Ritt in den Morgen - Lise Gast - E-Book

Ritt in den Morgen E-Book

Lise Gast

0,0

Beschreibung

Weil sich Karis Mutter beim Sturz vom Pferd verletzt hat, muss Kari ihre langersehnten Ferien auf dem Pferdehof ihrer Mutter verbringen und diese vertreten. Sonderlich begeistert ist Kari davon nicht, doch schon bald hat sie sich wieder an das Leben auf dem Land gewöhnt: Lange Ausritte, glückliche Momente mit den Pferden und frische Sommerluft. Auch wenn es mancherlei Pannen und Nöten gibt, lässt sich Kari nicht unterkriegen und zum Glück tauchen immer wieder Helfer auf, die sie unterstützten.... bis plötzlich eine unvorhergesehene Wendung in Karis Leben eintritt... – Eine wunderschöne, mit viel Humor und Lebensklugheit erzählte Alltagsgeschichte über das Leben einer jungen Frau. Lesenswert!Lise Gast (geboren 1908 als Elisabeth Gast, gestorben 1988) war eine deutsche Autorin von Kinder- und Jugendbüchern. Sie absolvierte eine Ausbildung zur landwirtschaftlichen Lehrerin. 1933 heiratete sie Georg Richter. Aus der Ehe gingen 8 Kinder hervor. 1936 erschien ihr erstes Buch "Tapfere junge Susanne". Darauf folgen unzählige weitere Geschichten, die alle unter dem Pseudonym Lise Gast veröffentlicht wurden. Nach Ende des zweiten Weltkriegs floh Gast mit ihren Kindern nach Württemberg, wo sie sich vollkommen der Schriftstellerei widmete. Nachdem sie erfuhr, dass ihr Mann in der Tschechoslowakei in einem Kriegsgefangenenlager gestorben war, gründete sie 1955 einen Ponyhof und verwendete das Alltagsgeschehen auf diesem Hof als Inspiration für ihre Geschichten. Insgesamt verfasste Gast etwa 120 Bücher und war neben ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin auch als Kolumnistin aktiv.-

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 97

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Lise Gast

Ritt in den Morgen

Eine Liebesgeschichte

Saga

Ritt in den Morgen

German

© 1965 Lise Gast

Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

All rights reserved

ISBN: 9788711509999

1. Ebook-Auflage, 2016

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

Es kann geschehen: da schlägt einem etwas

quer, man hat Pech, sträubt und sperrt

sich dagegen – und wendet es doch nicht

ab. Plötzlich aber sieht man, daß

gerade diese Fehlschläge Freude

oder gar großes Glück mit sich

bringen, dem man sonst nicht begegnet wäre.

So auch hier. Die junge Goldschmiedin

Kari opfert – keineswegs begeistert – ihren

Urlaub, um ihre Mutter zu vertreten.

Diese hat einen Pferdeverleih und leitet

tageweite Ponyritte mit auswärtigen

Gästen; ein Sturz vom Pferd aber hat sie

für einige Zeit aktionsunfähig gemacht.

Über Karis anfänglichen Unmut siegt

bald ihr heiteres Naturell; der lange

und weite Ritt durch die sommerliche

Rheinpfalz und die Verantwortung

für die ihr anvertraute Kolonne

fordern ihre ganze Kraft. Es gibt

mancherlei Pannen und Nöte, doch stellen

sich auch Helfer ein, und unversehens

nimmt Karis Leben eine Wendung, die sie

selbst am meisten verwundert.

Humorvoll und mit der ihr eigenen

Frische schildert Lise Gast das bunte

Häuflein der Reitbeflissenen, Arten

und Unarten von Mensch und Pferd und

den überraschenden Ablauf der Ereignisse.

Über allem liegt der Glanz der sonnenwarmen

Landschaft, der Duft nach Pferden und

Lederzeug und der Atem erwartungsvoller

junger Menschen.

Petras anruf kam mir sehr, wirklich sehr ungelegen. Nach Hause! Unsere Mutter vertreten! Wieso eigentlich immer ich?

»Du könntest das viel besser«, sagte ich, »erstens bist du älter und zweitens als Lehrerin daran gewöhnt, Anweisungen zu geben und auf Ordnung zu halten. Ja, ich weiß, Erwachsene sind manchmal schwerer zu behandeln als Kinder, aber du hast eine so überlegene Art.« Ich hoffte, Petras Seele mit diesem Kompliment zu fangen. Sie ist fünf Jahre älter als ich und hat unsere ganze Kinder- und Jugendzeit von ihrem Erstgeburtsrecht Gebrauch gemacht.

»Überlegen? Findest du mich etwa eingebildet?« Petras Stimme klang empört. Freilich, es war wohl noch nie passiert, daß ich versuchte, etwas Unangenehmes, das auf uns beide zukam, ihr zuzuschieben.

»Nein, nein. Ich meine natürlich ja, ja«, stammelte ich. »Überlegen ist doch etwas Gutes. Ich wünschte, ich wäre es!«

»Das, was du meinst, kann man auch mit einundzwanzig sein, Kari. Und ist man es nicht, dann wird es höchste Zeit, es zu lernen. Du fährst also. Ich kann beruflich nicht weg, und selbst wenn eine Vertretung da wäre: ich habe eine Verabredung.«

»Ich auch«, hakte ich ein. Wie gut, daß sie mir das Stichwort gab!

»Die sagst du ab«, bestimmte Petra, »oder ist es das Lebensglück, um das es sich handelt? Sag die Wahrheit!«

»Es ist – es ist ... Ich finde es unzart, mich am Telefon sowas zu fragen«, stotterte ich, und es kam so kläglich heraus, daß ich genau fühlte: Nun ist die letzte Chance dahin.

»Hundert Prozent?« fragte Petra streng.

Ich kann mir denken, daß die Kinder, wenn Petra in diesem Ton fragt, sofort alles zugeben, was sie ausgefressen haben – und noch etwas dazu. Petra ist die geborene Lehrerin.

»Neunzig«, sagte ich kleinlaut. Das stimmte nicht. Es waren einmal neunzig gewesen, fast hundert, jetzt aber höchstens noch zwanzig. Immerhin war ich entschlossen: wenn ich schon nachgab, dann wenigstens mit der Gloriole eines großen Opfers ums Haupt.

»Na schön. Bei einem so geringen Prozentsatz lohnt es doch nicht. Du fährst also. In deinem Beruf geht das ja, jetzt, im Sommer. Sei froh, daß du einen so einsichtsvollen Chef hast. Und grüß Mami, sie wird mir dankbar sein, daß ich es so geordnet habe. Leb wohl, sonst kostet es zuviel.« Eingehängt, Schluß.

Da stand ich also. ›In deinem Beruf‹ und ›Sie wird mir dankbar sein!‹ Ich schluckte. So ist es immer. Meinen Beruf nimmt niemand ernst. Und meine Verabredung? Ich war wütend. Doch als ich eine Weile innerlich gewütet hatte, dachte ich an Mami und schämte mich meines Zorns.

Unsere Mutter – das muß ich deutlich betonen – ist anders als andere Mütter, aber wirklich reizend. Sie hat einen ganz kleinen Tick, und nahezu alle Leute, die in unser Haus kommen, haben einen. Mutter behauptet, mit völlig Normalen könne man ohnehin nicht auskommen. Deshalb vielleicht ist Petra Lehrerin geworden, damit sie einen richtigen, ernstzunehmenden Beruf hat. Bei mir reichte es leider nicht zu so etwas Hohem, nur zur Goldschmiedin. Ich bin sowieso nur die dumme kleine Kari, und wenn man das einundzwanzig Jahre lang war, bleibt man es auch, sogar vor sich selbst.

Unser Vater ist schon so lange tot, daß ich mich kaum mehr an ihn erinnere. Mutter hat uns allein aufgezogen, auf eine sehr tapfere und gleichzeitig lustige Weise. Sie hatte nämlich nichts gelernt, als ein Gut zu führen, und das Gut von Großvater gehört uns nicht mehr, nur noch das Haus und einige Morgen Weideland. Da hat Mutter kurz entschlossen zehn kleine Reitpferde gekauft, Islandponys, und einen Verleihstall aufgemacht. Sehr bald kamen viele Leute, um bei uns zu reiten, entweder stunden- oder tageweise oder auch ein paarmal im Jahr auf größeren Touren. Mutter vermehrte den Pferdebestand, pachtete Land hinzu und konnte sogar ein Gästehaus bauen, das aber noch nicht abbezahlt ist. Unversehens wuchs ihr das Ganze ein wenig über den Kopf, vor allem seit wir Töchter nicht mehr daheim sind. Wir haben überall geholfen und sind eingesprungen, wenn es nötig war. Nun ist Mutter vor einem dieser großen Ritte von Tigul gestürzt und nicht voll aktionsfähig. Das ist natürlich ein Hieb des Schicksals, auch für mich.

Ich bin an solche Hiebe gewöhnt. Zum Examen beispielsweise wurde der netteste Herr der Prüfungskommission krank, und der, der ihn vertrat, schüchterte mich so ein, daß ich im Mündlichen restlos versagte. Und was für Pech hatte ich oft in der Schule! Ach, und in der Liebe erst! Wenn ich mich ernstlich verliebe, liebt derjenige bestimmt eine andere, die entsetzlich klug ist und keine Stubsnase hat wie ich oder ganz, ganz dünn ist – das bin ich trotz aller Hungerei auch nicht –, oder er muß in eine andere Stadt ziehen oder geht ins Ausland, oder er ist verheiratet. Im Grunde hab ich nichts mehr zu hoffen; wer in meinem Alter noch nicht weiß, zu wem er gehört, der heiratet sicher nicht mehr. Daß ich immer noch nicht ganz aufgegeben habe, liegt an meinem angeborenen Optimismus. Er flüstert mir etwa zu, daß man, wenn man ins Theater will und alle Karten ausverkauft sind, an der Kasse vielleicht noch eine zurückgegebene bekommt. Freilich, ein zurückgegebener Mann ...? Dann bleibe ich wahrhaftig lieber im Beruf.

Dieser Art waren meine Gedanken, als ich mein Köfferchen packte und die Bahn bestieg. Nicht einmal bei den Reisekosten hatte mir Petra ›halbehalbe‹ angeboten. Die ganze Welt erschien mir düster und ich mir selbst bemitleidenswert.

Ich fuhr also. Aber ich bin leider so geartet, daß sich schlechte Laune und Traurigkeit bei mir nicht sehr lange hält, bin also, fürchte ich, ein etwas leichtfertiger Charakter, ohne großen Tiefgang, wie mir immer wieder versichert wird.

Ich kann nichts dafür.

Als ich in Mannheim ausstieg, hörte ich jemanden den Finnländischen Reitermarsch pfeifen und merkte erstaunt, daß ich es war – und als wir mit der Fähre über den Rhein setzten, war ich so selig, heimzukommen, daß ich am liebsten vorangeschwommen wäre. Und dann die letzte Strecke zu Fuß! Ich bin diesen Weg, glaube ich, kaum einmal langsam gegangen; abends heimbegleitet hat mich nie jemand, den Mannheimern war das immer zu weit. Und ich rannte auch diesmal, immer schneller. Hindurch durch die Vorstadt, ein Stück Landstraße – da sieht man schon unser Haus. Ich lief und lief, das Köfferchen schlenkerte mir um die Beine. Da: Rudolfshof! Drei Stufen, die Haustür. Erst stolperte ich über Anna, die, klein, grau und alt, nur einen Quiekser ausstoßen konnte, nachdem sie mich erkannt hatte, und hinein ins Wohnzimmer.

»Mami, Mami!«

Mutter lag auf der Couch, braungebrannt mit roten Pausbacken – sie sieht ja immer aus, als wäre sie eben im Urlaub gewesen –, und wir küßten einander und lachten und sprachen atemlos; wir brachten keinen Satz zu Ende. So geht das immer, mit Mutter ist es wie mit einer Freundin.

Wir kamen auch bald aufs Wesentliche, denn Mutter fragte, ob ich denn weggekonnt hätte und nichts Wichtiges verpaßte.

Doch, sagte ich, eine Verabredung. Und nun brach mit einem Mal durch, was ich vor mir selbst bisher nicht hatte zugeben wollen: der Kummer mit diesem Mann, mit Roland Hart. Wenn man bei Mutter sitzt, ist das mitunter so. Sie fragt nie neugierig oder zudringlich oder auch streng, wie andere Eltern es tun, wenn man den Erzählungen meiner Bekannten glauben darf; aber sie versteht etwas, was heutzutage Seltenheitswert hat: sie kann zuhören. Nicht nur mit dem Ohr, auch mit dem Herzen. Und da öffnet sich einem das eigene Herz von selbst.

Ich bin Goldschmiedin geworden, weil ich gern mit schönen Dingen umgehe, und auch, weil ich mir einbildete, man könne mit schönen Formen und edlem Material anderen Menschen das Leben bereichern. Ebenso, meinte ich, dächte und fühlte Roland Hart, und ich glaubte in ihm den Hundertprozentigen gefunden zu haben, wie Petra und ich es nennen. Dann aber wurde mir klar, daß für ihn ›schön‹ oft dasselbe ist wie ›günstig‹, ja, daß er manchmal den Leuten, die im Geschmack unsicher sind, Kitsch verkauft, statt ihnen beizubringen, was wirklich wertvoll ist. Nur weil es Geld einträgt. Er hat dann ein kleines mokantes Lächeln, das ich gar nicht mag. Einmal hat er es sogar ausgesprochen. »Laß sie doch, wenn sie es schön finden! Sie bezahlen es ja.« Da sank er in meinen Augen von seinen hundert Prozent auf bestenfalls zwanzig.

Ich erzählte Mutter davon, soweit sich dergleichen überhaupt in Worte fassen läßt, und dabei kamen mir die Tränen.

Sie nahm mich um den Hals. »Ich kann dir nachfühlen, Kari, daß das weh getan hat. Aber wenn man schon heiratet, dann muß es der Richtige sein, der ganz Richtige, nicht wahr?«

»Und woran merkt man das? Bei Roland hab ich es so sicher geglaubt, lange Zeit.«

Mutter lächelte mich an, so lieb, wie nur sie es kann. »Das merkt man schon eines Tages. Nicht immer sofort. Aber plötzlich weiß man: das ist er.«

»Ob ich das auch merke? Du hattest Vater, Mami, du warst gut dran.«

»Ja.« Mutter sagt zuweilen ein einziges Wort, da ist alles drin. Dann fragte sie behutsam weiter: »Erzählst du mir noch etwas von ihm, oder möchtest du lieber nicht?«

»Doch. Er ist sehr begabt, hat ein großartiges Examen gemacht und einen Preis und zwei Wettbewerbe gewonnen und ... Weißt du, er ist sehr einfallsreich, von der Formgebung her, ein ganz toller Goldschmied. Viel, viel besser als ich. Und –«

»Nun?«

»Eine Stimme hat er, Mami, eine Stimme, wie dunkler Samt, so weich. Wenn ich die hörte –«

»Du sagst: hörte.« Sie betonte das ›te‹ etwas stärker.

Ich nickte. »Ja, hörte. Ach, Mami ... Weißt du, gern hab ich ihn immer noch, aber der Richtige ist er wohl nicht.«

Mutter schwieg. Endlich sagte sie leise: »Bei dir kommt auch noch der Richtige. Und angewiesen aufs Heiraten seid ihr ja nicht, ihr Mädchen heute, ihr habt euern Beruf. Wieviel leichter hätte ich es gehabt, damals als Vater starb ...«

Mutter kam ins Erzählen, wie sie Vater kennengelernt hat. Er war auch nicht ihre erste Liebe, das finde ich sehr beruhigend. Sie brauchte einige Zeit, bis sie entdeckte, daß er der Richtige war. Ein anderer hatte ihr den Blick verdunkelt, und ihre Augen mußten erst