Romantische Bibliothek - Folge 51 - Patricia Martin - E-Book

Romantische Bibliothek - Folge 51 E-Book

Patricia Martin

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Beschreibung

Tessa Flemming ist ein braves, aber unscheinbares und unbeholfenes Mädchen. Obwohl sie aufgrund ihres zurückhaltenden Wesens nicht die erste Wahl bei den Männern ist, hat ihr Vater doch die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich einer findet, der seine kleine Tessa heiratet. Doch die hat Angst davor, Bekanntschaften zu machen, sieht sie sich doch den prüfenden und abwertenden Männerblicken hilflos ausgesetzt. Gehorsam tritt Tessa dennoch an jenem schicksalhaften Abend aus ihrem Zimmer, um sich unter die Partygäste ihrer Eltern zu mischen. Und da läuft sie ihm direkt in die Arme: Helge Hansen, Alleinerbe der Hansen-Werke und Traum aller Frauen. Tatsächlich ist da zum ersten Mal ein Mann, der Tessa beachtet, sie zu verstehen scheint. Und er weckt etwas in ihr, von dem sie nicht einmal geahnt hatte, dass es in ihr schlummert. Auch ohne ihre Lippen zu berühren, hat Helge Hansen sie wachgeküsst ...

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Seitenzahl: 146

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Heiratskandidatin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Oleksandr Lipko

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4457-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Heiratskandidatin

Roman um eine schicksalhafte Verbindung

Von Patricia Martin

Tessa Flemming ist ein braves, aber unscheinbares und unbeholfenes Mädchen. Obwohl sie aufgrund ihres zurückhaltenden Wesens nicht die erste Wahl bei den Männern ist, hat ihr Vater doch die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich einer findet, der seine kleine Tessa heiratet. Doch die hat Angst davor, Bekanntschaften zu machen, sieht sie sich doch den prüfenden und abwertenden Männerblicken hilflos ausgesetzt.

Gehorsam tritt Tessa dennoch an jenem schicksalhaften Abend aus ihrem Zimmer, um sich unter die Partygäste ihrer Eltern zu mischen. Und da läuft sie ihm direkt in die Arme: Helge Hansen, Alleinerbe der Hansen-Werke und Traum aller Frauen. Tatsächlich ist da zum ersten Mal ein Mann, der Tessa beachtet, sie zu verstehen scheint. Und er weckt etwas in ihr, von dem sie nicht einmal geahnt hat, dass es in ihr schlummert. Auch ohne ihre Lippen zu berühren, hat Helge Hansen sie wachgeküsst …

Mitleidig schaute die Haushälterin Selma Beier auf das junge Mädchen, das im Sessel am Fenster saß und gedankenverloren in den parkartigen Garten hinausschaute. Sie hat wohl nicht gehört, dass ich eingetreten bin, dachte Selma.

„Gnädiges Fräulein.“

Wie bei etwas Verbotenem ertappt, schreckte Tessa Flemming hoch.

„Ach du bist es, Selma.“

„Ja, ich bin es“, bestätigte die füllige Frau und tat gewichtig. „Ihre Frau Mutter hat mir gerade gesagt, dass wir abends Gäste haben werden. Sechs Stück.“

Bei dieser Formulierung glitt unwillkürlich ein Lächeln über Tessas schmales, meistens sehr ernst wirkendes Gesicht.

„Und davon drei junge Herren, habe ich gehört. Alle noch unverheiratet. Was wollen Sie anziehen, gnädiges Fräulein?“

„Ich?“ Tessa schüttelte leicht den Kopf. „Ich bleibe lieber hier oben in meinem Zimmer. Was soll ich dabeisitzen, wenn die Herren sich über ihre Geschäfte unterhalten.“

„Also, das finde ich nicht richtig, überhaupt nicht richtig“, widersprach Selma. „Wie wollen Sie denn jemals einen Mann bekommen, wenn Sie nie einen kennenlernen? Wären Sie wenigstens noch im Tennisclub, oder würden Sie Golf spielen oder reiten oder so etwas … Da ist doch immer etwas los. Und Sie sitzen nur zu Hause, das kann nicht richtig sein, Fräulein Tessa, ganz und gar nicht.“

„Mir gefällt es, Selma“, behauptete Tessa. „Auf meine Gegenwart legt man auch gar keinen Wert. Meiner Mutter ist es nur peinlich, eine Tochter wie mich präsentieren zu müssen. Ich warte immer darauf, dass sie sich bei ihren Gästen für mich entschuldigt. Ich weiß auch nicht, wie ich zu solch einer Tochter gekommen bin, meine Herren“, machte sie die Stimme ihrer Mutter nach.

„Aber Tessa!“

Selma hatte die Tochter des Hauses sozusagen großgezogen, und deshalb passierte es ihr auch noch gelegentlich, dass sie in die vertraute Anrede früherer Jahre zurückfiel. Für sie war Tessa wie ein eigenes Kind. All die Liebe, die sie den Kindern geschenkt hätte, die ihr das Schicksal vorenthalten hatte, übertrug sie auf die Tochter ihres Dienstherrn.

Und Tessa dankte ihr die Liebe mit einer Zuneigung, die sie für die eigene Mutter nicht fühlte. Selma liebte sie, das wusste sie, während ihre Mutter … Schon wieder schaute sie düster vor sich hin, ein Mädchen, das äußerlich gesehen alles hatte, was ein Mensch sich nur wünschen kann, und doch im Grunde seines Herzens tief unglücklich war.

„Doch, Sie müssen heute nach unten gehen, gnädiges Fräulein. Und Sie müssen sich besonders hübsch anziehen. Sie sind nämlich ein hübsches Mädchen, Sie müssen nur ein bisschen dafür tun.“

„Ja. Mir einen neuen Kopf kaufen. Mein Gesicht … langweilig, unscheinbar, nichtssagend. Und dumm bin ich außerdem.“

„Tessa, wie kannst du so etwas nur sagen? Du hast dein Abitur als Klassenbeste bestanden, und du hast ein wirklich liebes Gesichtchen. Wer dich anschaut, der muss dich einfach gernhaben.“

„Demnach schaut mich niemand an“, konterte Tessa. „Es hat doch keinen Zweck, dass wir uns etwas vormachen, Selma. Ich bin für meine schöne, charmante, kluge Mutter die größte Enttäuschung ihres Lebens. Ein glatter Versager. Auf mich kann sie einfach nicht stolz sein.“

„Aber Tessa, wie kannst du so etwas nur sagen! Deine Mutter hat dich lieb, und sie ist stolz auf dich.“

„Gut, ist sie also stolz auf mich.“

Selmas Augen füllten sich mit Tränen. In diesem Augenblick war sie der gnädigen Frau schrecklich böse. All das, was die kleine Tessa vorbrachte, hatte sie ja tatsächlich irgendwann einmal gesagt, ungeduldig, nervös, reizbar, wie sie nun einmal war.

Es war ein Verbrechen an der Seele eines jungen, sensiblen Mädchens, so etwas auszusprechen, fand Selma. Aber die gnädige Frau gehörte nicht zu den Menschen, die auf andere Rücksicht nehmen oder sich über andere Gedanken machen. Sie lebte für sich, hielt sich für den Mittelpunkt der Welt, wurde noch immer von Männern bewundert, obwohl sie schließlich nicht mehr ganz so jung war, wie sie es formulierte.

„Heute Abend musst du mit nach unten kommen. Bitte, Tessa … Geh auch noch zum Friseur, lass dir eine andere Frisur machen. Dein Haar … Du hast so schönes Haar, so dicht, so fein dabei, aber wenn du dir gar keine Mühe gibst mit deinem Haar …“

„Ich weiß, du meinst es gut, aber wozu der ganze Aufwand? Und ich will auch gar keinem Mann gefallen. Es ist besser, wenn eine Frau allein bleibt, denn durch einen Mann bekommt sie nur Ärger und Leid.“

„Solch einen Unsinn solltest du nicht sagen. Männer haben ihre Schwächen, sicher aber auch ihre Vorzüge. Schließlich möchtest du auch einmal Kinder haben, und dazu braucht man nun einmal einen Mann.“

„Nicht unbedingt einen Ehemann.“

„Was? Was sagst du da?“, stammelte Selma entsetzt und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Tessa, wenn das deine Mutter gehört hätte!“

„Sie hätte sich wahrscheinlich nicht so gewundert wie du. Irgendwann werde ich mir einen Mann suchen, aber nicht heiraten, natürlich nicht. Und wenn ich ein Kind habe, trenne ich mich wieder von ihm.“

„Du machst dich über mich lustig, nicht wahr?“, fragte Selma.

„Oh nein. Wer wird mich schon heiraten wollen? Kein Mann, der es nicht nötig hat. So einen will ich nicht, Selma. Da suche ich mir einen anderen, bei dem ich von vornherein weiß, wie ich dran bin. Vielleicht jemanden, der Geld braucht für irgendetwas, und Geld spielt bei Familie Flemming ja keine Rolle, wie du weißt.“

„Lass das nur nicht deine Eltern hören, Tessa. Du wirst einen Mann finden, der dich liebhat, ganz gewiss. Sieh doch, alle hier im Hause haben dich lieb. Du bist ein Mädchen, das man einfach liebhaben muss. Und irgendwann wird das auch ein Mann erkennen.“

„Ich glaube nicht mehr an Märchen und Wunder. Ja, wäre ich wie meine Mutter, nur ein bisschen. Aber so?“

„Du hast eine gute Figur, ein hübsches Gesicht … Ich weiß gar nicht, was du dir mehr wünschst, Tessa.“

„Ich bin langweilig und ein Versager.“

Das hatte ihre Mutter oft genug gesagt, wütend, verächtlich, weil ihre einzige Tochter ihr so gar keinen Anlass bot, stolz auf sie zu sein. Da war ihr Sohn schon anders geraten. Mark sah blendend aus, war weltgewandt, sehr tüchtig, er war ein Sohn zum Vorzeigen.

Aber die stille, unscheinbare Tessa, die in Gesellschaft nie den Mund aufbekam … Wirklich unverständlich, wie eine strahlende Schönheit zu solch einer Tochter kommen konnte.

„Bitte, mir zuliebe, Tessa, melde dich beim Friseur an, und wenn du dort fertig bist, fährst du in die Stadt und kaufst dir ein hübsches Kleid für heute Abend. Rot steht dir gut, das bringt etwas Farbe in dein Gesicht.“

„Ich gehe nicht runter. Ich werde Kopfschmerzen haben oder erkältet sein.“

„Tessa!“ Viel fehlte nicht, dann hätte die gute Seele angefangen zu weinen. „Herr Hansen kommt auch. Du hast doch sicherlich schon von ihm gehört? Er ist Alleininhaber der Hansen-Werke. Er soll sehr interessant sein. Man erzählt sich allerhand über ihn.“

„Dann wird er mich sowieso übersehen.“

„Oder auch nicht. Einer, der weltgewandt ist, müsste doch merken, dass du etwas ganz Besonderes bist, Tessa. Nur ein bisschen dafür tun musst du schon. Hätte ich Zeit, würde ich mit dir in die Stadt fahren und dir helfen, ein passendes Kleid zu finden. Könntest du deine Mutter nicht bitten?“

„Ausgeschlossen. Für mich hat sie nie Zeit. Und sollte sie mir helfen, ein Kleid zu finden, wäre das darüber hinaus noch verschwendete Zeit. Also gut, du sollst deinen Willen haben, ich kaufe mir irgendein Kleid.“

„Nicht irgendeins, Tessikind, es muss zu dir passen. Ob ich die gnädige Frau bitte, mir eine Stunde freizugeben?“

Dabei wusste Selma, dass es gerade heute nicht möglich sein würde. Solch eine Gesellschaft erforderte viele Vorbereitungen, und diese war ja ganz kurzfristig angesagt worden.

Die gnädige Frau verließ sich dabei immer voll und ganz auf Selma Beier. Sie selbst kümmerte sich um nichts, nahm nur die Komplimente entgegen, die ihr die Gäste für das köstliche Essen und den geschmackvoll gedeckten Tisch machten. Evelyn Flemming dachte nicht daran, auch nur eine Hand zu rühren. Dafür hatte sie ja die Mädchen.

„Fahr jetzt gleich los, Tessa. Und lass dir nichts in die Hand drücken, was die Verkäuferinnen loswerden wollen. Und …“ Selma stockte, weil sie trotz ihres Alters über manches kaum sprechen mochte. „Männer … haben es gern, wenn eine Frau ihre Vorzüge zur Geltung bringt.“

„Sie übersehen mich. Besonders dann, wenn meine Mutter dabei ist.“

„Ja, die versteht es, etwas aus sich zu machen. Wo sie ist, da ist sie auch immer Mittelpunkt. Von deiner Mutter könntest du in der Beziehung noch einiges lernen.“

„Ich weiß, nur bin ich auf dem Gebiet offenbar völlig unbegabt. Lass mich so, wie ich bin, Selma. In meinem Alter ändert man sich nicht mehr. Und irgendwann werde ich auch … das tun, worüber ich vorhin gesprochen habe … und wenn ich ein Kind habe, dann werde ich es liebhaben, Selma, ein Kind, das mir allein gehört, das keinen Vater hat, der es miterziehen will. Mein Kind wird eine schöne Jugend haben. Und ich werde es lieben, auch, wenn es kein schönes Kind sein wird.“

„Tessa, Tessa!“ Selma konnte nur den Kopf schütteln.

Auf was für einen Gedanken war das Kind da nur gekommen! Aber sie würde es ja nie tun, das war Selmas einziger Trost. Ein Kind bekam eine anständige Frau nur, wenn sie verheiratet war, und Tessa war ein anständiges Mädchen, das wusste, was sich gehörte.

***

Tessa war noch blasser als sonst, als sie am späten Vormittag das Wohnzimmer betrat, in dem ihre Mutter saß und eine Illustrierte las. Schon an der Tür stockte ihr Fuß, als ihre Mutter den Kopf hob und sie fixierte.

„Wie siehst du denn aus?“, stieß Evelyn Flemming hervor und schüttelte heftig den Kopf. „Mein Gott!“

Über Tessas Gesicht huschte eine fleckige Röte.

„Selma meinte, ich solle mir ein neues Kleid kaufen.“

„Aber doch nicht so etwas! Dir kann man auch alles in die Hand drücken. Für den Verkauf des Kleides hat die Verkäuferin bestimmt eine Prämie bekommen. Hast du denn überhaupt keinen Geschmack?“

„Ich dachte …“ Die Mutter brachte es immer fertig, Tessa mundtot zu machen.

„Ja, du hast schon wieder einmal gedacht. Das Kleid kann man einer Vogelscheuche umhängen, dann ist man wenigstens sicher, dass die Vögel nicht mehr in die Nähe kommen.“

Das war natürlich eine arge Übertreibung, richtig war nur, dass das Kleid in der Farbe nicht zu Tessas Haar und Teint passte.

„Soll ich es wieder umtauschen?“

„Wenn sie es zurücknehmen. Auf keinen Fall kannst du das Kleid heute Abend tragen. Du blamierst uns damit. Wie bin ich bloß zu solch einer Tochter gekommen?“

„Das musst du besser wissen als ich.“

Evelyn Flemming zog die Brauen schockiert in die Höhe.

„Was für ein Ton! Was fällt dir ein, Tessa?“, herrschte sie ihre Tochter eisig an. „Ich kann wohl etwas mehr Respekt verlangen.“

„Entschuldige, Mutter.“

„Was machen wir nur mit dir? Deine anderen Kleider sind auch nicht viel besser.“ Auf den Gedanken, ihre Tochter beim Kleiderkauf zu beraten, war sie natürlich nie gekommen. Sie hatte ja auch so wenig Zeit, diese arme Frau, der Selma und drei weitere Mädchen jede Arbeit abnahmen. „Ein Kleid von mir?“, überlegte Evelyn laut, bevor sie den Kopf schüttelte. „Nein, geht auch nicht. Es würde nicht zu dir passen. Dass du nicht einmal ein Kleid selbst kaufen kannst!“

„Auf dem Bügel sah es sehr hübsch aus.“

„Es passt einfach nicht zu dir. Nur du siehst das nicht. Verschenke es. Ilse wird sich darüber freuen.“

„Ja, Mutter. Dann … ist es wohl am besten, wenn ich heute Abend in meinem Zimmer bleibe.“

„Es wäre am besten, nur erlaubt Vater es nicht. Er hat noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, dass sich ein Mann findet, der dich heiratet.“

Evelyn Flemming begriff gar nicht, wie herzlos ihre Worte klangen. Schließlich sagte sie nur, was sie meinte, und es war die reine Wahrheit.

„Ich will gar nicht heiraten.“

„Rede nicht solch einen Unsinn, jede Frau will heiraten. Die, die das Gegenteil behaupten, lügen. Eine Flemming hat es nicht nötig, zu lügen. Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, ich muss mit dir in die Stadt fahren und dir ein Kleid kaufen, als wärest du noch ein Kleinkind. Ruf ein Taxi. Das wenigstens wirst du ja noch können.“

„Ja, Mutter.“

Tessas Gesicht war jetzt dunkelrot, als sie zum Telefon ging und die Nummer wählte. Ihre Mutter liebte sie nicht, weil sie nicht so war, wie sie es sich wünschte. Das ist doch nicht meine Schuld, dachte Tessa wieder einmal. Ich wäre doch auch gern wie du, Mutter, ein Mädchen, auf das du stolz sein könntest.

Selma lächelte breit, als sie hörte, dass die gnädige Frau mit Tessa in die Stadt fahren und ein Kleid kaufen wollte. Die gnädige Frau verfügte über einen ausgezeichneten Geschmack, wusste genau, was ihr stand und ihre noch immer unbestreitbar vorhandene Schönheit betonte. Sie war eine Frau, auf die ein Mann schon stolz sein konnte.

„Werden Sie zum Essen pünktlich zurück sein, gnädige Frau?“

„Das werden Sie dann schon merken, Selma“, erwiderte Evelyn Flemming knapp.

Sie hatte einfach keine Ahnung, wie problematisch es war, Essen so warm zu halten, dass es noch schmeckte. Sie wusste ja kaum, wo sich in dieser weitläufigen Villa die Küche befand. Irgendwo im Souterrain …

Still saß Tessa neben ihrer Mutter im Taxi. Für einen Stadtbummel benutzte ihre Mutter immer ein Taxi, weil sie keine Lust hatte, sich einen Parkplatz zu suchen. Ansonsten besaß sie einen Sportwagen, der genauso auffällig war wie sie selbst.

In den Modesalons und Boutiquen, die sie anschließend durchstreiften, wurde sie als gute Kundin fast devot begrüßt. Sie pflegte nie nach dem Preis zu fragen und zu kaufen, was ihr gefiel, unabhängig davon, ob sie die Sachen brauchte oder nicht. In ihren Schränken hingen Dutzende von Kleidern, die sie noch nie getragen hatte.

Ihr Mann nahm ihre Leidenschaft für Kleider als kleine Marotte schmunzelnd hin. Er war stolz darauf, ihr jeden Wunsch erfüllen zu können. Auf den Gedanken, dass sie nichts tat, um sich diese Bevorzugung zu verdienen, kam auch er nicht. Sie war eine Frau, für die sich Männer in früheren Zeiten ruiniert hatten, und auch heute noch eine Frau, von der die Männer träumten.

Das Kleid, für das Evelyn sich schließlich entschied, war von dezenter Eleganz. Als Tessa sich darin im Spiegel betrachtete, machte sie große, ungläubige Augen. War sie das wirklich? Ein Lächeln teilte ihre Lippen, während sie das junge Mädchen anschaute, das der Spiegel zeigte.

„Ganz nett“, urteilte ihre Mutter wegwerfend. „Wenn wir schon mal dabei sind, kaufen wir gleich noch ein paar Sachen mehr. Zeigen Sie uns etwas Sportliches, Fräulein“, verlangte sie von der Verkäuferin. „Und dann noch ein paar Kostüme.“

Ja, Geschmack hatte sie. Ich hätte diese hübschen Sachen niemals gefunden, dachte Tessa, als sie am Spätnachmittag nach Hause fuhren. Ihr knurrte unüberhörbar der Magen.

Wie ordinär, dachte ihre Mutter unwillkürlich. Sie selbst war es gewohnt zu hungern, ihr Magen hatte sich längst daran gewöhnt und revoltierte nicht mehr. Tessa dagegen gehörte zu den beneidenswerten Mädchen, die essen konnten, was ihnen schmeckte, ohne davon zuzunehmen.

Sie hatte eines der neuen Kostüme gleich anbehalten, und als sie aus dem Taxi stieg, machte Selma große Augen, bevor sie zu strahlen begann.

Sie mochte die gnädige Frau nicht besonders gern, aber in diesem Augenblick war sie ihr von ganzem Herzen dankbar.

„Wie hübsch Sie aussehen, gnädiges Fräulein“, sagte sie in der Diele, in die sie schnell hinaufgehastet war. „Gar nicht wiederzuerkennen. Aber ich habe Ihnen doch immer gesagt, Sie brauchen nur die richtigen Kleider, dann sind Sie eine ausgesprochene Schönheit.“

„Übertreiben Sie nicht so, Selma.“ Evelyn maß die Haushälterin mit einem kalten Blick. „Setzen Sie dem gnädigen Fräulein keine Flausen in den Kopf.“

Und prompt verflog Tessas Hochgefühl. Natürlich, ihre Mutter hatte recht, eine Schönheit würde sie nie werden, ganz gleich, was sie trug. Nur musste sie das so deutlich sagen?

Selma verspürte unendliches Mitleid mit ihr, während ihre Sympathie für die Hausfrau keineswegs wuchs. Sie hatte kaum übertrieben, als sie sagte, Tessa sähe hübsch aus. Natürlich war sie keine Schönheit, jedenfalls nicht im landläufigen Sinne, aber dafür besaß sie etwas anderes, was schönen Mädchen und Frauen häufig fehlte. Selma wusste keinen Namen dafür, sie sah es nur und spürte es.

Als Frau Flemming nach oben gegangen war, um sich umzuziehen, schloss sie Tessa in die Arme.

„Hör nicht auf deine Mutter, du siehst in diesem Kostüm wirklich sehr hübsch aus, Tessa. Ich bin ja so froh, dass deine Mutter dir beim Aussuchen geholfen hat.“

„Sie hat ein großes Opfer gebracht“, stellte Tessa bitter fest.