Richtig denken - wirksam managen - Fredmund Malik - E-Book

Richtig denken - wirksam managen E-Book

Fredmund Malik

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Beschreibung

Klare Sprache ist immer auch ein Instrument richtigen Denkens. So ist umgekehrt das deutlichste Anzeichen für falsches Denken und damit letztlich für falsches Management eine unklare Sprache. Auch der Gebrauch unsauber definierter Begriffe kann großen Schaden anrichten. Die verkehrte Verwendung bestimmter Wörter führt zu falschem, zuweilen sogar gefährlichem Handeln und zu Fehlentscheidungen im Management. Fredmund Malik benennt die psychologischen Irrtümer, Managementirrtümer und wirtschaftlichen Irrtümer, denen Führungskräfte aufsitzen, und zeigt, wie sich diese Irrtümer vermeiden lassen. Denn nur mit klarer Sprache lässt sich gut und richtig führen.

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Fredmund Malik

Richtig denken –wirksam managen

Mit klarer Sprachebesser führen

Campus VerlagFrankfurt / New York

Über das Buch

Klare Sprache ist immer auch ein Instrument richtigen Denkens. So ist umgekehrt das deutlichste Anzeichen für falsches Denken und damit letztlich für falsches Management eine unklare Sprache. Auch der Gebrauch unsauber definierter Begriffe kann großen Schaden anrichten. Die verkehrte Verwendung bestimmter Wörter führt zu falschem, zuweilen sogar gefährlichem Handeln und zu Fehlentscheidungen im Management. Fredmund Malik benennt die psychologischen Irrtümer, Managementirrtümer und wirtschaftlichen Irrtümer, denen Führungskräfte aufsitzen, und zeigt, wie sich diese Irrtümer vermeiden lassen. Denn nur mit klarer Sprache lässt sich gut und richtig führen.

Über den Autor

Prof. Dr. Fredmund Malik ist bekannt für sein präzises Denken, seine scharfsinnigen Analysen und seine klare Sprache. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet der mehrfach ausgezeichnete Bestsellerautor, Managementwissenschaftler und Unternehmer an einem lehr- und lernbaren Berufsstandard für professionelles Management. Die ganzheitlichen Managementmodelle für das Funktionieren komplexer Systeme haben ihr Fundament in den Komplexitätswissenschaften Kybernetik, Systemik und Bionik. Maliks Knowledge Organisation Malik Management Zentrum St. Gallen mit Niederlassungen in St. Gallen, Zürich, Wien, Berlin, London, Shanghai und Toronto, ist der größte Think Tank für ganzheitliches General Management.

»Fredmund Malik ist der führende Managementexperte in Europa. Er ist die wichtigste Stimme - in Theorie und Praxis des Managements.« (Peter F. Drucker)

Inhalt

Vorwort

Psychologische Irrtümer

Charisma

Begeisterung

Job-Hopper

Talent

Potenzial

Fehlermachen

Herausforderungen

Vertrauen

Motivation

Lob

Leistungsgrenzen

Burn-out

Identifikation

Risikofreude

Spaß

Management-Irrtümer

Führungsstil

Leadership

Menschenbild

Personalentscheidungen

Teamarbeit

Vision

Emotionen

Konzentration

Managereinkommen

Wissensmanagement

Topmanagement-Teams

Coaching

Innovation

Kultur

Kunde

Wachstum

Wirtschaftliche Irrtümer

Shareholder

Stakeholder

Inflation und Deflation

US-Management-Überlegenheit

EBIT, EBITDA

Stock-Options

US-Wirtschaftswunder

Unternehmenserfolg

Wert

Nachhaltigkeit

Globalisierung

Gewinn

Zinssenkungen

Wirtschaften

Rationalität

Anmerkungen

Literatur

Vorwort

Ein Informatiker tut alles, damit die Festplatten der Computer frei von Viren bleiben. Man weiß, wie gefährlich sie sind. Wie aber verhindert man, dass »Viren«, nämlich gefährliche Ideen und Irrtümer, in die Köpfe der Mitarbeiter eines Unternehmens, einer Organisation gelangen können? Das ist mindestens so wichtig wie der Virenschutz für Computer, liegt doch in falschen Begriffen, falschen Ideen und falschen Denkweisen der Ursprung für falsches Management. Daher sind die Wörter, die in einem Unternehmen verwendet werden, von entscheidender Bedeutung.

Die wirtschaftlichen Fehlentwicklungen und Exzesse der jüngeren Vergangenheit sind maßgeblich der Verwirrung von Sprache und Denken zuzuschreiben. Diese Meinung vertrete und publiziere ich konsequent seit den 1990er Jahren. Es handelt sich also um keine verspätete Besserwisserei, die mich zu meiner kritischen Haltung veranlasst.

Ohne Sprachverwirrung hätte es weder den Unfug der New Economy geben können, die aus den naiv behaupteten Wundern von Informatisierung und Digitalisierung ohne materielle Wertschöpfung hätte erblühen sollen, noch wäre der Spuk des Shareholder-Value möglich gewesen, der zu einer der größten Fehlallokationen wirtschaftlicher Ressourcen geführt hat. Weder hätten Bilanzmanipulation und Bilanzbetrug in historischem Ausmaß vorkommen können noch die Verwechslung von Börsen-Start-ups mit echter Innovation. Wie »Money Burn Rate« jemals zu einem respektierten Begriff der Unternehmensbeurteilung werden konnte, wird von der Massenpsychologie1, besonders den Spezialisten für Börsenhysterie, zu erklären sein. Ohne Sprachverwirrung wäre auch die medial kritiklos verbreitete Fata Morgana von der weltweiten Überlegenheit amerikanischer Wirtschaft und ihres Managements unmöglich gewesen. Und nicht zuletzt ist auch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, in der wir uns momentan befinden, die Konsequenz aus psychologischen Irrtümern und Management-Irrtümern.

Klare Sprache ist ein Instrument klaren Denkens. Sie hätte jene Differenzierung und Skepsis geschaffen, die für die realitätsgetreue Orientierung von Wirtschaft und Gesellschaft unerlässlich sind.

Was George Orwell in »1984« nur skizzieren konnte, ist in der Mediengesellschaft des Neoliberalismus im Übergangsjahrzehnt zum dritten Jahrtausend perfektioniert worden. Das hat zu einer schweren, vielleicht auf Jahre nicht heilbaren »Virenerkrankung« eines der wichtigsten Organe dieser Gesellschaft – des Managements – geführt. Selbst wenn die Krankheit eines Tages, wenn eine neue Managergeneration herangewachsen ist, beseitigt sein wird, werden die Schäden noch lange nicht geheilt und die Folgen noch lange nicht überwunden sein.

Klarheit der Sprache für gute Führung

Wer ein Unternehmen oder eine andere Institution richtig und gut führen will, muss auf die Sprache achten. Manche Begriffe sollten ganz vermieden werden; bei anderen ist klarzustellen, wie sie zu gebrauchen sind. Wie weit man gehen will, muss im Einzelfall entschieden werden. Vielleicht hat man trotz aller Vorbehalte gute Gründe, gewisse »gefährliche« Wörter weiter zu verwenden. Man muss sich aber immer darüber im Klaren sein, dass Risiken mit ihnen verbunden sind: Risiken von Missverständnissen und, am wichtigsten, von Fehlentscheidungen.

So hatte zum Beispiel der Vorstand einer erfolgreichen Bank den Mut, die Mitarbeiter dazu anzuhalten, Fremdwörter zu vermeiden. Das mag etwas weit gehen, ist aber nicht nur mutig, sondern gut für Klarheit, Verständlichkeit und funktionierende Kommunikation. Zudem ist es ein wirksamer Schutz gegen Bluffer und Angeber. Ein solches Verbot ist kein Verstoß gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Selbstverständlich dürfen und sollen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Meinung frei äußern; sie werden nur dazu angehalten, das in einer verständlichen Sprache zu tun.

In diesem Buch behandle ich eine Auswahl von Wörtern, deren Verwendung ich als Unsitte ansehe und teilweise für gefährlich halte, wie zum Beispiel »Vision« und »Leadership«. Zum Teil sind es auch Wörter, aus denen sich eine fehlgeleitete Praxis entwickelt hat, wie etwa »Personalentscheidungen«, oder umfassende Fehleinschätzungen wie bei »US-Managementüberlegenheit«. Es sind Wörter, die in den letzten Jahren so häufig verwendet wurden, dass sie zu Standardbegriffen im Management und ihre Bedeutungen zu herrschenden (Falsch-)Meinungen geworden sind.

Zum Teil sind diese Wörter Ausdruck und Folgen von Moden. Überhaupt ist Management wie kaum ein anderes Gebiet von Moden durchsetzt. Solange etwas in Mode ist, wird es meistens dogmatisch vertreten, oft mit inquisitorischem Eifer, insbesondere von jenen, die die Moden im Management machen, häufig Beratungsfirmen, deren Geschäftsbasis sie sind. Zu einem guten Teil sind die hier behandelten Wörter aber auch die Folge mangelhafter Ausbildung im Management. Das führt dazu, dass Moden als solche nicht erkannt werden. Viele Führungskräfte hatten nie Gelegenheit, sich fundierte Kenntnisse über Management anzueignen. Sie verfügen lediglich über Halbwissen, das bekanntlich gefährlicher ist als Unwissen.

Es ist ein klares Zeichen von gutem Management, wenn in einem Unternehmen dagegen vorgegangen wird. Funktionierende Kommunikation und echte Verständigung sind in einer Organisation ohnehin schwierig genug. Dazu tragen die in der Regel nicht besonders hoch entwickelten allgemeinen sprachlichen Fähigkeiten im Management bei. Wenn zusätzlich Begriffe falsch und irreführend verwendet werden, kann gute Kommunikation kaum gelingen.

Die Gefährlichkeit der hier behandelten Begriffe liegt nicht nur in dieser allgemeinen Kommunikationsschwierigkeit, sondern noch stärker darin, dass sie Irrtümer begründen und damit das Denken und Handeln von Management und Mitarbeitern in die falsche Richtung lenken. Sie transportieren Vorstellungen über Führung von Unternehmen, den Umgang mit Mitarbeitern und das Verhalten gegenüber Kunden, die schädlich und manchmal Ursache für den Untergang von Unternehmen sind.

Die Begriffe, die ich als »gefährlich« einstufe, dienen vielen Zwecken. Mit ihnen wird Meinung, Politik und Geschäft gemacht, werden Interessen verfolgt und Status legitimiert. Es sind Begriffe, mit denen man zu beeindrucken versucht.

Zu beeindrucken ist die Strategie einer gewissen Sorte von Experten und Intellektuellen. Eindruck zu machen ist die wichtigste, weil einzige Basis ihrer Existenz. Daher tun sie alles, um den semantischen Schein zu wahren – als Pseudowissenschaftler, als graue Eminenzen in den Organisationen, in Stabsbereichen, in Kommissionen, als Berater, Spezialisten, Therapeuten und Gurus. Ihre bevorzugten Mittel sind Sprachwolken, hochtrabende Begriffe und schicke Worthülsen.

Gute Führungskräfte lassen sich nicht beeindrucken, jedenfalls nicht auf Dauer.

Mehr als Sprachfinessen

Es geht weder um Sprachfinessen noch um Stil- oder Geschmacksfragen, sondern um richtiges Denken und wirksame Verständigung. Die »gefährlichen« Wörter sind eine Quelle von Missverständnissen. Sie erschweren vernünftige Kommunikation. Sie sind die Ursache von fehlgeleiteten Erwartungen und falschem Verhalten von Mitarbeitern. Im Extremfall machen sie die Führung einer Organisation unmöglich.

Es geht um Klarheit, Verständlichkeit und professionelle Präzision. Eine klare und genaue Terminologie ist Kennzeichen hoch entwickelter Wissenschaften und Disziplinen. Die Beherrschung der Begriffswelt ist eine unverzichtbare Bedingung für Professionalität und Kompetenz.

Niemand würde in den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern ernst genommen, der Geschwindigkeit und Beschleunigung nicht auseinanderhalten kann. Ein Jurist, der zwischen Eigentum und Besitz oder Miete und Leasing nicht zu unterscheiden weiß, ist nicht nur inkompetent, sondern gefährlich. Man würde ihm einen Fall im Sachenrecht nicht anvertrauen dürfen. Gerade, wo es um feine, aber wichtige Unterscheidungen geht, sind Klarheit und Präzision entscheidend.

Analoges kommt im Management nicht als Ausnahme, sondern regelmäßig vor. Wir sind hier weit entfernt von der in anderen Disziplinen längst erreichten und selbstverständlichen Präzision. In fast jeder Diskussion mache ich die Erfahrung, dass Führungskräfte, so professionell sie in ihren Fachdisziplinen sein mögen, in Managementfragen keine klaren Begriffspositionen haben.

Bloßes Definieren und etymologische Bedeutungsklärung sind nicht mein Anliegen. Jedes der hier besprochenen Wörter steht stellvertretend für eine falsche Theorie, für eine weit verbreitete, einflussreiche, aber irreführende Meinung im Management – und es geht um ihre Richtigstellung: für besseres und verantwortungsvolleres Management.

Teil 1

Psychologische Irrtümer

Kapitel 1Charisma

Wir brauchen Leader mit Charisma! Das ist eine Forderung, die seit einiger Zeit mit wachsendem Nachdruck erhoben wird.

Dass es nicht genügt, wenn Manager lesen und schreiben können und durchschnittlich anständige Menschen sind, ist klar. Sie haben höhere Anforderungen zu erfüllen. Muss man deswegen gleich ins andere Extrem fallen? Irgendwie ist die Vorstellung in die Welt gekommen, Manager, insbesondere jene an der Spitze, müssten eine Mischung aus einem Nobelpreisträger, einem antiken Feldherrn und einem TV-Showmaster sein … ein Universalgenie … eine Eier legende Wollmilchsau …

Man hat gelernt, in Zusammenhang mit Management viel Unsinn zu tolerieren. Nun auch noch Charisma…Damit wird der Unsinn gefährlich. Sollte man nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts nicht etwas vorsichtiger sein und vielleicht erst denken, bevor man redet? War nicht gerade das vergangene Jahrhundert die Epoche der charismatischen Führer schlechthin, und hießen sie nicht Hitler, Stalin und Mao?

Bezeichnenderweise wird immer der englische Ausdruck »Leader« verwendet. Man traut sich nicht, das Kind beim Namen zu nennen: Führer. Es mag gelegentlich wegen Übersetzungsschwierigkeiten besser sein, bei den englischen Begriffen zu bleiben. »Leader« lässt sich aber einfach, glasklar und irrtumsfrei ins Deutsche übersetzen. Das allerdings wäre dem Fabulieren und romantischen Schwärmen über Charisma hinderlich. Auch ein kurzer Blick ins Lexikon oder in die Soziologie von Max Weber würde helfen, den gröbsten Unfug zu vermeiden.2

Echtes Wissen scheint in der viel beschworenen Wissensgesellschaft, sofern es um Management geht, am wenigsten gefragt zu sein.

Geschichtlich haben charismatische Führer fast immer Katastrophen bewirkt – in allen Bereichen. Echte Führer brauchen kein Charisma. Sie führen durch Selbstdisziplin und durch Beispiel, nicht durch Parolen und Hurrageschrei. Nicht Charisma ist ihr Kapital, sondern Vertrauen.

Die Wirkung von Charisma auf Menschen will ich nicht bestreiten. Gerade deshalb ist nicht entscheidend, ob wir geführt werden, sondern wohin. Die Wirkung von Führern ist wichtig, muss aber kontrolliert sein durch Verantwortung und die Art der Ziele.

Charismatische Führer sind gefährlich, weil sie sich nicht an Regeln halten. Sie sind unberechenbar; sie glauben, das Universum unter Kontrolle zu haben; sie verfolgen Utopien. Sie sind überzeugt, in allem Recht zu haben, werden rigide und sind daher rasch auf der falschen Spur. Sie sind keine Führer, sondern Verführer. Eine Leadership-Theorie, die diesen Unterschied nicht zu erfassen vermag, ist wertlos.

Einige hochwirksame Führer des 20. Jahrhunderts hatten überhaupt kein Charisma, wie etwa Dwight D. Eisenhower, George C. Marshall und Harry Truman in Amerika oder Konrad Adenauer und Kurt Schumacher in Deutschland. Und kaum jemand im 19. Jahrhundert besaß so wenig Charisma wie Florence Nightingale, Abraham Lincoln oder Henry Dunant. Alle sind erstrangige Kandidaten für echte Führerschaft, wenn auch auf ganz unterschiedlichen Gebieten.

Charisma, das kann leicht bewiesen werden, ist für echte Führung weder notwendig noch wünschenswert. Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass charismatische Persönlichkeiten gelegentlich auch gute Führer sein können. Wegen ihrer Wirkung sind sie großen Gefahren und Versuchungen ausgesetzt und immer ein Risiko.

Es mag schon stimmen, dass das 21. Jahrhundert, wie man oft hört, fähige Führer brauchen wird. Nach den Desastern des 20. Jahrhunderts tut man aber gut daran, keine geschichtsblinde Idee von Führung zuzulassen.

Kapitel 2Begeisterung

Führungskräfte müssen Menschen begeistern können (A leader has to be able to fill people with enthusiasm).

So oder so ähnlich tönt es aus den Magazinen; so steht es in Büchern. Das sind übliche Meinungen, die in praktisch jeder Diskussion vorkommen. Es sind Standardaussagen in den einschlägigen Instrumenten, sprich den Auswahl- und Beurteilungsverfahren und den darauf gestützten Gutachten, von Headhuntern und Eignungstestern, und es sind Standardkategorien in den Kompetenztests.

Man unterstellt eine positive Beziehung zwischen Begeisterung und Leistung. Man glaubt, je mehr jemand begeistert ist von dem, was er zu tun hat, desto mehr Leistung werde er erbringen. Das mag plausibel klingen, wo aber sind die Beweise?

Es gibt keine Beweise. Anscheinend ist das noch niemandem aufgefallen: Es gibt keine Untersuchung, die das Problem auch nur aufgeworfen hätte, ganz zu schweigen davon, dass diese Beziehung nachgewiesen worden wäre.

Mögliche Untersuchungen würden schon daran scheitern, dass man Begeisterung weder messen noch operationalisieren kann; man kann Begeisterung auch nicht zum Zwecke eines Experiments herbeiführen. Die These von der Begeisterung klingt zwar »irgendwie« überzeugend, ist aber schierer Aberglaube. So stelle ich zwei andere Thesen auf:

Je mehr jemand von etwas begeistert ist, desto geringer sind typischerweise seine Kenntnisse von der Sache und desto fragwürdiger sind daher seine Fähigkeit und seine Leistung.Echte Leistung, besonders die Spitzenleistung, benötigt keine Begeisterung; diese ist im Gegenteil eher hinderlich. Was benötigt wird, sind Kompetenz und Erfahrung.

Meine beiden Thesen mögen abenteuerlich klingen. Die Bestätigungen dafür sind aber zahlreich. Jeder kennt Leute, die zwar hochbegeistert Ski fahren oder Tennis spielen – leider aber schlecht. Und man kennt andere Leute, die diese Sportarten hervorragend ausüben – ohne sonderliche Begeisterung. Sie haben womöglich Freude daran, meistens aber nur, solange sie es als Hobby betreiben. Wer es berufsmäßig tut oder tun muss, wie Skilehrer oder Tennisprofis, ist weit mehr von Pflichtbewusstsein und Professionalität, vielleicht auch Vertragserfüllung, Ehrgeiz oder Geldgier geprägt als von Begeisterung. Auch der interessanteste Beruf kann nicht ein Leben lang mit Begeisterung verbunden sein. Man kann im Übrigen gar nicht ständig begeistert sein; das nutzt sich schnell ab. Handwerker, Arbeiter, Lehrer, Kellner, Krankenschwestern, Ärzte und Führungskräfte in der Wirtschaft sind für die Berufsausübung weder auf Begeisterung angewiesen, noch ist sie hilfreich.

Für erbrachte Spitzenleistungen blicke man auf den Sport, insbesondere auf den Profisport und die damit verbundenen Herausforderungen. Ein erfahrener Sportler ist vor einem schwierigen Wettbewerb alles andere als begeistert; er wüsste gar nicht, was ihm das helfen sollte.

Was dem Sportler hilft, ist das Wissen, ausreichend trainiert zu haben, seine Disziplin zu beherrschen und in Hochform zu sein. Beim Bergsteigen konnte ich das oft genug selbst erleben, und alle Tourenberichte über schwierige bis extreme Bergtouren bestätigen das. Nur bei den leichten Touren gibt es so etwas wie Begeisterung. Selbst wenn es während der Vorbereitung auf eine Expedition oder an ihrem Beginn Begeisterung gibt, so hält sie niemals lange genug an, um jemanden zum Gipfel zu bringen. Dafür sind andere Dinge nötig. Am Gipfel selbst mag es Begeisterung geben, aber dann ist die Leistung schon erbracht. Und Begeisterung gibt es auch nur dann, wenn man nicht noch einen schwierigen, langen Abstieg vor sich hat, denn dann ist nochmals Leistung nötig, nicht selten der schwierigere Teil. Nein, Begeisterung ist keine Kategorie vor der Leistung und für die Leistung. Begeisterung kommt danach.

Kapitel 3Job-Hopper

In den Jahren während des Booms wurden die Menschen geradezu zum Bluffen erzogen, verleitet, ja gezwungen. Das Geschwätz von den Ich-Marken, vom »War for Talent«, die »Recruiting-Events« gewisser Firmen und die allgemeine Modewelle der Selbstdarstellerei hat selbst jene, die von sich aus gar nicht zu solchem Verhalten neigen, mehr oder weniger gezwungen, sich der Show anzupassen.

Man kann schon in jungen Jahren erkennen, wer es mit äußerem Schein und Bluff probiert und wer auf Substanz und echte Leistung zielt. Deutlich mehr als die Hälfte meiner Studenten und unserer jüngeren inner- und überbetrieblichen Seminarteilnehmer waren und sind davon angewidert, sich mit Effekthascherei profilieren zu müssen. Sie empfinden das geradezu als Prostitution. Dieser Unfug hat den falschen Leuten eine Bühne bereitet und die Aufmerksamkeit gewisser Medien verschafft. Es sind jene, die die »dünnsten Bretter bohren«.

Eine der wichtigsten und gleichzeitig schwierigsten Aufgaben in jedem Unternehmen, egal welcher Größe, ist die Personalauswahl.

Wie trennt man die Spreu vom Weizen, die Bluffer von den Leistenden? Worauf man achten muss, ist heute wichtiger zu wissen denn je.

Positionen oder Ergebnisse

In Wirtschaft und Politik ist in der Vergangenheit nicht selten ein bestimmter Typus von Manager in hohe und höchste Stellen gelangt. Dieser Typ versteht es geschickt, seine tatsächliche Unfähigkeit zu verschleiern; er beherrscht die Rituale und den Small Talk; er weiß, wem und wie er schmeicheln muss; er macht sich als Einflüsterer breit.

Die heutige Gesellschaft oder besser: weit verbreitete Mängel bei den Personalentscheidungen machen es ihm oft leicht, weil auf Positionen und nicht auf Ergebnisse geachtet wird.

Auf diesen Typus mache ich hier besonders aufmerksam. Er kommt als Folge von fehlgeleiteter Personalpolitik und missverstandener Karrierevorstellungen häufig vor: Es ist der Job-Hopper.

Job-Hopper sind Leute, die Positionen sammeln – Durchgangspositionen – statt Ergebnisse. Ihre Lebensläufe sind auf den ersten Blick sehr beeindruckend. Sie enthalten lange Listen von Stellen, die sie innehatten, häufig mit imponierenden Bezeichnungen, wie »Assistent«, »Koordinator«, »Beauftragter für«, »Mitwirkung bei«, »Referent von«. Besonders eindrucksvoll klingt das alles auf Englisch. Wenn »Chief Group Coordinator« auf einer Visitenkarte zu lesen ist, traut sich niemand zu fragen, was die Person wirklich tut.

Bei genauer Analyse findet man zwei Dinge meistens nicht, nämlich Verantwortung und Ergebnisse – und vor allem: Verantwortung für Ergebnisse. Das aber ist das Einzige, was in der Wirtschaft wirklich zählt und zählen sollte.

Leute mit langen Listen von Positionen sind in aller Regel keine wirksamen Manager, sondern häufig Karrieristen. In ihren Lebensläufen findet man vieles; in ihrem Leben allerdings nur eines: nämlich einen untrüglichen Instinkt dafür, wann sie gehen müssen. Und sie gehen immer genau ein halbes Jahr, bevor die Ergebnislosigkeit zu sehen ist, manchmal auch der »Mist« zu riechen beginnt, den sie hinterlassen werden.

Job-Rotation

Das Ignorieren der Ergebnisse als entscheidende Orientierungsmarke wird in vielen Großunternehmen aktiv gefördert: durch missverstandene Job-Rotation.

Das Ziel ist selbstverständlich ein ganz anderes und richtiges, nämlich möglichst umfassende Ausbildung und Erfahrung für die aussichtsreichen Mitarbeiter. Gegen das Prinzip der Job-Rotation kann nichts gesagt werden, es muss aber richtig eingesetzt werden. Positiv wirkt es nur dann, wenn mit jeder Station auch nachweislich Resultate verknüpft sind.

Dass es zu lange Verweildauern in einer Position geben kann, ist klar. Weniger klar scheint zu sein, dass eine immer größere Zahl von Führungskräften, darunter besonders die jungen, eine viel zu kurze Verweildauer haben, um Resultate zu erzielen. Sie rotieren schon zum nächsten Job, bevor die Arbeit getan ist und Ergebnisse zu sehen sind. Job-Rotation ist gut und wichtig für Menschen in ihren Zwanzigern; und es ist nochmals notwendig für die »Vierziger«.

Die entscheidende Altersgruppe aber sind die Dreißig- bis Vierzigjährigen. Für diese Menschen ist dafür zu sorgen, dass sie das Wichtigste in ihrem Leben erlangen können – das, woraus allein Selbstvertrauen, Selbstsicherheit, Selbstachtung, lebenslange Selbstmotivation und vor allem Glaubwürdigkeit und natürliche Autorität in einer Organisation resultieren können. Dafür gibt es nur eine Quelle: sichtbare, überzeugende Resultate und nicht Positionen.

Man kann keine Zahl für die Verweildauer an einer Stelle und somit das Job-Hopping angeben, aber es gibt ein sicheres Kriterium: Man muss lange genug in ein und derselben Position bleiben, um Ergebnisse zu erzielen, die andere wahrnehmen können und sie überzeugen. Dabei schließe ich nicht aus, dass das gelegentlich auch in den üblichen eineinhalb bis zwei Jahren möglich ist. Aber es gibt nicht viele ernst zu nehmende Aufgaben, in denen man nach zwei Jahren tatsächlich ins Gewicht fallende Resultate sehen kann. Meistens wird es, wenn man realistisch ist, länger dauern.

Wer zwischen seinem dreißigsten und vierzigsten Lebensjahr mehr als drei oder vier Positionen innehatte, muss sich bezüglich des Job-Hoppings einige Fragen gefallen lassen. Und er tut gut daran, sich die Antworten genau zu überlegen, insbesondere wenn er es mit einem kompetenten Personalchef zu tun hat.

Der wird ihn fragen: Was haben Sie bisher gemacht? Welche Resultate haben Sie erzielt? Wie hat jede Stelle ausgesehen, als Sie sie angetreten haben, und wie hat sie ausgesehen, als Sie sie verlassen haben? Worauf sind Sie wirklich stolz? Und warum?

Ein Job-Hopper findet keine überzeugenden Antworten. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er inkompetent ist und es zu verschleiern versucht – und sich damit unter den Zwang einer Lebenslüge stellt: nämlich für den Rest seines aktiven Lebens allen Leuten etwas vorgaukeln zu müssen, für das er nie den Beweis antreten kann.

Kapitel 4Talent

Eine der größten Irreführungen im Personalwesen der letzten Jahre wurde durch den großsprecherischen Slogan vom »War for Talent« eingeleitet. Bereits das martialische »War« sollte stutzig machen. Wenn schon Krieg, dann ist es eher ein »War for Performance«, ein Krieg um Leistung.

Inzwischen gibt es kaum eine Präsentation von Personalleuten ohne das Wort »Talent«. Fragt man, was damit gemeint sei, kommen die meisten ins Schleudern und antworten vage: … irgendeine Begabung …, jemand, der eben gut ist …