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Die spannende Fortsetzung der neuen Reihe. Rosa und Charly sind glücklich, als sie sich nach den Herbstferien wiedersehen. Kaum wieder vereint, steht auch schon eine große Herausforderung an: die Weihnachtsquadrille – eine alte Tradition auf Blossom Hill! Jetzt heißt es Teams bilden, Choreografien planen, Kostüme schneidern ... und sich vor Intrigen in Acht nehmen. Welches Team wird den Preis holen? Und wird Rosa endlich Princess Valentine als Pflegepferd bekommen? Aufregende Zeiten für die beiden Freundinnen beginnen ...
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Seitenzahl: 198
Veröffentlichungsjahr: 2021
KOSMOS
Umschlaggestaltung: Carolin Liepins, München unter Verwendung von Illustrationen von Anike Hage
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© 2021, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG,
Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-50473-4
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Für meine Schwester
Ungeduldig zappelte Rosalie auf dem Beifahrersitz hin und her. Bald musste Blossom Hill in Sicht kommen! Sie konnte es kaum erwarten, Carmen wiederzusehen. Und ganz besonders freute sie sich natürlich auf Princess Valentine, ihr wunderschönes Lieblingspferd. Rosalie reckte ihren Hals … und da endlich tauchte das Schloss hinter den Hügeln auf.
„Mama“, rief Rosalie freudig, „ich kann Blossom Hill schon sehen!“
Rosalies Mutter, Julia Bennett, lächelte. „Und es sieht noch genauso prächtig aus wie im Sommer.“
Es war noch gar nicht lange her, dass sie zum ersten Mal diesen Weg gefahren waren. Damals hatte Rosalie, die von ihren Freunden Rosa genannt wurde, ihr Stipendium an dem renommierten Reitinternat angetreten. Das war vor zweieinhalb Monaten gewesen, Rosa kam es aber deutlich länger vor. So viel war seitdem passiert! Carmen, genannt Charly, war nach einem schwierigen Start auf Blossom Hill am Ende doch noch ihre Freundin geworden. Und auch mit einigen anderen Internatsschülern war sie inzwischen gut befreundet.
Sie hatten die lange Pappelallee erreicht, die bis zum Eingangstor von Blossom Hill führte. Rosas Mutter steuerte den Wagen langsam die Allee hoch und suchte nach einer Parklücke. Es herrschte ein Gewusel aus Schülerinnen und Schülern mit ihren Eltern, die schwere Koffer und allerlei anderes Gepäck zur Eingangshalle schleppten. Patricia Robinson, die Hausmutter, stand an der Tür und begrüßte die Ankömmlinge freundlich lächelnd.
„Da ist Charlys Transporter!“ Rosa zog ihre Mutter am Arm und deutete auf einen eleganten weißen Wagen. Und schon öffnete sich die Autotür und ein Mädchen in zerrissenen Jeans und T-Shirt sprang heraus.
„Charly!“, rief Rosa quer über den Vorplatz und winkte aufgeregt mit hochgereckten Armen.
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf dem hübschen Gesicht ihrer Freundin aus. „Rosa!“
Beide Mädchen rannten stürmisch aufeinander zu und umarmten sich herzlich.
„Ich freue mich so, dich wiederzusehen!“, sagte Charly fröhlich. „Lass uns schnell die Taschen hoch in unser Zimmer bringen. Und dann muss ich Ghazal und Adora ausladen.“ Charly hatte zwei eigene Pferde, die sie mit nach Blossom Hill brachte.
Julia Bennett unterhielt sich gerade mit Patricia, als die Freundinnen dazukamen.
„Hallo, ihr beiden“, begrüßte die Hausmutter sie freundlich. „Wie schön, dass du dich dieses Mal freust, nach Blossom Hill zu kommen, Carmen“, wandte sie sich augenzwinkernd an das Mädchen mit dem olivfarbenen Teint. Charly grinste nur. Rosa dachte mit leichtem Schaudern daran zurück, wie schlecht gelaunt Charly am Anfang gewesen war. Es hatte ihr auf Blossom Hill überhaupt nicht gefallen und sie hatte alles darangesetzt, unausstehlich zu sein. Zum Glück waren diese Zeiten vorbei.
Die imposante Eingangshalle des Schlosses mit der gläsernen Kuppel war noch genauso beeindruckend wie bei Rosas Ankunft im Sommer. Gemeinsam mit ihrer Mutter und Charly schleppte sie das Gepäck die gewundene Treppe bis in den zweiten Stock hoch. Rosa öffnete die Zimmertür und stellte den Koffer vor ihrem Schrank ab. Dann eilte sie sofort zum Fenster und stieß es weit auf. Von ihrem Zimmer aus konnte man die Stallungen mit den Paddocks davor sehen und die angeschlossenen Reithallen. Vielleicht erhaschte sie sogar schon einen Blick auf Princess Valentine? Sie reckte sich weit aus dem Fenster, konnte die Stute aber nicht entdecken.
„Rosa, ich muss los zu meinen Pferden. Sie können es bestimmt kaum erwarten, aus dem engen Transporter zu kommen. Wir sehen uns später“, sagte Charly rasch. Sie verabschiedete sich von Rosas Mutter und stürmte hastig aus dem Zimmer.
„Hui“, sagte Julia Bennett lachend, „deine Mitbewohnerin ist aber ein Wirbelwind.“
„Allerdings“, stimmte Rosa grinsend zu, „das ist bestimmt ihr spanisches Temperament.“
Mutter und Tochter räumten gemeinsam den Inhalt des Koffers in Rosas Schrank. Mrs Bennett achtete darauf, dass die Schuluniform ordentlich aufgehängt wurde, damit sie nicht knitterte. Rosa hingegen hatte es eilig, denn sie wollte endlich die Pferde begrüßen.
In der Eingangshalle verabschiedete sich Rosa liebevoll von ihrer Mutter. Erst zu Weihnachten würden sie sich wiedersehen. Trotzdem fiel ihr der Abschied viel leichter als beim letzten Mal, so wohl fühlte sie sich inzwischen auf Blossom Hill.
Auf dem Weg nach draußen zu den Ställen lief Rosa Ellie in die Arme, einer Schülerin aus Year ten, die mit allen gut befreundet und außerdem Mitglied im Pferderat war. Ellie hatte sich ein bisschen um sie gekümmert, als Rosa noch neu im Internat gewesen war.
„Hey, Rosa, schön, dich zu sehen!“, rief Ellie erfreut und drückte Rosa kurz an sich.
„Hallo, Ellie, ich will zu den Pferden, kommst du mit?“, fragte Rosa.
„Nein, ich warte auf Mary, sie ist noch nicht da. Wir kommen dann später nach“, antwortete Ellie. Mary war Ellies beste Freundin.
Also machte sich Rosa allein auf den Weg. Sie lief den überdachten Säulengang entlang, der direkt bis zu den Ställen führte. Ihr Herz pochte vor Aufregung. Ob Valentine sie wiedererkennen würde? Rosa wünschte es sich so sehr, dass die elegante braune Stute endlich ihr Pflegepferd wurde. Aber leider war Valentine sehr kopfscheu. Rosa durfte sie zwar inzwischen am Kopf streicheln, aber an Auftrensen war noch immer nicht zu denken. Ihr Reitlehrer, Herr von Mahlzahn, hatte das aber zur Bedingung gemacht. Trotzdem war Rosa sich sicher, dass Valentine sie mochte. Immerhin war sie eine der wenigen, die die Stute überhaupt am Kopf anfassen durften. Als Rosa sich Valentines Box näherte, wurde sie langsamer. Valentine und der Falbe Cookie teilten sich den kleinen Paddock vor den Boxen. Von Valentine war nichts zu sehen, Cookie kabbelte sich gerade mit dem Nachbarpferd. Nervös blieb Rosa an der Umzäunung stehen. Was, wenn Valentine sich nicht mehr an sie erinnerte? Zaghaft rief Rosa ihren Namen – nichts passierte. Rosa rief noch einmal, diesmal etwas lauter. „Valentine, hallo, meine Schöne!“
Aus der Box war Geraschel zu hören und dann erschien der edel geformte Kopf mit dem gewellten schwarzen Schopf in der Tür. Rosa hielt den Atem an: Wie schön diese Stute doch war! „Valentine, ich hab dir etwas mitgebracht“, sagte Rosa lockend und endlich kam die Stute zu ihr gelaufen. Rosa streichelte ihren Hals. Valentine stupste sie sanft an und pustete ihr dann ins Gesicht. Sie hat mich wiedererkannt, dachte Rosa glücklich und ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer. Rosa gab der Stute einen mitgebrachten Apfel und kraulte ihr ganz vorsichtig das Fell hinter den Ohren. Valentine ließ sie gewähren. Rosa freute sich jetzt schon auf ihre erste Dressurstunde mit Valentine. Nachdem sie ihren Liebling ausgiebig begrüßt hatte, machte sie sich auf den Weg in den Stall, um Charly zu suchen.
Charly hatte ihre Pferde bereits vom Hänger geholt und war dabei, die Transportgamaschen zu lösen.
„Kann ich dir helfen?“, fragte Rosa.
„Ja, gerne. Könntest du bitte Adora die Gamaschen abnehmen? Dann kann ich Ghazal schon in seine Box bringen.“
Rosa beugte sich hinunter und löste die Klettverschlüsse der Gamaschen. Adora war Charlys talentiertes Springpferd, das Rosa sogar schon einmal reiten durfte.
Jonny, der Stallpfleger, kam vorbei und begrüßte die beiden Mädchen freundlich. Dann wandte er sich an Charly. „Wie geht’s Ghazal, ist er schon ein bisschen ruhiger geworden?“
Charly seufzte. „Nee, nicht wirklich! Ich hab das Gefühl, dass er außer am Rennen an nichts weiter interessiert ist.“
„Ach, das wird schon noch“, munterte Jonny sie auf. „Noch ein paar Monate Unterricht bei Herrn von Mahlzahn und er geht so brav wie ein Lamm.“
„Na, ich weiß nicht“, sagte Charly zweifelnd. Der weiße Araber hatte ihr vertrauensvoll den Kopf auf die Schulter gelegt. Wenn er nicht geritten wurde, war er sehr verträglich.
Abends aßen Schüler und Lehrkräfte gemeinsam im Speisesaal von Blossom Hill. Es war ein eindrucksvoller Raum mit stuckverzierter Decke. Ich kann mir gut vorstellen, wie hier früher große Feste gefeiert wurden, dachte Rosa. Sie saß gemeinsam mit einigen ihrer Klassenkameraden aus Year seven, Charly, Lily, Arthur und den Zwillingsbrüdern Matthew und Finley, an einem Tisch.
Lily streckte stolz ihren weißen, ziemlich dünnen Arm hoch. „Schaut mal, endlich bin ich den Gips los!“
„Sieht sehr gut aus“, sagte Arthur, „fast wie neu.“ Er grinste Lily an. Arthur war ein echter Earl. Er war immer freundlich, gut gelaunt und höflich, und Rosa mochte ihn sehr.
Charlys Lippen wurden ganz schmal und sie schaute betreten auf ihren Teller. Es war ihre Schuld gewesen, dass Lily sich den Arm gebrochen hatte. Ghazal war im Gelände durchgegangen und hatte die Kutsche mit ihren Mitschülern darin im Jagdgalopp überholt. Daraufhin waren die vier Kutschpferde panisch losgestürmt. Lily war von ihrem Sitz geschleudert worden und hatte sich den Arm gebrochen.
Lily bemerkte Charlys Verlegenheit und stieß ihr freundschaftlich den Ellenbogen in die Seite. „Hey, Charly, das hatten wir doch geklärt, oder?“
Charly sah hoch und seufzte leise. „Mir tut die ganze Sache immer noch furchtbar leid. Dein Arm sieht irgendwie ziemlich schmal aus?“
„Ach was, der wird wieder.“ Lily machte eine wegwerfende Handbewegung. „Der Arzt hat gesagt, dass die Muskeln neu aufgebaut werden müssen. Ich muss zweimal in der Woche Physiotherapie machen und beim Reiten soll ich mich etwas vorsehen. Aber mit Starbuck ist das ja kein Problem.“
Charly atmete auf. Rosa war froh, dass Charly sich inzwischen gut mit ihren Mitschülern verstand. Alle erzählten ausgiebig von ihren Ferienerlebnissen und Charly beteiligte sich so rege am Gespräch, als wäre es nie anders gewesen.
Heute gab es Braten mit Minzsoße, nicht unbedingt Rosas Lieblingsessen. Die Zwillinge aber aßen riesige Mengen und verbreiteten gute Laune.
Nach dem Essen erhob sich Headmistress Philomena Thompson. Alle Gespräche ringsherum verstummten und die Schüler warteten gespannt darauf, was die Direktorin zu sagen hatte.
„Ich begrüße alle herzlich zurück auf Blossom Hill. Die Herbstferien sind zu Ende und wir haben noch ein paar Wochen bis zum Ende des ersten Terms. Wie es bei uns Tradition ist, beenden wir den ersten Term des Schuljahres kurz vor Weihnachten mit einer großen Quadrille-Challenge. Welches Team wird wohl in diesem Jahr den Pokal für seinen Jahrgang erringen?“
Aufgeregtes Gemurmel machte sich im Saal breit. Die Direktorin hob eine Hand und langsam wurde es wieder ruhig.
„Die Älteren kennen den Ablauf ja schon. In Teams, die aus mindestens zwei bis maximal acht Personen bestehen, wird eine Quadrille erarbeitet. Mit allem Drum und Dran, also Musik, Kostümen und einer Zusammenstellung der Reitfiguren. Das Thema der Quadrille muss im Zusammenhang mit Weihnachten stehen. Dies ist eure Projektarbeit im Fach Dressurreiten. Herr von Mahlzahn wird wie in jedem Jahr die Koordination übernehmen. In ein paar Wochen erfolgt der Vorentscheid. Jeder Jahrgang entscheidet demokratisch, welches seiner Teams für die Endausscheidung nominiert wird. Herr von Mahlzahn und ein Mitglied des Pferderates haben ebenso eine Stimme. Die ausgewählten Teams dürfen dann auf unserer großen Weihnachtsfeier ihre Quadrillen vorführen. Die Bewertung wird eine externe Jury vornehmen. In diesem Jahr haben wir uns außerdem noch etwas Besonderes ausgedacht. Neben dem ersten Platz der Jury wird auch ein Publikumsliebling gewählt, es gibt also diesmal eine doppelte Chance zu gewinnen. Ich freue mich auf einen spannenden Wettkampf mit vielen ausgezeichneten Quadrillen!“
Mit einem vornehmen Lächeln setzte sich Headmistress Thompson wieder auf ihren Platz. Nun stand Herr von Mahlzahn auf. Rosa sah aus den Augenwinkeln, dass Charly anfing zu strahlen. Herr von Mahlzahn war ein toller Reitlehrer, der immer das Wohl der Pferde im Blick hatte. Er war der Einzige gewesen, dem Charly von Anfang an vertraut hatte.
Der Reitlehrer räusperte sich. „Hallo zusammen! Ihr solltet umgehend mit der Planung dieses großen Projektes beginnen. Fangt damit an, Teammitglieder zu suchen, die zu euch passen. Dann überlegt euch, welche Figuren in welcher Abfolge geritten werden sollen und wie schwierig oder leicht das Ganze sein soll. Darüber werden wir auch noch in der ersten Dressurstunde sprechen. Wenn ihr eine grobe Vorstellung von der Quadrille habt, werde ich die Pferde dafür einteilen. Es kann sein, dass ihr nicht eure Stammpferde reiten könnt, denn die Pferde sollten ein bisschen zusammenpassen. Die Privatreiter werden natürlich ihre eigenen Pferde nehmen. In einer Woche solltet ihr mit den Proben beginnen. Dafür wird es feste Zeiten in eurem Stundenplan geben. So viel für heute, in den Reitstunden werden wir noch detaillierter darüber reden.“
Herr von Mahlzahn nickte den Schülerinnen und Schülern freundlich zu und setzte sich.
Sofort begannen an den Tischen aufgeregte Gespräche und fast alle drehten sich um die bevorstehende Challenge.
„Das ist ziemlich cool, oder?“, fragte Matt begeistert in die Runde.
Sein Bruder Fin nickte zustimmend. „Das macht bestimmt Spaß, endlich mal nicht nur normaler Unterricht.“
Rosa freute sich darauf, eine Quadrille einzuüben. Das hatte sie noch nie gemacht und schon immer ausprobieren wollen. Auf Blossom Hill zu sein, war einfach toll!
Später lagen Rosa und Charly in ihren gemütlichen Betten und unterhielten sich das erste Mal an diesem Tag ganz in Ruhe.
„Wie war es denn in den Ferien mit deinem Vater?“, fragte Rosa.
„Ach, es war schön, zu Hause zu sein. Vor allem schmeckt das Essen von Maria deutlich besser als das Zeug hier.“ Charly lachte. „An englische Gerichte werde ich mich nie gewöhnen.“ Charlys Familie kam ursprünglich aus Spanien. Mit ihrem Vater und der Haushälterin Maria lebte Charly aber schon ewig in England. Ihre Mutter war bereits vor langer Zeit gestorben.
Charlys Miene verdüsterte sich etwas. „Leider musste mein Vater zwei Tage früher als geplant wieder zu seiner Arbeitsstelle nach Südamerika zurückkehren, das war wirklich blöd. Aber bis dahin hatten wir eine ziemlich gute Zeit zusammen. Sogar beim Reiten hat mein Vater mir ab und an zugesehen. Und wie war’s bei dir so?“
„Bei mir war es auch echt schön! Meine kleine Schwester Annabelle war genauso süß und nervig wie immer. Mama hatte die ganze Zeit Urlaub und wir konnten viel unternehmen. Aber ich habe Valentine vermisst – und dich auch.“ Rosa lächelte Charly schüchtern an.
Charly strahlte. „Du hast mir auch gefehlt, Rosa. Ehrlich! Es ist bei uns immer ziemlich ruhig. Geschwister habe ich ja leider keine. Ich bin richtig froh, jetzt wieder mit dir in einem Zimmer zu sein!“ Genüsslich biss sie in einen Keks. Da Charly nicht viel zu Abend gegessen hatte, machte sie sich jetzt über ihre mitgebrachten Süßigkeiten her.
Rosa freute sich sehr über Charlys Worte. Ihre Freundschaft fühlte sich schließlich noch ganz neu an. „Was sagst du zu der Quadrille-Challenge, Charly?“
„Hm“, murmelte Charly mit vollem Mund, „ich weiß noch nicht so genau, was ich davon halten soll. Mit vielen anderen in einem Team zu reiten, kann auch ganz schön nervig und schwierig sein!“ Sie grinste schief. „Aber es ist schon eine coole Herausforderung. Eigentlich mag ich so was. Aber ehrlich gesagt, am allerliebsten würde ich nur mit dir allein etwas einstudieren.“ Charly sah Rosa mit ihren großen braunen Augen fragend an.
Rosa wurde ganz warm ums Herz. Sie hatte sich insgeheim ebenfalls gewünscht, zusammen mit Charly zu reiten. „Wir könnten uns ja ein Pas de deux ausdenken“, erwiderte sie erfreut.
„Oh ja“, rief Charly begeistert, „das machen wir! Wir brauchen nur noch ein Motto. Hm … was hältst du von Maria und Josef?“
Nachdenklich wiegte Rosa ihren Kopf hin und her. „Ich weiß nicht so genau, muss ich mir noch überlegen. Ich mache mir eher über die Pferde Gedanken! Ich würde so gerne Valentine reiten. Aber Herr von Mahlzahn hat gesagt, dass wir nicht unbedingt unsere Stammpferde bekommen.“
Charly wischte ein paar Kekskrümel von ihrem Bett. „Da habe ich noch gar nicht dran gedacht. Also, mit Ghazal kann ich eine Quadrille voll vergessen, so eigensinnig wie der ist. Da bleibt nur Adora, die eigentlich ein Springpferd ist. Aber Adora bekommt die Figuren bei einer Quadrille bestimmt irgendwie hin, da bin ich mir sicher. Und sie macht wenigstens, was man ihr sagt.“ Gedankenverloren rieb sich Charly die Stirn.
„Ich finde, dass Adora und Valentine gut zueinanderpassen. Beide sind etwa gleich groß und haben dunkles Fell, auch wenn Adora natürlich ein Rappe und Valentine dunkelbraun ist. Aber Valentine lässt sich bestimmt nicht leicht in einer Quadrille reiten. Sie ist ja immer etwas schwierig.“ Rosa seufzte.
„Na, deshalb heißt es ja auch Challenge.“ Charly zwinkerte Rosa aufmunternd zu. „Die beiden würden echt ein schönes Paar abgeben. Und es wird jetzt sowieso langsam Zeit, dass Valentine dein Pflegepferd wird. Gleich morgen werden wir mit dem Üben anfangen, was meinst du?“
Rosa sah dankbar zu Charly hinüber. „Ich freue mich schon auf morgen. Dann können wir außerdem mit der Planung des Pas de deux beginnen. Aber jetzt muss ich dringend schlafen, ich bin total müde.“
Am nächsten Morgen wachte Rosa von einem lauten Klappern auf. Verwundert überlegte sie, wo dieses Geräusch herkam, bis ihr klar wurde, dass der Wind an den Fensterläden rüttelte. Der Sommer war nun vorbei und es war richtig herbstlich geworden. Die Bäume färbten sich gelb und rot, bald würden sie die Blätter verlieren. Hier im Bett war es glücklicherweise mollig warm und gemütlich.
Ein Wirbelwind kam fertig angezogen aus dem Badezimmer gefegt: Charly. „Na, du Schlafmütze“, sagte Charly neckend. „Jetzt aber flott, wir haben heute noch einiges vor!“
Im Nu war Rosa hellwach und sprang aus dem Bett.
Nach dem Frühstück machten sich die Freundinnen in Reitsachen auf den Weg in den Stall. Dort herrschte bereits ziemlicher Betrieb. Viele Pferde standen angebunden in der Stallgasse und wurden von ihren Besitzern oder den zugeteilten Pflegern geputzt. Freddy, der freche Esel und das Maskottchen von Blossom Hill, wuselte um alle herum und schnorrte Leckerli. Als Charly ihn erblickte, lachte sie erfreut und rief laut seinen Namen. Rosa grinste, Charly und Freddy mochten sich sehr. Sofort schnellte Freddys Kopf in die Höhe, er stieß ein lautes „Iah“ aus und trottete auf Charly zu. Charly umarmte den Esel und gab ihm ein paar Möhrenstücke zu fressen. Rosa streichelte Freddy hinter den langen plüschigen Ohren. Dann machte sie sich auf den Weg zu Valentines Box. Ellie war ebenfalls schon im Stall und putzte ihr Pflegepferd Dancer, auf dem Rosa ihren Springunterricht hatte. Rosa begrüßte Ellie und Jonny, die in ein Gespräch vertieft waren. Die beiden lachten und scherzten miteinander und Ellies Augen leuchteten glücklich, als sie Rosa ein schnelles „Hallo“ zuwarf.
Rosa musste ein bisschen schmunzeln. Ellie und Jonny hatten schon vor den Herbstferien irgendwie einen verliebten Eindruck gemacht.
„Hi, Rosa“, ertönte eine Stimme von der Seite.
Rosa drehte sich um und sah Lily, die neben Starbuck stand. Er war eines der wenigen Ponys auf Blossom Hill. Da Lily eher klein war, hatte Herr von Mahlzahn ihr Starbuck zugeteilt, der trotz seiner Größe ein hervorragendes Turnierpony war.
„Guten Morgen, Lily“, antwortete Rosa erfreut. Bevor Rosa sich mit Charly angefreundet hatte, war Lily ihre beste Freundin auf Blossom Hill gewesen. „Wie geht’s dir? Bestimmt freust du dich schon darauf, Starbuck endlich wieder reiten zu können, oder?“
Lily klopfte liebevoll den Hals des Ponys. „Ich freue mich riesig aufs Reiten. Aber mit meinem Arm muss ich ja noch vorsichtig sein.“ Sie hielt ihren Arm hoch und drehte ihn ein bisschen hin und her. „Morgen habe ich die erste Dressurstunde. Hoffentlich ist Starbuck nicht zu wild, er wurde während der Ferien nicht viel geritten. Was hast du denn jetzt vor? Wollen wir mit Starbuck ein bisschen spazieren gehen?“
„Ich wollte kurz zu Valentine und dann Charly bei ihren Pferden helfen“, antwortete Rosa mit einem leichten Anflug von schlechtem Gewissen.
Lily zuckte mit den Schultern. „Na dann, bis später.“
Endlich war Rosa bei Valentine angelangt. Sie öffnete die Boxentür und schlüpfte hinein. „Hallo, meine Schöne“, begrüßte sie die Stute und tätschelte ihr den Hals. Rosa redete leise mit ihrem Liebling und kraulte Valentine das weiche Fell hinter den Ohren. Nach einer Weile gab sie ihr ein Leckerli und öffnete ihr das Halfter. Langsam versuchte sie, dem Pferd das Halfter über die Ohren zu ziehen. Sofort wurde Valentine nervös, schnaubte und hob den Kopf in eine unerreichbare Höhe. Rosa fragte sich schon seit Langem, was der Stute wohl widerfahren war, dass sie dermaßen viel Angst hatte. Rosa hielt Valentine ein weiteres Leckerli hin und die Stute nahm den Kopf argwöhnisch wieder herunter. Vorsichtig streifte Rosa ihr das Halfter ab. Danach lobte sie Valentine ausgiebig. Nun musste Rosa das Halfter nur noch wieder anlegen. Beim ersten Versuch schnaubte Valentine unwillig und ging rückwärts. Aber immerhin flüchtete sie sich nicht nach draußen … das war ein kleiner Fortschritt! Nach zehn aufregenden Minuten und vielen Leckerbissen gelang es Rosa, Valentine das Halfter wieder anzulegen. Auch wenn es lange gedauert hatte, war Rosa zufrieden. Halfteranlegen würde sie ab jetzt jeden Tag üben. Irgendwann musste Valentine sich doch daran gewöhnen! Rosa schloss sorgfältig Valentines Box und ging los, um Charly zu suchen.
Charly war leise fluchend dabei, gelbbraune Mistflecken aus Ghazals Fell zu entfernen. Was gar nicht so einfach war. „Warum müssen sich Schimmel immer im schlimmsten Dreck wälzen?“, schimpfte sie. Ghazal drehte den Kopf und schaute sein Frauchen mit seinen großen dunklen Augen an. „Ist ja schon gut“, sagte Charly und streichelte seinen Kopf. „Lieb hab ich dich trotzdem.“
Rosa fand Araber toll und Ghazal war wirklich ein besonders schönes Tier.
Charly schaute kurz zu Rosa und fragte: „Könntest du vielleicht Adora putzen und auch reiten? Dann muss ich nicht beide Pferde nacheinander versorgen und wir haben mehr Zeit, die Challenge zu planen!“
Rosa schoss vor Freude das Blut in die Wangen. Wow, Charly überließ ihr Adora! Selten hatte Rosa die Gelegenheit, außerhalb ihres Reitunterrichtes zu reiten. Sie wusste, dass Charly normalerweise niemanden freiwillig auf ihre Pferde ließ, und freute sich deshalb besonders über das Angebot. Auch wenn Rosa bei fremden Pferden immer ein bisschen nervös war.
„Ja, das mache ich sehr gerne“, antwortete Rosa ihrer Freundin.
Charly klatschte begeistert in die Hände. „Bestimmt wird es lustig, wenn wir gemeinsam die Pferde bewegen.“
Rosa nickte. „Ich konnte die ganzen Ferien über nicht reiten und freue mich, endlich wieder aufs Pferd zu kommen.“
Die Freundinnen führten die Pferde auf den großen Springplatz. Heute war kein Reitbetrieb und niemand sonst nutzte ihn. Glücklicherweise stand Adora beim Aufsteigen ganz still und ließ sich sogar das Nachgurten gefallen. Es war ein kühler, aber schöner Herbsttag. Die Luft war frisch und der Himmel von einem tiefen Blau. Rosa genoss das Reiten mit langem Zügel. Adora war ein edles Pferd und machte lange, raumgreifende Schritte. Mit hocherhobenem Kopf beobachtete die Stute aufmerksam die Umgebung. Durch den Wind raschelte es an verschiedenen Stellen. So etwas konnte Pferde leicht erschrecken, aber Adora blieb gelassen. Rosa schaute sich nach Charly um. Ghazals Hals ragte steil nach oben, seine Nüstern waren gebläht und der Schweif hoch aufgerichtet. Schritt gehen war nichts für ihn, er tänzelte stattdessen über den Boden. Rosa konnte ihren Blick gar nicht mehr abwenden, so wunderschön sah das aus. Wenn Ghazal aufgeregt war, wirkte er noch beeindruckender. Charly hatte offensichtlich überhaupt keine Angst, obwohl es schien, als ob Ghazal jeden Moment explodieren würde. Sie saß entspannt und tief im Sattel und grinste vor Freude.
„So, jetzt sind wir lange genug Schritt geritten und können ein bisschen Gas geben!“, rief Charly zu Rosa herüber. Kaum hatte sie das gesagt, stürmte Ghazal auch schon los.
Rosa fand es angenehm, endlich mal allein zu reiten, ohne Reitlehrer, der einen ständig korrigierte. Es war ein gänzlich anderes Gefühl und machte Riesenspaß. Sie lenkte Adora zwischen den Hindernissen hindurch und ließ sie über ein paar Cavalettistangen traben. Die Stute nahm ihre Hilfen willig an und ging sogar freiwillig am Zügel. Rosa fühlte sich glücklich und irgendwie, ja, frei.
„Hey, du strahlst ja über das ganze Gesicht!“ Charly war neben ihr aufgetaucht. „Ihr beide gebt ein prima Paar ab. Adora mag es, dass du so eine ruhige Reiterin bist.“
„Adora ist einfach ein tolles Pferd, es ist so ein Vergnügen, auf ihr zu reiten!“ Da erblickte Rosa Lily, die ihnen zuschaute. „Schau mal, da ist Lily mit Starbuck.“