Rettungskreuzer Ikarus 76: Die Mission Direxdominatar - Sylke Brandt - E-Book

Rettungskreuzer Ikarus 76: Die Mission Direxdominatar E-Book

Sylke Brandt

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Beschreibung

Die von selber erwachte künstliche Intelligenz Direxdominatar ist wieder aufgetaucht und schürt Unruhe im Gebiet der Kooperative. Um mehr herauszufinden, schicken die Schluttnick-Militärs eine Sondereinheit – und Sonja DiMersi begleitet sie als Beraterin. Doch die wahre Expertin ist Lelia, das verborgene Mitglied der Ikarus-Crew. Sehr willkommen sind sie bei ihren Verbündeten jedoch beide nicht …

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Inhalt

Impressum

Prolog

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Impressum

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg September 2019 Alle Rechte vorbehalten. © Dirk van den Boom & Thorsten Pankau Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin Titelbild: Eerilyfair Design Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Endlektorat: André Piotrowski ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-678-2 ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-689-8 Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

Prolog

Der Rettungskreuzer Ikarus des Freien Raumcorps wird dafür eingesetzt, in der besiedelten Galaxis sowie jenseits ihrer Grenzen all jenen zu helfen, die sich zu weit vorgewagt haben, denen ein Unglück zugestoßen ist oder die anderweitig dringend der Hilfe bedürfen. Die Ikarus und ihre Schwesterschiffe sind dabei oft die letzte Hoffnung bei Havarien, Katastrophen oder gar planetenweiten Seuchen. Die Crew der Ikarus unter ihrem Kommandanten Roderick Sentenza wird dabei mit Situationen konfrontiert, bei denen Nervenstärke und Disziplin alleine nicht mehr ausreichen. Man muss schon ein wenig verrückt sein, um diesen Dienst machen zu können – denn es sind wilde Zeiten …

Eine Fontäne aus Schlamm und Pflanzenteilen spritzte hoch auf und kam neben Prectac wieder herunter. Nein, nicht neben ihm – über ihm. Der graue, stinkende Regen nahm ihm für einen Moment die Sicht, eine abgerissene Wurzel traf ihn am Kopf. Zum Glück hatte er seinen Helm.

In dem Schlamm waren auch Tiere, die unvermeidlichen kleinen Schlangen und Frösche. Von den meisten waren nur noch zerfetzte Reste zu erkennen, die gnädig verdeckt wurden. Doch ein Frosch erhob sich aus dem Grau, schüttelte sich und hüpfte davon, als wäre nichts Besonderes passiert.

Prectac sah ihm hinterher, zuckte mit den Schultern und stimmte ihm zu. Er hatte ja recht. Das hier war nichts Besonderes. Normalität war per Definition das, was dauernd passierte.

Wie um seine Gedanken zu unterstreichen, schlug ein Dutzend Meter neben ihm die nächste Granate ein und vermischte für ein paar Sekunden den Sumpf mit dem genauso grauen Himmel darüber. Nichts zu sehen, gehen Sie einfach weiter. Ganz normaler Alltag.

»Hey, Prectac! Tarnung angelegt?« Ellka tauchte neben ihm auf, lautlos wie ein Schatten und so makellos sauber, dass es fast schon anstößig war. Sie hob die Hand und zupfte ihm eine halbe Amphibie von der Schulter. »Perfekt. Das nenne ich Hingabe. Sehr löblich.«

Prectac schenkte ihr einen säuerlichen Blick und wechselte das Thema.

»Können die Einsatzkoordinaten wirklich stimmen?«

»Warum die Zweifel?«

»Sollte sich dieser selbst ernannte Warlord nicht in einem Agrargebiet versteckt halten? Sumpfkürbisfelder oder so was?«

»Wir sind mittendrin.«

Prectac blinzelte und ließ dann den Blick über die zerfetzte Landschaft gleiten. Wieder und wieder donnerte es, erhoben sich aus dem Boden Fontänen. Schlamm prasselte vom Himmel, über den die Armeegleiter ihre Bahnen zogen.

Ellka senkte den Arm und wühlte ein bisschen im Dreck, schließlich zog sie eine Art Liane heraus, an deren Ende eine zerknautschte, grüne Kugel baumelte.

»Bitte sehr. Kürbis. Ich vermute, die Ernte wird nicht so gut ausfallen. Aber es gibt auch niemanden mehr, der sie einholen könnte. Die drei Dörfer rundherum sind dem Erdboden gleichgemacht.«

»Von ihnen oder von uns?«

»Macht das für die Bewohner einen Unterschied?«

Prectac zögerte. Nein, vermutlich tat es das nicht.

Er kam um eine Antwort herum, da Ellka ihm ein Zeichen gab und lauschte. Dann nickte sie.

»Wir stürmen die Basis«, gab sie den Befehl weiter.

»Wenn wir sie finden in diesem Dreck«, murrte Prectac und aktivierte die taktische Anzeige seines Helms. Er sah den Einsatzplan in reiner, digitaler Klarheit vor sich.

»Ziel erfasst«, meldete er. »Sprungdüsen aktiviert.«

»Also gut. Machen wir dem Chaos hier ein Ende.«

Augenblicklich erhoben sich zeitgleich drei Dutzend gepanzerte Soldaten und legten in einem einzigen Satz die Hälfte der Distanz zu der im Schlamm eingegrabenen Festung zurück.

Bis vor ein paar Tagen hatte ihr Gegner mit seinem gut organisierten Schmugglerring diese Randwelt als Ausgangspunkt und Lager benutzt. Dann hatte er plötzlich die Übernahme der Region verkündet und versucht, seinen Anspruch mit brutalen militärischen Aktionen durchzusetzen. Die lokalen Sicherheitsbehörden, überrascht und vollkommen überfordert, hatten nur kurz symbolischen Widerstand geleistet und waren dabei ausgelöscht worden.

Siedlungen waren ohne Vorwarnung angegriffen worden, die Opfer in der Zivilbevölkerung zahlreich – unter ihnen befanden sich die meisten Vertreter der hiesigen Regierung, die zu einer schnellen Krisensitzung zusammengekommen waren. Ehe sie begreifen konnten, wie ernst die Situation war, hatten sie schon keinen Kopf mehr, um sich Gegenmaßnahmen zu überlegen.

Flüchtende Schiffe waren von dem neuen Warlord im Rausch seiner eigenen Macht abgeschossen worden; anfliegende erlitten das gleiche Schicksal. Innerhalb von nur einer Woche gehörte diesem de facto der halbe Kontinent, was, wie Prectac zugeben musste, bei dieser dünn besiedelten Agrarwelt nicht viel heißen wollte. Doch natürlich war so eine Machtübernahme inakzeptabel.

Also musste das Militär eingreifen.

Prectac lokalisierte einen passenden Landeplatz, kam hart auf, die hydraulischen Dämpfer nahmen die Energie des Aufpralls und wandelten sie gleich um für den nächsten Sprung. Auf der Netzhautprojektion registrierte Prectac, dass die anderen Mitglieder seines Teams synchron abgehoben waren. Die Basis des Warlords war aus Plaststahl und würde gleich wie eine Glocke erbeben, wenn 36 gepanzerte Soldaten gleichzeitig auf sie niederkrachten. Prectac schätzte diesen Moment immer sehr.

Bis kurz vor dem Aufprall zeigte ihm sein unverstärkter Blick, dass unter ihm nichts anderes war als ein bewachsener, schlammiger Hügel in abstoßendem Braun und Grün, an dem das Auffälligste seine absolute Unauffälligkeit war. Dann, einen Sekundenbruchteil später, hatte er den Holoschirm durchbrochen und sah direkt vor sich die nicht minder schmutzigen, aber völlig anorganischen Wände der Festung.

Landung. Ungebremst. 36-mal.

Die Kuppel dröhnte so sehr, dass Prectac die Vibration durch seine Panzerung hindurch spürte.

Wundervoll.

»Angeklopft haben wir«, hörte er die Stimme Ellkas in seinem Helm. »Dann öffnen wir mal die Dose.«

Prectac nahm das als einen offiziellen Befehl und aktivierte die Verstärker in seinen Handschuhen. Der Reaktor seiner Rüstung, bislang trotz aller Anstrengungen in einem Dämmermodus, wachte auf und lieferte die Energie, die sich auf Prectacs gepanzerten Fingern als ein schwaches Flirren erkennen ließ.

Wie sehr Ellka ihm und seinen Fertigkeiten vertraute, zeigte sich darin, dass sie nicht zurückwich, als er den Arm hob, obwohl sie genau wusste, dass er ihre Rüstung jetzt wie eine Eierschale zerdrücken könnte. Unfälle mit Verstärkerhandschuhen waren … unappetitlich, um es milde auszudrücken. Bilder davon tauchten in allen Ausbildungskursen der Rekruten auf und führten regelmäßig zu einem Ansturm auf die Waschräume.

Die Strukturanalyse zeigte Prectac eine kleine Schwachstelle in der Hülle der Station, wie sie unvermeidlich war bei Anfertigungen von Plaststahl dieser Größenordnung. Nichts, was man in seinem Raumschiff verarbeitet haben wollte, doch ausreichend für ein Gebäude auf einem lebensfreundlichen Planet. Sie würde ihm genügen.

Prectac öffnete die Finger, kontrollierte das wabernde Feld dazwischen und senkte seine Hand langsam in die Wand, als würde er in einen Kuchenteig greifen. Das Material gab nach, krümmte sich, schmolz, brannte, als wüsste es nicht genau, wie es auf diese konzentrierte Menge an Energie reagieren sollte. Erst als es alle Variationen durchprobiert hatte, gab es einfach auf und verwandelte sich in Hitze und Schlacke.

Bedächtig wühlte Prectac sich weiter vor, bis sein Panzerhandschuh fast komplett in dem Loch verschwunden war, dann änderte er die Strategie. Er griff nach dem noch immer glühenden Rand, schloss die Finger darum und zog. Die Verstärker seiner Rüstung liefen auf Höchstlast, als Prectac Streifen der massiven Plaststahlpanzerung abriss und sie achtlos zur Seite warf, wo sie die Kuppel hinabglitten und zischend im Schlamm versanken.

Schließlich hatte das Loch eine bequeme Größe erreicht. Er deaktivierte den Verstärker und sprang in die Dunkelheit. Die Meldungen der anderen zeigten ihm, dass er nicht der Erste war, der die Station des Warlords betrat. Zwei Einheiten waren bereits in ein Feuergefecht mit den Verteidigern verstrickt. Keiner war wegen dieser Gegenwehr besonders beunruhigt. Es war eine Sache, örtliche Miliz zu vernichten, aus sicherer Distanz Bomben zu werfen und fliehende Raumschiffe abzuschießen, aber es war etwas ganz anderes, sich mit einem Rüstkommando des Militärs anzulegen.

Prectac war nicht scharf darauf zu töten, doch er besaß auch keine Zögerlichkeit, die bei seiner Arbeit nur hinderlich gewesen wäre. Wer in dieser Station lebte und arbeitete, der hatte sein Schicksal selber unterschrieben. Sie waren nur hier, um sicherzugehen, dass auch jeder bekam, was er sich verdient hatte.

Der Gang, in den Prectac fiel, war breit und führte wie eine Rampe abwärts. Niemand war hier. Hinter sich spürte er das Beben, als Ellka ihm durch das Loch folgte, dann setzten sie sich gemeinsam in Bewegung.

»Wo geht das hin?«

»Der Scanner zeigt einen großen Raum – den Hangar vielleicht.«

»Shuttles?«

»Eher Bodenfahrzeuge.«

»Dann gehen wir auf volle Schildleistung, die haben sicherlich größere Kaliber aufgeschraubt.«

»Mit denen sie innerhalb ihrer eigenen Basis schießen werden?«

»Haben sie noch was zu verlieren?«

»Stimmt schon.«

Das Tor zum Hangar leistete Widerstand, aber nicht sehr erfolgreich. Noch während Prectac es davon überzeugte, sie durchzulassen, hörte er, dass ein zweites Team den Hangar von der anderen Seite erreicht hatte und sich im Kampf befand. Es klang, wie Ellka vermutet hatte, heftig.

»Gut, wenn wir sie in die Zange nehmen.«

»Besser, wenn das schneller gehen würde«, ergänzte seine Vorgesetzte trocken.

Er schätzte ihre aufmunternde Art sehr und versetzte dem Hangartor noch einen letzten Schlag mit dem Handschuh, der es endgültig zerlegte.

Es standen nur drei Bodenfahrzeuge in der geräumigen Halle, und der Energieortung nach waren zwei nicht besetzt. Wer auch immer in dem dritten kauerte, schien gewillt, die ganze Sache auszusitzen und auf das Beste zu hoffen. Die Waffensysteme waren deaktiviert, ebenso der Antrieb. Das Hangartor würde sich ohnehin nicht mehr öffnen, sobald ihr Spezialist das Computersystem der Anlage übernommen hatte. Prectac registrierte diese Fakten und kam zu dem Schluss, dass er das Fahrzeug vorerst ignorieren konnte.

Das war ihm recht. denn der andere Gegner in der Halle war sehr aktiv.

Und groß.

Viel zu groß für einen Kampfroboter.

Prectac hörte seine Vorgesetzte fluchen.

»Sind Sie sicher, dass wir hier den Richtigen haben?«

Die Stimme Kombols vibrierte von Amüsiertheit, ein Umstand, der Sally McLennanes Augenbrauen unwillkürlich in die Höhe rucken ließ.

»Wie meinen Sie das?«

Der Mann wandte sich von dem Monitor ab und legte beide Hände auf seinen Bauch.

»Kann das ein Schluttnick sein? Er ist grün, das ist korrekt, aber sehen Sie ihn sich an – da bin ich ja dicker als er!«

Jahrzehnte des täglichen Umgangs mit Idioten, die das Schicksal auf eine höhere Kommandostufe geschwemmt hatte, hatten McLennane genug gestählt, um nun zu verhindern, dass sie mit den Augen rollte oder zur Waffe griff, um das Elend zu beenden, das in Gestalt des Sonderbeauftragten vor ihr saß. Jetzt war sie die Vorsitzende Direktorin des Raumcorps, musste sich noch immer mit dieser Spezies von Menschen herumschlagen und durfte nach wie vor nicht handgreiflich werden. Manchmal fragte sie sich schon, wofür die ganzen Ränkespiele gut gewesen waren.

Was hatte Tesch sich dabei gedacht, ihr diesen Mann als Experten zu schicken? Sie zweifelte nicht daran, dass Sonja DiMersi, die ruhig in einem Sessel wartete und sich jedes Kommentars enthielt, inzwischen weitaus besser über die Schluttnicks Bescheid wusste als Kombol.

Der Chief der Ikarus verfolgte den Weg des Schluttnicks durch die Eingangshalle und an den Sicherheitskontrollen vorbei.

McLennane hatte sie etwas früher einbestellt, um die Berichte durchzugehen und sich ein Bild zu machen, ehe sie den Zeugen des Vorfalls befragen und das weitere Vorgehen besprechen würden.

Zusätzlich anwesend war Darius Weenderveen, dem die Gelassenheit DiMersis fehlte. Er griff wiederholt nach seinem Wasserglas, das längst leer war, und schien sich zu fragen, was er hier sollte. Wenn es um Schluttnicks ging, dann war das die Sache von DiMersi, vielleicht noch von Anande, so hatten es die Ereignisse der Vergangenheit bestimmt. Er selber hatte mit den übertrieben gewinnorientierten Händlern nur wenige direkte Erfahrungen gemacht – und die waren allesamt eher unerfreulich gewesen.

»Der ist so dünn, wenn der gleich hier ist, muss er zweimal zur Tür reinkommen, damit wir ihn sehen«, murmelte Kombol in genau der Lautstärke, die sicherstellte, dass alle ihn hören konnten. Er hob den Kopf und grinste DiMersi an. »Zweimal reinkommen. Verstehen Sie?«

»Er ist Militär«, antwortete der Chief nur und ihr entging nicht ein winziges Zucken am Mund des Mannes. Spielte er Spielchen? Es gab kaum etwas, an dem sie weniger Interesse gehabt hätte.

In stoischem Schweigen beobachtete sie den Soldaten auf dem Monitor, wie er den Flur entlangging, der zu diesem Sitzungsraum führte. Dann drehte sie sich um und wartete darauf, dass die Tür sich öffnete.

Der Mann brauchte nicht zweimal einzutreten. Was ihm an Körperfülle fehlte, glich er durch eine unaufdringliche, aber deutliche Präsenz aus. Man konnte ihn als hager bezeichnen, vermutlich handelte es sich bei ihm um den dünnsten Schluttnick, dem DiMersi je begegnet war. Zudem war er nicht groß, dafür ausgesprochen durchtrainiert, und bewegte sich mit kontrollierter Anmut. Der fahle Grünton seiner Haut und einige andere Abweichungen verrieten, dass es sich nicht um einen Menschen handelte, doch ansonsten war die Ähnlichkeit so groß, dass Sonja nicht umhinkam, ihn als attraktiv einzustufen.

Mit einem raschen Blick erfasste er alle Anwesenden, grüßte knapp McLennane, dann nickte er den anderen zu. Als er Haltung annahm und unweit der Tür stehen blieb, fiel DiMersi auf, dass er an seiner Uniform ein Abzeichen trug, das allem Anschein nach neuer war als die übrigen.

»Ich darf Ihnen den Kraftrüstungsträger Prectac vorstellen«, erläuterte McLennane und stellte dann die anderen Anwesenden vor. »Sie sind befördert worden seit meinem Briefing.«

»Das ist korrekt«, bestätigte Prectac und seine Hand zuckte, als würde er das neue Abzeichen berühren wollen. »Unser Trupp musste nach dem Einsatz neu zusammengestellt werden.«

»Ihre direkte Vorgesetzte ist bei dem Angriff ums Leben gekommen?«

»Ja. Durch die Selbstzerstörung des Kampfroboters.«

»Sie waren direkt neben ihr. Weswegen haben Sie überlebt?«

»Glück.« Schluttnicks konnten genau wie Menschen ein Pokerface aufsetzen und das von Prectac war gut.

McLennane hakte nicht nach.

Sonja fing einen fragenden Blick von Weenderveen auf, aber mehr als ein Schulterzucken hatte sie auch nicht für ihn.

Der Ingenieur und sie waren auf dem gleichen Stand, was die spärlichen Informationen betraf: Die Regierung der Schluttnicks hatte wieder einmal gerufen und sie waren gesprungen, so wie schon bei ihrem letzten Einsatz, der sie zu einer globalen Epidemie auf den Mond Pukla geführt hatte. McLennane hatte angedeutet, dass die neue Krise auf der alten basierte, demnach gab es nicht viele Möglichkeiten, worum es gehen konnte. Entweder hatte jemand Portoklifs Idee des Fettrecyclings aufgegriffen und so erneut die Gefahr eines Bürgerkrieges entfacht, doch das wäre dann ein internes Problem, das die Schluttnicks ohne Beteiligung von außen würden lösen wollen. Oder es handelte sich um die von dem Mond entkommene KI Direxdominatar, die wieder aufgetaucht war. Beides wäre schlimm.

Und in beiden Fällen konnte DiMersi sich nicht vorstellen, warum sie hier mit Weenderveen saß, denn das alles wäre jenseits ihrer Kompetenzen.

McLennane verdunkelte den Raum und wandte sich an den Soldaten.

»Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich die letzten Aufzeichnungen Ihrer Kraftrüstung zeigen.«

Sie startete eine Projektion und bat Prectac um Erläuterungen. Die Art, wie die Direktorin sich dann zurücklehnte, bewies deutlich, dass sie bereits jedes Detail kannte und, da war DiMersi sich sicher, auch längst alle Entscheidungen getroffen hatte. Sie waren nicht hier, um irgendeine Art von Mitsprache zu haben, sondern steckten bereits bis zum Hals in einem Auftrag, ob sie nun wollten oder nicht.

Widerstand regte sich in ihr. War die Rettungsabteilung nicht unabhängig? War das nicht das eine goldene Privileg, das McLennane ihnen eingeräumt hatte, nachdem die Ikarus oft genug für ihre Zwecke benutzt worden war? Musste nicht zumindest Sentenza als ihr Captain mit hinzugezogen werden, und sei es nur, um das abzunicken, was man ihnen aufdrückte? McLennane zog in alter Weise an ihren Fäden, sie hatte sich nicht geändert.

Für einen kurzen Moment spielte DiMersi mit dem Gedanken, einfach demonstrativ aufzustehen und den Raum zu verlassen, während sie gleichzeitig die Kampfhandlungen auf einer Welt beobachtete, die nur aus Schlamm und zermatschten Pflanzen zu bestehen schien.

Dann beschloss sie zu bleiben. Sie wollte wissen, worum es hier ging.

Was sie sah, war kein ausgewachsener Kriegseinsatz, sondern ein relativ kleines Gefecht mit Luftunterstützung. Prectac kommentierte ohne Schnörkel, sodass sie die Hintergründe und Abläufe verstanden. Es gab keinen Ton, wofür Sonja dankbar war, als die Fontänen aus Schlamm aufspritzten, und manchmal waren Szenen herausgeschnitten worden – zumindest war das so auffällig geschehen, dass die Zensur nicht wie Manipulation wirkte.

Durchaus interessiert beobachtete DiMersi, wie die Kraftrüstungsträger in die Basis eindrangen und den Hangar erreichten. Dann richtete sie sich in ihrem Sessel auf.

»Ist das ein Kampfroboter?«

»Wer baut denn noch so was!« Weenderveen war aus seiner Reglosigkeit erwacht und musterte die Maschine, die eine Energiewaffe aus ihrem Arm abfeuerte. Das Metall der Hangarwand glühte. »Moderne Kriegstechnik ist klein, effektiv, unauffällig. Das Ding hier ist grotesk.«

»Vermutlich Schluttnicks«, bemerkte Sonja nicht ohne Zynismus. Größer, breiter, imposanter: Das passte doch ganz gut. Deswegen war es noch lange nicht ineffektiv.

Mit morbider Faszination beobachtete Sonja, wie der Kampfroboter einen der beiden gerüsteten Soldaten am anderen Eingang ergriff, als wäre er eine Puppe, und ihn quer durch die Halle schleuderte. Die Wucht war so groß, dass das getroffene Shuttle über den Boden schlitterte, ein zweites rammte und erst dann zum Stehen kam – die Kraftrüstung des Schluttnick hatte die Außenhülle des Raumfahrzeugs durchbrochen. Der Soldat regte sich nicht mehr.

Statt nachzusetzen, wandte sich der Roboter seinem anderen Gegner zu und hämmerte mit Fäusten auf ihn ein, als würde er eine Kneipenschägerei nachspielen. Sonja zuckte zusammen, als vier weitere, kleinere Arme auftauchten, die das Feuer nach hinten eröffneten, genau auf sie – also eigentlich auf Prectac – zu. Für einen Moment war nichts mehr zu erkennen, die Blendautomatik verdunkelte die Aufzeichnung.

Als das Bild sich wieder stabilisierte, war Prectac bereits viel dichter an dem Roboter und griff ihn seinerseits an, während seine Kameraden mit allem schossen, was ihre Rüstungen zur Verfügung stellten. Sonja erkannte am Rande ihres Sichtbereiches einen Panzerhandschuh, der vor Energie flirrte. Prectac überwand die Distanz zu dem Roboter mit einem letzten Satz, schlug zu und riss ihm den ersten Arm ab. Es war ein präzise ausgeführtes Manöver, beeindruckte den Roboter jedoch kaum.

Sich in ein Handgemenge mit jemandem zu begeben, der einen Energiehandschuh trug, war keine gute Idee. Somit bemühte sich die Maschine, den Schluttnick wieder auf Abstand zu bringen.

Sonja versuchte Anzeichen dafür zu finden, wie der Roboter gesteuert wurde. Die Konstruktion bot keinen Raum für einen Passagier, demnach musste er seine Anweisungen von außen erhalten oder so gut programmiert sein, dass er autark handeln konnte.

Trotz der Bildstabilisierung war es schwer, die Aufzeichnungen auszuhalten, als Prectac in eine Art Ringkampf verwickelt wurde, ohne dass das Feuergefecht deswegen aufhörte. Gelegentlich flogen Teile durch das Sichtfeld, manchmal abgelöste Panzerung des Roboters, zuweilen auch Stücke der Kraftrüstung des Schluttnicks. Es wirkte so, als würde der gewinnen, der letztlich am meisten Material zu bieten hatte – und das war definitiv die Maschine.

Auch Prectac musste zu der Erkenntnis gekommen sein, dass es so nicht klappen konnte. Statt zu versuchen, dicht an seinem Gegner zu bleiben, stieß er sich von dessen Körper ab, machte eine für sein Gewicht absurd schwerelose Rolle über ihn und rammte dann seinen Handschuh in dessen Rückseite.

Danach versuchte er, den Sprung zu wiederholen, diesmal jedoch ohne Erfolg. Die verbliebene große Hand des Roboters traf ihn, viel zu schnell für die Masse, die da bewegt wurde, und drückte ihn an die Wand des Hangars, die unter dem Aufprall nachgab wie die zu dünne Karosse eines billigen Gleiters. Noch nicht zufrieden mit seinem Werk, griff der Roboter nach Prectac, riss ihn zurück und ließ ihn abermals gegen den Plaststahl krachen.