Religion Version 2.100 - Yuriko Yushimata - E-Book

Religion Version 2.100 E-Book

Yuriko Yushimata

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Beschreibung

In 34 Science und Social Fiction Kurzgeschichten zeigt Yuriko Yushimata in der Zuspitzung zukünftiger fiktiver sozialer Welten die Fragwürdigkeiten der Religionen und Ersatzreligionen unser Zeit auf. Teilweise ernst, teils bitter böse und teils einfach nur witzig. Für Atheistinnen und Atheisten ein Genuss. Für religiöse Menschen nicht unbedingt geeignet. Alle vorkommenenden Götter, Göttinnen, Heiligen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten oder Übereinstimmungen mit real existierenden Religionen, Institutionen oder Gegebenheiten sind kein Zufall. Teilweise als Einzelgeschichten bereits publiziert - z.B. telepolis.de -.

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Seitenzahl: 228

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Religion Version 2.100

Impressum

Religion Version 2.100Yuriko YushimataCopyright: © 2014 Yuriko Yushimatapublished by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.deISBN 978-3-7375-1293-0

Inhalt

- Ein klassischer Fall von Schizophrenie- Die Ankunft- Ein kleines Missgeschick- Keine Religion- Die Antwort- Die Braut- Religiöse Rituale- Nicht Integrationsfähig- In ihrem Namen- Warum?- Lasst die Kinder zu mir kommen, ...- Das Weib sei dem Manne Untertan- Guru Guru- Unsterblich- MetaGOTT- Das 11. Gebot- Fehlfunktion- Dr. Lara Jones & Der Seelensauger- Früher- Der Heilige Geist- Das einzig wahre MohaMETT- Biologischer Humanismus- Die Wilden Männer trommeln wieder- t_h_e_c_e_m_e_t_a_r_y.com- Weißt Du, wer Du bist?- Ein Fall ethischer Verwahrlosung- O.R.A.K.R.S.- Die Liebe Jesu- Ein tragischer Unfall- Der Auserwählte- Auferstanden von den Toten- Entscheidung- Veganer- Alptraum

Ein klassischer Fall von Schizophrenie

Der Psychoanalytiker bat den jungen Mann ohne Überraschung herein. Der Raum, in dem er Patientinnen und Patienten empfing, war freundlich aber auch professionell eingerichtet. Einige Blumen und einige wenige persönliche Details gaben dem Raum eine warme Note. Die schwarze Ledercouch und der Schreibtisch, hinter dem der Analytiker in der Regel seine Fragen stellte, sorgten gleichzeitig für die nötige Distanz.Der junge Mann trug ein schlichtes weites weißes Gewand und hatte lange wallende Haare. Seine Augen schienen von innen zu leuchten. Er umfasste die dargebotene Hand des Analytikers mit seinen beiden Händen, als würde er beten, und blickte ihm freundlich strahlend in die Augen. Der Analytiker blieb distanziert, nickte höflich, und wies auf die Couch. "Nehmen Sie bitte Platz."Der junge Mann legte sich auf die Couch, er sah über sich nur die Decke. Der Analytiker setzte sich hinter den Schreibtisch und betrachtete den jungen Mann. Auf einem Zettel notierte er 'übertriebene Freundlichkeit'. "Was kann ich für Sie tun?"Er ließ seinen Patienten erst einmal erzählen, fragte nur bei Stockungen nach, um den Fluss der Erzählung wieder in Gang zu bringen. Auf dem Zettel standen nun viele kurze Notizen. Der Psychoanalytiker sah kurzzeitig etwas gelangweilt aus dem Fenster.Es war ein typischer Fall.Nachdem der Patient seine Erzählung beendet hatte, ließ der Analytiker einen kurzen Zeitraum mit Schweigen verstreichen. Dann sprach er den Patienten direkt an. "Für die weitere Therapie ist es wichtig, dass ich weiß, dass ich Sie richtig verstanden habe. Deshalb möchte ich noch einmal einige Punkte wiederholen.Sie hören Stimmen?""Ja, mein Vater spricht zu mir.""Ihr Vater? Sie sprachen von Gott.""Ja, mein Vater."Der Psychoanalytiker notierte 'Probleme bei der Internalisierung des Über-Ich bzw. externe Position von Groß A (bei Lacan nachschlagen)'."Und Sie sind Teil von Dreien, die Eins sind? Und ein Teil dieser Drei, die Eins sind, ist Ihr Vater?"Der junge Mann nickte. Ein Murmeln scholl durch den Raum. "Gott Vater Sohn und Heiliger Geist."Der Psychoanalytiker ließ sich nicht irritieren. "Sind sie der Sohn oder der Vater?""Ich bin der Sohn und wir sind eins mit dem Heiligen Geist." Klar und deutlich hallte die Stimme des jungen Mannes im Raum wieder. Der Analytiker unterstrich 'ausgeprägte Persönlichkeitsspaltung'."Und, ich drücke das mal so aus, als Heiliger Geist haben Sie sich selbst gezeugt?""Wir sind eins. Aber ich bin nicht er, ich bin der Sohn."Der Analytiker unterstrich ein zweites mal 'ausgeprägte Persönlichkeitsspaltung'. "Und dieser Heilige Geist hat mit ihrer Mutter geschlafen und sie gezeugt?""Meine Mutter Maria ist rein und eine Jungfrau." Nun klang die Stimme des jungen Mannes ärgerlich.Der Psychoanalytiker nickte. "So, er hat sie also nicht penetriert." Auf dem Zettel notierte er 'Kastrationsangst, fürchtet auf Grund des verbotenen Wunsches, der Penetration der Mutter, kastriert zu werden und leugnet deshalb den Penetrationswunsch. Nicht verarbeiteter Ödipuskomplex führt zur Persönlichkeitsspaltung und zur Flucht in Scheinwelten.'"Und ihre Mutter Maria wurde auch nicht gezeugt?"Der junge Mann sah zu ihm hinüber. "Wie kommen Sie darauf?""Sie sprachen von unbefleckter Empfängnis.""Maria wurde ohne Sünde geboren, das hatte aber nichts mit ihren Eltern zu tun. Mein Vater hat ihr die Gnade zu teil werden lassen." Der Patient war jetzt erregt."Ihr Vater hat Ihrer Mutter bei der Geburt Ihrer Mutter, seine Gnade zu teil werden lassen." Der Psychoanalytiker nickte, auf dem Zettel notierte er 'Angst vor unkontrollierter weiblicher Sexualität und der weiblichen phallischen Potenz, Patient rettet sich durch Flucht in väterliche Allmachtsphantasien'.Einen kurzen Moment ging der Psychoanalytiker seine Notizen durch.Dann betrachtete er seinen Patienten, der nun wieder glückstrahlend auf der Couch lag. "Wieso sind Sie eigentlich hier?""Die Arbeitsagentur hat mir ein Ultimatum gesetzt.""Wieso?""Es gab Probleme." Der junge Mann reichte dem Psychoanalytiker ein Schreiben des Amtes.Der Analytiker überflog es kurz. "Sie hatten eine ABM-Stelle in der Vikarius-Gemeinde der evangelischen Kirche und haben dort beim Weihnachtsbasar in der Kirche die Marktstände verwüstet.Warum?""Sie haben das Haus meines Vaters entweiht.""Ach so." Der Psychoanalytiker notierte, 'unkontrollierte Aggressivität nicht auszuschließen'. Er ging zur Couch und reichte dem jungen Mann die Hand. "Ich denke, das klären wir beim nächsten Termin."Er begleitete den jungen Mann zur Tür und sah ihn im Treppenhaus verschwinden. Aus den Augenwinkeln sah der Psychoanalytiker einen Dackel ins Zimmer laufen.Immer dasselbe, dachte er.Als er sich umdrehte stand ein schwarzhaariger kleiner Mann mit einem verwachsenen Bein vor ihm.Der Analytiker seufzte.Leicht gelangweilt wendete er sich dem Mann zu. "Und Sie heißen?""Mephisto", antwortete der Dunkelhaarige."Das habe ich mir gedacht." Der Psychoanalytiker wies ihn zur Couch. "Und, was kann ich für Sie tun?"Der kleine Mann lächelte. "Die Frage ist wohl eher, was kann ich für sie tun?"Der Psychoanalytiker musste ein Gähnen unterdrücken, leicht resigniert zuckte er die Schultern. "Ich weiß schon. Sie wollen mir eine junge attraktive unschuldige Frau zur Ausübung des Sexualverkehrs zuführen. Und ansonsten erregen Sie Feuerzangen, Peitschen und andere Hilfsmittel am meisten.Sie sammeln so etwas, richtig?"Der schwarzhaarige Mann nickte etwas verwirrt. Der Analytiker notierte, 'SM-Fetischist mit Fehlentwicklung im analen Entwicklungsstadium'. Dann ließ er den Mann erzählen und sah aus dem Fenster.Manchmal langweilte ihn sein Beruf. Immer wiederholte sich alles.Aber wenigstens war es heute ein Dackel gewesen und kein Pudel.

FIN

Die Ankunft

Im Sonnensystem PRXSTZ 111,07 gab der Operator die interstellare Raumsonde verloren. Sie hatten den Kontakt verloren zu LRKU 0/13,4,08.Die Sonde bewegte sich jetzt auf den Rand der Milchstraße zu. An Bord war immer noch das Okmok, ein Versuchstier, das ihnen wichtige Daten geliefert hatte. Es würde noch eine längere Zeit überleben. Vermutlich würde es in Winterstarre verfallen, bis die Sonde in irgendeine unbekannte Sonne stürzen würde.Der Operator vermerkte den Verlust der Sonde in den Unterlagen und ging Zukumuk spielen.In einem kleinen Dorf auf dem spanischen Hochplateau saß die Gemeinschaft beisammen am Mittagstisch und tauschte den neuesten Tratsch aus. Iris fühlte sich das erste Mal in ihrem Leben ganz aufgehoben. Mahut Gadami hatte ihr erklärt, dass dies an der karmischen Resonanz aller Anwesenden lag.Laura, die Mutter der Gemeinschaft, hatte ihr erklärt, dass der Mahut genau darauf acht gab, wer in die Gemeinschaft der Erwählten aufgenommen wurde und wer nicht. Diejenigen, die schlechtes Karma verströmten, mussten wieder gehen. Diese Menschen waren dann einfach noch nicht so weit und mussten erst mehrere weitere Lebenszyklen durchlaufen, um die notwendige Entwicklungsstufe zu erreichen.Außerdem hatte Udo, einer ihrer neuen Mitbewohner, festgestellt, dass das Dorf Zentrum eines weitverzweigten Chakren Netzwerkes, Zentrum eines hochenergetischen Feldes, war.Alles gedieh und glückte hier.Selbst dem Gemüse aus dem Garten war das anzumerken. Es war größer und schmackhafter, wie Laura immer treffend bemerkte.Auch Iris spürte dieses Kraftfeld. Sie sprühte vor neuer Lebensenergie.Iris war noch nicht lange hier. Bei Ihrer Ankunft war Laura die erste aus der Gemeinschaft gewesen, die sich um sie gekümmert hatte.Sie hatte Iris gleich mit einer herzlichen Umarmung begrüßt. "Ich war in einem früheren Leben eine miserable Gastgeberin. Ich habe viel gutzumachen.Mein Karma ist immer noch davon belastet."Später wurde sie auch von den anderen begrüßt.Mahut Gadami begrüßte sie offiziell am Abend und sie erhielt die Erlaubnis, sich als Adeptin in der Gemeinschaft aufzuhalten. Seit zwei Wochen half sie nun im Garten und bei der Renovierung der Gästehäuser. Natürlich musste sie als Adeptin für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen.Alle setzten sich für die Gemeinschaft ein.Das wurde erwartet.Sie war glücklich, alle waren hier glücklich. Natürlich gab es auch mal Streit.Dann taten sie alles, um die kosmische Ordnung wieder herzustellen, sich in Einklang mit dem Sein zu bringen. "Nur in Übereinklang mit dem Ganzen finden wir selbst Ruhe."Iris war glücklich, zu den Auserwählten zu gehören.Und dann passierte etwas Unglaubliches. In der Nacht der Mondwende, der Himmel war tiefschwarz und sternenklar, hörten sie einen lauten Knall und dann sahen sie am Nachthimmel eine hell blendende Kugel auf das Dorf zu rasen.Iris war eine der Ersten, die die Kugel sah.Einen Moment zitterten viele vor Angst. Iris fühlte auch erst Angst, doch dann spürte sie Glück, unendliches Glück.Die Kugel fiel ca. zwei Kilometer vom Dorf entfernt vom Himmel.Am nächsten Morgen gingen sie alle zusammen hin.Eine Kugel vom Durchmesser eines Zweifamilienhauses hatte sich in den Erdboden gebohrt. Sie schien völlig unbeschädigt zu sein. Ihre Oberfläche war glatt und Iris erschien sie trotz des Aufpralls wie frisch gereinigt, rein, unschuldig.Die Sonnenstrahlen, die von der Oberfläche reflektiert wurden, blendeten auch am Tag.Aufgeregt liefen und redeten alle durcheinander."Sie besuchen uns, uns. Hier ist niemand sonst.""Die Merkurkonstellation, ich wusste es.""Das Chakrenfeld, ... deshalb sind sie hier gelandet.""Ich spüre Bekanntes, verschwommene Erinnerungen, sie haben uns schon einmal besucht, in einer früheren Inkarnation.""Frieden, spürt Ihr den Frieden, der von der Kugel ausgeht?""Ein Symbol der Muttergottheit."Iris stand nur da und war glücklich.Mahut Gadami, der in seinem früheren Leben, als er noch Mathias Leinfeld hieß, Mitglied in einer UFO-Forschungsgruppe war, untersuchte die große silbern glänzende Kugel ausgiebig. Einige Zeichen auf der Außenhülle sahen wie das Symbol der Muttergottheit aus.Iris sah nun auch die Zeichen, die Mahut Gadami und Anderen aufgefallen waren. Sie strich erfüllt mit der Hand über das Metall, es war kühl.Sie berührte die Kugel mit ihrer Stirn.Doch da erklang die Stimme Mahut Gadamis. "Die Kugel, die perfekteste aller Formen, Abbild der Erde, des Sonnensystems und des sich ausdehnenden Universums, des Atoms und der Elementarteilchen." Die Stimme von Mahut Gadami brachte alle zum Schweigen. "Bildet einen Kreis, um zu zeigen, dass wir ihre Botschaft verstanden haben.Zeigt unsere Kugelgestalt.Tanzt, der Fluss unserer Energien muss sich mit ihrem verbinden."Alle Mitglieder der Gemeinschaft sammelten sich und tanzten im Kreis. Laura fing an zu singen, die anderen fielen ein.Iris hörte ein Zischen.Plötzlich öffnete sich ein Eingang in der Außenhülle der Kugel, entfernt war ein Klingeln zu hören.Der Mahut sah die Mitglieder der Gemeinschaft prüfend an. Dann wandte er sich an Udo, Susi, Mika und an Iris. "Sie rufen uns. Ihr begleitet mich."Iris konnte ihr Glück nicht fassen. Sie umarmte spontan den Mahut.Der strich über ihr Haar und sah ihr tief in die Augen. An alle gewandt rief er: "Zuerst gehen die mit dem höchsten Bewusstseinsstand und die", dabei sah er Iris an, "die am offensten sind, Neues zu empfangen."Und leiser wandte er sich an Iris. "Komm heute Abend noch zu mir. Dann werden wir Deine weiteren Aufgaben in der Gemeinschaft festlegen."Die nicht auserwählten Mitglieder der Gemeinschaft wirkten unzufrieden. Doch der Mahut beruhigte sie. "Ihr kommt nach uns an die Reihe, immer fünf auf einmal."Dann betraten Udo, Susi, Mika, Iris und Mahut Gadami die Kugel. Sie verschwanden im dunklen Inneren.Draußen sangen die anderen Mitglieder der Gemeinschaft jetzt noch lauter.Das Okmok in der Sonde war beim Aufprall auf den Planeten aus der Winterstarre erwacht.Der Operator hatte sich geirrt, die interstellare Raumsonde LRKU 0/13,4,08 war nicht verglüht, sie war zufällig vom Schwerefeld eines kleinen blauen Planeten eingefangen worden.Kurz nach der Landung öffnete sich automatisch der Zugang in der Außenhülle.Das Okmok hörte, dass sich etwas außerhalb der Kugel bewegte. Es drückte wie gewohnt mit seiner Schnauze auf den Mechanismus und wartete.Im Inneren der Kugel war es fast dunkel, sie sahen nur dunkle Schemen. Mahut Gadami, Iris, Udo, Susi und Mika gingen einen gewundenen Gang entlang nach oben.Iris fuhr die kalte stickige Luft unter ihr Sommerkleid, wie Finger die nach ihr griffen. Sie schlang die Arme um den Körper.Der Eingang war bald nicht mehr zu sehen. Die Wände waren glatt, aber nicht aus Metall. Iris lief irgendwo gegen und schrie auf.Beruhigend umfasste sie Mahut Gadami mit kräftigem Druck. Die Anderen gingen hinter ihnen. Sie hörte ihr Atmen und spürte Gadamis Hand auf ihrem Rücken. Sie flüsterte und konnte dabei ein Zittern der Stimme nicht unterdrücken. "Was sollen wir tun?"Die Stimme des Mahut klang ruhig. "Keine Angst, hab Vertrauen, Sie werden uns den Weg zeigen."Doch das Glücksgefühl hatte Iris verlassen. Sie roch den Schweiß Gadamis, der nicht anders roch als der anderer Männer plus ein bisschen Patchouliduft.Irgendwoher kam ein Luftzug und eine Art Scharren, Iris Körper durchlief erneut ein Zittern.Da öffnete sich mit einem Zischen an der Seite des Ganges eine Öffnung, unten am Boden, eine Art Schacht, das Klingeln ertönte wieder, nun direkt neben ihnen. Mika stürzte beinahe in den Schacht.Susi versuchte hinunter zu schauen, konnte aber nichts erkennen. Sie sah zu Mahut Gadami und wieder war da die Frage: "Was sollen wir tun?"Mahut Gadami zögerte keinen Augenblick. "Habt Vertrauen, so hoch entwickelte Wesen haben das Stadium der Aggression längst überwunden. Ich habe ja gesagt, dass sie uns den Weg weisen werden.Sie heißen uns willkommen.Hört das Klingeln."Es klingelte erneut. Alle außer Iris lachten. Sie hatte Angst vor dem Schacht.Doch für Mathias Leinfeld war sein größter Traum wahr geworden. Er rutschte als erster und die anderen folgten ihm.Iris rutschte als letzte, hinter ihr schloss sich die Klappe zum Schacht mit einem Zischen. Nun war es vollkommen dunkel. Und sie hörte einen Schrei - der Mahut.Ein seltsamer Gestank schlug ihr entgegen.Es war ein Schmerzensschrei und sie hörte das Aufprallen der Anderen unten. Sie versuchte abzubremsen, doch der Schacht war glatt.Und dann ein Hilferuf von Mahut Gadami, nun klang seine Stimme nicht mehr fest, sondern fast panisch. "Aahh, mein Arm, mein Arm ist gebrochen! So helft mir doch!"Es war das erste Mal, dass er sich für Iris wie die Anderen anhörte, wie ein normaler Mensch. Und es war eindeutig der falsche Moment.Auch Iris fiel hart auf einen glatten harten Boden und auf das Bein von irgendwem.Sie sah nichts. "Was ist los?"Da hörte sie Udos Stimme. "Hier ist was!"Und dann hörte sie ihn schreien. Sie schluckte, so hatte sie sich immer einen Todesschrei vorgestellt.Sie hörte Susi rufen. "Udo?"Dann schrie auch Susi.Vom Mahut und von Mika war seltsamerweise nichts zu hören.Iris suchte tastend kriechend eine Wand, um sich zu orientieren. Dann spürte sie ein Gesicht, aber da war sonst nichts, ihre Hände ertasteten nur eine behaarte eingedellte Kugel mit dem Gesicht auf einer Seite, die sie hoch heben konnte, so leicht.Und warm tropfte es über ihre Hände.Dann spürte sie das Schnüffeln an ihrem Bein, den Atem, sie versuchte weg zu kriechen, nur weg.Doch irgendetwas hielt ihr Bein fest, ein Schmerz, sie spürte ihr Bein nicht mehr.Sie schrie. Dann verstummte auch sie.Danach war es still im Dunkel, nur ein Schurren und eine Art kauendes Geräusch waren noch zu hören.Das Okmok hatte den Mechanismus der Futterklappe bedient und es war gefüttert worden.Lebende Speise war für das Okmok das Gesündeste. Aber nach all den Jahren in Winterstarre war es hungrig, so hungrig. Es leckte sorgsam auch die letzten Fleisch- und Stofffetzen auf.Es war ein sehr reinliches Wesen, nicht einen Rest Blut ließ es übrig.Dann betätigte es wieder den Schalter der Futterklappe.Es war immer noch hungrig.Draußen vor der Kugel hörten die Wartenden entfernt das Klingeln.Die nächsten fünf Mitglieder der Kommune betraten singend die Raumsonde.

FIN

Ein kleines Missgeschick

"Wie konnte das passieren?" Der Abteilungsleiter schrie in das Telefon. Wie sollte er das der Geschäftsleitung erklären. "Sie werden augenblicklich alle fehlerhaften Häutchen zurückrufen!"Auf dem Bildschirm sah er, wie der stellvertretende Leiter der Kunstblutproduktion sich wegduckte. "Das ist leider nicht möglich. Sie sind schon ausgeliefert. Und Sie wissen ja, dass viel auch in andere Länder informell weiterverkauft wird, trotz der unklaren Gesetzeslage.Allein in den Iran wurden vermutlich im letzten Monat 200.000 Häutchen geliefert.Ein Rückruf ist völlig unmöglich."Der Abteilungsleiter sah entgeistert am Telefon vorbei. Dies konnte sich leicht zur größten Katastrophe in der Firmengeschichte ausweiten. Die Häutchen brachten 81% des Umsatzes und sogar 93% des Gewinns.Dies konnte das Ende sein.Sie würden die Hilfe Allahs brauchen.Den stellvertretenden Leiter der Kunstblutproduktion am anderen Ende des Telefons hatte er ganz vergessen. Erst ein Räuspern erinnerte ihn wieder an den Mann."Ich rufe sie wieder an." Damit schaltete er das Telefon aus. Dann sprach er kurz über die Sprechanlage mit seinem Abteilungsbüro. "Machen Sie mir sofort einen Termin mit der Geschäftsleitung."Er stand auf, ging zum Waschbecken und machte sich frisch, dann zog er seine Krawatte noch einmal zurecht.Das Gespräch würde nicht leicht werden.Er schwitzte.Die Firmenleitung war entsetzt. Nach dem er sie informiert hatte, sah ihn die Vorstandsvorsitzende an. "Warten Sie bitte draußen."Die Ledersessel im Vorraum zum Sitzungszimmer waren bequem, aber er schwitzte immer noch. Durch die schwere Tür drang kein Laut zu ihm hindurch.Die Sekretärin der Vorstandvorsitzenden lächelte ihm aufmunternd zu. "Möchten Sie ein Glas Tee?""Nein, danke." Er war schon so nervös genug. Er dachte zurück an die Zeit als der Vorschlag zur Produktion der Häutchen zuerst aufkam.Das Problem war vorher bekannt. Immer wieder passierte es völlig unschuldigen jungen Frauen, dass ihr Hymen beim Sport riss, oder einfach auf Grund unglücklicher Fügung.Er erinnerte sich an Gespräche mit Ärztinnen - "Meine Patientin ist völlig verzweifelt. Was soll sie in der Hochzeitsnacht tun?" - "Ihre Mutter hatte sie zu mir geschickt. Ihr Hymen war gerissen, sie bat mich, ihr zu helfen. Hat Ihre Firma für diese Behandlung etwas im Angebot?" - "Und dann saß dieses Mädchen heulend vor mir und sprach von Selbstmord. Sie war wachsbleich und zitterte."Als alteingesessener medizinischer Dienstleistungsbetrieb in einer islamischen Gesellschaft hatten sie sich dieses Problems angenommen. Schließlich war es die Aufgabe der Medizin Patientinnen vor Ausgrenzung zu schützen, moderne Implantate machten hier innovative Lösungen möglich.Die Entwicklung künstlicher Ersatzjungfernhäutchen hatte mehrere Jahre in Anspruch genommen.Doch inzwischen waren sie perfekt.Zuerst hatte es von einigen strenggläubigen Mitarbeitern Bedenken gegeben. Doch nachdem der Beirat der Rechtsgelehrten der islamischen Stiftung, der 60% der Firma gehörten, nicht nur zugestimmt, sondern die Firma sogar ermutigt hatte, waren diese Stimmen verstummt.Ein Großteil der Gewinne floss außerdem an die Stiftung und diente unter anderem zur Finanzierung einer international hoch angesehenen Koranschule.Trotzdem hatten sie Öffentlichkeit vermieden, auch im Interesse ihrer Patientinnen. Eine Stigmatisierung der unschuldig in Not geratenen jungen Frauen sollte ja gerade vermieden werden.Am Anfang hatten sie nur einige tausend Jungfernhäutchen im Jahr produziert. Obwohl sie keinerlei öffentliche Werbung machten, stieg die Nachfrage aber in kurzer Zeit auf einige Hunderttausend Hymenimplantate im Jahr.Die Firmenleitung führte dies auf die zunehmende Sportbegeisterung der islamischen Mädchen zurück. "Wir können die Mädchen nicht erst aus medizinischen Gründen auffordern mehr Sport zu treiben und sie dann mit ihren Problemen allein lassen."Inzwischen lag die Produktion bei über 2 Millionen Hymen im Jahr. Sie exportierten praktisch in den gesamten islamischen Raum. Ihre größten Abnehmer saßen in Saudi Arabien und im Iran. Laut sagen durften sie das nicht.In beiden Ländern war die Rechtslage nach wie vor ungeklärt.Alle in der Firma waren inzwischen stolz auf ihre Leistung. Nur manchmal kamen ihnen noch Zweifel, außerdem wussten sie nicht, ob die Öffentlichkeit, für diese Dienstleistung schon reif war.Und jetzt dies, ein kleiner Fehler.Vielleicht das Ende.Die Geschäftsleitung ließ ihn fast drei Stunden warten. Dann wurde er wieder hineingerufen. Die Vorstandsvorsitzende fragte ihn noch einmal. "Ein Rückruf ist nicht möglich?"Er schüttelte den Kopf. "Es betrifft vermutlich insgesamt 700.000 Häutchen, 170.000 konnten wir noch vor der Auslieferung zurückhalten. Die restlichen sind zum Teil schon eingesetzt. Jeden Moment kann es passieren.""Und bei all diesen Jungfernhäutchen wurde aus Versehen blau gefärbtes Kunstblut verwendet?""Ja, eigentlich ein sehr schönes indigoblau."Die Vorsitzende sah ihn an. "Das heißt, in der Hochzeitsnacht werden all diese jungen Frauen blau bluten, indigoblau?"Der Abteilungsleiter nickte. "Ja, an sich nur ein kleines Missgeschick."Die Vorsitzende wiegte den Kopf. "Ein kleines Missgeschick? Sind schon Fälle bekannt geworden?""Nein, bisher nicht.""Dann ist es nicht zu spät." Sie sah den Abteilungsleiter eindringlich an. "Wir haben eine Lösung gefunden. Aber die Voraussetzung ist, dass aus der Firma nichts nach Außen dringt."Der Abteilungsleiter nickte. "Auf unsere Mitarbeiter können wir uns hundertprozentig verlassen."Am nächsten Tag startete die größte und teuerste Werbekampagne, die die Firma je durchgeführt hatte.Überall im Satellitenfernsehen der arabischen Welt wurden kurze Werbefilme eingeblendet, die Botschaft war immer die selbe: "Nur blau blutende Jungfrauen sind wirklich rein."In einer viel gesehenen Ratgebersendung für junge Frauen erklärte ein hoher islamischer Würdenträger mit langen grauweißem Bart, dass das blaue Blut der Jungfrau ein Zeichen für Keuschheit und Ehrlichkeit sei.Eine der führenden Popsängerinnen landete einen Nummer 1 Hit - "Aischas blaues Blut" -.Und die der Stiftung nahe stehenden islamischen Geistlichen verkündeten im Freitagsgebet die besondere religiöse Bedeutung des blauen Blutes von Jungfrauen.Zuerst befürchtete der Abteilungsleiter, dass dies alles nichts nutzen würde.Jeden Tag erwartete er, dass es zum Skandal kam.Doch die Kampagne wurde von Hunderttausenden von jungen Frauen mit Hymenimplantaten überall in der islamischen Welt aufgegriffen. Keine ließ auch nur den geringsten Zweifel an der Reinheit ihres blauen Blutes zu.Und sie wurden dabei von Millionen Familienangehörigen unterstützt.Alle, die die Reinheit des blauen Blutes anzweifelten, sahen sich massivem Druck ausgesetzt.Bald galt rotes Blut als unrein.Für die Firma ergaben sich damit ganz neue Absatzmärkte. Die Nutzung blau blutender Hymenimplantate wurde innerhalb weniger Jahre für alle jungen islamischen Frauen ebenso selbstverständlich, wie die Körperhaarentfernung.Junge Frauen, die weiterhin rot bluteten, wurden als unzivilisiert verachtet.Auch in Europa verbreiteten sich Hymenimplantate.Die junge Frau sah den Mann an. "Ich habe eine Überraschung für Dich." Sie führte seine Hand zwischen ihre Beine.Er küsste sie. "Du bist ein Schatz."Sie erwiderte seine Umarmung. "Ich habe ein grün blutendes Implantat gewählt, als Zeichen unserer Liebe. Als Zeichen für den Neuanfang."Sie hatte extra blütenweiße Bettlaken aufgezogen.Die islamische Stiftung, der 60% der Firma gehörten, wuchs zur bedeutendsten Stiftung ihrer Art und finanzierte nun Koranschulen überall auf der Welt.Die Vorstandvorsitzende der Firma erhielt viel Lob.Sie schrieb an den Stiftungsrat nur eine kurze Zeile zurück: "Allah ist groß und seine Weisheit unermesslich."

FIN

Keine Religion

Annette hatte sich mit dem Rücken zur Wand an die Seite des Raumes zurückgezogen. Ihre Stimme war auch nach ihrem eigenem Empfinden etwas zu laut, als sie vorlas."Eine Religion auf dem Höhepunkt ihrer Macht wird nicht als Religion wahrgenommen. Sie ist einfach die Wahrheit. Sie bestimmt, was als Wirklichkeit akzeptiert wird und wie es gelesen wird." Sie funkelte Michael wütend an. "Das seid Ihr."Michael, der ihr gegenüber stand, lächelte. Sie wusste, dass er sie süß fand, wenn sie sich so aufregte. Sie war doch seine kleine Süße.Er versuchte sie aufzumuntern. "Lach doch mal Kleine.""Ich will nicht lachen!" Sie erschrak vor sich selbst, sie hatte ihn angeschrien, ohne es zu wollen. Sie schlang sich die Arme um den Körper. "Ich muss hier raus. Ich möchte studieren."Michael schüttelte den Kopf. "Du weißt doch genau, dass das nichts für Dich ist, außerdem bekommst Du mit Deinem neurogenetischen Profil sowieso an keiner Universität einen Studienplatz.Ich liebe Dich, Süße. Bitte nimm Vernunft an."Sie sah ihn bittend an. "Hast Du Dir mal überlegt, dass das vielleicht falsch ist?"In diesem Moment bemerkte sie wieder einmal, dass er sie wie eine Kranke behandelte, das war unerträglich. Er schüttelte erneut den Kopf und sprach ganz sanft. "Nur weil Du Dinge nicht verstehst, oder sie Dir nicht gefallen, müssen sie nicht falsch sein. Niemand erwartet von Dir, dass Du solche Dinge verstehst.Vertrau mir. Es ist besser für Dich."Nach einer kurzen Pause ergänzte er. "Vielleicht sollten wir mit dem Kind nicht länger warten."Sie stand da und konnte ihr Gesicht nicht länger kontrollieren. Sie spürte an seiner Reaktion, dass Michael das Entsetzen in ihrem Gesicht sah. Und sie wusste, dass er gedacht hatte, sie würde sich freuen. Er verstand sie nicht mehr.Annette war sich selbst nicht mehr sicher, vielleicht war sie wirklich krank. Sie wusste, dass er sich Vorwürfe machte, zu wenig auf sie Acht gegeben zu haben.Die letzten Monate hatte sich die Situation immer weiter zugespitzt. Ihr erschien häufig alles sinnlos, dann wieder hatte sie kurze Momente in denen sie versuchte, alles zu ändern.Aber Michael hing wie ein Bleigewicht an ihr. Und vor zwei Wochen hatte sie ihn mit einem befreundeten Neuropsychiater telefonieren hören.Für ihn war sie jetzt ein Fall.Sie musste irgendetwas tun. Heute, sie hatte sich das Datum im Kalender markiert. Sie hatte sich selbst ein Frist gesetzt, heute. Sie fing wie wild an in ihren uralten antiquarischen Büchern zu wühlen.Das war aus Michaels Sicht eine weitere Macke von ihr. Statt aktuelle wissenschaftliche Texte zu lesen, las sie diesen aus seiner Sicht veralteten Psychounsinn. Und natürlich wusste auch sie, das die Kulturwissenschaften längst zu einem Teil der neurologischen Fachbereiche geworden waren. Nur ihr schienen diese Texte viel klarer und wissenschaftlicher zu sein und sie hätte dies gerne mit ihm geteilt.Aber Michael lächelte nur abfällig, wenn sie ihm etwas vorlas. Er versuchte sie dann meist ins Bett zu kriegen. "Versuch nicht Dinge zu begreifen, für die Dein Gehirn nicht gemacht ist, Kleine." Meist zog er sie dann sanft zu sich heran und strich ihr über die Hüfte, bis sie nachgab. Einmal hatte er auch schon einige Bücher weggeworfen.Dann fand sie das Buch, das sie gesucht hatte. Ihr war eine Stelle in dem Buch eingefallen, die Sie ihm vorlesen musste. Eine Chance noch für sie beide, aber er schaute nur missbilligend auf das Buch. Sie sah ihn eindringlich an. "Versuch wenigstens mich zu verstehen."Sie sah, dass sie ihm Angst machte.Für ihn war ihr Verhalten das einer Wahnsinnigen. Doch sie konnte nicht aufhören.Sie sah sein Entsetzen, als die für ihn sinnlosen Worte aus ihrem Mund hervorquollen. Sie las sehr laut. "Wenn die Azande in Afrika mit bedeutenden Entscheidungen oder Problemen konfrontiert werden - zum Beispiel mit Fragen wie: wo sie ihre Häuser bauen sollen, wen sie heiraten sollen oder ob ein Kranker am Leben bleiben wird-, so ziehen sie ein Orakel zu Rate." Sie blätterte hektisch um.Er sah sie nicht mehr an, ließ seinen Blick streifen."Das ist Wahnsinn." Michaels Stimme unterbrach sie, sie sah in seinem Gesicht, was er dachte. Für ihn war sie ein Fall für die Neuropsychiatrie. Seine arme Süße. Er versuchte ihr das Buch aus der Hand zu nehmen, sie entwand es ihm.Er hielt sie an der Hand fest. "Komm zu Dir. Das ist nichts für Dich. Die neurogenetische Analyse zeigt, dass Du zum Kindergroßziehen geschaffen bist, aber nicht für Theoriearbeit.Und Du weißt," seine Stimme wurde etwas drohend, nur als Unterton, aber für sie hörbar, sie kannte ihn doch so gut,