Romantic Thriller Spezialband 3038 - 3 Romane - Ann Murdoch - E-Book

Romantic Thriller Spezialband 3038 - 3 Romane E-Book

Ann Murdoch

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane: (399XE) Besuch aus dem Reich der Toten (Ann Murdoch) Der Fluch aus der Gruft (Ann Murdoch) Verhängnisvolle Beschwörungen (Ann Murdoch) Seltsame Dinge geschehen in Willowpond Down, einem Freilichtmuseum in Form eines Dorfes im Süden Englands. Drei Wissenschaftler werden mit Dingen konfrontiert, bei denen sie sich bald nicht mehr sicher sind, ob sie träumen oder ob all dies wirklich geschieht. Die gefundene Leiche ist zumindest echt...

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Ann Murdoch

Romantic Thriller Spezialband 3038 - 3 Romane

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Inhaltsverzeichnis

Romantic Thriller Spezialband 3038 - 3 Romane

Copyright

Besuch aus dem Reich der Toten

Der Fluch aus der Gruft

Verhängnisvolle Beschwörungen

Romantic Thriller Spezialband 3038 - 3 Romane

Ann Murdoch

Dieser Band enthält folgende Romane:

Besuch aus dem Reich der Toten (Ann Murdoch)

Der Fluch aus der Gruft (Ann Murdoch)

Verhängnisvolle Beschwörungen (Ann Murdoch)

Seltsame Dinge geschehen in Willowpond Down, einem Freilichtmuseum in Form eines Dorfes im Süden Englands. Drei Wissenschaftler werden mit Dingen konfrontiert, bei denen sie sich bald nicht mehr sicher sind, ob sie träumen oder ob all dies wirklich geschieht. Die gefundene Leiche ist zumindest echt...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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Alles rund um Belletristik!

Besuch aus dem Reich der Toten

von Ann Murdoch

Ein CassiopeiaPress E-Book

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© der Digitalausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Der Umfang dieses E-Book entspricht 100 Taschenbuchseiten.

Nach dem Tod ihres Onkels Robert erbt Rebecca Fitzpatrick nicht nur ein großes Vermögen, sondern auch einen dreieckigen Gegenstand aus Jade, der in der Mitte ein fein gearbeitetes Auge aus einem blauen Stein enthält. An den drei Rändern sind seltsame Schriftzeichen eingeritzt. Der Gegenstand ist das Erbe ihrer ums Leben gekommenen Eltern, die ihn bei einer Ausgrabung gefunden haben. Um dem Geheimnis des Artefakts auf den Grund zu gehen, setzt Rebecca ihr Leben aufs Spiel...

1

Nervös knetete Rebecca Fitzpatrick die Hände und lief auf dem langen Flur im Obergeschoss des vornehmen Herrenhauses Hollyroot auf und ab. Wie lange brauchte der Arzt denn noch bei ihrem Onkel Robert? Immer wieder wanderte der Blick der jungen Frau zu der Tür, hinter der sich das Schlafzimmer ihres Onkels befand.

Robert Fitzpatrick war der letzte lebende Verwandte der hübschen rothaarigen Lady Rebecca, die seit mehr als acht Jahren wie eine Tochter für ihn war, seit dem Zeitpunkt, da die Eltern von Rebecca bei einer Forschungsreise ums Leben gekommen waren. Allerdings hatte das Mädchen auch schon vorher hier auf Hollyroot gelebt, denn Eileen und Gordon Fitzpatrick waren beide bekannte und bedeutende Archäologen gewesen, die von ihrer Arbeit besessen waren und sich bei ihren beschwerlichen Reisen nicht mit einem Kind hatten belasten können. So war Rebecca von klein auf bei ihrem Onkel aufgewachsen, was der Liebe zu den Eltern aber keinen Abbruch getan hatte.

Die beiden hatten ein phantastisches Verhältnis zueinander, und als Sir Robert jetzt schwer erkrankte, war Rebecca zutiefst besorgt. Es handelte sich um eine langwierige Lungenerkrankung, die mit der Zeit jedoch immer schlimmer statt besser wurde. Alle Möglichkeiten zur Heilung hatte man ausgenutzt, doch nichts hatte wirklich angeschlagen.

Und nun war offensichtlich der Zeitpunkt gekommen, an dem es zu Ende ging.

Aber doch nicht so schnell!

Lady Rebecca schickte ein Stoßgebet gen Himmel, sicher schon das hundertste an diesem Tag. Sie wollte Onkel Robert nicht verlieren, und das nicht nur deswegen, weil er noch das einzige Bindeglied an ihre Familie war.

Die Vierundzwanzigjährige stöhnte unbewusst auf, als sich jetzt doch endlich die Tür öffnete. Dr. Nathaniel Parker, der langjährige Hausarzt, kam heraus und betrachtete Rebecca voller Mitleid.

„Geh hinein, Kind, es wird nicht mehr lange dauern“, sagte er leise.

Sie zog unwillkürlich den Kopf zwischen die Schultern.

„Versuche nicht zu weinen, das hilft deinem Onkel auch nicht mehr. Lass ihn nicht mit schwerem Herzen von dieser Welt gehen.“

Sie nickte zaghaft, drückte dann aber entschlossen die Klinke zum Schlafzimmer nieder. Die laue Luft eines Spätsommertages durchflutete den Raum, das Gezwitscher von Vögeln klang herein, und Onkel Robert lag, auf einige Kissen gestützt, schwach in seinem Bett. Das Gesicht war eingefallen, die Haut trocken, und die Augen waren bereits vom nahen Tod überschattet. Doch mit letzter Kraft streckte der Sterbende seiner Nichte die Hand entgegen.

„Tut mir so leid, liebste Rebecca, aber ich fürchte, ich muss jetzt von dir gehen.“

Die junge Frau kämpfte die aufsteigenden Tränen nieder und versuchte ein zaghaftes Lächeln.

„Niemand hat dir erlaubt, mich einfach allein zu lassen. Du darfst also jetzt nicht einfach sterben.“ Rebecca ließ sich auf der Bettkante nieder und strich sanft über die eingefallenen Wangen.

„Danach fragt uns niemand, mein Kind. Aber ich will nicht, dass du in tiefe Trauer versinkst. Du bist noch jung und wirst rasch darüber hinwegkommen.“ Die Worte des Mannes waren von langen Pausen begleitet, in denen er mühselig Atem schöpfte. „Für dich ist auf jeden Fall gesorgt“, fuhr Sir Robert dann fort. „Du hast nicht nur das Erbteil deiner Eltern, auch ich habe dich zu meiner Universalerbin gemacht, dir bleibt also auch Hollyroot erhalten. Und dazu mehr Geld, als du hoffentlich jemals brauchen wirst. Aber du bist ein vernünftiges Mädchen, du wirst schon nichts verschwenden. Ich bedaure nur, dass ich nicht mehr erleben kann, dass du noch einen guten Ehemann findest, der dich den Rest deines Lebens begleiten wird.“

„Rede nicht soviel“, mahnte Rebecca, der es im Augenblick ziemlich egal war, was und wie viel sie erbte.

„Ich muss aber jetzt mit dir reden, es ist die letzte Gelegenheit. Widersprich mir nicht, ich mache mir da keine Illusionen. Bitte, Rebecca. – Und nun sei bitte so gut und öffne dort drüben im Sekretär das Geheimfach.“ Sir Robert musste Rebecca genaue Anweisungen geben, sie hatte nicht einmal gewusst, dass sich dort ein Geheimfach befand.

„Ich hätte es dir vielleicht längst geben sollen – es ist ein Vermächtnis deiner Eltern. Doch ich hatte immer Angst davor, du könntest mich dann verlassen, um den Spuren deiner Eltern zu folgen. Verzeih mir bitte.“

„Ich hätte dich niemals verlassen, Onkel Robert, wir haben doch nur uns“, erwiderte Rebecca leise.

Jetzt endlich hatte sie das Fach geöffnet und nahm einen Gegenstand heraus, der in mehrere Lagen Seide gewickelt war.

„Was ist das?“, fragte sie ratlos.

Sir Robert nahm ihr den Gegenstand etwas mühsam aus der Hand und wickelte ihn aus. Zum Vorschein kam ein Dreieck aus Jade, das in der Mitte ein fein gearbeitetes Auge aus Turmalin enthielt, der Stein leuchtete strahlend blau auf, als das Licht der Sonne darauf fiel. An den drei Rändern waren seltsame Schriftzeichen eingeritzt, die jedoch aus einer unbekannten Sprache stammten. Das Auge selbst war mit getriebenem Gold belegt, und die Pupille bestand aus einem schwarzen Opal. Ein selten schönes Stück.

„Das hier war mit hoher Wahrscheinlichkeit der Grund, warum deine Eltern sterben mussten“, sagte Robert Fitzpatrick jetzt mit tonloser Stimme.

„Meine Eltern? Aber wieso? Warum? Für dieses Auge? Völlig unmöglich“, protestierte Rebecca, die plötzlich ein äußerst ungutes Gefühl hatte.

„Unterbrich mich nicht, ich habe nicht mehr viel Zeit“, bat der Mann. Er fühlte den Blick aus den leuchtend grünen Augen von Rebecca auf sich ruhen und wusste, dass er ihr jetzt das Herz schwer machen würde.

„Deine Eltern waren in Babylon, wie du weißt. In der alten Ruinenstadt waren sie auf der Suche nach archäologisch wertvollem Material. Als sie diesen Gegenstand hier fanden, taten sie das einzig richtige und schickten ihn mit ganz gewöhnlicher Post hierher. Diese Voraussicht rettete ihnen zwar nicht das Leben, aber dieses – dieses Ding hier eben. Zwei Tage später waren deine Eltern tot, ermordet. Die Sache wurde nie aufgeklärt, doch nach dem, was ich aus den letzten Briefen und den Tagebuchaufzeichnungen lesen konnte, gab es mindestens eine Geheimorganisation, oder einen Orden, oder so etwas, die versuchten, dieses Auge in ihren Besitz zu bringen – mit allen Mitteln.“

„Und du hast es acht Jahre lang hier verborgen gehalten, vor allem und jedem?“, fragte Rebecca fassungslos.

„Ich sah keine Notwendigkeit das Auge wieder ans Tageslicht zu bringen. Ich glaube nämlich, dass es magische Kräfte besitzt. Und ich glaube, dass es Schwierigkeiten bringen wird. Aber ich durfte nicht zulassen, dass du völlig unvorbereitet nach meinem Tod damit konfrontiert wurdest. Deshalb musste ich es dir jetzt übergeben. Du solltest es wieder verbergen – wenn es nicht schon zu spät dafür ist. Das Auge des Bukadnazar besitzt die Fähigkeit mit gewissen Leuten in Verbindung zu treten.“

Das fand Rebecca nun doch unwahrscheinlich. Sie hielt es eher für die Ausgeburt eines Sterbenden. „Das spielt jetzt keine Rolle“, wehrte die Frau ab und legte das Auge achtlos am Bettende ab.

Die Stimme von Sir Robert Fitzpatrick war bei seinen letzten Worten immer leiser geworden, die Atemzüge schwer und röchelnd. Sir Robert strich seiner Nichte über die kupfern schimmernden Haare. „Lebe wohl, mein Kind. Ich wäre gern noch geblieben.“

Rebecca umklammerte die Hand ihres Onkels. Dessen Körper erschlaffte jetzt jedoch, die Augen brachen. Rebecca starrte ihn ungläubig an. Das konnte doch jetzt nicht alles gewesen sein. Aber ein untrügliches Gefühl sagte ihr, dass sie sich mit den Tatsachen abzufinden hatte.

Wie betäubt stand sie auf und öffnete die Tür, Dr. Parker saß draußen auf einem der schrecklich unbequemen Stühle und schrieb einen Bericht.

„Er ist – Onkel Robert hat – ich meine...“ Jetzt brachen doch die Tränen aus der jungen Frau heraus, und der alte Arzt zog sie zärtlich an sich.

„Du wirst es schon schaffen, Rebecca. Das ist jetzt vielleicht ein schwacher Trost, aber du bist jung und stark.“

2

Die folgenden Tage erlebte Rebecca wie im Traum. Fast automatisch regelte sie die Formalitäten für die Beerdigung, ließ die Kondolenzbezeugungen unzähliger Besucher über sich ergehen, und war selbst bei der Testamentseröffnung noch völlig apathisch.

Doch am vierten Abend ging sie in ihr Schlafzimmer, um dort eine weitere schlaflose Nacht zu verbringen. Ihr Blick blieb plötzlich auf einem kleinen Tisch hängen. Da lag das Auge des Bukadnazar. Aber wie kam es hierher?

Rebecca hatte eine undeutliche Erinnerung daran, dass sie das Dreieck auf dem Totenbett von Onkel Robert liegen gelassen hatte, was danach damit geschehen war, wusste sie nicht zu sagen. Nun, vielleicht hatte eines der Hausmädchen den Gegenstand hierher gelegt.

Sie wollte das Dreieck etwas achtlos in eine Schublade packen, doch wurde ihr Blick plötzlich magisch angezogen von den seltsamen Schriftzeichen. Sie waren ihr völlig unverständlich, bestanden aus Strichen und pfeilartigen Dreiecken, die in regelmäßigen Anordnungen harmonische, aber unverständliche Muster ergaben.

Fasziniert setzte sich die junge Lady an den Tisch und starrte auf die Zeichen. Die Welt um sie herum versank, als sie versuchte, einen Sinn darin zu ergründen. So kam es ihr nicht einmal seltsam vor, als plötzlich zwei fremde Stimmen aufklangen.

„Sie kann das sowieso nicht lesen“, erklärte eine dünne piepsende Stimme.

„Aber sie muss herausfinden, was sich dahinter verbirgt, sonst wird es sie umbringen. Sie muss die Schrift entziffern, sonst nützt ihr alles nichts“, antwortete die andere Stimme.

Etwas erstaunt schaute Rebecca auf und glaubte ihren Augen nicht zu trauen.

Eine Maus und eine Katze saßen vor ihr auf dem Tisch, beide wirkten jedoch unwirklich, durchsichtig, nicht real.

„Wer seid ihr denn? Wie kommt ihr hierher? Und wieso könnt ihr sprechen?“, fragte Rebecca. Noch war sie so in den eigenen Gedanken gefangen, dass ihr das Absurde dieser Situation nicht zu Bewusstsein kam.

„Ich bin Ariel“, sagte die Maus. Sie hatte ein hellgraues Fell, winzig kleine, schwarze Knopfaugen und feine lange Tasthaare an der Nase.

„Und ich bin Mephisto“, stellte die Katze klar. Sie besaß ein schwarz-weiß geflecktes Fell, ungewöhnlich große ausdrucksvolle Augen und eine zart-rosa Nase.

„Wir sind Geister“, kam es dann von beiden gleichzeitig.

„Ach ja, wirklich? Klar, und was macht ihr dann hier?“ Es konnte sich hier wirklich nur um einen Alptraum handeln, stellte Rebecca für sich fest. Sicher war sie über der Betrachtung des Auges eingeschlafen, und ihr Unterbewusstsein gaukelte ihr jetzt diesen verrückten Traum vor.

„Wir haben noch zu unseren Lebzeiten den Tod eines Menschen verursacht. Und nun müssen wir den Menschen helfen, damit wir irgendwann keine Geister mehr sind.“

Verrückt, total verrückt.

Rebecca sah, dass Mephisto die Maus mit einem ausgesprochen hungrigen Blick anschaute. Er streckte eine Tatze aus und schlug Ariel wie spielerisch auf den Rücken.

„Kannst du gar nicht aufhören mich zu quälen?“, protestierte die Maus schrill.

„Ich bin ein Kater, es ist meine Natur, dich zu jagen.“

„Dann halte dich mal zurück, sonst jagst du mich in hundert Jahren immer noch.“

„Hört mal auf mit dem Streit. Ich möchte gerne wissen, warum ich die Schrift auf dem Auge entziffern soll“, mischte sich jetzt Rebecca ein. Sie war entschlossen, diesen Traum mitzumachen, wenn sie am Morgen erwachte und sich vielleicht noch an diesen Traum erinnern konnte, würde sie vielleicht sogar ein Lächeln finden.

„Wenn du das Auge ignorierst, wirst du große Probleme bekommen“, stellte Ariel klar.

„Und wenn du das Auge der Bruderschaft überlässt, werden viele Menschen große Probleme bekommen“, fügte Mephisto hinzu. Der halb durchsichtige Kater setzte sich hin wie eine Sphinx, wobei er jedoch die Maus nicht einen Augenblick aus den Augen ließ.

„Und was soll ich tun? Wenn ihr schon hier seid, um mir zu helfen, habt ihr doch bestimmt auch einen klugen Vorschlag“, erkundigte sich Rebecca ernsthaft.

„Warum wir?“, fragte Ariel. „Du bist doch der Mensch, also musst du auch wissen, was man tut, wenn man selbst keine Ahnung hat.“

„Du hast recht, Ariel, sie ist ein Mensch. Wir sollten ihr auf die Sprünge helfen.“

Ariel seufzte piepsend. „Du bist eine Katze und kennst die Zweibeiner wahrscheinlich besser. Muss man ihnen alles auf die Nase binden?“

„Ja, meistens“, erwiderte Mephisto und miaute.

„Ich glaube, ich werde langsam verrückt. Es war wohl ein bisschen viel in den letzten Tagen.“ Rebecca schüttelte über sich selbst den Kopf. „Ihr solltet jetzt besser aus meinem Traum verschwinden.“

„Aber du träumst doch gar nicht.“ Das Miau des Katers klang wie ein Kichern. „Aber weil du ein Mensch bist, verzeihen wir dir. Du solltest jemanden finden, der dir diese Schriftzeichen übersetzen kann. Jemanden wie Jonathan Lindbergh zum Beispiel. Und dann reden wir noch einmal miteinander. – Wenn du dann noch lebst.“ Mephisto sprang unvermittelt auf und stürzte sich auf Ariel, der mit einem wilden Piepsen verschwand. Gleich darauf war auch der Kater nicht mehr zu sehen, und Rebeccas Kopf ruckte hoch.

Sie saß noch immer hier am Tisch, und sie hatte eigentlich nicht geschlafen – oder doch? Bestimmt sogar. Schließlich gab es keine Geistermäuse und -katzen. Welch ein verrückter Traum. Und doch hatte der Traum ihr einen wichtigen Hinweis gegeben. Gleich morgen wollte sie versuchen jemanden ausfindig zu machen, der in der Lage war, die seltsamen Schriftzeichen in eine geläufige Sprache umzusetzen. Wer war eigentlich Jonathan Lindbergh?

Rebecca ging endlich zu Bett, fühlte sich aber noch immer wie im Traum. Mephisto und Ariel, nein, wie absolut verrückt.

3

„Herr Professor, Ihre Besucherin ist da.“ Jonathan Lindbergh hob kurz den Kopf von dem antiken Kasten, der vor ihm auf einem Tisch stand. Noch mit der Lupe in der Hand machte er eine unbestimmte Bewegung. „Soll hereinkommen.“

Gleich darauf war er schon wieder in die Betrachtung der halb verwitterten Schriftzeichen auf dem hölzernen Kasten vertieft.

Rebecca trat ein und sah sich einem relativ jungen Mann gegenüber. Braunes lockiges Haar umgab einen schmalen Kopf, bei dem die Frau im Schein der starken Lampe ein fast klassisches Profil erblickte. Lautlos bewegte der Mann die Lippen, hielt die Augen weiterhin unverwandt auf den Kasten gerichtet und schrieb mit der rechten Hand ohne hinzusehen ebenso seltsame Zeichen auf einen Zettel.

„Professor Jonathan Lindbergh?“, fragte sie nach einer Weile, in der der Mann sie vergessen zu haben schien.

Irritiert hob er den Kopf. „Bin ich. Und wer sind Sie?“

„Rebecca Fitzpatrick. Wir waren verabredet.“

„Waren wir?“ Langsam klärte sich der Blick des Mannes, kehrte aus unendlicher Ferne zurück in die Realität. „Ach, du lieber Himmel, ich habe Sie fast ganz vergessen. Entschuldigen Sie bitte. Sie hatten angerufen wegen einer unbekannten Inschrift, richtig?“

Er reichte Rebecca die Hand und lächelte sie an. Nun wirkte er sympathisch, fast wie ein großer Lausejunge. Seine Augen waren von einem warmen Braun, überschattet von dichten Brauen, der Händedruck war fest und warm, und das Lächeln fast unwiderstehlich.

„Was haben Sie da gerade gemacht?“, erkundigte sich Rebecca interessiert.

Jonathan lachte auf. „Eigentlich war das mehr eine nutzlose Übung. Die ursprüngliche Schrift auf dem Kasten stammt vermutlich aus der Zeit der ersten Apostel. Doch die Erzählung darauf ist eine Fälschung. Nichts besonderes, Alt-Hebräisch. Doch die Fälscher haben sich nicht die Mühe gemacht, die richtigen Redewendungen und Satzstellungen zu benutzen. Es lässt sich also ziemlich sicher sagen, dass diese Schrift nachträglich verändert wurde und nicht von den alten Aposteln stammt. Vermutlich erst aus dem siebten oder achten Jahrhundert. – Doch was kann ich für Sie tun?“

Rebecca öffnete etwas verlegen die Schachtel, in der sie das Auge transportierte. „Ich weiß nicht einmal, ob das hier echt ist. Ich bekam es als Erbstück, aber ich kann mit der Schrift darauf nichts anfangen.“

Interessiert nahm Jonathan ihr das Dreieck ab und stieß dann einen leisen Pfiff durch die Zähne. „Und wer hat Ihnen gesagt, dass ich etwas damit anfangen kann?“, erkundigte sich der Professor.

„Zwei – ach, Sie würden mir das doch nicht glauben. Spielt auch keine Rolle. Sie sollen einer von drei Experten weltweit sein, so heißt es, der in der Lage ist, überhaupt etwas damit anzufangen.“

Lindbergh legte das Auge ehrfurchtsvoll auf einen Tisch. „Ich will es in kurze Worte fassen, Miss Fitzpatrick - Lady Rebecca. Wenn dieses Artefakt echt ist, haben wir es hier mit dem Auge des Bukadnazar zu tun. Es war als Siegel gearbeitet worden, um den Codex Hammurabi, eines der ersten Gesetzbücher, eigentlich eher eine Sammlung von Rechtssprüchen, zu siegeln. Es gab eine Reihe von Stelen im alten Babylon, in denen mit Keilschrift Paragraphen eingemeißelt worden waren. Die berühmteste davon steht heute im Louvre, sie ist aus Diorit und wurde in Susa ausgegraben.“

„Das ist ja alles schön und gut“, unterbrach Rebecca etwas ungeduldig den ausführlicher werdenden Bericht des Wissenschaftlers.

„Verzeihen Sie, bei einem so interessanten Thema gehen leicht die Pferde mit mir durch. Sie wollen vermutlich wissen, was dieses besondere Auge jetzt zu bedeuten hat.“ Jonathan umfasste mit beiden Händen das Dreieck. Rebecca hatte für einen Augenblick das Gefühl, als würde das Auge zum Leben erwachen. Sicher handelte es sich um eine Sinnestäuschung, rief sie sich selbst zur Ordnung.

„Dieses Auge soll, der Überlieferung nach, die magische Macht des Bukadnazar besitzen. Eine Art Geheimorden wurde damals begründet, der den Auftrag hatte, mit diesem Siegel die Einhaltung der Gesetze durchzusetzen, mit allen Mitteln. Es ging eine Zeit das Gerücht, dieser Orden oder Geheimbund hätte sich auch noch bis ins Mittelalter gehalten, und darüber hinaus. Wichtig sind die Schriftzeichen um das Auge herum, die etwas von der damals üblichen Keilschrift abweichen.“

„Kann es sein, dass dieser Orden sich bis in die heutige Zeit gehalten hat?“, fragte Rebecca spontan.

„Wie kommen Sie darauf?“ Diese Frage kam ungeheuer schnell.

„Meine Eltern wurden getötet, nachdem sie dieses Auge bei Ausgrabungen in Babylon gefunden hatten.“

Jetzt hatte sie die ungeteilte Aufmerksamkeit von Jonathan Lindbergh. „Sie sind die Tochter von Eileen und Gordon Fitzpatrick?“

Rebecca nickte.

„Kommen Sie, das ist ja wirklich eine phantastische Neuigkeit. Ich habe Ihren Vater gekannt – nicht persönlich, leider. Aber wir haben korrespondiert. Und er hatte mir in seinem letzten Brief eine Sensation versprochen. Jetzt weiß ich, was er meinte. Er hatte dieses Auge gefunden.“

Rebecca schaute ihn jetzt etwas skeptisch an. „Verzeihen Sie mir, Professor, aber Sie können nicht sehr viel älter sein als ich, und mein Vater ist schon seit acht Jahren tot.“

Jonathan lachte auf. „Lassen Sie sich nicht durch äußere Eindrücke täuschen. Ich bin sechsunddreißig, und ich war einer der jüngsten Professoren im Vereinigten Königreich. Ich werde Ihnen beweisen, dass Ihr Vater und ich einen regen Briefwechsel unterhielten, wenn Sie es wünschen.“

Rebecca kam gerade zu Bewusstsein, dass sie im Begriff war, den Mann zu beleidigen, indem sie seine Worte anzweifelte.

„Das ist nicht nötig, Professor“, wehrte sie also ab. „Verzeihen Sie bitte, ich wollte Ihre Worte nicht in Zweifel ziehen.“

Er griff nach ihrem Arm und zog sie mit sich in ein anderes Zimmer, ein gemütliches Büro mit hohen Regalen an den Wänden, die voller Bücher waren. Zwei alte gemütliche Ledersessel standen um einen Tisch, und mit einer Handbewegung bot der Mann Rebecca einen Platz an. Über die Sprechanlage bestellte er bei seiner Sekretärin Kaffee.

„Ich glaube, wir sollten noch einmal ganz in Ruhe von vorne anfangen“, sagte Jonathan sanft. „Ich finde, Sie sollten mir die Geschichte erzählen, wie Sie zu diesem Gegenstand gekommen sind. In Gegenzug berichte ich, was ich weiß. Ist das ein Angebot?“ Sein Lächeln war wirklich unwiderstehlich.

Gleich darauf brachte die freundliche Sekretärin aromatisch duftenden Kaffee und Gebäck, und Jonathan lehnte sich in seinem Sessel zurück. Seine dunklen Augen ruhten auf Rebecca, die noch etwas scheu an ihrer Tasse nippte.

„Damit Sie nicht glauben, ich würde Ihnen etwas verheimlichen, lassen Sie mich beginnen“, schlug Jonathan vor. „Wie schon gesagt, hatten Ihr Vater und ich einen längeren Briefwechsel. Gordon hatte mich mehr als einmal als Experte zu ungewöhnlichen Fundstücken zugezogen. Daher wusste ich auch recht gut, dass er und Eileen auf einer heißen Spur waren. Er schrieb mir noch kurz vor seinem Tod einen Brief, in dem einige Andeutungen auf etwas Großartiges, aber auch Mysteriöses hinwiesen. Ich werde Ihnen den Brief gleich zeigen, vielleicht können Sie noch etwas mehr daraus lesen, als es mir möglich ist. Kommen wir nun zu dem Auge, von dessen Authentizität ich schon fast überzeugt bin. Dieses Siegel ist für den bereits erwähnten Geheimbund eine Art Heiligtum.“ Seine Stimme wurde ernst, und sein Blick eindringlich.

„Sie haben mich gefragt, ob es diesen Orden noch gibt. Die Wahrscheinlichkeit und die sehr lange Zeit von rund dreieinhalbtausend Jahren sprechen dagegen. Und doch bin ich davon überzeugt, dass es noch Überreste, Nachkommen oder auch Nachfolger gibt – ja, das ist meine feste Überzeugung. Es ist auch möglich, dass solche Leute für den Tod Ihrer Eltern verantwortlich sind. Die haben dann auch im Geheimen so großen Einfluss und Verbindungen, dass auch jede Untersuchung im Sand verläuft. Ich muss Sie warnen, Rebecca. Man sagte diesem Auge magische Kräfte nach. Die Mitglieder dieses Ordens waren immer in der Lage, das Auge aufzuspüren.“

„Das ist unlogisch“, wandte sie jetzt ein. „Mein Onkel Robert hat dieses – dieses Ding acht Jahre lang in Seide gewickelt im Schreibtisch versteckt gehalten. Dann hätten diese Leute, wenn es sie denn gibt, längst auftauchen müssen.“

„Nicht so ganz“, widersprach der Professor. „Das Auge oder Siegel, wie immer Sie wollen, braucht den Kontakt zu einem Menschen und das Licht. Wenn es im Dunkeln verborgen liegt, kann es keinen Kontakt aufnehmen.“

„Professor, Sie reden von diesem Auge, als besäße es ein Eigenleben. Ist das nicht übertrieben?“

Rebecca machte den schwachen Versuch zu lächeln, doch sie konnte nichts dagegen tun, dass ihr plötzlich ein kalter Schauder über den Rücken lief. In den letzten Tagen war viel zu viel auf sie hereingestürmt. Und nun brach Lindbergh alte, noch immer nicht verheilte Wunden auf.

Jonathan stand jetzt auf, holte aus einem Regal ein Buch heraus und aus dem Schreibtisch eine Mappe. Dieser entnahm der einen Brief – Rebecca erkannte auf Anhieb die Handschrift ihres Vaters. Wie viele Briefe besaß sie selbst noch von ihm; jeder Schwung der flüssigen Handschrift war ihr vertraut.

„Bitte, lesen Sie“, bat der Professor leise.

„ Lieber Freund Jonathan, es ist unglaublich. Unsere Forschungen scheinen nun endlich zu einem Erfolg zu führen. Durch einen schier unglaublichen Zufall ist es uns gelungen, eine unterirdische Kammer, mitten im Herzen der Ruinen von Babylon, zu entdecken. Und hier befindet sich eines der wohl noch am besten gehüteten Geheimnisse. Du wirst Augen machen, sobald du es zu sehen bekommst. Allerdings werden wir deine Hilfe dabei brauchen, denn selbst mit unserem nicht geringen Wissen ist es uns nicht möglich, die seltsame erweiterte Keilschrift zu entziffern. Doch ich hüte mich, mehr zu verraten, denn seit wir diesen Fund gemacht haben, fühlen wir uns nicht mehr sicher. Ich mache mir große Sorgen um Eileen. Neben meiner Tochter Rebecca ist sie das Wichtigste in meinem Leben; ich könnte es nicht ertragen, sollte einer von beiden etwas zustoßen. Rebecca ist in Irland bei Robert gut aufgehoben, bis wir zurückkehren, was jetzt nicht mehr lange dauern kann. Wir sind dabei, unsere Zelte im wahrsten Sinne des Wortes abzubrechen. Solange musst auch du dich noch gedulden, mein Freund. Bis dahin drücke uns die Daumen, dass alles gutgeht. Seltsame Dinge gehen vor, doch es ist besser, selbst in diesem Brief nichts Näheres zu erwähnen. Bis bald, dein tief beunruhigter Gordon.“

Rebecca liefen mittlerweile Tränen über die Wangen, als sie jetzt den Brief sinken ließ. Dann begann sie langsam und stockend zu berichten, beginnend mit dem Tod von Sir Robert. Doch den Traum von Ariel und Mephisto ließ sie außen vor, das erschien hier nun doch zu abstrakt. Und außerdem wäre sie sich reichlich dumm vorgekommen, hätte sie von den geisterhaften Tieren gesprochen.

Jonathan ging nach nebenan und holte das Auge des Bukadnazar herbei, wickelte es wieder in mehrere Lagen Seide und steckte es dann zurück in die Schachtel, mit der Rebecca es hergebracht hatte.

„Ich glaube, es ist schon zu spät, um es wieder zu verstecken“, sagte er dann leise. „Aber vielleicht...“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe noch einige Fotos gemacht und werde versuchen, die Schriftzeichen zu übersetzen. Wo wollen Sie das Auge in Zukunft aufbewahren? Ich würde vorschlagen, dass Sie es nicht zuhause lassen. Vielleicht bringen Sie es in ein Schließfach bei einer Bank.“

„Ja, danke. Verzeihen Sie, Professor, ich bin noch völlig verwirrt. Kann ich sonst noch etwas tun? Eigentlich hatte ich schon überlegt, auf den Spuren meiner Eltern selbst nach Babylon zu reisen.“

Jonathan schüttelte den Kopf. „Auf gar keinen Fall, Rebecca. – Ich darf doch Rebecca sagen? Wenn Sie mich dann bitte nicht mehr Professor nennen, sondern Jonathan. Sie sollten auf keinen Fall auf die verrückte Idee kommen, dorthin zu reisen. Mal abgesehen davon, dass die politische Lage dort instabil ist, würden Sie allein auch keine Aussicht auf Erfolg haben.“

„Und was soll ich dann tun? Hilflos hier sitzen und abwarten?“ Trotz sprach aus den Worten der jungen Frau, und Jonathan lachte auf.

„Wenn Sie eine echte Tochter Ihrer Eltern sind, dann haben Sie sicherlich einen Beruf erlernt, der Sie ausfüllt. Leben Sie Ihr Leben normal weiter. Betrachten Sie das Auge nur als ein kleines Intermezzo. Vielleicht vergessen Sie es sogar lieber gleich. Ich werde Sie informieren, wenn ich etwas über die Schrift herausfinde.“

„Und das Auge packe ich in einen Safe und lasse es die nächsten hundert Jahre dort?“

„Das wäre der Idealfall“, grinste der Professor. „Aber weil Sie wohl wirklich die Tochter Ihrer Eltern sind, werden Sie genau das nicht tun.“

Die beiden lachten sich plötzlich an.

„Wollen wir heute Abend beim Essen weiter darüber reden?“, schlug Jonathan spontan vor, und Rebecca stimmte zu.

Doch bis dahin hatte sich die ganze Lage bereits verändert.

4

Dublin war eine geschäftige Großstadt und hatte sich doch den Charme einer gemütlichen Idylle bewahrt.

Rebecca kam aus einem Nebengebäude des Trinity College heraus, in dem Professor Lindbergh residierte, und stand gleich darauf vor einem Geschäft, in dem Bleikristall und Porzellan aus Fermanagh angeboten wurden. Sie hatte eine Schwäche für die kleinen Miniaturen aus dem feinen Porzellan, die so geschickt gearbeitet waren. Spontan trat sie ein und erstand eine kleine Kollektion von Blumen, jede einzelne nicht größer als ein Fingernagel. Dann jedoch wandte sie ihre Schritte zur Bank of Ireland, einem imposanten Gebäude. Sie besaß hier durch ihre Eltern und auch ihren Onkel einige Konten. Jetzt wollte sie ein Schließfach mieten, was auch ohne Schwierigkeiten ging.

Erst als sie das Auge endlich hinter den sicheren Stahl- und Betonmauern wusste, atmete Rebecca unbewusst auf. Sie fühlte sich wie von einer Zentnerlast befreit. Was war das nur, dass jetzt plötzlich alles über ihr zusammenschlug, was über Jahre hinweg nie ein Thema gewesen war?

Auf der Straße hatte sie plötzlich das untrügliche Gefühl beobachtet zu werden. Rebecca blickte sich um. Wer beobachtete sie? Dort drüben der Mann, der so betont in seine Zeitung vertieft war? Oder doch der fremdartig ausstehende Mann? Der richtete plötzlich einen intensiven stechenden Blick auf sie, und Rebecca wurde es eiskalt. Jemand rempelte sie an und entschuldigte sich, das brachte sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Ganz bestimmt bildete sie sich das alles nur ein, ebenso wie Ariel und Mephisto. Vielleicht brauchte sie nur etwas Ruhe und Abstand von allem, der Tod von Onkel Robert hatte sie offensichtlich mehr erschüttert, als sie selbst zugeben wollte. Sie überlegte, ob es noch Sinn machte nach Hollyroot zu fahren und am Abend zurückzukehren, doch sie entschied sich dagegen. Es wäre mindestens eine Stunde hin und eine weitere zurück. Da war es klüger hierzubleiben und mal wieder das Schloss zu besuchen und in St. Stephens Green einen Tee zu trinken.

Das große Einkaufszentrum St. Stephens Green war eine harmonische Einheit. Trotz der Vielfalt an Geschäften aller Art hatten die Planer doch Wert darauf gelegt, dass hier auch Oasen der Erholung vorhanden waren.

Rebecca setzte sich an einen Tisch und kam langsam wieder etwas zur Ruhe. Sie begann die Menschen ringsum zu beobachten, amüsierte sich über das Gezänk einiger Teenager, betrachtete einige eng umschlungene Liebespaare und eine Reihe von Touristen, die eifrig umherliefen, unzählige Fotos schossen und ständig nervöse Blicke auf die Uhr warfen. Dann wollte sie ihren Tee austrinken und bemerkte zu ihrer Überraschung, dass auf ihrem Tisch ein Blatt Papier lag, das vor einem Moment noch nicht hier gewesen war.

Reklame?

Nein. Eine eiskalte Hand griff nach ihrem Herzen, als sie die wenigen Zeilen las.

„Sie sollten sich schnell überlegen, uns das Auge zukommen zu lassen. Wir zahlen dafür und befreien Sie von einer Last. Wir melden uns.“

Keine Unterschrift, und die wenigen Worte waren auf einem normalen weißen Blatt Papier, von einem Computer ausgedruckt. Sie hatte sich also nichts eingebildet, sie war beobachtet worden. Und das Gefühl einer handfesten Bedrohung stand jetzt greifbar vor ihr.

Da sie sich im Augenblick gar nicht anders zu helfen wusste, griff sie zum Telefon. Der Professor hatte ihr seine Nummer gegeben, die sie gleich im Handy gespeichert hatte. Jonathan Lindbergh war der einzige, der über die ganze Sache Bescheid wusste, und er war vielleicht auch der einzige, der ihr jetzt einen Rat geben konnte.

Was für eine Art von Magie war an diesem seltsamen Auge? Und was würde wohl geschehen, wenn sie es ablehnte, das Dreieck herauszugeben?

Jonathan meldete sich schon nach dem zweiten Klingeln, und er hörte ruhig zu, während Rebecca alles heraussprudelte. Seine Stimme war dann beruhigend.

„Bleiben Sie, wo Sie jetzt sind, Rebecca, ich komme gleich zu Ihnen. Es ist am besten, wenn Sie jetzt zwischen vielen Menschen bleiben. Da sind Sie relativ sicher. Und machen Sie sich nicht zu viele Sorgen, ich glaube fast, da hat sich jemand einen schlechten Scherz erlaubt.“

Rebecca lachte nervös auf. „Ich kenne Sie zwar nicht sehr gut, aber ich bin sicher, dass Sie mich gerade anlügen. Aber gut, ich warte hier. Bis gleich.“

5

Jonathan war erleichtert, als er im Einkaufszentrum ankam und Rebecca dort sitzen sah. Er hatte schon Angst gehabt, es könnte etwas passiert sein. Oder sie wäre davon gelaufen – oder was auch immer.

Aber Rebecca war nicht die Frau, die gleich davonlief oder den Kopf in den Sand steckte, wenn irgendwo Schwierigkeiten auftauchten.

Scheinbar unbeeindruckt saß sie an einem Tisch und machte sich Notizen auf einem Zettel. Als sie den Mann näherkommen sah, schenkte sie ihm ein kleines scheues Lächeln. Er setzte sich ihr gegenüber, und sie schob ihm den Zettel hin.

„Mit Sicherheit werde ich beobachtet, vielleicht auch abgehört. Vorsicht mit dem, was wir hier sagen.“

Wäre es nicht ausgerechnet die Frau gewesen, die er selbst vor kurzer Zeit noch gewarnt hatte, so wäre Jonathan versucht gewesen, an Verfolgungswahn zu glauben. Doch er musste anerkennen, dass sie vielleicht recht hatte.

Der Professor nickte ihr zu. Um keinen Verdacht zu erregen, bestellte auch er einen Tee und begann ein belangloses Geplauder über die Eigenheiten der ägyptischen Hieroglyphen. Schließlich bezahlte er und ging mit Rebecca davon.

„Sie haben ausgesprochen umsichtig gehandelt“, lobte Jonathan. „Aber ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde es einfach befremdlich, dass sich in dieser ungeheuren Schnelligkeit jemand bei Ihnen meldet. Noch dazu mit einer derart unverhüllten Forderung. Bis heute früh hätte ich fast geschworen, dass es diesen Geheimbund nicht mehr gibt.“

Lindbergh zog die junge Frau mit sich. Nicht weit entfernt war eine Art Haltestelle, wo man in eine offene Kutsche einsteigen konnte, um auf eine etwas ungewöhnliche Stadtrundfahrt zu gehen. Hier konnte sie niemand abhören. Das Klappern der Pferdehufen und die Geräusche des Autoverkehrs verhinderten sogar, dass der Kutscher ein Wort des Gesprächs verstehen konnte.

„Sie sollten mir vielleicht mehr über diesen Geheimbund erzählen, Jonathan“, sagte Rebecca leise, und er hörte aus ihrer Stimme die Angst.

„Das ist nun auch nicht viel, was ich weiß“, gestand er ein. „Es ist nun mal ein Geheimbund, da ist es natürlich, dass nicht viel darüber bekannt wird.“

„Dann wundert es mich, dass man überhaupt etwas darüber weiß“, erklärte sie sarkastisch.

„Unter Hammurabi wurden die gesammelten Rechtssprüche in verschiedene Stelen gemeißelt. Die meisten von ihnen betrafen das tägliche Leben und waren nur insofern bemerkenswert, dass sie allgemeine Gültigkeit erlangten. Doch es gab auch eine Reihe von Gesetzen, die sich mit mystischen Vorgängen beschäftigen, Beschwörungen von Geistern und Dunklen Mächten, die streng geregelt waren. Und die Einhaltung dieser Regeln wurde von den Mitgliedern aus dem Geheimbund im ganzen Land überwacht. Irgendwann ging das Wissen um diese magischen Kräfte verloren – oder fast verloren. Und ebenso zerbrach auch der Geheimbund. Doch solange es Menschen gibt, die solche Dunklen Kräfte beschwören, solange wird es auch diese Bruderschaft geben, fürchte ich.“

„Aber die brauchen dieses Auge, dieses Siegel, um ihren Auftrag auszuführen – sehe ich das richtig?“, forschte Rebecca, die gerade glaubte, im falschen Film zu sein.

„So sehe ich das“, stimmte Jonathan zu. „Aber einen Beweis für diese Theorie habe ich natürlich nicht.“

„Dann frage ich mich doch, was dieser Orden all die Jahre gemacht hat, in denen das Auge verschollen war. Acht Jahre hier in Irland, und vorher doch wohl auch schon in den Ruinen von Babylon. Und wer gehört diesem Orden an? Was sind das für Menschen? Was treibt sie dazu, sich einem Geheimbund anzuschließen, dessen Ziele nicht einmal klar definiert sind? Denn ich habe ganz bestimmt nicht vor, irgendwelche Dunklen Mächte zu beschwören und damit Gesetze zu verletzen, die ich nicht einmal kenne.“

„Eine Menge Fragen, auf die ich Ihnen keine Antwort geben kann.“

„Das dachte ich mir“, erklärte sie trocken. „Aber da Sie schon so klug sind, können Sie mir vielleicht einen Rat geben, wie ich mich jetzt verhalten soll. Vielleicht wäre es das Beste, ich würde diesen Leuten das Auge einfach doch übergeben.“

„Seien Sie mir nicht böse, aber das halte ich für keine gute Idee.“

„Sie wissen also noch ein bisschen mehr und wollen mir das nicht sagen?“ Rebecca wirkte etwas verärgert.

„Bitte, das alles beruht auf unbestimmten Gerüchten, mehr oder weniger – Märchen“, versuchte er sie zu beschwichtigen.

„Aber Sie glauben daran, sonst hätten Sie mir einen anderen Ratschlag gegeben.“

Jonathan seufzte. „Außer diesem Geheimbund gibt es noch andere Leute, die das Siegel benutzt haben sollen, um gerade damit die Dunklen Mächte zum Bösen zu beschwören.“

„Na großartig“, stieß Rebecca hervor. „Ich stehe im Mittelpunkt von zwei verrückten Bruderschaften, die beide etwas haben wollen, was sich durch einen reinen Zufall in meinem Besitz befindet. Und selbst wenn ich mich entschließen sollte, das Auge einem der beiden zu überlassen, wäre es vermutlich in jedem Fall ein Fehler. Sehe ich das richtig?“

Der Professor nickte stumm. Er griff nach der Hand der jungen Frau, und die fühlte sich durch diese Berührung seltsam getröstet. Ein wenig trotzig reckte sie jetzt das Kinn nach vorn. „Was also soll ich tun, Jonathan? Ich bin sicher, dass ich schon bald Kontakt zu der einen oder anderen Gruppe haben werde – und beides gefällt mir nicht besonders.“

„Legen Sie sich nicht fest. Versuchen Sie, durch geschickte Fragen mehr zu erfahren, jede Information kann wichtig sein, damit wir einen Ausweg finden“, beschwor er sie.

Rebecca zog die Nase kraus. „Wir?“, echote sie dann.

Er grinste. „Natürlich wir. Oder glauben Sie, ich lasse Ihnen jetzt den ganzen Spaß allein? Ich bin übrigens überrascht, dass Sie nicht den Vorschlag gemacht haben, die Behörden zu verständigen.“

„Das werde ich gern tun, aber erst dann, wenn ich denen eine plausible Erklärung liefern kann. Mit dem, was wir bis jetzt wissen, würde man uns wohl eher für leicht übergeschnappt erklären.“

„Wie recht Sie doch haben. Und ich halte es für besser, wenn ich Sie jetzt gleich nach Hause bringe. – Sie haben doch sicher Personal auf Hollyroot, das vertrauenswürdig ist? Bleiben Sie niemals ganz allein, jemand muss ständig in Rufweite sein. Bitte, Rebecca, halten Sie sich daran, es könnte wichtig sein. Wir wissen nicht, was diese Leute im Schilde führen, und wie weit sie gehen würden zur Erlangung ihrer Ziele.“

„Dann bin ich quasi eine Gefangene im eigenen Haus“, stellte sie bitter fest. „Aber sind Sie nicht auch betroffen? Immerhin wissen Sie eine Menge über diese Leute.“

„Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich Sie aufsuchen, sobald ich mehr herausgefunden und auch die Schrift auf dem Auge entschlüsselt habe“, wechselte er das Thema, ohne auf ihre Worte einzugehen.

Dennoch war es ein fairer Vorschlag, aber glücklich war Rebecca nicht.

6

Eigentlich war es eine ganz gewöhnliche Lagerhalle unten an den Docks. Sie stand schon seit langem leer, und vermutlich würden bald die Bagger und eine Abrissbirne anrücken, um Platz zu schaffen, für eine neue große moderne Halle. Aber noch verfiel das Gebäude mit jedem Monat ein bisschen mehr. Fledermäuse, Tauben, Ratten und anderes Getier hatten hier eine Bleibe gefunden – und heute eine Gruppe zwielichtiger Gestalten. Zwölf an der Zahl waren es, die sich im Schutz der Dunkelheit hier trafen. Jeder von ihnen trug einen Umhang mit einer Kapuze, die Umhänge waren mit merkwürdigen Symbolen geschmückt, und in dem breiten Stoffgürtel steckte ein Krummschwert. Hätte die Polizei einen dieser Männer so aufgegriffen, wären viele unangenehme Fragen die Folge gewesen.

Doch die Männer legten diese Verkleidung nur im Schutz dieses Gebäudes oder ihres Tempels an. Einer der Räume in dieser Halle war zu einem provisorischen Tempeln erkoren worden. Ein ungewöhnlicher Tempel. Hier wurde kein Gott angebetet, in welcher Form auch immer, es gab keine Statuen, und auch keinen Schmuck. Einige blakende Fackeln an den Wänden spendeten flackerndes Licht; um den Raum anzupassen an den Glauben hingen schwere Leintücher von den Wänden, die ebenfalls mysteriöse Symbole zeigten, ebenso wie auf den Umhängen. Über einem improvisierten Altar befand sich ein Symbol, das Rebecca und Jonathan auf Anhieb erkannt hätten. Es handelte sich um das Auge des Bukadnazar, allerdings nur als Bild. Jonathan hätte außerdem feststellen können, dass sich die hier aufgemalten Schriftzeichen in einigen Punkten von denen auf dem Auge unterschieden, wodurch sich ein völlig anderer Sinn ergab.

Aber außer diesen zwölf Männern wusste niemand in Dublin davon.

Mit einem dumpfen Murmeln traten die Männer jetzt zu einem Kreis zusammen, formierten sich dann aber zu einem Dreieck. Sie reichten sich die Hände, und ein gemeinsamer machtvoller Gesang klang auf, bei dessen Vibrationen selbst der Boden zu beben schien. Das Licht der Fackeln schien im Takt der dunklen Worte zu flackern, bis sich schließlich die aufgebaute Spannung durch einen lauten Schrei entlud.

Die Flammen zuckten auf – und erloschen.

Aus dem Boden stieg eine feurige Kugel auf. Kaltes Feuer. Zwölf Paar Hände streckten sich aus und schwebten dicht über dem Ball. Eine Stimme, die tief aus der Erde heraus klang, sagte etwas in einer für heutige Menschen unverständlichen Sprache, und die Männer antworteten einstimmig.

Es war ein Auftrag. Sie sollten das Auge des Bukadnazar besorgen, um jeden Preis, selbst wenn es den Tod einiger unwichtiger Menschen bedeuten sollte.

Die Kugel verschwand wieder in der Erde, hinterließ allerdings einen schwefligen Gestank, der sich schwer auf die Atemwege der Menschen legte.

Dann war alles vorbei. Die Flammen der Fackeln brannten, als wäre nichts geschehen, und die zwölf Männer standen ruhig da.

Ohne ein Wort zu sagen, gingen sie jetzt auseinander, ein jeder schien zu wissen, was er zu tun hatte.

So war es auch. Einer der zwölf führte die anderen, und er wollte zunächst auf freundliche Art versuchen, Rebecca Fitzpatrick zur Herausgabe des magischen Gegenstandes zu bewegen.

7

Rebecca schrak aus einem tiefen Traum auf. Da war ein Schrei gewesen. Hatte sie selbst geschrien? Verwunderlich wäre es nicht nach den Vorfällen der letzten Tage. Aber sie neigte eigentlich nicht zu Alpträumen. Nein, da war der Schrei wieder. Die Hand der jungen Frau tastete nach dem Nachttisch, um die Lampe anzumachen, aber noch vorher sprangen zwei leuchtend weiße Gestalten in ihr Blickfeld. Oh, nein, nicht schon wieder diese zwei. Die gehörten doch nun wirklich in einen anderen Alptraum.

„Lass das Licht aus, dann kannst du uns besser sehen“, erklärte Mephisto, der Geisterkater keck.

„Ja, und wenn du nicht geschlafen hättest, dann wüsstest du, dass er mich schon wieder verfolgt hat.“

„Ihr seid Katz und Maus, da ist das normal. Aber ihr seid für mich nicht normal, verschwindet aus meinem Traum.“

Ariel kicherte. Dann hockte sich die kleine Maus auf die Hinterbeine und begann sich mit den Vorderpfoten zu putzen. Es sah allerliebst aus, wenn auch unwirklich, weil die beiden ja durchsichtig waren. Mephisto stolzierte auf der Bettdecke hin und her und streifte dann mit dem Kopf schmusend die Arme von Rebecca Sie fühlte diese Berührung wirklich. Wurde sie langsam verrückt?

„Du träumst nicht“, beharrte der Kater.

„Du befindest dich in Gefahr“, stellte Ariel fest und richtete seine Knopfaugen mit einem fast menschlichen Ausdruck auf Rebecca.

„Das habt ihr schon einmal gesagt“, erwiderte die Frau trocken.

„Wir haben in der anderen Welt die Möglichkeit, alles zu beobachten. Und einer der Dunklen hat den Auftrag gegeben dich zu töten, wenn du das Auge nicht freiwillig herausgibst.“

„Das klingt jetzt aber wirklich total verrückt“, stöhnte Rebecca. „Ich habe niemandem etwas getan. Und dieses Auge kann meinetwegen haben, wer will. Ich brauche es nicht, und ich will es auch nicht. Warum sollte ich mich dafür töten lassen?“

„Wenn du den Dunklen das Auge gibst, werden viele Menschen sterben“, sagte Mephisto und schlug mit der Tatze nach Ariel.

Die Maus rannte ihm durch die Beine und piepste empört. „Kannst du nicht einmal jetzt damit aufhören? Wir sind doch hier, um Rebecca zu retten.“

„Aber du bist eine Maus“, beharrte Mephisto.