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Eigentlich erhoffen James und Tim sich von ihrem Vater eine Lösung dafür, wie sie mit den Folgen ihrer übernatürlichen Begabung umgehen sollen. Doch bald schon sind die Musiker sich nicht mehr einig, wem sie trauen können, und der Konflikt droht nicht nur die Band zu zerstören, sondern bedroht auch Lauren, die ahnungslos zwischen die Fronten geraten ist.
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Seitenzahl: 324
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Eigentlich erhoffen James und Tim sich von ihrem Vater eine Lösung dafür, wie sie mit den Folgen ihrer übernatürlichen Begabung umgehen sollen. Doch bald schon sind die Musiker sich nicht mehr einig, wem sie trauen können, und der Konflikt droht nicht nur die Band zu zerstören, sondern bedroht auch Lauren, die ahnungslos zwischen die Fronten geraten ist.
Charlotte Tendon wurde 1987 in Stuttgart geboren und schreibt schon seit ihrem dreizehnten Lebensjahr Kurzgeschichten und Gedichte, vor allem aber Romane, in denen die Liebe eine zentrale Rolle spielt.
Mit ihrer Tochter lebt sie in Stuttgart und arbeitet als Bibliothekarin. Wenn Charlotte nicht schreibt, versucht sie sich am Yoga, macht Zumba oder wagt sich an Videospiele.
Die Children of an Unknown-Reihe:
Band 1: Rockstar Sins
Band 2: Rockstar Secrets
Band 3: Rockstar Crisis
Außerdem bereits erschienen:
Secret Flowers (Twentysix, 2020)
Sing My Lovesong (Siebenverlag, 2019)
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Epilog – Adrian & Hannah
Epilog – Maja
»Danke«, Lauren nahm ihren Koffer von einem freundlichen italienischen Taxifahrer entgegen und wandte sich dem lebhaften Flughafen zu. Immer noch standen die Polizisten an den Eingängen und musterten jeden Reisenden, weil scheinbar am Vortag jemand im Parkhaus erschossen worden war, unmittelbar bevor Maja wieder im Hotel aufgetaucht war.
Natürlich hatte keiner der Musiker sich die Zeit genommen, mit Lauren über die Ereignisse zu sprechen. Immerhin hatte Ray sie informiert, dass Maja zurück war und der mutmaßliche Entführer am Flughafen tot aufgefunden worden war. Diese wenigen Informationen lieferten bei weitem kein vollständiges Bild der Ereignisse, warfen allerdings auch kein gutes Licht auf die Musiker. Zwar fiel es Lauren schwer, Mitleid mit dem toten Entführer zu haben, mindestens genauso schwerfiel es ihr jedoch, den Verdacht zu ignorieren, dass sie mit potentiellen Mördern auf Tour war. Freilich hatte sie keine Beweise, dass die Band etwas mit dem Tod von Majas Entführer zu tun hatte, aber es wäre ein sehr seltsamer Zufall, wenn irgendwer anders den Entführer getötet hätte.
Als wären diese Gedanken nicht schon Grund genug, sich von der Band fernzuhalten, hatte Lauren obendrein auch kein Interesse daran, noch einmal im Tims Nähe zu kommen, nachdem sie so unprofessionell die Beherrschung verloren hatte.
Es ärgerte sie immer mehr, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte, obwohl dieser Mann sie behandelte, als wäre sie Dreck am Schuh. Das hatte sie nicht nötig und sie musste fort von ihm. Sie war nicht so dumm, zu glauben, das wäre nun vorbei, nur weil sie einmal mit ihm geschlafen hatte. Und es wäre auch dumm, sich vorzumachen, was auch immer zwischen ihr und Tim begonnen hatte, wäre vorbei, nur weil sie miteinander geschlafen hatten. Hatte es jemals funktioniert, sexuelle Spannung durch Sex abzubauen? Wohl kaum und das würde mit Tim sicher nicht anders sein.
Vernünftig war es, das zu tun, was sie schon lange dachte. Sie gab auf. Es war ein wenig glorreicher Abschied, eher sogar peinlich, weil sie es nicht einmal fertig gebracht hatte, Ray die Wahrheit zu sagen. Sie hatte ihm lediglich per Mail ihre Kündigung geschickt, als sie bereits im Taxi saß. So wollte sie verhindern, dass jemand ihre Entscheidung in Frage stellte. Aber dazu hatte ohnehin keiner ein Recht. Sie hatte von Anfang an kaum ihrer Arbeit nachgehen können und hatte daher guten Grund, zu kündigen. Sie könnte immerhin andere lukrative Aufträge annehmen.
Zum Glück gab es an diesem Morgen einen Direktflug nach Dublin, den sie kurzerhand beim Frühstück gebucht hatte, bevor sie auscheckte und den nächstbesten Taxifahrer zum Flughafen scheuchte.
Hastig eilte sie nun zum Check-in-Schalter, an dem eine italienische Stewardess routiniert ihren Pass kontrollierte und auf Englisch den Weg zum Gate erklärte. Lauren hievte ihren Koffer auf das Transportband und spürte, wie eine Last von ihr abfiel, als wären alle ihre Sorgen in diesem Koffer und sie nun endgültig davon erlöst.
»Lauren!«, erschütterte plötzlich eine Stimme die Flughafenhalle, sodass sogar die Stewardess aufsah und Lauren ihren Koffer zu früh losließ, woraufhin er kippte und ihr auf den Fuß fiel. Ein scharfer Schmerz schoss durch ihren Fuß, so wie seltsamerweise auch durch ihre Brust.
»Was soll das werden?«, brüllte Tim weiter und Lauren realisierte, dass ihre heimliche Flucht wohl nicht heimlich genug gewesen war.
»I’m sorry«, entschuldigte sie sich bei der Stewardess, nahm ihren Koffer und ihren Pass, bevor sie sich Tim zuwandte, um für diesen Streit wenigstens etwas Abstand zu den Angestellten aufzubauen.
Tim gelangte bei ihr an, in den Klamotten vom Vortag und mit müden Augen – ganz offensichtlich hatte er in der vergangenen Nacht nicht geschlafen. Was auch immer Majas Rückkehr zu bedeuten hatte, es war wohl aufwühlend und schlafraubend.
Lauren seufzte leise und wappnete sich für einen neuen, diesmal zumindest teilweise angebrachten Wutanfall von Tim.
»Was machst du hier?«, wiederholte er schneidend, nun direkt vor ihr stehend und außer Atem.
Lauren stellte ihren Koffer ab und sah ihn ernst an. »Ich fahre nach Hause, wie wir es besprochen hatten.«
Sie hatte ihm immerhin gesagt, was sie vorhatte, und er hatte gewirkt, als wollte er sie am liebsten sofort ins Taxi zum Flughafen stecken, noch bevor er seine Hose wieder angezogen hatte. Daher hatte er nun wirklich keinen Grund, vor ihr zu stehen, und sie daran zu hindern, in ein Flugzeug zu steigen. Er hatte selbst gesagt, sie sollte gehen, also sollte er doch zufrieden sein, dass sie genau das vorhatte.
Aber er wäre nicht Tim, wenn er so konsequent wäre. Er handelte nicht logisch und nachvollziehbar, sondern irrational und emotional.
Seine grauen Augen verrieten sein Erstaunen, als hätte er vergessen, was er gesagt hatte – wie oft er ihr nahegelegt hatte, zu gehen, und versucht hatte, sie mit seltsamen Drohungen zu verscheuchen.
»Die Frage ist eigentlich nicht, was ich hier mache, sondern, was du hier willst!«, fuhr Lauren ihn unverblümt an. »Du hast mich so oft gebeten, nach Hause zu fahren, und jetzt bist du hier, um was zu tun? Willst du mich eigenhändig ins Flugzeug setzen? Das brauchst du nicht, ich wüsste gar nicht, warum ich bleiben sollte! Ich will nichts lieber als endlich weg von hier!«
Das so offen zu sagen, war sicher nicht höflich, aber von Höflichkeiten war die Zusammenarbeit mit dieser Band nie geprägt gewesen. Und Lauren hatte keine Lust, sich noch länger wie Dreck behandeln zu lassen. Sie hatte das nicht nötig und nach ihrer Kündigung, hatte sie keinen Grund mehr, an falscher Höflichkeit festzuhalten.
Tim war ausnahmsweise sprachlos, was in ihr ein seltsames Gefühl von Mitleid aufkommen ließ, sie allerdings auch mit einer gewissen Befriedigung erfüllte. Das hatte er nun von seinen ständigen Drohgebärden! Und sie musste wahrlich nicht immer die Befehlempfängerin sein. Sie war eine erwachsene Frau und sie hatte ihren Stolz!
Entschlossen schnappte Lauren ihren Koffer und wandte sich erneut dem Check-in-Schalter zu, doch Tims Hand schloss sich schmerzhaft fest um ihren Oberarm, sodass sie sich wieder ihm zuwandte.
»Du hast dich nicht einmal verabschiedet«, konterte er vorwurfsvoll.
»Ich habe Ray informiert«, korrigierte sie selbstbewusst, »und ich dachte, wir hätten uns bereits verabschiedet.«
Was sollten ihre gemeinsamen Stunden mit Tim sonst gewesen sein, wenn nicht klischeehafter Abschiedssex? So konnte sie sich am besten ihren Moment der Schwäche in seinem Hotelzimmer erklären und ihr Verhalten vor sich selbst rechtfertigen. Anders konnte sie nicht erklären, warum sie mit einem Mann geschlafen hatte, der sie derart abweisend behandelte. Im Grunde ahnte sie zwar, dass Tims mehr Zuneigung für sie empfand, als er sie merken lassen wollte, aber das war noch kein Grund, ihm alles durchgehen zu lassen. Auch nicht, wenn sie wusste, dass er viel emotionaler war, als er es anderen zeigen wollte. Und zweifellos gab es da einen Teil in ihr, der Zuneigung für ihn empfand.
»Findest du nicht, es wäre angemessen gewesen, mir wenigstens lebwohl zu sagen?«, widersprach er ernst.
Lauren zuckte mit den Schultern. »Ihr schient beschäftigt.« Zumal sie befürchtet hatte, dass der Abschied ähnlich ablaufen könnte, wie ihr letztes Gespräch mit Tim. Beim besten Willen konnte sie nicht bestreiten, dass sich jede Faser ihres Körpers an sein Eindringen und seine Stöße erinnerte und nichts dagegen hätte, das zu wiederholen.
Aber sie erinnerte sich auch an seine befremdliche Drohung.
Lauren versuchte, seinen festen Griff abzuschütteln, kam allerdings nicht gegen seine Hand an. Es war zwar nichts Neues, dass er stark war, und auch das war etwas, das ihr an ihm gefiel. Ganz anders als der Weiberheld Bill mit seinen Komplimenten war Tim bestimmend und seltsam raubtierartig. Er wirkte gefährlich und hatte ihr bisher doch nie etwas getan – aber sollte sie deshalb abwarten, bis er zu weit ging, wenn er doch immer wieder andeutete, dass er sich selbst nicht traute?
»Nicht zu beschäftigt für ein kurzes Gespräch!«, erwiderte er vorwurfsvoll.
Lauren seufzte und wandte den Blick ab. So allmählich geriet sie unter Zeitdruck, weil der Flieger nicht auf sie warten würde – schließlich hatte sie das Check-in abgebrochen. Und wann ging der nächste Flug? Vielleicht erst am nächsten Tag.
»Wir wissen doch beide, dass unser Abschied nicht eine Sache von ‚Tschüss und auf Wiedersehen‘ gewesen wäre.« Selbst wenn Lauren sich gerne vorgemacht hätte, sie hätte widerstehen können, wusste sie genau, dass Tim sie zumindest geküsst hätte – und sie hätte vielleicht sogar noch mehr gewollt.
Es war wirklich nichts, worauf sie stolz war, aber sie hätte gerne nochmal mit ihm geschlafen, um es ganz auszukosten, bevor sie ihn aus ihrem Leben strich. Doch mit Sicherheit wäre ihr der Abschied dann noch schwerer gefallen und möglicherweise wäre es zu schwer geworden, wenn sie ihn noch näher an sich heranließ.
Das Abschiednehmen wäre zu gefährlich gewesen, weil Ray mit allen Argumenten und Angeboten sie nicht halten könnte, aber Tim könnte sie mit einem einzigen Kuss aufhalten.
»Nicht, wenn du es nicht gewollt hättest«, stellte er herausfordernd klar und zog sie dichter zu sich heran.
»Du hattest mich eindringlich davor gewarnt, es zu wiederholen«, erinnerte sie ernst, wenngleich das nicht der Grund war, warum sie gegangen war.
»Das bedeutet nicht, dass ich will, dass du gehst!«
Irritiert sah Lauren zu ihm auf, weil diese Worte wohl einem ‚Bitte bleib bei mir‘ am nächsten kamen. Sie kannte Tim zu gut, um zu ignorieren, wie offen diese Antwort für seine Verhältnisse war.
»Wenn du willst, dass ich bleibe, musst du mir einen Grund geben, zu bleiben!«, platzte sie heraus, ohne darüber nachgedacht zu haben, welche Konsequenzen diese Worte haben könnten.
Welche Art Grund erwartete sie denn? Wenn Tim sagte, er hätte Gefühle für sie, würde sie dann etwa bleiben? Es würde nichts daran ändern, dass er launenhaft und obendrein verliebt in Drohungen war. Er würde sich nicht plötzlich in Prinz Charming verwandeln, wenn er seine Gefühle wie eine Zauberformel offen aussprach!
»Was für einen Grund hättest du denn gerne?«, hakte er angriffslustig nach, wobei er seine freie Hand um ihr Kinn legte, sodass sie ihn ansehen musste. »Du bist eine tolle Fotografin und ich will, dass du weiterhin deinen Job machst«, begann er ernst. »Du hast etwas an dir, dass mich ich die Fassung verlieren lässt, und das gefällt mir«, er lächelte sie an. »Ich hatte noch nie so viel Lust auf eine Frau, wie auf dich, und ich will nicht, dass da vorbei ist.«
Lauren schluckte und wollte sich unweigerlich losreißen, weil es sich irgendwie falsch anfühlte, dass er das so unverblümt aussprach. Dass er sich nicht einmal dafür schämte, ihr so offen ins Gesicht zu sagen, was er von ihr wollte.
»Andere würden etwas von Gefühlen erzählen«, antwortete sie trocken, obwohl sie schon wusste, dass Tim sicher nicht mit einem Liebesgeständnis herausplatzen würde. Er war nicht der Typ, der solche Dinge sagte, um eine Frau ins Bett zu bekommen. Das war vermutlich noch eine seiner besten Eigenschaften.
»Soll ich das? Willst du wissen, was ich fühle?«, erkundigte er sich provokant. »Glaub mir, da sind wenig romantische Dinge dabei.«
Er neigte sich herab und presste seine Lippen kurz auf ihre. »Aber ich brauche dich.« Für seine Verhältnisse waren diese Worte unerwartet direkt und auch, wenn Lauren gerne näher erörtert hätte, was er damit meinte, wusste sie doch, dass er die Wahrheit sagte.
»Und du denkst, das reicht, damit ich mit dir zurückkomme, und all deine dummen Sprüche vergesse?«
Tim sah sie trotzig an. »Ja.«
Verdammt, hatte der Mann ein Ego!
Sie sollte ihn damit wirklich nicht durchkommen lassen! Sie sollte ihm klar sagen, dass er seine Chance gehabt und verpasst hatte, sie sollte ihn in die Wüste schicken und zum Flugzeug rennen, bevor es zu spät war!
»Ich brauche mehr als hin und wieder einen Kuss und irgendwelche verkorksten Andeutungen, wenn ich bleiben soll.«
Tims Daumen glitt zärtlich an ihrem Kinn entlang. »Was willst du denn? Du weißt genau, dass ich nicht mit der rosaroten Brille durch die Gegend laufe und romantische Dinge tue.«
Wahrlich nicht. Und dummerweise hatte sie ja die großen romantischen Gesten und blumigen Worte schon gehabt und zurückgelassen, was allerdings nicht bedeutete, dass sie jetzt genau das Gegenteil wollte.
»Keine Drohungen mehr!«, forderte sie entschlossen und sah Tim amüsiert lächeln.
»Dafür ist es inzwischen ohnehin zu spät.«
Lauren seufzte leise, weil diese Aussage fast genauso schlimm war, wie eine Drohung, aber sie nickte. »Ich bleibe noch für ein paar Tage, aber ich gehe, sobald du wieder anfängst, mir mit irgendwelchen fadenscheinigen Drohungen zu kommen.« Leider war sie allerdings ziemlich sicher, dass es nicht mehr als ein paar Tage sein würden, weil Tim nicht anders konnte. Sie wollte, er könnte sich ändern, tief im Herzen wusste sie jedoch schon, dass er sie letztlich verletzen würde.
Aber es war ja nun nicht gerade so, als gäbe es zuhause irgendwas, für das es sich lohnte, zurückzukehren. Hier gab es immerhin Tim, der diese zweite Chance vielleicht nicht verdiente, der es jedoch auch nicht verdiente, dass sie ihn einfach aufgab.
»In Ordnung«, lenkte er erstaunlich handzahm ein und lächelte dabei zum ersten Mal nicht etwa herablassend oder selbstbewusst, sondern einfach nur glücklich. So fühlte sich ihre fragwürdige Entscheidung plötzlich vollkommen richtig an.
James sah erneut auf seine Armbanduhr. Es war ein spätes Frühstück gewesen, aber immerhin hatten sie noch etwas bekommen – vermutlich weil sie VIP-Gäste waren und niemand sie zwingen wollte, zu hungern, zumal Maja mit ihren verbundenen Handgelenken sehr mitleiderregend wirkte. Obendrein wusste im Hotel längst jeder vom Pagen bis zum Haustechniker, dass man Maja entführt hatte. Einige hatten sich schon förmlich bei ihr entschuldig, als wäre es die Schuld des Hotels, dass ihr verrückter Ex sich eingeschlichen und sie verschleppt hatte. Dabei hatte damit keiner rechnen können. Doch James wünschte, er hätte damit gerechnet und den Kerl schon damals in Majas schäbiger Wohnung in Limerick erwürgt, statt das später von seinem unheimlichen Vater erledigen zu lassen.
Dieser Wunsch wuchs, je öfter er die Verbände an Majas Handgelenken sah. Als wüsste sie davon, versuchte sie, diese Spuren der Fesseln unter einer langärmligen Jacke zu verstecken, aber spätestens am Mittag würde es zu warm dafür sein.
Beschützend legte er seinen Arm um Majas Schultern, als sie die Lobby in Richtung Fahrstuhl durchquerten.
»In Zukunft lassen wir uns das Frühstück aufs Zimmer bringen«, entschied James, als er durch die deckenhohen Fenster der Lobby wieder ein Kameraobjektiv entdeckte. Bisher hatten sie in Italien nur wenige Fans und kaum Aufmerksamkeit erregt, durch Majas Entführung allerdings waren sie über Nacht bekannt geworden. Laut Ray wirkte sich das zwar positiv auf die Verkaufszahlen ihrer Alben aus, aber es verärgerte James, wie man ständig versuchte, ein Bild von Maja zu erhaschen – dabei musste es doch jedem mit gesundem Menschenverstand klar sein, dass sie Ruhe brauchte.
Sie ging dicht neben ihm, so dass er mit seinem Körper den Blick auf sie versperren konnte, bevor ein eifriger Page hinausstürmte, um den Mann mit der Kamera zu verscheuchen. James nickte dem Pagen dankbar zu und führte Maja weiter.
»Sollten wir nicht lieber mit den anderen frühstücken?«, widersprach Maja ernst und natürlich wieder mehr um den inneren Frieden der Band besorgt als jeder andere, obwohl sie doch auch allmählich wissen sollte, dass da alle Mühe vergebens war.
Gleichgültig zuckte James mit den Schultern. »Wir verbringen schon so viel Zeit zusammen, da können wir auch mal eine Mahlzeit alleine einnehmen.«
Wie angewurzelt blieb James stehen, als er bemerkte, wie Tim vor ihnen in die Hotellobby gestürmt kam. Er hielt mit einer Hand Lauren am Arm gepackt, mit der anderen zog er ihren Koffer hinter sich her. Sie hatten es so eilig, dass sie keinerlei Notiz von der Umgebung nahmen, und stürmten direkt in einen Aufzug, der eigentlich gerade losfahren wollte. Tim schob Lauren grob durch die Türen und folgte gleich darauf, bevor er das Stockwerk wählte. Zwischen den sich schließenden Türen traf sein Blick James und er grüßte wortlos, doch offenbar zog er nicht in Betracht, auf sie zu warten.
Dabei wollte Maja ganz offensichtlich auf sie zu stürmen, aber James ließ sie nicht von seiner Seite. Er wollte nicht, dass Maja sich in diese Szene einmischte. Zwischen Tim und Lauren herrschte das gewohnt eisige Klima, auf das James gut verzichten konnte.
»Was war das?«, platzte Maja heraus. »Warum hatte Lauren ihren Koffer dabei?«
James wollte das lieber nicht zu genau erörtern, zumal er ohnehin nur spekulieren konnte. »Vielleicht bekommt sie ein neues Zimmer, weil es in ihrem alten Kakerlaken hatte. Und Tim hilft ihr mit dem Gepäck.« Nicht, dass er für diese These irgendwelche Grundlagen hatte, außer dass es eben plausibel klang und Maja wohl eher nicht über Ungeziefer diskutieren wollte.
»Sie kamen aber von draußen, und warum sollte ausgerechnet Tim sie zu ihrem neuen Zimmer bringen?« Natürlich gab Maja nicht so schnell auf, sie sah ihn forschend an. »Gab es wieder Streit mit Lauren, als ich weg war?«
‚Als ich weg war‘ klang, als hätte sie ein paar Tage auf einer Beauty Farm verbracht und nicht verschleppt und gefesselt in irgendeiner Bruchbude ausgeharrt.
»Keine Ahnung«, antwortete James ehrlich, »ich habe sie nicht gesehen.« Er hatte keine Zeit gehabt, sich länger mit dem Streit über die Fotografin zu beschäftigen. Er hatte sich auf Majas Rettung konzentriert, auch wenn er frustrierend wenig dazu beigetragen hatte.
»Kann sein, dass Bill es nun so weit getrieben hat, dass sie gehen wollte, und Tim hat sie zurückgeholt«, überlegte er laut, aber wenig interessiert an dieser Fragestellung. Von ihm aus hätte die Fotografin ruhig verschwinden können, weil sie ganz offensichtlich zu Spannungen führte, insbesondere Bill und Tim schienen nicht besonders gut mit ihr zu können.
»Warum sollte Tim das tun?«
James zuckte mit den Schultern – nicht weil es ihm egal war, sondern weil er nicht wusste, wie er seinen großen Bruder einschätzen sollte. Tim hatte offenbar Seiten, von denen sie alle bisher nichts geahnt hatten. Er hatte sie alle glauben lassen, ihr Vater wäre einfach fortgegangen, doch nun stellte sich heraus, dass Tim höchstpersönlich ihn in die Wüste geschickt hatte. Hatte er damit die geistige Gesundheit ihrer Mutter aufs Spiel gesetzt? Hatte er möglicherweise die ganze Zeit gewusst, wo ihr Vater zu finden war, und ihnen allen diese Information vorenthalten?
»Vielleicht wollte er Bill einen Gefallen tun. Ich glaube nämlich, Bill hat ein Auge auf Lauren geworfen«, schlug James nun vor, weil er wusste, dass Maja Bills Zuneigung auch bemerkt hatte.
Maja erstarrte und blieb kurz vor dem Aufzug stehen. »Denkst du zwischen Bill und Lauren läuft etwas?«, hakte sie entsetzt nach.
Ungeduldig schob James sie weiter und drückte den Rufknopf. »Bisher ist das wohl eher Wunschdenken von Bill.« Aber zumindest er konnte nicht ausschließen, dass Lauren dieses Interesse erwiderte.
»Dann müssen wir Lauren sagen, worauf sie sich da einlässt!«, forderte Maja unerwartet bestürzt.
Natürlich war auch James klar, dass es unaufrichtig wäre, wenn sie Lauren in dem Glauben ließen, das größte Risiko bei einer Affäre mit Bill wäre, dass sie hinterher an gebrochenem Herzen litt. Noch wusste keiner von ihnen, was das Band entstehen ließ, das James und Maja unfreiwillig geschlossen hatten. Sie beide hatte keiner warnen können, aber es wäre grausam, Lauren nicht zu warnen – nun da sie es alle das Risiko kannten.
»Wir müssen mit den beiden reden«, beschloss Maja ernst und James schob sie eilig in den Aufzug, bevor sie mitten in der Lobby noch Dinge ausplauderte, die geheim bleiben sollten.
Warnend warf er einigen näherkommenden Hotelgästen so böse Blicke zu, dass die sich schnell dem Treppenhaus zuwandten, statt Maja und James zu folgen.
»Wir werden sehen, ob es überhaupt Grund zur Sorge gibt. Bill hat ja selbst panische Angst vor einer Verbindung mit Lauren, also wird er sicher auf Abstand bleiben. Vielleicht wird sie ja auch gar nicht lange genug bleiben, dass wir uns Sorgen machen müssen.«
Maja seufzte leise und lehnte sich an James‘ Seite, wodurch er sich gleich wieder etwas ruhiger fühlte. »Warum hat Tim sie dann überhaupt zurückgeholt? Er weiß doch auch, dass es besser wäre, wenn sie geht.«
James zuckte mit den Schultern und genoss ihre Nähe. Nach den Tagen, die sie in Gefangenschaft verbracht hatte, vermisste er sie in jeder Sekunde, in der sie nicht an seiner Seite war. Und das hatte nichts damit zu tun, dass er zum Überleben auf ihre Nähe angewiesen war.
»Keine Ahnung, ist ja nicht so, als würde ich verstehen, was der tut und denkt.«
Maja nickte und sie traten gemeinsam auf den Flur zu ihrer Suite, wo bereits am Aufzug ein Sicherheitsmitarbeiter kontrollierte, wer das Stockwerk betrat. Ray hatte die Sicherheitsvorkehrungen nach Majas Entführung erhöht und inzwischen hatte er auch entschieden, dass sie vorzeitig abreisen würden, um dem Presserummel zu entkommen. James war nicht gerade traurig darüber, wenngleich es bedeutete, dass sie einen geplanten Auftritt absagen mussten. Keiner von ihnen fühlte sich noch wohl in dieser Stadt. Der Tapetenwechsel würde ihnen vielleicht helfen, sich zu erinnern, dass sie eigentlich unterwegs waren, um Bekanntheit außerhalb Irlands zu erreichen. Ihre Musik hatte in den letzten Tagen erschreckend an Bedeutung verloren.
James öffnete die Tür zu ihrer Suite und verschloss sie hinter ihnen von innen.
»Wir müssen das klären!«, beharrte sie ernst, während sie ins Badezimmer lief, um sich frisch zu machen.
James folgte ihr kurzentschlossen und schloss auch diese Tür hinter sich. »Werden wir«, versicherte er lächelnd, während er hinter sie trat. »Wsie ie wäre es erst einmal mit einem Bad?«, schlug er leise vor, wobei er seine gespreizten Finger um ihre Hüften legte und sie so an seinen Schoß zog.
Es war wirklich nicht so, dass er sich nicht schämte, dass er nach diesen fürchterlichen Tagen nichts Besseres zu tun wusste, aber er konnte kaum an etwas anderes denken, als wieder in ihr zu sein. Vielleicht sehnte er sich nur so verzweifelt danach, weil er tagelang befürchtet hatte, ein anderer Mann könnte genau das mit ihr tun. Zu wissen, dass nichts Derartiges geschehen war, machte es allerdings nicht besser.
Erstaunlich anschmiegsam lehnte Maja sich gegen ihn und ließ den Kopf zurückfallen, damit er sie küssen konnte, ohne dass sie sich umdrehen musste. »Was immer du willst«, wisperte sie, wobei sie die Arme über den Kopf hob und mit den Händen nach seinem Nacken tastete.
Schon in ihrem Kuss spürte er wieder, wie ihre köstliche Energie in seinen Körper strömte und sein Glied steif werden ließ, was ihr sicher nicht verborgen blieb.
»Ich will in dir sein, so tief wie noch nie zuvor«, gestand er unverblümt und ohne jegliches Schuldbewusstsein. Maja wusste, dass seine Ansprüche auf sie mehr als nur romantischer Natur waren, er brauchte sie zum Überleben, daher wollte er sie auch vollständig in Beschlag nehmen.
Auf ihre Wangen trat eine zarte Röte, ehe sie nickte und sich zu ihm umwandte, damit er sie bequemer küssen konnte. Mit den Armen um seinen Nacken sah sie ihn aus diesen wunderschönen braunen Augen an und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen, wobei ihre kleine Zungenspitze zärtlich über seine Lippen strich.
James knurrte zufrieden und dirigierte sie langsam durch das geräumige Bad zu dem Waschtisch, auf dem unnötig viel Platz für sorgfältig gerollte Handtücher war. Mit einer Hand schob er die Frottee-Rollen beiseite – ein Teil fiel zu Boden, ein Teil in eines der beiden Waschbecken. Sodass er Platz hatte, Maja auf den Waschtisch zu heben, ohne seinen Kuss zu unterbrechen.
Mit seinem Becken schob er ihre Knie auseinander, sodass er bequem dazwischen stehen konnte. Hastig öffnete er mit einer Hand den Knopf am Bund seiner Jeans, um sich mehr Freiraum zu verschaffen, während er zugleich seine Zunge in ihren Mund drängte und ihre liebkoste.
Vorsichtig befreite Maja seine Erektion aus dem festen Stoff und fuhr mit beiden Händen zärtlich daran entlang, als wäre er nicht schon hart genug. Ungeduldig fasste er den Saum ihres Kleidchens und zerrte es über ihren Kopf nach oben, wozu Maja die Arme heben musste, sodass sie ihn nicht weiter streicheln konnte.
Er nutzte die Gelegenheit, um auch gleich darauf ihren BH ungeöffnet nach oben zu zerren, ohne Rücksicht darauf, ob das Dessous darunter litt. Er kaufte ihr gerne neue Sachen, die er ihr ausziehen konnte.
Maja verbarg ihre nackten Brüste mit einem Arm und lächelte. »Du hast es eilig.«
»Nur jetzt«, James grinste, »glaub mir, nachher lassen wir uns viel Zeit.«
Ihm war es, als müsste er einiges nachholen wegen der Tage, die er ohne sie verbracht hatte, dabei hatte er sich eigentlich vorgenommen, sich ihr gegenüber zurückzuhalten, solange er nicht abschätzen konnte, welche Auswirkungen solche Aktivitäten auf ihre Gesundheit hatten.
Zärtlich fasste er ihren Arm, um ihn von ihrer Brust zu ziehen, und legte ihn stattdessen um seinen Nacken.
»Du weißt ja gar nicht, wie sehr du mir gefehlt hast.« Mit einer Hand griff er nach ihrer linken Brust und umschloss sie fest, als könnte er so auch sie festhalten.
Maja bog den Rücken durch, sodass sich ihre Wölbung in seine Handfläche schmiegte und er eilig mit der anderen Hand nach ihrer zweiten Brust griff. Sie waren so weich und gerade etwas zu groß für seine Hände, so wie er es mochte.
Keuchend ließ er die Hände tiefer sinken, bis er ihren Slip ertastete und hinabziehen konnte, gleichzeitig schleuderte er seine Hose von sich, bevor er weiter zwischen ihre Schenkel schob, die sie gerade so weit öffnete, dass er dazwischen passte.
So berührte sein pochendes Glied die feuchte Hitze in ihrem Schoß und erkundete sie, bis er die richtige Position fand, um in sie zu gleiten. Maja rutschte sofort näher an ihn, um ihn weiter in sich aufzunehmen, wobei sie ein erregendes Stöhnen ausstieß und ihn aus seltsam verschleierten Augen von unten her ansah. Sie hielt sich mit beiden Händen an seinen Schultern fest, während er ihre Schenkel umfasste, um sie noch weiter zu spreizen und immer tiefer in sie zu gleiten. Er stieß einmal zu, ein zweites Mal und hielt sie dabei so fest, dass sie nicht zurückweichen konnte, obwohl ihr ganzer Körper von ihm erschüttert wurde.
Jedes Mal zog sich ihre Mitte um ihn zusammen, als wollte sie ihn festhalten, und er genoss es, wie sie jeden Zentimeter seiner Länge massierte.
Er hielt sich nicht zurück. Jeder Stoß kam schneller und jedes Mal stöhnte sie leise, ohne sich über seine raue Art zu beklagen.
Im Gegenteil, er spürte, wie sie sich immer mehr spannte, wie ihre Muskeln um ihn zuckten und wie sie schließlich die Kontrolle verlor. Beinahe zeitgleich versenkte er sich bis zur Wurzel in ihr und ließ endlich den Höhepunkt zu, den er fast von Anfang an unterdrückt hatte.
Maja setzte sich neben James an den gedeckten Tisch und war froh, nicht mehr auf ihren zittrigen Beinen laufen zu müssen. Sie konnte sich nicht erinnern, ob James sie schon je so ausdauernd geliebt hatte. Er allerdings schien davon überhaupt nicht erschöpft, sondern vollkommen zufrieden und erleichtert, als hätte er irgendeine Sorge beim Sex abschütteln können.
Sie wollte sich auch wirklich nicht beklagen. Das, was sie in den letzten Stunden getan hatten, war wichtig für sie beide gewesen und heilsam. Bisher hatte Majas ganzer Körper geschmerzt von dem tagelangen Ausharren in Davids Versteck, nun wurden diese Schmerzen von einer angenehmen Müdigkeit verdrängt.
Sie lächelte in die Abendessensrunde in einem privaten Speisesaal, den Ray ihnen verschafft hatte, und fühlte sich beim Anblick all der vertrauten Gesichter innerlich ruhig werden.
»Wo ist Tim?«, entfuhr es ihr überrascht, als ihr Blick an dem verlassenen Teller ihr gegenüber hängen blieb.
»Hat wohl etwas mit Adrian zu klären«, berichtetet Bill hörbar genervt.
Augenblicklich bröckelte der innere Frieden wieder und Maja schluckte schwer, weil ihr das so gar nicht behagte. Ja, Adrian hatte sie befreit, doch er hatte auch David getötet und er hatte dabei nicht gewirkt, als hätte er deshalb Gewissensbisse. Er war unberechnbar und geheimnisvoll und seine Geschichte, dass er als Waffe geschaffen worden sein wollte, machte ihn nicht unbedingt sympathischer.
Maja sah zu James neben ihr, der nur mit den Schultern zuckte. »Vielleicht gut, wenn sie sich aussprechen. Da gibt es offenbar einen alten Streit zu klären und da wären wir vermutlich eher im Weg.«
Nachdenklich nickte Maja. »Mir ist irgendwie nicht wohl dabei«, gab sie ehrlich zu und blickte dabei in die Runde der Brüder, die zweifellos alle eine Meinung dazu hatten, aber ihre Gedanken wohl für sich behalten wollten.
Bill erwiderte ihren Blick ernst, während die anderen ihr eher auswichen. »Es kommt überraschend«, stimmte der Sänger ihr leise zu.
James lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Woher willst du wissen, was nun überraschend für Tim ist? Immerhin hat er uns die ganze Zeit etwas vorgemacht. Er könnte auch heimlich ein Sternekoch sein und wir wüssten es nicht.«
Maja schluckte das Entsetzen über die bittere Wut hinunter, die aus den Worten ihres Freundes sprach. Unverkennbar fühlte er sich betrogen und im Stich gelassen – und er hatte recht. Keiner von ihnen konnte einschätzen, ob Tim ihnen noch mehr verschwiegen hatte. Allerdings konnte Maja sich vorstellen, dass er seine Geheimnisse aus Angst für sich behalten hatte. Vielleicht hatte er befürchtet, dass seine Brüder ihm den Bruch mit ihrem Vater verübeln und ihn ausschließen würden. Er war damals immerhin noch ein Jugendlicher gewesen und möglicherweise selbst überfordert mit der Situation.
»Aber es ist seltsam, dass Tim nun ausgerechnet mit dem Mann die Köpfe zusammensteckt, den er ursprünglich zum Teufel jagen wollte. Gut möglich, dass er uns bisher nicht einmal die halbe Wahrheit gesagt hat!«, widersprach Bill ernst. »Und mir gefällt es nicht, dass dieser Kerl auftaucht und uns auseinanderreißt.«
Maja griff nach dem bereitstehenden Wasserglas vor sich und nahm einen Schluck, um diese Gedanken in Ruhe aufzunehmen. Sie waren seit Adrians Auftauchen nicht mehr alle beieinander gesessen, deshalb verstand sie, dass Bill ein Auseinanderbrechen ihrer Gemeinschaft monierte. Allerdings war die Situation nicht nur Adrians schuld: Maja hatte sich ausruhen wollen und James hatte es sich natürlich nicht nehmen lassen, bei ihr zu bleiben. Von diesem gemeinsamen Abendessen hatten sie sich wohl alle die Gelegenheit erhofft, sich auszutauschen, aber nun hatte Tim sich von ihnen isoliert. Was war in den letzten 24 Stunden geschehen, von dem sie keine Kenntnis genommen hatten?
»Wir haben Tim heute Morgen mit Lauren gesehen«, berichtete Maja nachdenklich, in der Hoffnung, dass das Thema in dieser Runde eher auf Gehör stoßen würde als zuvor bei James.
»Ich dachte, sie hat gekündigt und wollte heimfahren«, erwiderte Bill irritiert. »Ray hat mir das gesagt und schien darüber ziemlich enttäuscht.«
Oft tauschte Ray sich über solche organisatorischen Dinge mit Bill aus, weil der nach außen den Kopf der Band spielte, obwohl Tim das tatsächliche Familienoberhaupt war.
»Sie hatte einen Koffer dabei«, stimmte Maja zu, »aber sie und Tim sind nicht fortgegangen, sondern kamen von draußen und sind offensichtlich zu den Zimmern gefahren.«
James seufzte. »Vielleicht hat Tim erfahren, dass Lauren gekündigt hat, und hat sie überredet, es doch nochmal mit uns zu versuchen.«
Gedankenverloren nickte Maja. Es machte tatsächlich den Eindruck, als hätte Tim Lauren von der Abreise abgehalten. Möglicherweise hatte er sie zufällig vor dem Hotel mit dem Koffer gesehen und deshalb zurückgehalten. Aber ...
»Warum sollte er das tun?«, fragte sie ernst in die Runde, weil es für sie keinen Sinn ergab.
James und Bill zuckten in seltener Einigkeit mit den Schultern. Charlie starrte auf seinen Teller und Mike knabberte an einem Grissini.
»Vielleicht hat Ray ihn gebeten, mit Lauren zu reden? Immerhin war es ihm wichtig, dass Lauren bei der Tour dabei ist«, überlegte Charlie zögernd, ohne die anderen anzusehen.
Sofort schüttelte Bill den Kopf. »Das hätte Ray dann sicher eher mir gesagt, schließlich hat er mir auch von der Kündigung erzählt.«
James zuckte mit den Achseln. »Vielleicht dachte Ray, du wärst dafür nicht der Richtige, weil du Lauren von Anfang an nicht dabei haben wolltest.«
Erschrocken richtete Bill sich auf. »So kann man das nicht sagen! Ich finde, dass Lauren tolle Arbeit macht.«
Abschätzig winkte James ab. »Du findest vor allem, dass Lauren toll aussieht, und genau deshalb wäre es vielleicht besser, wenn sie abgereist wäre.«
Sichtlich gereizt Bill lehnte sich auf den Tisch. »Was soll das heißen? Dass ich eine Gefahr für sie bin?«
Maja seufzte leise und legte James beschwichtigend eine Hand auf den Oberschenkel, damit er ihr die Erklärung überließ. Ihr Freund hatte leider ein beeindruckendes Talent, Bill mit einem einzigen Wort zu reizen. Es war kaum vorstellbar, dass die beiden früher einmal beste Freunde gewesen sein sollten – aber vielleicht lag es gerade daran: Sie waren sich so nahe gewesen, dass der Widerspruch des anderen nun umso mehr verletzte.
»James meint damit nur, dass du selbst von Anfang an Angst hattest, dass du dich vielleicht in Lauren verlieben könntest, und da du das ja nicht willst, wäre es wohl besser, sie wäre gegangen.«
Zumal Lauren sich nicht damit wohlgefühlt hatte, dass Bill sie anbaggern wollte und Tim das zu unterbinden versuchte. Darüber wollte Maja allerdings in dieser Runde nicht sprechen. Es ging hier ja nicht darum, Lauren zu verstehen, sondern Tim.
Durch ihre Erklärung schien Bill sich immerhin ein wenig zu entspannen. »Mag sein.« Aber offensichtlich wollte er trotzdem nicht, dass Lauren ging – war es etwa bereits zu spät und er hatte Gefühle für Lauren entwickelt?
»Vielleicht sollte einer von uns mit Lauren sprechen und sie fragen, was los ist«, schlug Mike nüchtern vor, während er sich ein weiteres Grissini angelte.
Der Vorschlag war erschreckend naheliegend und vermutlich aussichtsreicher als länger zu spekulieren.
»Ich kann es versuchen«, bot Maja sofort an, bevor Bill auf die Idee kam, sich freiwillig zu melden. Zwar tat er ihr leid, weil er ganz offensichtlich wirklich Interesse an Lauren hatte, auch wenn er es bisher auf eine verkorkste Art gezeigt hatte. Aber sie wusste nur zu gut, dass die Verbindung, die zwischen ihr und James bestand, zur Qual werden könnte, wenn Lauren seine Gefühle nicht erwidern sollte. Schließlich hatte Bill bereits einmal angedeutet, dass er eine Frau zur Not auch gegen ihren Willen zum Bleiben zwingen würde. Es war wirklich besser, dass diese Bindung zwischen Lauren und Bill nicht zustande kam. Und das konnten sie am ehesten sicherstellen, indem sie Lauren auf Abstand zu Bill hielten.
Das war auch in ihrem Interesse, denn sie machte nicht den Eindruck, als wäre sie an einer lebenslangen Beziehung mit Bill interessiert.
Maja stieg als eine der ersten am nächsten Morgen in den Tourbus, während James noch draußen mit Bill über den bevorstehenden Auftritt diskutierte. Ray hatte in rekordverdächtigem Tempo ein zusätzliches Konzert in Venedig an Land gezogen zum Ausgleich für das abgesagte in Rom – als wäre es ein unverzeihlich, wenn sie während der Tour mal einen Tag frei hätten. Vor der Weiterfahrt nach Berlin würden sie also ein paar Tage in Venedig gastieren.
Maja musste sich sehr beherrschen, darüber nicht in Begeisterungsstürme auszubrechen. Schon in ihrer Zeit mit David hatte sie sich einen Kurzurlaub in Venedig gewünscht, doch der bodenständige Makler hatte kein Interesse an überteuerten, überlaufenen Touristenhochburgen.
James schien zwar auch nicht unbedingt der Typ für eine romantische Gondelfahrt, aber vielleicht konnte sie ihn wenigstens überreden, mit ihr an einigen Kanälen entlang zu schlendern.
Zuerst einmal hoffte Maja allerdings, dass sie die mehrstündige Fahrt im Tourbus nutzen konnte, um ein paar Worte mit Lauren zu wechseln. Sie war extra so frühzeitig eingestiegen, um der Fotografin aufzulauern. Im Bus würden sie zwar nie ganz ungestört sein, aber hoffentlich konnte sie Lauren trotzdem zum Reden bringen.
James kam in den Bus und schüttelte den Kopf, als wollte er sie vor etwas warnen. Unmittelbar hinter ihm kam Lauren mit Tim, dicht gefolgt von Tim, der bis zur letzten der wenigen Sitzreihen im Bus führte, ohne Maja eines Blickes zu würdigen. Auch Lauren blickte zu Boden, als wollte sie jeden Blickkontakt vermeiden.
Sie sah nicht aus, als wäre sie glücklich und voller Vorfreude auf ihre Arbeit. Es sah eher aus, als würde Tim sie wie ein Gefängniswärter zur Zelle bringen.
Früher war es anders gewesen. Sie hatte immer Eifer und Leidenschaft für ihre Arbeit ausgestrahlt, jetzt war sie kaum mehr als ein Schatten ihrer selbst.
Maja atmete tief durch und wollte aufstehen, um Lauren zu folgen, doch James legte ihr schwer eine Hand auf die Schulter und drückte sie zurück auf ihren Sitz.
»Keine gute Idee.« Er ließ sich neben sie fallen und streckte die Beine aus, sodass er ihr den Weg versperrte.
»Du wirst keine hilfreichen Antworten bekommen, so lange Tim sie bewacht«, ergänzte er, leider zu recht. Es würde nichts bringen, wenn sie Lauren fragte, warum sie geblieben war, während Tim sie festhielt.
»Wir haben mit Ray gesprochen. Er wusste nichts davon, dass Lauren geblieben ist. Er ist zwar froh, aber er hat nicht versucht, sie umzustimmen, weil wir ja ohnehin alle gegen ihre Anwesenheit auf der Tour waren.«
Maja ließ sich frustriert zurückfallen, weil sie wusste, dass James sie nicht durchlassen würde. Es war ja richtig.
So wie Tim Lauren festhielt, würde er sie wohl kaum für ein Frauengespräch mit Maja aus den Augen lassen.
»Das macht es nicht besser«, antwortete Maja ernst und frustriert, weil es ihr widerstrebte einfach abzuwarten.
James seufzte. »Nein. Wir haben weiter keine Ahnung, was das Ganze soll.«
Allerdings sprachen sie gar nicht über die Erklärung, die für Maja geradezu auf der Hand lag: Tim hatte Lauren einfach nicht gehen lassen wollen. Da er sie jedoch wie eine Gefangene behandelte, hatte es nichts Romantisches an sich. Und es wurde noch schlimmer, wenn man bedachte, dass Tim neuerdings so viel Zeit mit Adrian verbrachte.
»Das gefällt mir nicht«, flüsterte Maja ernst, »Lauren sieht nicht glücklich aus.«
Es war nicht, dass sie krank oder verletzt wirkte, aber auch nicht ganz sie selbst. Sie war etwas blasser, schien müde und in sich gekehrt. Vor allem jedoch war sie offensichtlich nicht freiwillig hier. Sogar nachdem Tim sie losgelassen hatte, machte es den Eindruck, als stände sie unter seiner Kontrolle. Was so gar keinen Sinn ergab. Wenn Tim bisher irgendetwas von Lauren gewollt hatte, dann war es, dass sie abreiste.
»Vielleicht hat sie schlecht geschlafen oder Angst vor einem Streit mit Bill ...«, antwortete James leise. »Es muss nicht bedeuten, dass wir Grund zur Sorge haben.«
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