Rote Lackn - Brita Steinwendtner - E-Book

Rote Lackn E-Book

Brita Steinwendtner

4,8

Beschreibung

Die "Rote Lackn", ein See am oberen Ende eines Gebirgstales, wird zum Ausgangspunkt einer Spurensuche: Die Ich-Erzählerin, die mit dem Tal und seinen Bewohnern seit ihrer Kindheit verbunden ist, folgt verschlungenen Lebensläufen und ineinander verwobenen Schicksalen, holt kleines Glück und großes Leid ans Licht, schildert Begegnungen und hinterfrägt ihre eigene Erinnerung. Es sind vor allem Frauen, denen die Autorin ihre Aufmerksamkeit schenkt: die Bäuerin, die sich zu Tode schindet; die Sennerin, die im "Narrenturm" endet; unten in der Stadt die "alte Dame aus dem Französischkurs", deren Sohn ein bekannter Professor in Deutschland ist und in der Heimat eine berührende Liebesgeschichte erlebt; die Sportlerin aus der DDR, die über die Todesgrenze hierher geschmuggelt wird; und Marie, deren Geschichte dort endet, wo die Erzählung ihren Ausgang genommen hat ...

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Brita Steinwendtner

Rote Lackn

Roman

© 1999

HAYMON verlag

Innsbruck-Wien

www.haymonverlag.at

Überarbeitete E-Book Ausgabe 2014

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7099-7758-3

Cover: Benno Peter unter Verwendung einer Graphik von Alexander Steinwendtner

Satz: Haymon-Verlag

Coverlitho: Gramont, Innsbruck

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.

Inhalt

I

II

III

IV

V

VI

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Für W.

Rote Lackn nennen die Kinder den Teich im hohen Tal unter den Bergen.

Rot ist das Wasser in der Hitze des Sommers.

Rot unter dem Eis in den Monaten der kurzen Sonne.

Sogar im schönsten Spiel meiden die Kinder den Ort. Nicht an seinem Wiesenufer waschen sie das Stechen des Heus von der brennenden Haut, nicht im Schatten seines Haselgebüschs suchen sie Versteck und verbotene Berührung. Kein Kiesel versinkt im Kreis. Keine Schlittschuhe kratzen Linien im gebrochenen Spiegel des ansteigenden Steins.

Nur Fremde kühlen ihre Füße im Teich, wund von langer Wanderung entlang der Markierungen von Nord nach Süd, von Ost nach West. Sie wissen nichts von den Marschschritten des Heeres, nichts von den Galgen, den Schwertern, dem Messer, dem Schrei. Rote Spur durch die Jahrhunderte.

I

Ich war ein Kind, das nicht in der Roten Lackn spielte. Ich war ein Kind, das Angst hatte.

Noch bevor ich den Schulweg ging durch die Wiesen am Teich, hörte ich die Erzählungen aus der Zeit der Bauernkriege, der Konfessionskriege, der Eroberungskriege, der Vernichtungskriege, der Rassenkriege. Der Kriege. Da drüben hat man sie gehängt, die Rädelsführer, auf dem Hügel über der Roten Lackn.

Da hingen sie.

Da hängen sie.

Da schnitt eine junge Frau ihren Liebsten vom Seil und stach ihrem Kind das Messer ins Herz und stach es in ihr eigenes. Und über Nacht war der Teich rot.

Die Wege queren die Hänge. An der Nordseite, wo der Schnee lange liegt. An der Südseite, wo die reicheren Höfe stehn. Gewundene Wege über die Hänge hin, hinaus, hinab, den grünen Fluß entlang, der sich aus den Karsthöhlen des Gebirgsstockes speist.

Weg durch Gehöfte, durch Dörfer, Märkte, durch die Stadt. Weg durch Wälder, Wiesen, Felder, vorbei am Narrenturm, entlang der Schienen, der getriebenen Rä-der, der Kanäle, der Schmieden, der Fabriken. Weg der Menschen, der Erinnerungen, die erwachen, wenn man sie totsagt.

Weg der großen Geschichte und der kleinen Geschichten. Weg durch eine Talschaft.

Lose in die größeren Streuhöfe eingebunden, stehen sie oft ein wenig abseits, die meist nur zwei- oder dreizimmrigen Häuser mit den kleinen Fenstern. Sie sind den Alten zugedacht, wenn der Hof an die Jungen übergeben ist. „Austraghäusl“ nennt man sie im Tal der Roten Lackn.

Aus-tragen, etwas zu Ende und fertig. Die gichtigen Glieder, die gekrümmten Rücken, das Kommen und Gehen, die Zeit, die zerreißt wie der Faden der immer dünner werdenden Tage. Austragen das Lied und das Leid eines Lebens.

Ein Koffer stand in unserem Austraghäusl über dem roten Wasser. Rauhleder, abgegriffen. Nicht groß. Ich ließ ihn in seiner Ecke. Ich mied ihn. Ich vergaß ihn. Einmal, viel später, irgendwann, stand das vergessene Bild vor mir: der Tränenblick meiner Mutter, als sie das Köfferchen zwischen zwei alten Matratzen im Mansardeneck versteckte.

Schatten berühren die Mitte der Erde.

Die Türklinke aus Holz ist eckig.

Von draußen der ferne Strahlton des Brunnens.

Verlorene oder erdachte Fährten.

Es kam, wie es war bei vielen. Die Briefe meines Vaters. Eines Vaters. Gefallen in den Nebeln eines Novembers im großen Krieg. Im Glauben an ein Feld der Ehre, an einen Gott, einen Führer, einen Sieg. Die Briefe eines Toten und derjenigen, die ihn liebte. Eine Geschichte, die oft geschrieben wurde. Es ist nicht diese Geschichte. Aber der Satz einer jungen Frau. Im letzten Brief, der ungeöffnet zurückkam ins Austraghäusl an der Roten Lackn. Mit dem roten Stempel Gefallen für das Vaterland. Der Satz:

... wann ist es endlich genug?

Sie starb nicht am Messer, aber still nach Jahren, ließ zwei Kinder als Waisen.

Ja, es ist Frieden, schon lange.

Und ich gehe unbehelligt die Wege entlang an den Hängen der Talschaft, kehre da ein und dort, im Jetzt und im Damals, und die Tage sind wie alle.

Das Rot sickert sanft durch das Leben.

Nichts ist so still wie die Stille am Hof zu Mittag. Die Sonne steht hoch, unter ihrer Hitze ist gut schlafen. Die frische Mahd vom Morgen wird dürr und leicht und verströmt im Sterben ihren Duft. Der Mostkrug unter dem Birnbaum leer, ein Heuschreck schützt sich in seinem Schatten. Der Hund döst auf dem kalten Stein, im Stall das Dunkel und das vereinzelte Schnaufen der Rinder zwischen Wiederkäuen und Rast. Kein Ruf nach den Kindern, kein Klappern von Geschirr, die Sensen sind gedengelt. Das Wasser des Brunnens fließt leiser, der Strahl zersprüht in den Farben des Regenbogens.

Zwischen Schlaf und Wachen liege ich in der Mansarde, sehe das Spiel der Sonnenringe auf den rotkarierten Vorhängen. Die Rosse schrecken mich auf: Wenn sie vom Grasweg auf die steinige Straße kommen, hört man sie von weitem. Der Leiterwagen ächzt, das Kummet klirrt. Der dicke Schatthof-Nachbar-Franzl, schwarz das Haar, dunkel die Haut, sitzt auf dem Bock, hebt mich zu sich, beim Brunnen bleibt er stehen. Schön sind die zwei mächtigen, leeren Fässer auf dem Wagen, außen rauh und grau schattiert, innen glatt und rehbraun glänzend.

So, kein Wasser, sagt der alte Luger-Bauer, als er endlich kommt. Franzls Stimme ist dünn und hoch, seinen Rücken macht er krumm, fast rutscht er aus auf einem Hühnerdreck. Neun Wochen kein Regen, kein einziger Tropfen, die Quelle ist still, die Zisterne leer, die Rote Lackn fast trocken. Nur die zwei Fässer voll, der Vater tät’ schön bitten...

So, sagt der hager-große Luger, dem das steife Bein nichts von seinem Stolz zerschlagen hat, kein Wasser also bei euch. Und bevor er zurückgeht ins Haus, wirft er dem Buben ein paar Worte hin. Der wird immer kleiner, als müßte er sich bücken danach.

Der Schatthof-Nachbar-Franzl, dessen Großeltern erst, wie ich später erfahre, aus dem Süden, aus dem Windischen, in dieses nördliche Tal von Blonden gezogen sind, füllt die Fässer mit frischem Brunnenwasser, schaut mich nicht mehr an, steigt auf den Wagen, schlägt die Zügel auf die schweißnassen Rücken der schweren Norikerpferde.

Der Weg zum Schatthof steigt vom Luger, der selbst schon hoch über dem Dorf liegt, noch einmal an. Er zieht sich durch die Waldschlucht, hinauf zum Farnriedl, dann erst kommen die steilen, zum Teil sumpfigen Wiesen des Hofes. Der Neuschnee macht sie sanfter. Ich stapfe in den Spuren meiner Mutter, den kleinen Nachkriegs-Hamster-rucksack unter dem Wetterfleck. Wir haben keine Schatten. Um diese Zeit kommt keine Sonne über den Berg, nur ein blausilberner Schimmer liegt über den Kristallen. Manchmal blitzt einer auf im Widerschein von etwas anderem. Wie geborgtes Licht über dem Gehöft. Das Wohnhaus in die Mulde geduckt, Stall und Tenne ein Stück entfernt im Geraden. Zu Mariä Lichtmeß erst ein heller Streifen über den Dachgiebel hin, dann über den Holunderbusch im Vorgarten und wieder ein paar Tage später am Stubenfenster vorbei.

Die Worte gehen seltener um diese Zeit von einem zum andern, die Hände sind müder, die Milchkannen schwerer, die Gedanken haben sich eingenistet in den Schattenfugen. Die Zeiger der Zeit drehen woanders ihre Kreise. Drüben, auf der Sonnseite vielleicht, oder droben, wo der Habicht pfeift, langgezogen, doppelt hörbar in der Kälte.

Da bleibt was frei für das Brotbacken. Da gibt es einen Laib für uns. Am Schatthof haben sie nicht viel, aber sie geben gern. Das ganze Haus im Duft von Sauerteig. Eine junge Frau mit ihrem Buben ist zu Besuch. ’s Marieli wird sie von ihrer Mutter genannt, der Sennerin Franziska, einer Verwandten des Schatthofbauern. Schön und dunkel ist sie. Im Gewölbe des Vorhauses steht der Holztrog mit dem Teig. Kinderhände im Weichen, Warmen. Kneten und Quatschen zwischen den Fingern, Fäden ziehen bis zum Riß. Abklopfen die Rundung der geformten Masse. Bestreichen mit Wasser. Dann warten. „Gehen lassen“.

’s Marieli singt mit uns Lieder in der Stube. Traurig ist ihre Stimme und traurig die meiner Mutter. Und Polenland ist abgebrannt, aber eigentlich ist das bei uns, nur die Gräber sind weit, weit weg. Im Novemberschlamm des Ostens liegt das meines Vaters. Aber ein Birkenwäldchen muß drüber stehn, sonst kann ich es mir nicht vorstellen. Und die Blätter werden gelb und fallen.

Formen der Laibe. Und wieder gehen lassen und wieder warten. Wohin und wie lange? Ins Größere und auf andere Zeit? Schwere Buchenscheiter in den Backofen, Hitze, Rot und Marielis heiße Hände, als sie meine Zöpfe zurückstreicht. Langer Schuber, glatt der Stiel, dünn das Eisen, von dem die Laibe auf den engen Rost über der Glut rutschen.

Der Laib wärmt meinen Rücken durch den Rucksack hindurch, als wir gehen. Der dicke, dunkle Franzl hockt vor der Tür. Er lacht und redet. Er glänzt die schwarzen Schuhe. Morgen kommt der Graf zur Inspektion. Dem Grafen gehört nicht mehr viel im Tal seit dem Ersten und fast gar nichts mehr seit dem Zweiten Krieg. Ein paar Waldstriche, eine einzige, wildarme Jagd jenseits des Kammes und die Villa mit den Kletterrosen bis zum ersten Stock. Und der Schatthof, der gehört ihm noch. Den haben die Windischen pachten dürfen, weil er und die Parteiorganisation niemand anderen gefunden haben, damals.

Wir zogen in die Stadt an der Mündung der Talschaft, dort, wo sich die Spur des hellen Flußgrüns verliert in einem dunkleren, mächtigeren. Wir kamen nur mehr selten ins Austraghäusl. Meist zur Ferienzeit: Weihnachten, Ostern, die langen Sommer.

Rot die Rote Lackn.

Manchmal gingen wir den Weg durch die Waldschlucht zum Schatthof hinüber, wie immer; besuchten, begrüßten, gut, ja, danke, es tut’s schon.

Dann kam die Zeit, da ich glaubte, Leben beginne jenseits, draußen, irgendwo. Und als ich wiederkam, selbst Kinder hatte, sie das Spiel der Sonne in den ausgebleichten Mansardenvorhängen entdecken sah, war der Franzl längst schon Schatthofbauer geworden, hatte eine Bauerstochter aus den Tauern geheiratet – Tauern, das ist was Urgesteiniges, sagte er, nicht so was Brüchig-Kalkiges wie da –, aus der besseren Keusche hatten sie einen stattlichen Hof gemacht, ich staunte, zwei Mädchen und drei Buben waren da, wir lachten...

Die Schatthofbäurin steht im Gemüsegarten an der Süd-seite des Geräteschuppens, vom verwitterten Grau des Holzes strahlt die Wärme ab. Sie schneidet Salat und zeigt mir ihre Erbsen, Bohnen, Karotten und Rauner, ihren Kohl und den Kren und das Kraut – der Franzl soll kein Fleisch essen und kein Fett – und am Rand die Gurken, die aber in diesem Sommer bitter schmecken. Versuch es mit Zucchini, sag ich. Und gleich geht sie, kommt mit dem Katalog zurück, füllt den Bestellschein aus. Ihre Augen sind wie frisch beregnete Erde. Sie steht da, lacht, jätet, schneidet, erzählt, als ob wir vertraut wären seit langem. Sie weiß um sich und wie alles so geht vom Morgen zum Abend und wie der Atem der Nacht wechselt in das drängende Muhen der Kühe vor dem ersten Melken. Auf zwölf haben sie es inzwischen gebracht, neun Stück Jungvieh, acht Kälber, vier Schweine, der Zweitjüngste zieht Hasen, auch Honig und Most verkaufen sie, der Graf ist zufrieden.

Die Alm ist bewirtschaftet, Franziska ist eine tüchtige Sennerin, bringt Käse, Heidelbeeren und Pilze ins Dorf. Maschinen würden sie brauchen, der Franzl verwendet mehr Zeit zum Reparieren des alten Traktors als zum Arbeiten damit, einen Ladewagen, wenn’s ging, einen kleinen nur, für die ebeneren Wiesen, vielleicht, ja vielleicht halt eine Melkmaschine, die Kräfte lassen langsam nach, das Kreuz tut weh, die Hände... Aber so viel trägt der Hof nicht, sagt der Graf, der immer noch so tut wie ein Herr, wie ein Herrenmensch aus den Büchern auf dem Kasten seines Jagdhauses.

Der Weg übersät mit Mostbirnen. Ich hebe ein paar auf, sie sind weich, innen braun, der Augenblick, in dem die Säure in Süße umschlägt. Viele verfaulte dabei, drüben in der Kälberweide unter den Apfelbäumen alles zertrampelt. Am Sandhaufen, der vom Ausbessern des Stalls übriggeblieben ist, spielt der Jüngste, sonst ist alles still. Drinnen in der Stube finde ich die Schatthofbäurin. Sie nimmt Socken von den Ofenstangen, prüft sie auf Löcher, legt sie zusammen. Sie erschrickt. Nein, Leute kommen kaum welche. Der Franzl ist im Krankenhaus, wieder einmal. Vier Wochen schon und noch zwei. Ja, die Kin-der helfen brav, aber die Regina arbeitet bei der Seilbahn, der Karl lernt Elektriker, der Matthias fängt bei der Post an.

Die Nachbarn doch? Der Luger und der Hintermooser? Seit dreißig Jahren nie, nichts. Die helfen keinem, der nicht hergehört.

Und der Graf?

Sie hebt die Schultern, setzt sich auf die Ofenbank, streicht die Socken glatt und die Stutzen und schaut sehr fest auf ihren Schoß. Das jüngere der Mädchen kommt herein, streichelt die Katze, möchte ein Butterbrot. Abendrot – Schönwetterbot, sagt die Bäurin, als sie wieder kommt, und versucht, meine Beunruhigung auf die Schönheit der Berge zu lenken, auf die Gipfel und Grate, die in den kleinen Fensterrahmen stehen wie eine Verheißung, ich weiß nicht, wozu. Jene Berge, derentwegen die Fremden ins Dorf kommen und die auch der Dachau-Flüchtling damals immer angeschaut haben soll, sagt sie. Einen Zacken hat er gesehen durch den Spalt in der Bretterwand seines Verstecks oben auf der Alm, aber das war lange, bevor sie ins Dorf kam, und niemand will mehr darüber reden. Ja, die kann man immer anschaun, die Berge, aber oben war sie noch nie. Die Arbeit. Die Kinder. Nächsten Herbst, vielleicht...

Die Stubenfliegen summen leise. Eine rennt über die Tischplatte, andere suchen das Licht, surren die Scheiben auf und ab. Auf den Fensterbrettern in den Blumentöpfen das vielfache Rot der Knollenbegonien, üppig wie immer, die Schatthofbäurin kennt die Seele des Wachsens. Das ganze Haus in Blumen geborgen, zwischen Wiese und jährlich neu getünchter Kalkwand Lupinen und Phlox, Stockrosen und Reseden, Rittersporn und Mädchenauge, Zinnien, Astern, Kaiserblumen und Levkojen.

Als sie in der Küche Feuer macht fürs Abendbrot, sehe ich, daß ihre Bewegungen seltsam eckig sind, wenn sie Schweres hebt. Die Hände, gibt sie zu, immer diese Schmerzen, die von woanders kommen, irgendwo von innen: das Melken eine Qual, das Tragen der Milchkannen ein Ziehen, das Heurechen, das Ausmisten fast unmöglich, und nachts schlafen die Hände ein, wie tot. Die Spritzen vom Doktor nützen nichts. Ins Spital, später, ja, wenn der Franzl, wenn die Kinder... Es geht schon vorbei, sagt sie, drängt sich zu einem Lachen und zeigt mir ihren Korb voll Zucchini in der Speis, packt mir welche ein, gibt einen halben Laib Brot dazu, einen der letzten, ab jetzt wird auch sie beim Bäcker-Ferdl kaufen. Sie geht hin und her über die sauber geriebenen Bretter des Lärchenbodens, ihr Schritt hat Maß, da könnte Hoffnung sein.