expedition zur Aufsuchung Sir John Franklins - Johann August Miertsching - E-Book

Reisetagebuch der Nordpol-Expedition zur Aufsuchung Sir John Franklins E-Book

Johann August Miertsching

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Beschreibung

Der eigentliche Zweck der Rettungsexpedition von Kapitän McClure zur Auffindung Sir John Franklins und seiner zwei Schiffe Terror und Erebus mit 129 Mann Besatzung wurde zwar nicht erreicht, aber der Dolmetscher und Missionar Johann August Miertsching erlebte hautnah die Entdeckung der Nordwestpassage mit. Miertsching erwies sich auf dieser mehr als vier Jahre dauernden Expedition als exzellenter Jäger, der durch sein Jagdglück des öfteren den kargen Proviant der Mannschaft aufbessern konnte. Der ständige Hunger auf dem Schiff war nebst der permanenten Kälte eine der größten Herausforderungen auf dieser Mission, die mehr als einmal fast in einem Desaster geendet hätte. Außerdem war Miertsching ein mutiger Dolmetscher, der furchtlos mit den nicht immer freundlich gesinnten Inuit Kontakt aufnahm.

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VORBEMERKUNG

Weite Horizonte

Das ungewöhnliche Leben des Johann August Miertsching

Als Johann August Miertsching am 21.8.1817 in Gröditz bei Bautzen geboren wurde, ahnte niemand, dass er einmal durch eine Arktisreise berühmt werden würde. Sein Vater, der sorbische Zimmermann Johann Miertsching, starb bereits drei Jahre später. Seine Witwe heiratete den aus Böhmen stammenden Schuhmacher Josef Baresch. So wuchs der kleine Johann August mit drei Sprachen auf: Sorbisch – was damals von 90% der Dorfbevölkerung gesprochen wurde, auch der Schulunterricht in Gröditz war in Sorbisch – sowie Deutsch und Tschechisch.

Nach seiner Konfirmation begann er eine Ausbildung zum Schuhmacher in Kleinwelka bei der Herrnhuter Brüdergemeine. Hier kam er bald in enge Berührung mit der Gedankenwelt und dem Leben dieser Religionsgemeinschaft. Über die dörfliche Enge hinaus erfuhr er vieles aus der ganzen Welt, denn im Ort lebten mehrere Missionare im Ruhestand. Als 24jähriger wurde Miertsching in die Brüdergemeine aufgenommen und übernahm bald darauf das Meisteramt in der Schuhmacherei. Im Frühjahr 1844 erhielt er die Berufung zum Missionar und reiste über London nach Labrador an der Nordostküste Kanadas zu den Inuit, in jener Zeit Eskimos genannt.

Erstmals sah er Eisberge und erlebte, wie sich ein Schiff mühselig durchs Treibeis manövrieren musste. Seine neue Wirkungsstätte Okak lag nördlich des 57. Breitengrades auf einer felsigen Insel vor der zerklüfteten Küste Labradors und war neun Monate im Jahr von Eis umgeben. Trotz der Entfernung zum Polarkreis herrschen hier subarktische bis arktische Vegetations- und Klimaverhältnisse. Da nur in der eisfreien Zeit des Spätsommers ein Versorgungsschiff ankam, waren die Missionare weitgehend auf sich selbst angewiesen. Neben der Missionstätigkeit mussten Gebäude instandgehalten und der vom Wintereis malträtierte Bootssteg repariert werden; mithilfe von Frühbeeten wurde Gemüse zur Selbstversorgung angebaut und aus geschützten Tälern des Festlandes der Brennholzvorrat für den langen Winter besorgt. Der in handwerklichen Dingen geschickte Miertsching konnte sich dabei auszeichnen.

Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehörte der Schulunterricht. Die schwierige Sprache Inuktitut hatte er schnell erlernt. Er lehrte die Kinder der Inuit Lesen und Schreiben in ihrer Muttersprache, Musik und Geografie. Dank seiner musikalischen Fertigkeiten – er spielte Gitarre, Flöte und Orgel – fand er guten Kontakt zu erwachsenen Inuit, die sehr gern mit ihm musizierten. Miertsching gewann intensive Einblicke in den Alltag dieses arktischen Volkes und lernte von ihnen, wie man die Tiere des Nordens jagt, welche arktischen Pflanzen essbar sind und wie man sich unter arktischen Bedingungen fortbewegen und überleben kann. Nach fünf Jahren kehrte er im Spätherbst 1849 zurück in die Heimat, um eine Frau für den gemeinsamen Missionsdienst in Labrador zu finden. Doch es kam anders.

1845 hatte die britische Admiralität eine Expedition mit zwei gut ausgerüsteten Schiffen unter dem Befehl des berühmten Sir John Franklin ausgesandt, um in der Arktis magnetische Messungen vorzunehmen und endlich das letzte Verbindungsstück des nördlichen Seewegs nach Asien, der »Nordwestpassage«, zu finden. Doch man hörte nie wieder von ihnen. Ab 1848 wurden Suchexpeditionen ausgesandt, zumeist auf Franklins Spuren vom Osten aus über Grönland in den Lancaster Sound. Eine aber sollte vom Westen, von der Bering Strait und Alaska aus, in Richtung Osten vorstoßen. In der Hoffnung, von den Arktisbewohnern Informationen über die verschollene Expedition zu bekommen, suchte die britische Admiralität im Januar 1850 einen Dolmetscher für diese Expedition und fragte bei der Herrnhuter Brüdergemeine nach jemanden an, der »die Eskimo-Sprache flüssig spricht«.

Johann August Miertsching, der sich im Gröditzer Elternhaus aufhielt, war der einzige verfügbare Herrnhuter mit solchen Sprachkenntnissen. Er reiste zurück nach London und ging bereits am 20. Januar 1850 an Bord von HMS Investigator unter Kapitän McClure. Obwohl er zu diesem Zeit punkt kaum Englisch sprach, gelang es ihm, sich nach und nach auf die ungewohnten und schwierigen Bedingungen der langen Seereise einzustellen. Damals wusste er natürlich nicht, dass sie vier Winter in der Arktis verbringen und das Schiff im Eis zurücklassen würden. Erst Ende 1854 kam er wieder nach Gröditz zurück.

Während der Expedition gelang es Miertsching durch seine Kenntnisse aus Labrador, auch bei ängstlichen oder feindselig auftretenden Inuit Vertrauen zu schaffen; er wurde von ihnen wegen seiner Pelzkleidung und seiner Sprache als gleichartig akzeptiert. Obgleich diese Inuitgemeinschaften Tausende Kilometer von Labrador entfernt und oft isoliert voneinander lebten, sprachen sie die gleiche Sprache, wenn auch in unterschiedlichen Dialekten. So konnte Miertsching seinem Kapitän wertvolle Dienste als Übersetzer leisten.

Der Verlauf der Expedition wird anschaulich in Miertschings Reisetagebuch geschildert – nicht aus der Perspektive eines Angehörigen der Royal Navy, sondern als persönliche Beobachtungen eines Außenseiters: die Verhältnisse an Bord des Schiffes, die schwierigen, oft gefährlichen Situationen, die Freude über das Auffinden der Nordwestpassage, die Phasen von Krankheit, Hunger und Hoffnungslosigkeit, die Erleichterung bei der Rettung, die Entbehrungen und Anstrengungen bei den Gewaltmärschen übers Eis. Miertsching konnte dank seiner Persönlichkeit und seines in Labrador gesammelten Wissens entscheidend zum Überleben der Mannschaft beitragen und durch sein Gottvertrauen manchem Verzagten Trost spenden. Durch seine Jagderfahrungen aus Labrador war er beim Erlegen von Karibus, Robben, Moschusochsen und anderen Tieren sehr erfolgreich und trug so zur Linderung des Hungers bei. Er fand arktische Pflanzen, die gegen Skorbut halfen.

Als die halbverhungerte Besatzung im April 1853 gerettet wurde, musste HMS Investigator aufgegeben werden. Da mit die Männer den 300 km langen Marsch über das Eis zu den Suchschiffen HMS Resolute und HMS Intrepid überstehen konnten, durften sie nur minimales Gepäck mitnehmen. Miertsching war tieftraurig, als er auf Befehl des Kapitäns sein Tagebuch und seine Sammlungen im Schiff zurücklassen musste. Während der Schiffsreise hatte er ein Her barium mit insgesamt fast 4000 Pflanzen angelegt, Mineralien und Gebrauchsgegenstände der Inuit gesammelt. Bei den Schiffen angelangt, konnte Miertsching sein Reisetagebuch unter Zuhilfenahme seiner Bleistiftnotizen und des Logbuchs von Kapitän McClure rekonstruieren. Im Herbst 1854 kehrten die Expeditionsteilnehmer schließlich nach England zurück, wo sie als die Entdecker der Nordwestpassage gefeiert wurden. Mit Recht war Miertsching stolz darauf, als Sorbe und einziger Teilnehmer aus Deutschland daran beteiligt gewesen zu sein.

Nach der Arktisreise war Miertsching eine Zeitlang »berühmt«. In London erschien ein biografisches Büchlein über ihn. Er erhielt häufig Einladungen, um über die Reise zu berichten; auch der sächsische König Johann empfing ihn. Sorbische Zeitungen schrieben über ihn, und selbst in der New York Times würdigte man seinen wertvollen Beitrag zum Erfolg der Expedition. Dann wurde es ruhig um ihn. Nach Labrador kehrte er nie mehr zurück. Im Herbst 1856 heiratete er Clementine Auguste Erxleben. Das junge Paar wurde nach Südafrika berufen, wo die Herrnhuter Mission in der Kap-Region Missionsdörfer für die Khoi-San unterhielt. Von den sechs hier geborenen Kindern der Miertschings überlebten nur zwei Mädchen. Nach zwölf Jahren, 1869, kehrte die Familie zurück und ließ sich in Kleinwelka nieder. Doch nach wenigen Monaten verstarb Miertschings Frau im Alter von nur 41 Jahren. Für den Rest seines Lebens lebte Miertsching als Witwer in Kleinwelka. Er verstarb am 30.3.1875 im 57. Lebensjahr. Sein Grab ist noch heute auf dem Gottesacker des Ortes zu sehen.

Sein Reisetagebuch wollte Miertsching bei der Brüdergemeine verlegt wissen. Obwohl er die Reinschrift bereits auf dieses Zielpublikum ausgerichtet hatte, wurde der Text in Herrnhut redigiert. Nicht nur Orthographie und Grammatik, auch der Inhalt wurde angepasst und gekürzt. Das Buch erschien erstmals 1855 im Verlag der Herrnhuter Brüdergemeine in Gnadau. 1856 sowie 1864 folgten Nachauflagen. 1857 wurde es ins Französische und 1860 ins Dänische übersetzt. Die erst über 100 Jahre später publizierte englische Übersetzung »Frozen Ships« (1967) beruht auf dem ungekürzten Tagebuch, enthält aber ihrerseits wiederum Auslassungen und gelegentlich Fehlinterpretationen von Miertschings Handschrift. Wenn Miertsching in internationalen Publikationen von Polarhistorikern, Kulturanthropologen, Biologen etc. zitiert wird, liegt zumeist der Text von »Frozen Ships« zugrunde.

Im Sommer 2010 fand ein kanadisches Archäologenteam das Wrack der HMS Investigator auf dem Meeresgrund bei Banks Island; im Jahr darauf konnten einige Artefakte geborgen werden. Weitere Untersuchungen mussten aufgrund des enormen Kostenaufwands verschoben werden. Ob sich eines Tages noch Miertschings originales Tagebuch an Bord des Schiffes finden lässt?

Mechtild und Wolfgang Opel

Inhalt

Kapitel I

Reise von Plymouth bis zum ersten Winterquartier im Eise. Vom 18. Januar bis 9. Oktober 1850

Kapitel II

Winterquartier im Eise in der Prince of Wales-Straße. Fahrt um die Barings-Insel bis zur Bay of Mercy und dem zweiten Winterquartier daselbst. Vom 9. Oktober 1850 bis 25. September 1851

Kapitel III

Anderthalbjähriger Aufenthalt in der Bay of Mercy bis zum Verlassen ihres eingefrornen Schiffes im Frühling 1853

Kapitel IV

Fußwanderung über das Eis zum

Intrepid

. Fahrt mit demselben und abermaliges Einfrieren und Winterquartier mitten im Meere. Vom 15. April 1853 bis 14. April 1854

Kapitel V

Verlassen des

Intrepid

und Fußwanderung über das Eis zum

Northstar

an der Südwestspitze von North Devon. Fahrt auf diesem durch die Barrowstraße und Baffinsbay nach England. Vom 14. April bis 7. Oktober 1854

Beilage I

1.

Jagd-Tabelle des auf Prinz Alberts Land und der Baring-Insel von den Offizieren und der Mannschaft des

Investigators

erlegten Wildes vom Oktober 1850 bis April 1853

2.

Jagd-Tabelle des erlegten Wildes auf der Melville-Insel von den Offizieren und der Mannschaft der Schiffe

Resolute

,

Intrepid

und

Investigator

vom September 1852 bis September 1853

Beilage II

Bemerkungen über die westlichen Eskimos und das von ihnen bewohnte Land, aus Notizen während eines zweijährigen Aufenthalts auf Kap Barrow von Herrn Simpson, Arzt auf dem königl. Englischen Entdeckungsschiffe

Plover

VORWORT

Vorliegendes Tagebuch unseres Bruders J. A. Miertsching erzählt uns die Begebenheiten, die Gefahren und wunderbaren Errettungen, welche derselbe mit der Mannschaft des Schiffes Investigator auf seiner beinahe fünfjährigen Reise im Nordpolarmeere zu erfahren hatte. Es dürfte aber vielleicht nicht unzweckmäßig sein, für diejenigen Leser, welche weniger orientiert sind in der Geschichte jener nördlichen Entdeckungsreisen der Engländer und welche von den Bemühungen derselben, eine »nordwestliche Durchfahrt« aufzufinden, nur Ungenügendes gehört, einige wenige Worte voranzuschicken über die Veranlassung zu jener Reise und über ihren Zusammenhang mit früheren Nordpolarexpeditionen. Seit langen Zeiten hatte der Gedanke die britischen Seefahrer beschäftigt, um den Norden Amerikas herum, zwischen den Eismassen, welche die Kälte eines Polarwinters dort aufgetürmt hat, hindurch einen Seeweg ausfindig zu machen, der das atlantische Meer mit dem großen Ozean verbände.

Nachdem in den letzten Jahrzehnten des 18ten Jahrhunderts vornehmlich durch die unermüdlichen Aufforderungen eines englischen Gelehrten namens Barrington, der von dem Vorhandensein einer solchen Durchfahrt überzeugt war, die schon früher vergeblich gemachten Versuche wieder aufgenommen worden waren und Lord Mulgrave eine Expedition unternommen hatte, die jenen Zweck nicht erfüllte, nach dem darauf der allgemeine Krieg, welcher der französischen Revolution folgte und sehr bald auch England beschäftigte, alle weiteren Entdeckungspläne unterbrochen hatte, erwachte im Jahr 1818 ein neuer Eifer für jene Pläne.

Der Walfischfang hatte englische Schiffe hoch nach dem Norden geführt und mehrere Kapitäne mit den dortigen Eisregionen vertraut gemacht. Kapitän Scoresby drang nördlicher hinauf, als je vor ihm Jemand gekommen war. Seine Berichte und Entdeckungen erweckten neue Lust und neuen Mut, jene unbekannten Gegenden zu erforschen und eine Durchfahrt daselbst zu entdecken. So wie früher Barrington, so war es jetzt Barrow, der durch mancherlei Schriften unermüdlich dahinwirkte, den erloschenen Eifer wieder anzufachen.

So gingen denn in jenem Jahre wiederum zwei Expeditionen von England aus nach dem Norden, die eine unter Kapitän Buchan, unter dessen Befehl Franklin stand, die andere unter Kapitän Ross, welchen Parry begleitete. Buchan sollte so weit wie möglich nordwärts eindringen, Ross durch die Davisstraße in die Baffinsbay einfahren und von da, westlich segelnd, die Behringstraße zu erreichen suchen. Beide Expeditionen kehrten zurück, ohne ihren Zweck erreicht zu haben, und Kapitän Ross versicherte, dass die Baffinsbay wirklich, wie schon Baffin früher behauptet hatte, ein ringgeschlos senes Becken sei, in dem alle die bemerkten Einfahrten in das Land hinein1 nur Buchten und keine Kanäle seien.

Sein Gefährte Parry aber glaubte, in diesen Ausspruch begründete Zweifel setzen zu müssen. Man hatte jene Buchten nicht befahren, und Gebirge, die man im Westen bemerkt haben wollte, waren vielleicht nur Wolken gewesen oder schwimmende Eisberge. Parry wurde deshalb 1819 von neuem ausgesendet; er arbeitete sich durch die Eismassen, welche die Mitte der Baffinsbay bedecken, hindurch in den Lancaster-Sund und von da in die Barrow-Straße. Die Berge, die Kapitän Ross gesehen haben wollte, verschwanden; das Meer zeigte sich frei und offen; durch die Eisfelder bohrte und sägte man sich hindurch. Endlich erreichte der kühne Seefahrer den später nach ihm benannten Parry-Sund, und er war überzeugt, in kurzer Zeit in die Behringstraße einfahren zu können und damit die Durchfahrt gefunden zu haben, als sich ihm so völlig undurchdringliches Eis entgegenstellte, dass er nicht weiter vordringen konnte. Unterdessen war der kurze Sommer verflossen, und er fror mit seinen Schiffen bei der Melville-Insel im Eise ein. Im folgenden Jahre kehrte er auf demselben Wege nach England zurück.

Gleichzeitig mit Parry drang eine Landexpedition durch die Länder der Hudsonsbay-Gesellschaft bis zu den Mündungen des Kupferminen-Flusses vor. Diese stand unter dem Kommando Sir Franklins. Mit unsäglichen Beschwerden hatte diese Gesellschaft zu kämpfen und konnte sich nicht, wie es ihre Absicht war, mit Parry vereinigen, der 1000 englische Meilen nördlich im Eise gefangen lag. Der Proviant ging aus, und die kühnen Entdecker erlagen fast dem Hunger; die Mannschaft empörte sich gegen die Anführer, und nur durch die Hilfe befreundeter Indianer, die zur Zeit der aufs Höchste gestiegenen Not die Verschmachtenden fanden, erreichten 20 Personen, unter ihnen Franklin und Richardson, die englischen Niederlassungen wieder.

Parrys Entdeckungen aber und sein unerwartetes Vordringen erweckte den Wetteifer der früheren Polarfahrer und die Spannung und Erwartung des Volkes, und die Folge davon war eine Reihe von Unternehmungen in den folgenden Jahrzehnten, die hier nicht alle angeführt werden können: Parry, Lyou, Franklin, Beechy, Ross, Back und andere führten ihre Schiffe mitten in das Eis hinein. Sämtliche Expeditionen waren erfolglos, was den letzten Zweck ihres Unternehmens betraf, sie brachten aber für die Wissenschaft manche unschätzbare Beute zurück.

Es war außerdem nicht zu verkennen, dass man große Fortschritte gemacht hatte in der Kunst, die unendlichen Schwierigkeiten, welche jenes eisige Klima dem Vorwärtsdringenden entgegensetzte, zu überwinden. Man legte bei gleichen Hindernissen in gleicher Zeit bei weitem größere Strecken zurück als früher, und diese Erfahrung sowie überhaupt der Wunsch, ein Unternehmen, welches schon so viele Opfer an Geld, Zeit und Menschen gekostet, nicht erfolglos aufzugeben, bewog die Admiralität, im Jahre 1845 abermals eine Expedition von zwei Schiffen, Erebus und Terror, unter dem Kommando des schon ergrauten Sir John Franklin2 auszusenden. Beide Schiffe hatten zusammen eine Mannschaft von 140 Mann, lauter auserlesene Seeleute, und unter den Offizieren waren mehrere viel erprobte Nordpolarfahrer. Am 26. Mai 1845 segelten jene beiden Schiffe aus dem Hafen von Sheerness aus, um, wie sich jetzt wohl mit Gewissheit sagen lässt, nie wiederzukehren. Sie wollten durch die Baffinsbay und den Lancaster-Sund nach der Melville-Insel zu fahren und versuchen, ob sie sich durch jene Eisfelder, die sich dem Kapitän Parry entgegenstellten, glücklich durcharbeiten könnten. Wäre dies unmöglich, so wollten sie entweder von der Barrowstraße zwischen den dort befindlichen Inseln hindurch südlich an die Küste des Festlandes von Nordamerika dringen und dort in den schon bekannten Küstenkanal durch die Dolphin- und Union-Strait bis zur Behringstraße segeln, oder sie wollten, kühner als alles Vorherige, sich von dem Lancaster-Sund geradewegs nach Norden wendend versuchen, durch den Wellingtonkanal in offenes Wasser zu kommen. Franklin hegte nämlich die viel geglaubte Ansicht, dass ganz hoch im Norden freies Fahrwasser zu finden sein müsse. Im Jahre 1847 erwartete man die Expedition zurück, aber sie kam nicht. Als auch im folgenden Jahre weder die Schiffe selbst noch irgend Nachrichten von ihnen kamen (die letzte Nachricht hatte man durch einige Walfischfänger erhalten, welche den Schiffen in der Baffinsbay im Juli 1845 begegnet waren), da wurde man allgemein bekümmert und besorgt um das Schicksal des edlen Franklin und seiner Mannschaft. Seit dieser Zeit hat die englische Admiralität alles nur Mögliche aufgeboten, die Vermissten aufzusuchen, ihnen Hilfe zukommen zu lassen oder wenigstens doch eine gewisse Kun de über die Art ihres Todes zu erhalten. Seit 1848 sind nicht weniger als 19 Expeditionen zu diesem Zwecke ausgesendet worden, teils zu Schiffe, teils vom nördlichen Amerika und auf Schlitten und Booten. Die Kosten dieser Expeditionen belaufen sich bereits auf eine Summe von über eine Million Pfund Sterling (beinahe 7 Millionen Taler). Der ganze Norden wurde von Schiffen durchsucht, jeder Eskimo, den man antreffen konnte, befragt; auf jeder Landspitze wurden Blech kapseln mit Nachrichten niedergelegt. Depots mit großartigen Vorräten wurden mitten im Eise errichtet, um den möglicherweise ohne Schiff Umherirrenden einen Zufluchtsort und hinreichende Nahrung zu gewähren.

Franklin war mit seinen Schiffen auf dem kürzesten Wege dem Eismeere zu gesegelt, um durch die Baffinstraße nach Westen fahrend Amerika zu umschiffen. Jetzt schickte man mehrere Expeditionen durch die Behringstraße, welche, nach Osten hinfahrend, die vielleicht schon weit durch das Eis Eingedrungenen im Westen finden möchten. 1848 lief eine solche Expedition unter den Kapitänen Kellet, Moore und Pullen aus, und 1850 wurden wiederum vier Schiffe dorthin abgesendet. Zu den letzteren gehörten die beiden Schiffe Enterprize und Investigator. Diese mussten zu dem Ende um ganz Amerika herum durch die Magellanstraße fahren, um von Westen nach Osten durch die Behringstraße in das Eismeer eindringen zu können. Da es von Wichtigkeit war, die Aussagen der Eskimos möglichst genau zu hören und zu prüfen, so wendete sich die Admiralität durch ihren Agenten in London an die Direktion der evangelischen Brüdergemeinde mit der Bitte, den genannten Schiffen einen ihrer in Labrador tätigen Missionare als Dolmetscher beizugeben. Die Direktion der Brüdergemeine, welche in Erwägung des edlen, menschenfreundlichen Zweckes, den jene Expedition verfolgte, in dem es ja die mögliche Rettung der Mannschaft zweier Schiffe galt, sich dieser Bitte nicht entziehen zu dürfen glaubte, richtete an Bruder Miertsching, welcher sich zu jener Zeit zum Besuch in Deutschland befand, die Frage, ob er sich wohl entschließen könne, jene oben genannte Expedition zu begleiten, und dieser fand sich im Vertrauen auf die Durchhilfe des Herrn und in Betracht des edlen Zweckes jener gefahrvollen Expedition willig, dieser Bitte Folge zu leisten.

Es dürfte den Lesern des nun in seiner zweiten Auflage vorliegenden Reisetagebuches unseres Bruders J. A. Miertsching nicht unlieb sein, etwas von den früheren Lebensumständen des lieben Verfassers zu vernehmen. Wir teilen daher mit, was sich in einem von Bruder D. Benham in London im Jahre 1854 herausgegebenen Werkchen über Bruder Miertschings Reise, welchem ein vortreffliches, wohl getroffenes Bildnis des letzteren beigegeben ist, darüber findet.

Johann August Miertsching wurde geboren am 21. August 1817 in Gröditz in der Sächsischen Oberlausitz, einem Dorfe, zwei deutsche Meilen von Bautzen entfernt. Seine Eltern waren Johann Miertsching, ein Wende, und Erdmuth, geb. Naake, eine Deutsche von Geburt. Nachdem er schon in seinem dritten Jahre seinen Vater verloren, heiratete seine Mutter zum zweiten Male, und zwar einen Böhmen aus dem Orte Samtesch, in der Gegend von Czaslau. Dieser sein Stiefvater, seines Handwerkes ein Schuhmacher, lebte in ziemlich dürftigen Umständen und hatte nicht die Mittel, dem Stiefsohne, der von ihm bald die böhmische Sprache erlernte, eine gute Schulbildung zu verschaffen. Als der Knabe 15 Jahre alt war, brachte er ihn nach Kleinwelka, einem Brüdergemeinorte in der Nähe von Bautzen, um daselbst auf der erlernten Schuhmacherprofession sich weiter auszubilden. Hier wurde er erweckt und trat nach einiger Zeit zur Brüdergemeine. In seinem heißen Wissensdrange benutzte er die ihm spärlich zugewiesenen Freistunden, sich mancherlei Kenntnisse zu erwerben und in den bereits erlangten sich weiter auszubilden. Während seines ungefähr zwölfjährigen Aufenthalts in Kleinwelka, der nur einmal durch ein einjähriges Wohnen in Herrnhut, 1835-36, unterbrochen wurde, suchte er sich zum Dienste seines Herrn, welchem sich zu widmen sein Wunsch war, möglichst vorzubereiten. So traf ihn ein Ruf, dem Herrn als Missionar in Labrador zu dienen, der im Jahre 1844 an ihn erging, nicht unvorbereitet. Mit noch zwei ledigen Brüdern, die einen gleichen Ruf empfingen, traf er am 8. Juni in London ein, um sich von da aus nach den unwirtlichen Eisküsten Labradors einzuschiffen. Am 11. desselben Monats verließen sie London in der Brigg Harmony, dem Missionsschiffe der »Gesellschaft zur Förderung des Evangelii«, welche, mit der Brüdergemeine eng verbunden, die Aufbringung der mit der Unterhaltung der Mission in Labrador verbundenen Kosten sich zur Aufgabe gestellt hat. Die Reise übers Weltmeer ging rasch und glücklich vonstatten. An der Küste von Labrador aber, in der Nähe des Vorgebirges Kigla peit geriet das Schiff in die größte Gefahr, während einer Windstille von der starken Strömung an die felsige, steil abfallende Küste geworfen und zerschmettert zu werden. Die Gnade des Herrn indes erlöste das Schiff und die darin waren aus der drohenden Gefahr; ein sanfter Wind, den Er zu rechter Zeit sendete, führte sie bald von der gefährlichen Küste hinweg ihrem Bestimmungsorte, der Missions-Niederlassung Okak, zu, wo sie am 10. August landeten.

Hier blieb Bruder Miertsching, während seine beiden Reisegefährten mit dem Schiffe weitergingen. Bald nahm er an den Missionsarbeiten teil, und schon im nächsten Winter war er imstande, seinen Brüdern in der Schule zu helfen, was ihn in Erlernung der schwierigen Eskimosprache nicht wenig förderte.

Im Monat April 1846 wurde er aufgefordert, seinen kränklichen Missions-Kollegen, Bruder Herzberg, auf einer Berufsreise nach Hebron, dem nördlichsten unserer Missionsplätze an der Küste von Labrador, zu begleiten. Bruder Herzberg, der sich schon in Europa nicht unbedeutende ärztliche Kenntnisse erworben und sie durch eine vieljährige Praxis unter den Eskimos noch vermehrt hatte, war dorthin gerufen worden, um einem leidenden Mitarbeiter mit ärztlichem Rate beizustehen. Von dieser beschwerlichen Reise über Schnee und Eis gibt Bruder Miertsching folgende Beschreibung, die hier umso eher einen Platz finden dürfte, da sie uns neben dem Interesse, welches sie an sich erregt, zugleich einen Beweis liefert, wie der bisherige Dienst schon für unseren Bruder eine gute Vorschule für die Strapazen der in diesem Buche erzählten Expedition gewesen ist.

»Am 3. April, morgens um 5 Uhr, verließen wir Okak in einem Schlitten, der von 20 Hunden gezogen wurde. Diese Zughunde der Eskimos haben große Ähnlichkeit mit Wölfen; auch bellen sie nicht, sondern stoßen bloß zuweilen ein äußerst unangenehmes Geheul aus. Sie lassen sich willig anschirren und anspannen, werden aber von ihren Herren, den Eskimos, zumal wenn diese noch Heiden sind, nicht aufs Beste behandelt und müssen für ihr geringes Futter, welches in allerlei Abfall: alten Fellen, Eingeweiden, faulendem Fleisch von Walfischen und anderen dergleichen halbverdorbenen Substanzen besteht, hart genug arbeiten. Fehlt selbst jenes Futter, so sind sie genötigt, sich am Seestrande tote Fische und Muscheltiere zu suchen. Wenn sie von Hunger gepeinigt werden, verzehren sie alles, was sie immer erreichen können, und auf Reisen ist es notwendig, ihr Geschirr des Nachts im Schneehause aufzubewahren, damit sie es nicht verschlingen und dadurch die Weiterreise am Morgen unmöglich machen. Wenn die Reisenden am Abend ihren Ausspannplatz erreichen, werden die Hunde ausgeschirrt und sich selber überlassen. Sie graben sich in den Schnee ein. Am Morgen kommen sie auf den Ruf des Fuhrmanns sogleich herbei, um ihr spärliches Mahl zu empfangen. Ihre Stärke und die Schnelligkeit, mit der sie, selbst bei leerem Magen, über Schnee und Eis dahin eilen, sind zum Erstaunen. Sie ziehen den Schlitten, indem sie jeder an einen besonderen Zugriemen gespannt werden, der wieder an eine horizontale Stange am vorderen Ende des Schlittens befestigt ist. Die Zugriemen sind von ungleicher Länge, so dass sie nie nebeneinander laufen, sondern gleichsam in einer Reihe einander folgen. Ein alter, erfahrener Hund führt den Zug, indem er 10-20 Schritt vorausläuft und selbst durch die Peitsche des Fuhrmanns, welche oft 24 Fuß lang ist und nur von Eskimos gut geführt werden kann, gelenkt wird. Die anderen Hunde folgen diesem Leithunde wie eine Herde Schafe dem Leithammel. Empfängt einer von ihnen einen Schlag mit der Peitsche, so beißt er gewöhnlich seinen Nachbar vor oder hinter ihm, und dieser gibt den Biss weiter, bis alle ihren Anteil an der Strafe empfangen haben. –

Unser Fuhrmann versprach, uns noch denselben Tag ans Ziel der Reise zu bringen. Er empfing das nötige Hundefutter, welches er indes, wie wir später hörten, selbst verzehrte, während er die armen Tiere völlig ohne Nahrung ließ. Wir selber versahen uns nur auf einen Tag mit Lebensmitteln, und selbst dieser geringe Vorrat wurde durch den strengen Frost bald unbrauchbar gemacht.

Als wir um Mittagszeit ungefähr die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, hielten wir, zündeten ein Feuer an und wärmten unseren bereits zuhause gekochten Kaffee, der indes in einen braunen Eisklumpen verwandelt worden war. Bis jetzt waren wir auf dem Meereseise gefahren, ganz nahe an der Küste hin: aber nun zwang uns die große Unebenheit des Eises, unsern Weg zu Lande fortzusetzen, auf einem Wege, der uns völlig unbekannt war. Die elendesten unserer Hunde wurden nun ausgespannt und ihrem Schicksal überlassen. Da sie seit zwei Tagen nichts mehr zu fressen bekommen hatten, so kann man sich denken, wie sehr sie herabgekommen und außerstande waren, weiterzugehen. Unser Fuhrmann lief nun vor dem Schlitten her, um einen Weg über die steilen, abschüssigen Hügel, die obenein eine unebene, holprige Oberfläche mit vielen Löchern hatten, zu suchen, während er es mir überließ, ihm mit dem Schlitten zu folgen, so gut ich konnte. Die schwere Peitsche mit ihrem 18 Fuß langen Riemen ward mir in die Hand gelegt: aber eine Zeitlang schlug ich nur mich selbst anstatt die Hunde, so oft ichs versuchte, sie zu brauchen. Übung indes macht den Meister, und zuletzt wurde ich so geschickt als ein Eskimo.

Der arme Bruder Herzberg saß indes im Schlitten, in Pelz gewickelt vom Kopf bis zu den Füßen und überdies durch eine lederne Schlittendecke gegen die Kälte geschützt. Diese war jedoch so arg - 45 Grad unter Fahrenheits Null (34 Grad Reaumur) – , dass er gar nicht aufhörte zu seufzen, bis wir Hebron erreichten und ich wirklich besorgt um ihn wurde, ja zu zweifeln begann, dass er den Platz lebend erreichen werde. Unsern Führer verloren wir bald aus den Augen. Ich tat mein Bestes, seiner Spur zu folgen und fuhr über Stock und Stein. Einen großen Teil des Weges war ich genötigt, neben dem Schlitten herzulaufen, um diesen, wo der Weg schmal und abschüssig war, zu halten und so vor dem Hinabstürzen zu bewahren. Einige der Abhänge waren in der Tat so steil, dass, hätte der Herr nicht Seinen Engeln Befehl gegeben über uns, ernstliche, wenn nicht lebensgefährliche Unfälle uns hätten müssen treffen. So legten wir einen steilen Hügel nach dem andern zurück, bis wir auf ein mal beim Hinansteigen auf dem schlüpfrigglatten Schnee ausglitten und – Schlitten, Hunde und ich – alle zusammen den Abhang wieder hinunterrutschten. Dasselbe wiederholte sich drei Mal, bis wir endlich den Gipfel erreichten. Wir hatten 18 solcher Anhöhen mit unsern entkräfteten Hunden zu übersteigen. Trotz der strengen Kälte war ich infolge der gewaltigen Anstrengung, die ich zu machen hatte, mit Schweiß bedeckt. Als endlich die Nacht über uns hereinbrach, konnte ich kaum noch die Spur unseres Vorläufers sehen oder die Gefahren bemerken, die uns drohten. Wir fuhren dennoch weiter und holten um 9 Uhr unsern Führer ein. Hunger und Durst quälten uns. Wir hatten zwar noch zehn Zwiebacke und zwei Flaschen Bier, letzteres aber war zu Eis gefroren. Wir waren deshalb genötigt, unsern Zwieback mit Schnee anzufeuchten. Nach diesem Genusse fuhren wir weiter. Unser Führer versicherte, dass Hebron auf der anderen Seite des Hügels liege, den wir nun hinauffuhren. Das war indes so wenig der Fall, dass wir noch zehn solche Hügel zu übersteigen hatten, ehe wir in die Nachbarschaft jener Niederlassung kamen. Kurz nach Mitternacht trafen wir auf eine Schlittenspur und setzten nun unsern Weg mit mehr Ruhe fort. Endlich erreichten wir unser Ziel: herzlich dankbar für die erfahrene Durchhilfe und Bewahrung. Nach dreitägigem angenehmem Aufenthalt bei unsern Geschwistern in Hebron kehrten wir in einem andern Schlitten nach Okak zurück. Diesmal legten wir den Weg von 60 - 70 englischen Meilen (ungefähr 12 ½- 14 deutschen) in zwölf Stunden zurück.«

Nach fünfjährigem Dienst unter den Eskimos, und zwar hauptsächlich bei der Jugend, verließ Bruder Miertsching im Jahre 1849 in Folge einer Aufforderung von der Unitäts-Direktion zu einem Besuche in Europa die ihm bereits heimisch gewordene Küste von Labrador. Am 13. September trat er in Gesellschaft des oben erwähnten Bruder Herzberg und seiner Frau die Reise an, in der Harmony, demselben Schiffe, das ihn hingebracht hatte, und traf nach einer ziemlich langen und stürmischen Überfahrt am 23. Oktober wohlbehalten in London ein, von wo er nach Deutschland eilte.

Und eben hatte er im Schoße seiner Familie einige vergnügte Wochen verbracht, als ihn die obige Aufforderung traf.

Wie nun der Investigator, auf dem sich Bruder Miertsching befand, durch die Behringstraße in das Eismeer eindrang; wie sie auf ihrer langen, beschwerlichen Reise zwei Kanäle entdeckten, welche in den Parrysund führten, und wie somit der Wasserweg um Amerika herum bestimmt aufgefunden war; wie sie aber diesen Weg zu Schiffe nicht vollenden konnten, da das furchtbare Eis sie jahrelang gefangen hielt; wie endlich, da ihr Proviant völlig zu Ende zu gehen drohte, gerade noch zur rechten Zeit eine Schlittengesellschaft des Schiffes Resolute sie gefunden; und überhaupt alle die Gefahren, Drangsale, Entbehrungen und wunderbaren Errettungen, welche sie in jenen fünf schweren Jahren zu erfahren hatten, das mag uns nun Bruder Miertschings Tagebuch selbst berichten. Hier sei nur noch erwähnt zu besserem Verständnis des Folgenden: dass im Jahre 1852, teils zur Aufsuchung Franklins, teils um den beiden Schiffen, die 1850 ausgesendet waren und von denen man keine Nachricht erhalten hatte, zu Hilfe zu kommen, von der englischen Regierung neue fünf Schiffe unter dem Kommando Sir Eduard Belchers durch die Baffinsbay abgesendet wurden. Von diesen drangen zwei, Assistance und Pioneer, unter Belchers persönlicher Leitung in den Wellington-Kanal ein; zwei andere, Resolute und Intrepid, unter Kapitän Kellet, nahmen den Weg, den schon Parry eingeschlagen, durch den Lancaster-Sund und die Barrowstraße. Das fünfte Schiff, der Northstar, blieb in der Erebus- und Terror-Bay, dem letzten bekannten Winterquartier der Franklin’schen Expedition, vor Anker liegen, als Hilfs- und Depots-Schiff für die vier übrigen.

Wurde nun auch der nächste Zweck jener Expedition nicht erreicht, sondern war es eigentlich nur die traurige Gewissheit, dass die Vermissten sich wohl schon lange nicht mehr unter den Lebendigen befänden, welche jene Reisenden von ihrer langen, beschwerlichen Fahrt zurückbrachten, und verwirklichte sich auch die Hoffnung, welche Bruder Miertsching auf diese Reise begleitet hatte, den in jenen unbesuchten Eisgegenden wohnenden Eskimos bei dieser Gelegenheit eine Kunde vom Evangelium zu bringen, nur in sehr unvollkommene Weise; so darf doch nicht übersehen werden, wie des Genannten stilles, anspruchsloses Wirken für die Mannschaft des Schiffes, auf welchem er sich befand, reiche Früchte getragen hat.

Ohne dass Bruder Miertsching absichtlich darauf hinweist, ersehen wir doch aus seinem Tagebuche auf das Deutlichste, wie allmählich der allem Ernst und allem Höheren abgeneigte Sinn der Mehrzahl unter der Schiffsmannschaft empfänglicher wird für den Ernst und den Trost des Evangeliums. Wir sehen die vorher misstrauisch und feindselig gesinnten Matrosen sich um Bruder Miertsching sammeln, um von ihm das Wort Gottes vorlesen und auslegen zu hören. Der Spott macht einer demütigen Hingabe an die verachteten Wahrheiten des Christentums Platz, und während früher nur wildes, rauschendes Vergnügen die Frei stunden der Mannschaft ausfüllte, sehen wir ein Bedürfnis nach gemeinsamer Erbauung erwacht.

Als endlich die Mannschaft nach jahrelanger Einsamkeit auf einem neuen Schiffe wieder Gefährten findet, da stellt sich die innere Umwandelung, welche jene erfahren, hinlänglich dar durch den Spottnamen »die Pietisten«, den die Mannschaft des Investigators von ihren Schiffsgefährten sehr bald erhält. Wer dürfte verkennen, dass Gottes gewaltige Sprache in den wunderbaren Vorfällen jener Fahrt der eindringlichste Prediger gewesen sei, aber andrerseits kann doch wohl nicht geleugnet werden, dass jene gewaltige Sprache Gottes in Bruder Miertsching gleichsam ihren Dolmetscher fand und dass sie ohne einen solchen wahrscheinlich mehr oder weniger ungehört verhallt wäre.

So kann und darf Bruder Miertsching auf jene langen, beschwerlichen und oft völlig unfruchtbar scheinenden Jahre, in denen ihn, den an rege Missionstätigkeit Gewöhnten, nicht selten der naheliegende Kummer und Missmut über die zwecklose Untätigkeit, zu welcher er gezwungen war, beschlich, wie wir dies an mehreren Stellen seines Tagebuches bemerken – so kann er nun zum Schluss doch auf jene Zeit zurückschauen mit dem dankbarfrohen Gefühle, dass jener ungewöhnliche Lebensweg, den ihn der Herr geführt, nicht allein für ihn selbst, sondern auch für andere nicht umsonst gewesen sei. Diese Wahrnehmung wird auch alle die Missionsfreunde, welche vielleicht in jener Zeit, als Bruder Miertsching beinahe schon als aufgegeben betrachtet wurde, sich des Gedankens nicht erwehren konnten, warum doch dem Missionsfelde ein tätiger, brauchbarer Arbeiter für eine diesem Werke fernliegende Sache entzogen worden sei, überzeugen müssen, wie es hier die Hand des Herrn gewesen ist, die jenen Bruder zum Segen der Mannschaft des Investigators auf diesem und mit demselben in die Gefahren und Beschwerden des Nordpolareises geführt hat.

1 Der Smith-Jones-Lancaster-Sund und die noch unbefahrenen Kanäle bei Pondsbay, Homebay usw.

2 Franklin hatte, seitdem er als Schiffsleutnant unter Kapitän Buchan die Brigg Trent nach Norden geführt, noch mehrmals diese Gegenden durchsucht: 1820 auf der schon erwähnten unglücklichen Expedition; ferner 1825 und 1827. Dieser Mann, dessen unerschütterlicher Mut Stand gehalten unter den furchtbarsten Drangsalen und Gefahren, besaß daneben ein so weiches Herz, dass er kein Tier ohne Not zu töten vermochte und selbst die lästigen Mücken und Moskitos nur verscheuchte, aber niemals totschlug.

KAPITEL I

Reise von Plymouth bis zum ersten Winterquartier im Eis

Vom 18. Januar bis 9. Oktober 1850

Da mein Tagebuch, welches ich auf der Reise geführt, auf dem Schiffe mitten im Eismeer zurückbleiben musste, so habe ich nachträglich aus meiner Erinnerung gegenwärtiges Tagebuch geschrieben. Bei Abfassung desselben wurde mein Gedächtnis nicht allein durch mehrere flüchtige, mit Bleistift aufgezeichnete Notizen, welche ich glücklich gerettet, unterstützt, sondern ich konnte auch des Kapitäns eigenes Schiffstagebuch benutzen. Bei alledem fühle ich wohl, dass die nachstehende Beschreibung mangelhaft bleiben musste, da ich mich in Beziehung auf so manche kleine und doch anschauliche und interessante Züge allein auf mein Gedächtnis angewiesen sah.

Freitag den 18. Januar 1850. Nach einer glücklichen siebenstündigen Fahrt von London bis Plymouth auf der Greatwestern-Bahn kam ich mit meinem Begleiter, Bruder Van Deurs, um 5 ½ Uhr in Davonport an. Wir mieteten daselbst ein Boot und fuhren unter heftigem Regen an das Schiff Enterprize, welches drei englische Meilen entfernt im Plymouth Sound vor Anker lag neben dem Schiffe Investigator. Dort angekommen, fanden wir die Mannschaft mit Einladen von Lebensmitteln, Steinkohlen und anderem Bedarf beschäftigt. Es war ein wildes Durcheinander; einige der Matrosen waren berauscht, einen sahen wir am Steuerruder in Eisen geschlossen. Kapitän Collinson und sein Gast, Kommandeur McClure von dem Investigator, hatten soeben ihr Mittagsmahl vollendet und bewillkommten mich auf das Freundlichste. Bruder Van Deurs unterhielt sich längere Zeit mit beiden Kapitänen, an welcher Unterhaltung ich aus Unkenntnis der Sprache nicht teilnehmen konnte. Als Bruder Van Deurs mit dem Boote nach Devonport zurückgekehrt war, wurde ich einstweilen in die Kajüte des Kapitäns einquartiert und genoss in dieser Nacht einen guten Schlaf.

Sonnabend den 19. Januar. Am Morgen nahm mich Kapitän Collinson mit nach Devonport, wo für mich eine wasserdichte Kleidung und andere Kleinigkeiten eingekauft wurden. Auch wurde ich daselbst beim Kapitän Gage vorgestellt. Ich verabschiedete mich von Bruder Van Deurs und Smith, sah mich dann in der Stadt um und kehrte mit Kapitän Collinson abends um 6 Uhr ans Schiff Enterprize zurück. Dort angekommen, wurde ich sogleich auf das Schiff Investigator gebracht, weil, wie mir gesagt wurde, auf der Enterprize keine Kajüte für mich vorhanden sei. In Valparaiso sollte ich auf die Enterprize zurückversetzt werden. Kommandeur McClure war mit Briefschreiben beschäftigt, nahm mich aber sehr freundlich auf und setzte mir Wein, Rosinen, Mandeln und Oliven vor, wobei er mir mehreres sagte, was ich leider noch nicht verstehen konnte. Auf dem Schiffe ging alles durcheinander. Viele waren mit Briefschreiben beschäftigt. Proviant und andere Sachen wurden ins Schiff geladen. Fässer, Kisten und Kasten lagen überall herum, so dass man kaum aus der Kajüte heraus konnte. Den Abend verbrachte ich mit Briefschreiben. Mein neuer Bedienter, Korporal Farquarson, hatte mir in meiner Kajüte ein gutes Bett nebst den nötigen Waschgerätschaften besorgt.

Sonntag den 20. Januar. Morgens um 6 Uhr bei gutem Winde wurden die Anker gelichtet, und nun ging es hinaus in die weite See! Werden wir Europa wiedersehen? Und wann? Die Frage drängte sich mir unwillkürlich auf, als uns das Schiff immer weiter hinaustrug in die grenzenlose See hinein. Der Blick in die Zukunft ist dunkel! Eine Nordpolexpedition, so reich an Hindernissen und Gefahren! Wie lange werden uns die Eisfelder hoch oben im Norden festhalten? Vielleicht zwei Jahre oder länger, oder gar auf immer? Doch dem hohen und erhabenen allmächtigen Herrn und Heiland, unter dessen Schutz wir Unwürdigen die gefahrvolle Reise beginnen, ist dies alles bekannt, Er tue, was Ihm wohl gefällt! Ich hielt einen einsamen Morgensegen in meiner Kajüte. Vormittags wurde ich vom Kapitän den Offizieren vorgestellt und als Interpreter (Dolmetscher) in den Offiziersrang aufgenommen. Den Matrosen wurde in einer Anrede vom Kapitän befohlen, mich als Offizier zu betrachten und als solchen zu salutieren. Die Matrosen waren guten Mutes. Sie hatten statt der Frühstücks-Schokolade Grog getrunken, und dies mochte ihre heitere Laune verstärkt haben. Das Mittagessen, welches ich zum ersten Mal in Gesellschaft englischer Seeoffiziere einnahm, war freilich ganz verschieden von dem auf unserem Missionsschiffe Harmony. Es währte von 3 Uhr nachmittags bis 8 Uhr Abends. Nach demselben wurde Tee und Whiskypunsch gereicht.

Unser Schiff Investigator ist eine kleine Fregatte von 423 Tonnen mit drei Masten (Barque). Das Schiffspersonal besteht aus 66 Matrosen; dem Kapitän Robert Le Messure McClure; zwei Leutnants: Haswell und S. G. Cresswell; zwei Mates (Unterleutnants): R. Wynjatt und H. Sainsburry; zwei Schiffsärzten: Dr. Armstrong und H. Piers; dem Proviantmeister J. C. Paine, der zugleich Schiffsschreiber ist; dem Schiffsmeister S. Court. Diese Offiziere heißen Wardroom- oder Gunroom-Offiziere. Die Matrosen sind in drei Klassen eingeteilt. Die erste Klasse sind die Petty-Offiziers, wozu vier Zimmerleute, Schmied, Bäcker, Köche, Segelmacher usw. gehören. Der Kapitän hat einen Koch und zwei Tischdiener, die Offiziere desgleichen. Die Matrosen sind im Unterdeck, wo dieselben des Nachts auch in Hängematten schlafen, in Tischgesellschaften zu je acht Mann eingeteilt. Jeder Offizier hat seine Schlafkajüte, 7 Fuß im Geviert, in welcher ein Bett, Wasch- und Schreibtisch und ein Stuhl sich befindet. Jeder hat einen Diener, welcher die Kajüte in Ordnung hält, für das Waschen und Ausbessern der Wäsche und dergleichen sorgt. Da auf unserm Schiffe keine Schiffsjungen sind, so wurden die acht Seesoldaten, ein Korporal und ein Sergeant als Offiziers-Bediente angenommen. Dafür erhält jeder neben seinem Schiffslohn 12 Schilling den Monat. Kanonen haben wir nur zwei Stück, aber sehr viele Flinten, Pistolen, Handgranaten und Congrave-Raketen. Die Schiffskost besteht aus gesalzenem Rind- und Schweinefleisch und frischem, eingekochtem Rind-, Schöps-und Kalbfleisch; trockene Gemüse, Erbsen, Kartoffeln usw. bilden die Zukost. Zum Frühstück wird Schokolade, abends Tee gereicht nebst Schiffszwieback. Essig, saure Gurken, Senf und dergleichen werden wöchentlich zweimal ausgeteilt. Ehe unser Schiff England verließ, legten die Offiziere 450 Pfund zusammen und kauften dafür Wein, Bier und andere Lebensmittel. Der Tag ist in sechs vierstündige Wachen eingeteilt. Jede Wache besteht aus einem Offizier und 15 bis 20 Matrosen. Morgens 5 Uhr wird zum Aufstehen geblasen, darauf wird das Schiff inwendig gereinigt und geputzt. Um 8 Uhr ist das Frühstück, um 9 Uhr Musterung auf dem Verdeck, zu welcher sich ein jeder einfinden muss. Bis ½ 12 Uhr werden dann die Matrosen nützlich beschäftigt. 12 Uhr Mittagessen, bis 1 ½ Uhr freie Zeit und dann bis 5 Uhr wieder beschäftigt. 6 Uhr Tee und bis 8 Uhr wird zum Lustigsein kommandiert (Hands dance & skylark). Um 8 Uhr gehen sie zu Bett. Die Offiziere essen um 2 Uhr Nachmittag, der Kapitän um 4 Uhr. Die Offiziere gehen nach Belieben schlafen. Die täglichen Rationen der Schiffskost werden jeden Mittag für den nächsten Tag an die verschiedenen Tischgesellschaften von dem Proviantmeister ausgeteilt. Schiffsgrog wird täglich für den Mann 1 Gill (1 Viertelnösel) verabreicht.

Mittwoch den 23. Januar. (nördl. Breite 48°36’; Länge 11°10’; Temp. 51°) Die letzten drei Tage hatten wir schönes Wetter und günstigen Wind. Ich fühle mich sehr fremd in meinem schwimmenden Haus und der unbekannten Gesellschaft. Der Kapitän wie die Offiziere sind sehr freundlich gegen mich; nur schade, dass ich die Sprache nicht verstehe. Mein Bedienter ist ein Schotte, und wir müssen uns jetzt noch mehr durch Zeichen als durch Worte verständigen.

Donnerstag den 24. Januar. (n. Breite 48°56’; Länge 10°7’; Temp. 52°) Vorige Nacht hatten wir starken Gegenwind, morgens einen furchtbaren Sturm. Um 8 Uhr Vormittag brachen die oberen Masten. In einem Augenblick stürzten sie herab. Die Wellen schlugen über das tiefgehende Schiff. Dies Unglück verursachte einen furchtbaren Aufruhr auf dem Schiffe. Fast den ganzen Tag blieb ich in meiner Kajüte, wo das hereindringende Seewasser 2 Zoll hoch stand. Ein bitterer Anfang für mich, dem das Seeleben und die Sprache ganz fremd waren.

Freitag den 25. Januar. (nördl. Breite 48°56’; Länge 11°6’; Temp. 54°) Regen und schwacher Gegenwind. Neue Masten wurden aufgesetzt. Fünf Mann fielen dabei über Bord, wurden aber gerettet. Das schwer beladene Schiff stöhnt und ächzt, von den hohen Wellen auf- und abgeworfen. Ich fühle nichts von Seekrankheit.

Donnerstag den 31. Januar. (Breite 47°48’; Länge 20°21’; Temp. 55°) Das Wetter immer noch sehr unangenehm. Regen und hohe See hören nicht auf. Das Schiff schwankt sehr. Die Lagerstätten sind alle vom Seewasser durchnässt. Vorigen Sonntag wurde nicht gearbeitet, aber auch kein Gottesdienst gehalten. Am 29sten war ich beim Kapitän zu Tische. Heute sahen wir die Enterprize und sprachen durch Flaggen mit ihr. Das Schiff wurde ausgepumpt. 4 Fuß stand das Wasser in den Pumpen.

Freitag den 1. Februar. (Breite 48°7’; Länge 20°52’; Temp. 54°) Den ganzen Tag Gegenwind und Regen. Eine Welle nach der andern schlägt über das Verdeck. Die Mannschaft, ohne Beschäftigung, ist lustig und die Geige in voller Tätigkeit.

Montag den 4. Feburar. (Br. 42°48’; Länge 19°52’; Temp. 54°) Schönes Wetter, starker guter Wind. Der Kapitän besah die Kajüten, und es wurden Anstalten getroffen, dieselben sowie die Lagerstätten auszutrocknen. Kleine eiserne Öfen wurden geheizt, und glühende Kanonenkugeln in die Ecken und Winkel gebracht. Abends entstand Feuer und wurde nur durch schnelle Hilfe der Wache auf dem Verdeck gelöscht. Viele neue Segel verbrannten.

Dienstag den 5. Februar. (Br. 41°17’; Länge 19°; Temp. 57°) Das Wetter schön, der Wind günstig. Große Schiffswäsche der Matrosen. Abends fürchterlicher Lärm und Tanzen und Singen. Dies ist alles für mich so neu, dass ich mich kaum hineinfinden kann. Ich vermute etwas ganz anderes auf unserer gefahrvollen Reise. Ach, Herr und Heiland, habe Geduld! Hilf, Herr, auf welche Weise es auch sein mag. Ich bin sehr niedergeschlagen.

Donnerstag den 7. Februar. (Br. 38°9’; Länge 19°45’; Temp. 59°) Es fängt an, warm zu werden. Wetter und Wind sind gut. Heute kamen wir in die Nähe der Azoren. Nachmittags begegneten uns zwei Schiffe. Ich war zu Tische bei dem Kapitän. Nach dem Essen wurde Whiskypunsch gereicht. Ich genoss nur wenig, da er sehr stark ist.

Freitag den 8. Februar. (Br. 36°54’; Länge 20°4’; Temp. 59°) Wetter und Wind sind gut. Von heute an soll jeden dritten Tag ein Fässchen, in welchem sich Nachrichten von unserm Schiffe befinden, in die See geworfen werden. Von heute an soll ich täglich um 12 Uhr zum Kapitän kommen und mit ihm ein Glas Wein trinken. Meine Bücher und Schreibereien, die ganz feucht sind, sowie meine Gitarre soll ich von nun an in des Kapitäns Kajüte aufbewahren.

Mittwoch den 13. Februar. (Br. 31°27’; Länge 23°20’; Temp. 66°) Es fängt an, sehr warm zu werden. Das Schiff segelt bei dem jetzt beständig günstigen Winde 8 bis 9 englische Meilen die Stunde. Weder Vögel noch Fische sind sichtbar. Von heute an machte ich es mir zur Regel, täglich zwei Stunden Englisch und zwei Stunden Eskimo-Sprache zu treiben.

Mittwoch den 20. Februar. (Br. 15°36’; Länge 26°40’; Temp. 73°) Gestern kamen wir in den Passatwind. Wir sahen viele fliegende Fische und Sturmvögel. Heute kam Befehl, die Mannschaft habe Sommertracht anzulegen: weiße Beinkleider und Jacken und Strohhut.

Donnerstag den 21. Februar. (Br. 14°16’; Länge 26°36’; Temp. 75°) Ein herrlicher Sommertag. Die Nacht verbrachte ich auf dem Verdeck. Es war über alle Beschreibung angenehm; abends war Musik und Tanz, an welchem auch die Offiziere teilnahmen.

Freitag den 22. Februar. (Breite 12°25’; Länge 26°12’; Temp. 75°) O was für herrliche Abende! Wenn nur das Lärmen und Tanzen nicht wäre! Doch kann ich manchmal zu meiner Gitarre singen: Ich darf dich im Geiste küssen, – und mit Freuden dich genießen. – Ja wenn sich oft trübe Stunden – haben bei mir eingefunden, – dass mein Herze weint, – weil kein Trost erscheint, gibt Er neue Gnadenblicke – dass Er mir mein Herz erquicke, – O wie treu ist Er!

Sonntag den 24. Februar. (Br. 7°48’; Länge 25°12’; Temp. 79°) Jeden Sonntag ist Gottesdienst, welcher darin besteht, dass der Kapitän die dazu vorgeschriebenen Gebete, einen Psalm und zwei Kapitel aus der Bibel nebst den zehn Geboten, dem sonntäglichen Evangelium und der Epistel stehend vorliest. O wie schön ist’s am Sonntag, weder Musik, Tanz noch Lärm ist zu hören. Ein Matrose wurde plötzlich krank.

Dienstag den 26. Februar. (Breite 4°21’; Länge 24°23’; Temp. 81°) Drei Tage lang trübes Wetter und kein Wind. Die Hitze fängt an, fast unerträglich zu werden. Heute muss jeder in der See baden. Wer nicht schwimmen konnte, dem wurde ein Tau um den Leib gebunden. Mir war es lieb, dass ich in meiner Jugend schwimmen gelernt hatte. Der Kapitän war der erste, welcher in die See sprang.

Freitag den 1. März1850. (Breite 3°31’; Länge 23°26’; Temp. 82°) Wind und Wetter sind angenehm. Viele Haifische und Delphine zeigen sich um das Schiff herum. Wenn ich nur einen christlichen Freund in meiner Umgebung hätte!

Dienstag den 5. März.