ROUGE: A Dark Retelling - Greer Rivers - E-Book

ROUGE: A Dark Retelling E-Book

Greer Rivers

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Beschreibung

*Die Garde schätzt vier Ideale: Die Wahrheit, die wir verdrehen. Die Schönheit, die wir zur Schau stellen. Die Freiheit, die wir gewähren. Die Macht, die wir nehmen.* Ich habe ihren Lügen geglaubt – bis zu Lacey O'Shea. Sie ist die einzige Tochter der führenden Familie der Garde, und sie sollte mir gehören. Doch ihr Vater hat sie mir genommen, um sie einem anderen zu verkaufen. Also habe ich sie zurückgeholt. Aber hinter der Verschwörung, die uns getrennt hat, steckt mehr, und wir müssen unsere Beziehung vor ihrem Ex-Verlobten, dem Baron, geheim halten, um die Wahrheit zu finden. Er will sie wegsperren, doch sie ist ein Vogel, der verzweifelt aus seinem goldenen Käfig fliehen will. Und ich werde gegen den Baron, die Garde und die ganze verdammte Welt kämpfen, um sie zu befreien.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Greer Rivers

 

 

ROUGE

 

 

 

 

ROUGE

 

 

Copyright der deutschen Ausgabe. © 2025 VAJONA Verlag GmbH

 

 

Übersetzung: Madlen Müller

Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel

»Rouge (Tattered Curtain Series 2)«.

Vermittelt durch die Agentur:

 

WEAVER LITERARY AGENCY, 8291 W. COUNTY ROAD 00 NS., KOKOMO, IN 46901, USA

 

Korrektorat: Désirée Kläschen und Michelle Markau

Umschlaggestaltung: TRC Designs

Satz: VAJONA Verlag GmbH, Oelsnitz

 

VAJONA Verlag GmbH

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

 

 

Die Liebe meines Lebens liegt im Sterben … und es ist meine Schuld.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Akt

 

Die Rote Kamelie

 

Vor drei Wochen

 

Tief in sie einzudringen, entfacht ein alles verzehrendes Feuer unter meiner Haut und ich muss meine Finger in ihre Schenkel graben, um nicht vor Lust zusammenzubrechen. Ihre lockeren, erdbeerblonden Locken verteilen sich auf meinem Kissen, während sie mich mit ihren himmelblauen Augen ansieht. Ich habe sie bisher nur auf dem Bildschirm gesehen, aber in natura funkeln sie.

Das ist nicht echt. Es fühlt sich zu gut an, um echt zu sein.

Ihr Stöhnen treibt mich an, die Realität zu verdrängen. Sie gehört rechtmäßig mir und das Wissen, sie endlich erobert zu haben, lässt Blut, Adrenalin und Ekstase durch meine Adern strömen und in meinen Schwanz schießen. Noch ein Stoß und ich werde mir einen McKennon-Erben sichern.

Ein leises Summen vibriert neben meinem Kopf und zerstört das Happy End, das ich von der Frau meiner Träume wahrscheinlich nie bekommen werde. Dank meiner rasenden Kopfschmerzen dröhnt das leise Geräusch in meinen Ohren.

Gestern Abend habe ich mich in meiner Frustration verloren und bin viel zu lange mit meinen beiden besten Freunden unterwegs gewesen. Merek ist natürlich früher gegangen. Er nimmt seinen Job als Sicherheitschef von McKennon sehr ernst, was bedeutet, dass er rund um die Uhr arbeitet. Doch Tolie blüht im Nachtleben auf. Er kennt die Unterwelt von Vegas fast besser als ich, dank der vielen Jobs, die er sich bei O’Shea Entertainment, dem größten Arbeitgeber in Las Vegas, gesichert hat, und mit ihm auszugehen ist immer ein verdammtes Abenteuer.

Er und seine Schauspielkollegen haben die ganze Nacht gefeiert, um sich auf Halloween vorzubereiten, das dieses Wochenende stattfindet. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Tolie nicht wieder versuchen würde, eine der griechischen Statuen zu ficken, schleppte ich ihn mit dem Rest seiner Freunde ins Rouge, den Las Vegas Burlesque-und-Revue-Club für Männer, in dem sie tanzen. Ich schlief in seiner Garderobe, während sie ihre Ausschweifungen fortsetzten.

Gott sei Dank gibt es bei Tolie eine Regel, die es verbietet, mit Schauspielerkollegen in seinem eigenen Bett in der Garderobe zu schlafen, sonst hätte ich meinen Arsch zurück in meine Suite geschleppt. Andererseits hätte ich das vielleicht tun sollen. Ich habe nicht getrunken, aber die wummernden Bässe, die bis sechs Uhr morgens durch die Wände dröhnten, gaben mir das Gefühl.

Der Abend vor dem Devil’s-Night-Auftritt der Darsteller sollte entspannt sein, und das war er für ihre Verhältnisse auch. Aber ich hätte gehen sollen, sobald der Absinth ausgeschenkt wurde. Jetzt stecke ich immer noch in meinem schwarzen Button-down-Hemd und meiner Hose, stinke nach Zigaretten, die ich nicht geraucht habe, und nach Alkohol, den ich nicht getrunken habe, und leide unter einem migräneartigen Kater, den ich nicht einmal verdient habe. Mein Handy poltert gegen das Holz und ich klopfe blindlings auf den Nachttisch, bis das lästige Gerät unter meiner Hand kribbelt. Als ich danach greife, fällt die gefaltete Spielkarte darunter zu Boden.

Ich wische über das Display und halte es mir ans Ohr, ohne mir die Mühe zu machen, die Augen zu öffnen. Wenn es hier ruhig ist, ist es noch zu früh am Tag, als dass sich ein Blick auf das Display lohnt. Keiner meiner direkten Geschäftskontakte ist tagsüber wach. Nur er.

»Dad, du sollst doch nicht vor Mittag anrufen.« Meine Stimme klingt, als hätte ich auf Steinen herumgekaut, und mein Hals fühlt sich auch nicht viel besser an.

»Jesus, Maria und Josef, Kian. Es ist eine Minute nach zwölf, und es ist verdammt wichtig. Du hast Glück, dass ich mich an deine blöde Regel gehalten habe. Du hast deine doch letzte Nacht nicht gebrochen, oder?«

Ich knirsche mit den Zähnen, will zurückschnappen, aber der besorgte Ton in seiner Frage lässt mich auf die Zunge beißen. Aus Gewohnheit greifen meine Finger nach der pokerchipgroßen Münze in meiner Hosentasche und zeichnen das erhabene Muster nach, während ich antworte.

»Natürlich nicht. Nonnen trinken mehr als ich letzte Nacht.«

»Gut, denn diese Fassade als Partylöwe hält schon zu lange an. Kian … es ist Zeit aufzuwachen.«

Mein Herz stottert in meiner Brust, während mein erschöpfter Verstand versucht, Schritt zu halten. Das Adrenalin, das ich in meinem herrlichen Traum gespürt habe, pulsiert jetzt durch meine Adern und hilft mir, den Schmerz in meinem Kopf zu ignorieren.

»Geht es um die Rote Kamelie?«

»Das tut es. Ich habe die Details gestern Abend beim Pokern bestätigt, während du die Rolle nicht gespielt hast. Ich brauche dich, um die Rote Kamelie zu ruinieren.«

Meine verschlafenen Augen öffnen sich endlich bei dem Befehl, auf den ich seit drei Jahren gewartet habe.

Kaum ist das letzte Wort aus seinem Mund, stelle ich meinen Vater auf Lautsprecher, damit ich Tolie gleichzeitig eine SMS schicken kann. Er ist ein wichtiger Teil dieses verrückten Plans, den er mit mir ausgeheckt hat. Ich könnte versuchen, ihn im großen Aufenthaltsraum des Ensembles zu finden, wo ich ihn in den frühen Morgenstunden zurückgelassen habe, aber ich bin nicht in der Stimmung, nackte Fremde nach dem Sex zu sehen.

 

Übe so schnell wie möglich. Heute Abend geht es los.

 

Ich bin mir sicher, dass er noch im Halbschlaf ist, aber er antwortet mir fast sofort, wenn auch mit Tippfehlern.

 

Tolie

Ich wrde dafür sorgn, dass alles perfektionissimo ist.

 

Die exzessiven Emojis nach einem von Tolies vielen charakteristischen Wörtern lassen mich schnauben, aber schließlich fällt mir die Formulierung meines Vaters auf und ich runzle die Stirn.

»… ruiniere die Rote Kamelie.«

So sehr ich auch widersprechen möchte, die Worte kommen mir aus Gewohnheit über die Lippen.

»Wie willst du das machen?«

Diese Frage stelle ich mir immer, wenn es um Aufträge für die Garde geht, den Geheimbund, dem meine Familie ihre Treue geschworen hat. Für diese Männer bin ich ein unbedeutender Posten, obwohl die McKennons einst kurz davorstanden, den Thron zu besteigen.

Es war der Wächter, der verdammte Charlie O’Shea, der uns ruiniert hat.

Ich sollte seine Tochter Lacey O’Shea heiraten, so hatten es unsere Väter vor Jahren vertraglich vereinbart. Mein Vater und ich hielten O’Shea für einen der wenigen guten Männer, die es in der Garde noch gab, aber nachdem er den Vertrag ohne Erklärung zurückgezogen hatte, machte er mich zum schwarzen Schaf unserer Gesellschaft und ihn zu meinem Feind Nummer eins. Die Tatsache, dass er derzeit im Gefängnis sitzt und meine Familie diejenige ist, die geächtet wird, zeigt, was in dieser Organisation alles falsch läuft.

Die Familien müssen sich in diese Gesellschaft einkaufen, und sobald sie ihr beigetreten sind, ist ihr Vermögen an die Organisation gebunden. Nach dem Tod unserer Eltern erhalten wir die Hälfte unseres Erbes und haben nur dann Anspruch auf den Rest, wenn wir mit einem anderen Garde-Erben verheiratet sind und ein eigenes Kind haben. Ist dies nicht der Fall, verbleibt restliches Vermögen bei der Garde und wird an die anderen Familien verteilt. Auf diese Weise sichern sich die Gründer Loyalität, aber ihre Regeln haben mich verarscht und sie haben meine Loyalität verloren.

Ich habe meine eigenen Verbindungen, mein eigenes Geld und meine eigenen Geschäfte ohne die Hilfe der Garde gemacht, aber nichts davon zählt. Da mein Vater noch lebt, habe ich den Reichtum, den ich unabhängig von der Garde erworben habe, nicht gemeldet, damit sie denken, ich hätte nichts. Als der Wächter mich aus unerklärlichen Gründen für unwürdig befand, haben viele in unserer Gesellschaft aufgehört, mit den McKennons Geschäfte zu machen, was mich auch in ihren Augen machtlos machte. Jetzt würde kein Vater der Garde mehr daran denken, seine Tochter mit mir zu verheiraten. Nicht, dass ich ihre Frauen wollte.

Ich will meine.

»Es ist mir scheißegal, wie es gemacht wird.« Der irische Akzent meines Vaters wird mit jedem wütenden Wort stärker. »Nach dem bisschen, was wir über seine Entscheidung wissen, könnte seine Tochter diejenige gewesen sein, die ihn zu alldem angestiftet hat. Töte das Mädchen und wirf sie in den Lake Mead, wenn es sein muss, oder fick sie und ruiniere sie so, dass niemand mehr die kostbare O’Shea-Blume haben will.«

»Mama hätte nicht gewollt, dass du so redest«, versuche ich ihn spielerisch zu beruhigen. Meine Mutter ist vor fast vier Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Ich kann nicht zulassen, dass meinem Vater das Gleiche passiert.

Sie war es, die sich für Lacey als meine zukünftige Braut einsetzte und das Argument vorbrachte, dass sich die beiden mächtigsten Familien zusammenschließen sollten, um eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Ich habe noch nie ein Mitglied der Familie O’Shea persönlich getroffen. Uns alle zusammen in einen Raum zu lassen – vor allem die Erben – könnte zu einem brutalen Staatsstreich oder zu gegenseitiger Zerstörung führen. Aber Mama hat Lacey kennengelernt, als sie gerade achtzehn war, und war nach diesem einen Treffen überzeugt, dass wir perfekt zusammenpassen.

»Bah, sie kannte meine Fehler und liebte mich trotzdem. Die Frau war eine Heilige. Deine Mutter hätte das alles in Ordnung bringen können, wenn sie noch am Leben gewesen wäre, als Charlie den Vertrag gebrochen hat.«

Vielleicht hatte sie einen sechsten Sinn dafür, mit wem ihr Sohn zusammen sein sollte, aber ich weiß nicht, wie meine Mutter, eine Frau, den Wächter von irgendetwas hätte überzeugen können. Die Garde schätzt die Schönheit einer Frau und sonst nichts. Der mangelnde Respekt für die Rolle, die meine verstorbene Mutter bei der Heiratsvermittlung gespielt hatte, machte meinen Vater nur noch wütender über den Verrat.

Aber die McKennons haben uns den Weg zurück an die Spitze geebnet. Endlich haben wir die Unterstützung, um uns das zurückzuholen, was uns gehört, und der Zeitpunkt könnte nicht besser sein.

»Charlie O’Shea mag mein Erzfeind sein, mein Sohn, aber er kann nicht unserer ganzen Familie in den Rücken fallen und erwarten, dass wir uns nicht rächen. Es ist mehr deine Rache als meine. Du verdienst es, mit seinem kostbaren Besitz zu tun, was du für richtig hältst. Die Rote Kamelie sollte schließlich dir gehören.«

»Da hast du verdammt noch mal recht«, murmele ich vor mich hin.

Ich setze mich auf und hebe die zusammengefaltete Karte der Karo-Dame vom Boden auf, während ich meine Social-Media-App öffne. Beim Scrollen unter meinem Fake-Profil beweist die App, dass sie mich besser kennt als ich mich selbst, und Lacey O’Shea erscheint auf magische Weise in meinem Feed.

Ihre himmelblauen Augen sind stumpf, ohne jegliche intelligente Gedanken oder Leidenschaft. Nicht wie die in meinem Traum. Sie lächelt nicht, als sie neben ihrer besten Freundin Roxana Muñoz steht, in einer Pose, die Tausende anderer Influencer eingenommen haben, um mühelos zu wirken. Es macht mich krank, das zu sehen, und ich würde ihr die Fassade fast glauben … Wenn ich sie nicht auch in Roxanas weniger kuratiertem Profil verfolgen würde.

Roxana hat die Kunst des Oversharings perfektioniert und macht ständig Schnappschüsse von ihrem chaotischen Leben. Ich scrolle durch den Feed, um schnell einen dieser Beiträge zu finden, während ich versuche, mich an der Unterhaltung zu beteiligen.

»Wie hast du meinen Tipp bestätigt? Meine Kontaktperson wollte mir keine definitive Antwort über den Zeitplan für diese Woche geben. Ich glaube, sie sind unsicher, was ich tun werde. Jeder in der Stadt weiß, dass Monroe dieses Wochenende wegen seiner Hochzeit hier ist, dank seiner großen Klappe …«

»Er ist jetzt ›der Baron‹, weißt du«, erinnert mich mein Vater mit einem rauen Kichern. »Monroes Vater ist zwar aus ›mysteriösen‹ Gründen gestorben, aber er ist immer noch das Oberhaupt der Familie. Nach unseren Regeln ist Monroe damit auch das Oberhaupt seines Namens.«

»Mysteriöse Umstände, so ein Quatsch. Das einzig Mysteriöse am Tod des alten Barons ist, dass sein Sohn ihn nicht schon früher getötet hat.«

»Ich habe keinen Zweifel, dass er eine Rolle gespielt hat. An dem Mann war wenig ›alt‹. Er war fit wie ein Turnschuh. Der Gerichtsmediziner wollte eine Autopsie, aber das konnte der Wächter natürlich nicht zulassen. Wir können kein anderes Mitglied der Garde hineinziehen. Die Todesfälle werden intern behandelt.«

»Und Todesfälle innerhalb der Familie werden überhaupt nicht behandelt. Wie in alten Zeiten.«

Die Garde versuchte, sich von der Mafia abzugrenzen, die einst die Vereinigten Staaten fast vollständig beherrschte. Anstatt offen in die Kriminalität einzusteigen, um ihre Geldgier zu stillen, handelten sie mit Geheimnissen und nutzten diese, um Positionen in der Regierung und in einflussreichen Unternehmen im ganzen Land zu erlangen.

Es hat nur zwei Generationen moralischer Kompromisse gebraucht, damit die Gier ihre Wurzeln schlagen konnte. Die Gesellschaft brüstet sich mit höheren Idealen, aber sie haben sie pervertiert: Sie verdrehen die Wahrheit, stellen die Fassade der Schönheit zur Schau, geben sich der Illusion der Freiheit hin und stehlen alle Macht für sich selbst. Heute ist die Garde genau wie ihr Gegenstück, die Mafia. Aber da die Garde die Regierung infiltriert hat, kann sie ihre Autorität nutzen, um nicht erwischt zu werden.

Jetzt hat die Organisation eine Liste von Feinden, die länger ist als die ihrer Mitglieder, und einer von uns wird zum ersten Mal strafrechtlich verfolgt. Wir sollten mehr als je zuvor zusammenhalten, aber sie haben sich von meiner Familie abgewandt.

»So ist das eben. Die Garde hat Regeln und er ist das Oberhaupt seiner Familie …«

»Der Mann ist eine Schlange, Dad. Ich würde ihm lieber den Kopf abschlagen, als ihm die Auszeichnung zu geben.«

»Du musst noch ein bisschen länger nett spielen, wenn du gewinnen willst, Kian.«

Verdammte Scheiße. Er hat ja recht. Aber ich weigere mich, das mit mehr als einem Grunzen anzuerkennen, während ich frustriert an meinen Haaren ziehe.

Es folgt ein langer Seufzer, bevor er antwortet: »Nun, der Baron ist tatsächlich wegen seiner Hochzeit in der Stadt, also habe ich einen alten Garde-Freund, der den McKennons immer noch die Treue hält, davon überzeugt, ihn zu einem unserer regelmäßigen Pokerspiele einzuladen. Natürlich hat das Wiesel die Gelegenheit zum Plaudern genutzt.«

»Du bist furchtbar im Pokern«, stöhne ich. »Diesmal hast du nicht verloren, oder? Letztes Mal hast du gegen einen Baron verloren.«

»Ich habe nicht verloren!«, lacht er trocken. »Glaub mir, ich habe meine Lektion gelernt. Ich spiele nur noch um Geld.«

Ich schnaube und schüttle den Kopf, widerstehe dem Drang, ihn weiter zu ärgern, weil er vor ein paar Jahren bei einem Spiel mit Monroe Baron senior ein Hotel am Las Vegas Strip verloren hat. Es gibt immer noch eine Menge Unternehmen in Vegas, die unseren Namen tragen, ganz zu schweigen von meinem Privatbesitz, sodass es jetzt verdammt lustig ist.

»Du hättest mich einladen sollen. Vielleicht hätte ich das Hotel zurückgewinnen können.«

»Wir brauchen dieses Hotel nicht. Eins ist genug. Und du weißt, dass ich das nicht konnte. Ich hatte sowieso nicht vor, zu spielen. Nur beobachten. Zum Glück war der arrogante Trottel schon so besoffen, als ich ankam, dass ich für ihn nur ein weiteres Gesicht war.«

»Er hat wohl zu viel getrunken, was? Der Baron sollte Abstinenzler sein, wie sein Vater vor ihm, wenn er weiß, was gut für ihn ist. Sie haben sich nie an den Schnaps gehalten.«

»Er glaubt, gegen alles immun zu sein, auch gegen das Betrunkensein. Ich habe dafür gesorgt, dass er nie ein leeres Glas hatte. Nach einer Weile musste ich mir nur noch sein Gejammer anhören, um Antworten zu finden.«

Die Prahlerei meines Vaters, den eingebildeten Mistkerl ausgetrickst zu haben, sollte meine Brust vor poetischer Gerechtigkeit anschwellen lassen, aber mir stockt der Atem, als ich Roxanas letzten Beitrag lese.

Bei dem anderen Bild stand Laceys geübter, emotionsloser Ausdruck im Vordergrund. Aber wie immer, ohne Publikum, endet ihre Vorstellung.

Auf diesem Foto streckt Roxana ihre Zunge heraus und legt den Mittelfinger an die Wange. Ihr Gesicht ist so nah, dass ich sehen kann, wo der Filter die Poren ihrer tiefgoldenen Haut ausradiert hat. Sie nimmt fast den ganzen Bildschirm ein, aber im Hintergrund ist Lacey zu sehen, die von zwei Straßenkünstlern fasziniert ist, die auf dem Gehweg des Vegas Strips tanzen.

Ihr Lächeln ist perfekt, so rein, dass ich die Freude spüren kann, die ihre glatte, elfenbeinfarbene Haut zum Strahlen bringt. Sie streicht eine lockere, erdbeerblonde Locke hinter ihrem zarten Ohr hervor, als wolle sie einen Vorhang zwischen sich und die Kamera ziehen, um die Show in Ruhe genießen zu können. Dabei blitzt ungewollt der große, funkelnde Klunker an ihrem linken Ringfinger auf.

Scheiße.

Ich schüttle den Kopf und will die App schließen, aber ich kann meinen Blick nicht von dem Diamanten von Monroe Baron lösen, der mich wie ein Warnblinklicht anstrahlt.

»Monroe jammert und stöhnt?« Ich schnaube. »Was hat dieser Schwachkopf denn zu meckern? Charlie O’Sheas Tochter ist im Grunde die zukünftige Königin der Garde. Wenn Monroe sie heiratet, wird er der Nächste in der Reihe der Wächter sein. Wenn er dann für das Amt kandidiert, hat er bereits Zugang zu jedem einzelnen Geheimnis der Garde und wird diesen Vorteil zweifellos nutzen, um sich eines Tages die amerikanische Präsidentschaft zu sichern.«

Und Lacey wird für immer ihm gehören.

Dieser fast ständige, nagende Schmerz in meiner Brust flammt wieder auf. Im Laufe der Jahre ist es schlimmer geworden. Im Schatten auf den richtigen Zeitpunkt für meine Rache zu warten, hat mich fast umgebracht.

Mein Vater bestand darauf, dass ich in Irland aufwuchs, weit weg von all den hinterhältigen Machenschaften der Garde, aber die kriminellen Verbindungen meiner Familie brachten mich in die Kampfszene. Es war brutal – zu oft musste ich meine gebrochene Nase selbst richten –, aber diese Fähigkeiten haben sich immer wieder als nützlich erwiesen, um Dampf abzulassen und die Gelegenheitsjobs zu erledigen, die mein Vater mich zum Schutz unseres Geschäfts ausführen ließ. Sie waren meine einzige Rettung im letzten Jahr, aber ich werde nie wirklich ruhen, bis ich meine Rache bekommen habe.

Ich spiele mit der Königin-Karte in meiner Hand und meine Augen weiten sich, als mir eine Idee kommt. Das wird meinem Vater nicht gefallen. So sehr Finneas McKennon ein Weichei ist, wenn es um seine Familie geht, so biblisch ist McKennons Rache an allen anderen: stehlen, töten, zerstören. Alles andere wäre in seinen Augen Versagen.

Diese Alles-oder-Nichts-Strategie hat ihn zu einem hervorragenden Geschäftsmann, aber auch zu einem schrecklichen Pokerspieler gemacht. Er ist gut darin, das einzuschätzen, was vor ihm liegt, aber schlecht darin, die Spieler um ihn herum zu lesen, und er ist berüchtigt dafür, hohe Einsätze auf schlechte Karten zu setzen.

Aber was, wenn der Diebstahl der Karo-Dame alles ist, was ich brauche, um ein Gewinnblatt zu bekommen?

»Der Baron will nicht, dass Miss O’Shea heute Abend zu ihrer Junggesellinnenparty ins Rouge geht, zumal sie sich weigert, von seinen Leibwächtern begleitet zu werden. Anscheinend fühlt sie sich in ihrer Heimatstadt sicher«, fährt mein Vater fort und gibt mir die Informationen, die ich über ihre Sicherheitspräsenz – oder deren Fehlen – brauche. »Er findet auch, dass der Besuch der Revue am Abend vor ihrer eigentlichen Hochzeit ein Schlag ins Gesicht ist.«

»Sie sollen also morgen heiraten? Mein Kontakt konnte das nicht bestätigen.«

»Der Mann selbst hat gesagt, dass sie sich morgen früh im Gericht treffen, um den rechtlichen Teil zu klären. Er hat sogar gesagt, dass sie ihn heute Abend bei der ›sündigen‹ Show nicht in Verlegenheit bringen soll, sonst könnte er die ganze Sache abblasen.«

»Lass mich raten, er war ein braver kleiner Junge und ist nach dem Pokerspiel ganz allein nach Hause gegangen?« Ich schnaube, denn ich weiß genau, dass Monroe jeden Tag in der Woche eine andere Geliebte hat.

»Natürlich nicht. Er ist gegangen, während er mit zwei Kellnerinnen aus dem Casino geknutscht hat. Die Barone haben keine McKennon-Loyalität. Das ist es, was mit der Garde nicht stimmt. Arrangierte Ehen müssen keine reinen Geschäftsverträge sein, schon gar nicht, wenn sie gut zusammenpassen. Trotz der Differenzen zwischen unseren Familien habt ihr gut zusammengepasst, bevor sie eine dumme Salonlöwin wurde. Deine Mutter hat sich nie geirrt. Erpressung und finanzielle Macht mögen für die Organisation das Wichtigste sein, aber nichts gibt einem Mann mehr Kraft, als jemanden an seiner Seite zu haben, den er liebt. Sieh dir deine Mutter und mich an. Sobald ich sie im Visier hatte, gab es keine andere mehr. Aber die Männer der Garde werden das nie verstehen. Es braucht jemanden wie dich als Wächter, um alles zum Besseren zu wenden, und O’Shea hat dafür gesorgt, dass das nie passieren wird.«

»Vorsichtig, Dad. Lass nicht zu, dass dich das Alter verdammt romantisch macht.«

»Oh, glaub mir, ich habe immer noch genug Rücksichtslosigkeit in mir, um den Job zu erledigen. Apropos, Miss O’Sheas makelloses Image zu bewahren, war nicht das einzige Problem, das der Baron hatte. Er ist überzeugt, dass sie im Rouge in Schwierigkeiten geraten wird.«

»Es ist das Unternehmen ihrer eigenen Familie. In welche Schwierigkeiten könnte sie geraten?«

»Ironisch, dass du das fragst. Hoffentlich verspricht deine List heute Abend genau das. Du musst den Namen O’Shea ruinieren, Kian. Wenn du es richtig anstellst, wird die Garde vielleicht erkennen, dass du der Anführer bist, den wir brauchen, um diesen rückgratlosen Verräter zu stürzen, solange er in seiner Zelle sitzt. Ich zähle auf dich und auf alle Familien, die uns unterstützt haben, als wir gemieden wurden. Das ist die einzige Möglichkeit, es den Barons und den O’Sheas gleichzeitig heimzuzahlen. Ruiniere sie und schau niemals zurück.«

Mein Daumen fährt über Laceys Gesicht auf dem Bildschirm und verdeckt den Diamantring, und ein langsames Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus.

»Das habe ich vor.«

 

Die Grüne Fee

 

»Lacey, Liebes, findest du nicht, dass dieses Kleid vielleicht … Ich weiß nicht, etwas zu freizügig ist?«

Der Kommentar meiner zukünftigen Schwägerin bringt mich dazu, mich nackt ausziehen zu wollen, nur um sie zu ärgern. Stattdessen benehme ich mich wie das brave ›Garde-Mädchen‹, das ich zu sein vorgebe, und lächle in Maeves Richtung. Ich ziehe den Tüllsaum meines kurzen weißen Kleides herunter, während sich meine andere Hand zur Faust ballt.

Das Kostüm ist zugegebenermaßen lächerlich, aber ich habe nicht mit der Wimper gezuckt, als meine beste Freundin Roxy darauf bestand, dass ich alles auf mich nehme. Es ist ein übertriebenes, mit Spitze und Diamanten besetztes Cocktailkleid für eine entlaufene Braut, komplett mit Tennisschuhen. Darin kann man gut tanzen, aber das glitzernde Outfit und der riesige Stein im Prinzessinnenschliff an meinem Ringfinger lassen mich wie eine wandelnde Discokugel aussehen.

»Sei nicht so eifersüchtig, Mimi«, sagt Roxy zu meiner Verteidigung, während sie uns Schnaps einschenkt und darauf achtet, in der Limousine nichts zu verschütten.

»Mein Bruder ist der Einzige, der mich so nennen darf.«

»Aber der Name Maeve ist so … spießig.«

»Lacey, mach, dass Roxana aufhört! Sie macht sich über mich lustig, seit ich in die Limousine gestiegen bin.«

Roxy grinst und betont dabei ihren perfekt aufgetragenen blutroten Lippenstift. Ihre tiefbraunen Augen sind mit starkem Lidschatten geschminkt und ihre hyperrealistischen Reißzähne machen sie noch furchteinflößender, als sie ohnehin schon ist. Ganz zu schweigen davon, dass sie einen komplett schwarzen Lederoverall trägt, der den Spagat zwischen sexy Vampir und Domina meistert.

»Roxy … Maeve …«, warne ich und versuche die beiden zur Ruhe zu bringen. »Ihr habt euch den ganzen Abend wie Katzen angefaucht, und das ist erst der Anfang. Ich will nur Spaß haben.«

»Schon gut, schon gut, Spaß beiseite, Maeve, es ist der Geburtstag meiner besten Freundin und ihr Junggesellinnenabschied. Sie hat es verdient, verdammt heiß auszusehen, okay? Ihr Outfit ist praktisch zahm für die Devil’s Night. Außerdem zieht sich doch jede zu Halloween wie eine Schlampe an.«

»Es ist einfach zu kurz, vor allem, wenn man so viel herumzappelt. Und der Ausschnitt ist ziemlich tief «, argumentiert Maeve. »Ganz zu schweigen davon, dass ›entlaufene Braut‹ bei meinem Bruder einen falschen Eindruck erwecken könnte. Es steht zu viel auf dem Spiel, um darüber Witze zu machen.«

Sie beugt sich zu mir, um den Spitzen-V-Ausschnitthochzuziehen, aber ich weiche zurück und meine Hand zuckt mit dem kaum zu unterdrückenden Drang, sie wegzuschlagen.

»Es gefällt mir.« Meine Augen verengen sich, bevor ich mich näher zu ihr lehne, damit meine vergessliche, betrunkene Freundin mein Flüstern nicht hören kann. »Und du musst mich nicht daran erinnern, wie viel auf dem Spiel steht.«

Roxy unterbricht uns und schenkt mir ein Schnapsglas randvoll mit Belvedere-Wodka ein. Ich nippe schnell daran, nur für den Fall, dass der Limousinenfahrer mal wieder wegen eines betrunkenen Fußgängers abrupt anhalten muss. Der klare Schnaps soll zwar sanft sein, aber ich zucke trotzdem zusammen, als ich ihn schmecke.

Maeves Augen werden groß. »Bräute sollten keine Shots trinken. Das ist billig!«

Sie greift nach dem Shot, aber ich ziehe mich zurück und nehme einen großen Schluck, obwohl es brennt.

Roxy schnaubt. »Du hättest mal sehen sollen, wie dieses Mädchen bei einem Spiel der Saints im Big Easy ein Bier gekippt hat. Ich schwöre, sie hat die Jungs auf dem Parkplatz dazu gebracht, vor ihr auf die Knie zu fallen. Wir haben vielleicht die Blume des Wächters in unserer Mitte, aber dein Bruder wird ganz sicher kein schrumpfendes Veilchen.«

Roxys Anspielung auf den prätentiösen Titel der Garde, die Rote Kamelie, lässt mich zusammenzucken. Als Kind hielt ich das für einen niedlichen Spitznamen meines Vaters, denn ich liebte diese hübsche Blume schon damals. Erst als es um Ehe und Heiratsanträge ging, wurde mir klar, dass es der Name der Garde für die einzige Tochter des Wächters war und dass diese hübsche Blume dazu bestimmt ist, zum Vergnügen der Garde gepflückt zu werden.

Aber keine von ihnen bemerkt mein Unbehagen. Maeves Mund steht offen, sie ist zu entsetzt über Roxys Geschichte, um mich wegen meiner Zappelei zurechtzuweisen. Als meine zukünftige Schwägerin wieder zu sich kommt, streicht sie ihr schwarzes Kleid, das ihr als Nonnenkostüm dient, glatt und räuspert sich, bevor sie mich buchstäblich von oben herab ansieht.

Warum zum Teufel wollte sie überhaupt mitkommen, wenn sie die ganze Zeit vorhatte, mich zu kritisieren?

»Du bist in Sin City aufgewachsen, also weißt du es vielleicht nicht, aber du solltest diese Art von Verhalten auf dem College hinter dir lassen, so wie ich es getan habe. Ich bin mir sicher, dass der Besuch einer Kunsthochschule in New Orleans voller Versuchungen war, aber ich hoffe, du hast deine Beine fester geschlossen als heute Abend.« Sie drückt meine Knie so schnell zusammen, dass ich sie nicht aufhalten kann. »Mein Bruder und die Garde haben Erwartungen, weißt du. Aber ich bin mir sicher, dass Monroe in der Lage sein wird, dich zu zähmen.«

Ich bin empört, als sie mein Kleid von oben bis unten mustert.

»Ich bin kein Tier, das man zähmen kann. Aber keine Sorge, ich weiß, was von mir erwartet wird.« Ich trinke den Rest meines Shots, ohne auf Roxys Toast zu warten.

Die Garde mag für mein Leben, meinen Körper und meine Zukunft verantwortlich sein, aber diese kleinen Momente der Rebellion bringen mich durch jeden beschissenen Tag.

»Hey! Wir sollten wenigstens ›Prost‹ oder so sagen«, brummt Roxy, bis ich ihr mein leeres Schnapsglas reiche.

»Schenk noch einmal nach.«

Ich werde so viel flüssigen Mut brauchen, wie ich bekommen kann, wenn ich den letzten Akt meiner Rebellion, die ich geplant habe, durchziehen will. Bei der Burlesque-Show heute Abend gibt es einen Teil, der nur für Amateure ist. Mein Freund Tolie arbeitet für das Unterhaltungsunternehmen meiner Familie und er hat ein Programm organisiert, bei dem eine der Tänzerinnen mich als Darstellerin auswählen wird. Es ist schon so lange her, dass ich auf der Bühne gestanden habe, und ich kann es kaum erwarten.

Roxy zuckt mit den Schultern, füllt das Glas nach und schenkt zwei weitere ein. »Hier, Maeve, Liebes, warum entspannst du dich nicht ein wenig? Es könnte eine lange Nacht werden.«

Roxys blutrotes Lächeln ist zuckersüß, als sie Maeve ihren Schnaps reicht. Maeves blasse Haut ist im LED-Licht der Limousine fast durchsichtig, aber ihr finsterer Blick ist sonnenklar, als sie sich über mich beugt, um das Glas entgegenzunehmen.

»Komm schon. Sei nett.« Roxy schiebt ihre volle Unterlippe vor, eine Bewegung, die sie in der Grundschule perfektioniert hat, um zu bekommen, was sie will. »Ich bin die Trauzeugin und Lacey hat darauf bestanden, dass ich dich einlade, obwohl Schwestern immer Petzen sind, wenn es um Partys geht. Willst du dich austoben und mit uns feiern oder mir recht geben?«

Roxys schwarze Augenbrauen heben sich fragend und Maeves Wangen erröten so stark, dass sie einen violetten Farbton annehmen.

»Ich bin keine Verräterin.« Maeve erhebt das Glas in der Mitte von uns dreien. »Auf die Braut, die schönste Blume der Garde. Möge Gott dich mit vielen Baron-Babys segnen.«

Ihr Toast lässt mich das Gesicht verziehen, aber sie sieht es nicht, denn sie kippt den Schnaps in einem Zug hinunter und knallt ihn auf die lederne Armlehne neben sich.

»Okay, ihr müsst aufhören, mir die Show zu stehlen«, jammert Roxy. »Ich soll die Toasts machen. Jetzt müsst ihr noch einen machen.«

Maeve hustet als Antwort und sieht Roxy mit ihren hellbraunen Augen an. Ihr säuerlicher Gesichtsausdruck ist fast schon komisch, aber auch wenn Maeve heute Abend auf ihrem hohen Ross sitzt, möchte ich ihr aus Schuldgefühlen eine Pause gönnen.

»Maeve, du musst keine Shots trinken. Sie will dich nur ärgern.«

Die Verachtung meiner zukünftigen Schwägerin verlagert sich auf mich. Mit ihren glatten, schmutzig-blonden Haaren, die von einem Designerstirnband zusammengehalten werden, und der Enttäuschung in ihrem Gesicht sieht sie meinem Verlobten zum Verwechseln ähnlich. Ihr fehlt nur noch ein Ziegenbart.

»Ich will nicht als Verräterin bezeichnet werden. Die Garde ist stolz darauf, Geheimnisse zu bewahren, und ich habe meinen Teil dazu beigetragen.«

Ich runzle die Stirn bei ihrem spitzen Blick. Ich habe keine Ahnung, wovon zum Teufel sie spricht. Weiß sie, wie wild und verrückt Roxy und ich damals in New Orleans auf der Bourbon und der Frenchman Street geworden sind? Das kann es doch nicht sein, oder? Wir waren so vorsichtig.

Bevor ich sie bitten kann, das zu erklären, schenkt Roxy ein und drückt Maeve ein weiteres volles Glas in die Hand.

»Beweise es. Trink aus.«

Roxy starrt sie unverwandt an, aber ich runzle hinter dem Rand meines Glases leicht die Stirn. Sie führen beide etwas im Schilde, auch wenn ich bezweifle, dass eine den Plan der anderen kennt. Was auch immer sie vorhaben, ich überlasse es ihnen, es zu klären. Ich bin viel zu aufgeregt, um Maeves Herablassung heute Abend allein zu ertragen. Es ist schön, dass meine Freundin mich verteidigt, auch wenn sie selbst fragwürdige toxische Tendenzen hat.

»Nein, du und Lacey zuerst. Ich habe meinen – im Gegensatz zu euch – gerade ausgetrunken!«

»Herrgott, Maeve, es ist ja nicht so, als würde ich dich mit Belvedere und Dom Perignon zwangsernähren. Ich sollte den Toast aussprechen und du hast mir den Glanz gestohlen. Jetzt trinkst du noch einen, damit ich meinen sagen kann und wir kein Unglück bekommen.«

Maeve schmollt, nimmt aber das Glas und überrascht mich. Ich weiß nicht, was sie vorhat. Wie Roxy dachte ich, dass Maeve nur gekommen ist, weil ihr Bruder sie gezwungen hat, mir nachzuspionieren. Er hasst es, dass ich überhaupt einen Junggesellinnenabschied habe, geschweige denn, dass ich am Abend, bevor ich mein Leben der Garde übergebe, in eine Burlesque-Show gehe.

Für meinen Vater.

Der Gedanke beruhigt mich. Er ist der Grund, warum ich diesem Arrangement überhaupt erst zugestimmt habe. Also setze ich ihm zuliebe ein falsches Lächeln auf und versuche, das Beste aus der Situation zu machen.

»Ich trinke so viele, wie du willst, Rox.«

»Das ist die richtige Einstellung!«

»Nein, nein, nein. Wir wollen nicht, dass die Braut an ihrem Junggesellinnenabschied eine Säuferin ist!«

»Das gilt nur für dich«, schnaubt Roxy. »Ich kann es kaum erwarten, dass mein Mädchen betrunken wird.«

»Sie scherzt nur, Maeve. Ich werde mich nicht betrinken, ich schwöre es.«

Ich kann nicht, wenn ich heute Abend tanzen soll. Zugegeben, Maeve weiß nicht, was ich vorhabe.

»Gut«, antwortet Maeve mit einem zustimmenden Nicken. »Morgen ist ein wichtiger Tag für dich.«

»Warum? Was ist morgen?«, fragt Roxy und mein Herz beginnt zu stolpern. »Wir haben unsere Papayas schon gewachst bekommen, ihre Mutter kümmert sich um das Probeessen und die Hochzeitsplanung und die eigentliche Veranstaltung ist am Samstag. Ich dachte, morgen wäre frei?«

Maeve ist vielleicht keine Petze, aber sie ist definitiv nicht so gut darin, Geheimnisse für sich zu behalten, wie sie vorgibt. Nur unsere Familien wissen, dass Monroe und ich morgen früh die Heiratsurkunde unterschreiben werden. Wir wollen nicht, dass sich irgendjemand in die rechtlichen Angelegenheiten der eigentlichen Hochzeit einmischt, und die große Vision des Barons für eine üppige Probedinnerparty und eine überraschende, extravagante Hochzeit – eine, an der sich meine Mutter fast die Haare ausgerissen hat, um sie perfekt zu machen – ist ein blinkendes Signal für jeden, der unsere Hochzeit vereiteln will, um sich einen Vorteil in unserer Gesellschaft zu verschaffen.

»Entschuldigung, ich meinte Samstag …« Maeve plappert weiter, lässt Geheimnisse fallen wie ein Kipplaster. »Samstag ist wichtig. Wenn sie meine Familie bis dahin nicht in Verlegenheit bringt, muss sie sich bald nur um die Zeugung eines Erben kümmern.«

Die Worte treffen mich an der Brust und landen wie ein Ziegelstein zwischen uns dreien.

Es ist kein Geheimnis, dass die Garde ihre Frauen vor der Heirat wie Schmuckstücke und danach wie Zuchttöchter behandelt, aber dass eine andere Frau diese Tatsache so einfach hinnimmt, macht mir Angst um die Zukunft der Garde.

»Ich habe nicht vor, tatenlos zuzusehen, während mein Mann regiert, weißt du. Wir müssen keine Trophäenfrauen sein, wenn wir nicht wollen. Sieh dir meine Mutter an. Während mein Vater im Gefängnis ist, führt sie seine Geschäfte gut.«

Maeve schnaubt. »Nur die, die die Regierung nicht für Ermittlungen beschlagnahmt hat. Gut, dass mein Bruder eingesprungen ist.«

Ich achte darauf, nicht zu reagieren, damit Roxy nicht merkt, dass Maeve mit ihren Geständnissen während einer betrunkenen Limousinenfahrt immer viel zu viel verrät. Ich liebe Roxy, aber ihre Loyalität gilt ihrem Familiennamen und die Muñozes waren im letzten Jahr unberechenbar in ihren Beziehungen. Männer der Garde wie ihr Vater sind bereit, für Macht alles Mögliche einzutauschen – oder sogar zu töten, wenn sie Schwäche spüren. Da er einer der Finanzmanager meines Vaters ist, wird Monroe die Unschuld meines Vaters zu beweisen haben. Unsere Familien haben die Tatsache, dass er aussagen wird, geheim gehalten, weil wir nicht wollten, dass rivalisierende Familien wie die Muñozes herausfinden, wie wichtig Monroe für die Freiheit meines Vaters ist.

Nachdem er zum ersten Mal verhaftet worden war, verschwanden die Arschkriecher und Speichellecker, mit denen ich aufgewachsen war, blitzartig. Zwei Jahre später wurde mein Vater aufgrund neuer Anschuldigungen erneut verhaftet und der Richter schickte ihn zurück ins Gefängnis. Jetzt ist er gezwungen, dort bis zu seinem Prozess zu bleiben – was dank des verdammt langsamen Justizsystems Gott weiß wann sein wird.

Als er uns verließ, stellte sich die Frage, ob die Garde ihn stürzen würde, sodass meine Mutter und ich uns Sorgen machten, ob wir überhaupt den Prozess erleben würden. Wenn ein Patriarch stirbt, ohne dass ein Sohn oder Bruder die Lücke füllt, stirbt der Rest der Blutlinie bald mit ihm unter ›mysteriösen Umständen‹ aus, sodass das Vermögen an die Garde zurückgegeben und unter den verbleibenden Familien aufgeteilt wird.

Aber ein Präzedenzfall besagt, dass das Amt des Wächters nur durch den Tod weitergegeben werden kann. Selbst hinter Gittern behält mein Vater die volle Kontrolle über die Garde. Die Offiziere drehen den Kopf, wenn er sein geschmuggeltes Telefon benutzt, um Allianzen auszuhandeln, und die Geheimnisse, die er immer noch hütet, sorgen auch für die Sicherheit von mir und meiner Mutter. Unsere Gesellschaft gedeiht unter seiner Herrschaft weiter.

Das einzige Problem waren bisher die McKennons, aber nichts kann sie aufhalten. Obwohl wir uns nie begegnet sind, sollte ich eines Tages den Erben des Namens McKennon heiraten. Anfangs war ich nervös wegen des Arrangements, aber nachdem ich vor Jahren seine nette Mutter kennengelernt hatte, war ich begeistert. Als er unseren Vertrag brach, war ich am Boden zerstört … zuerst. Aber ich habe schnell gemerkt, dass er genau wie alle anderen in dieser Gesellschaft ist. Alle denken, dass meine Familie den Vertrag gebrochen hat, aber mein Vater hat mir die Wahrheit gesagt.

Kian McKennon wollte mich nicht. Er wollte Macht. Und das hat mich wütend gemacht.

Es war ihm egal, dass mein Vater reingelegt worden war, und als er mich abwies, verstand ich endlich, warum meine Familie seine immer gehasst hatte.

Zum Glück tauchte Monroe Baron auf und machte mir einen Heiratsantrag. Die Garde weiß nicht, dass er an die Unschuld meines Vaters glaubt, und hält ihn für einen Heiligen, weil er sich mit mir, der Tochter eines angeblichen Kriminellen, erniedrigt.

Aber so denkt die Garde, Maeve weiß es besser. Ihre große Klappe bringt mich zum Kochen.

»Ich habe nichts getan, was deine Familie in Verlegenheit bringen könnte.«

»Ob du die Peinlichkeit bist oder dein Vater, das spielt keine Rolle. Sobald mein Bruder Wächter ist, werden die in Ungnade gefallenen O’Sheas vergessen sein, genau wie die McKennons.«

»Die O’Sheas werden vergessen sein?« Roxys Augen werden so groß wie Golfbälle. »Du bist vielleicht die Schwester des zukünftigen Wächters, aber Lacey ist praktisch immer noch die zukünftige Königin der Garde.«

»Nein, nein. Das habe ich nicht gemeint.« Maeve schüttelt schnell den Kopf. »Ich meine, dass die Schande der O’Sheas vergessen sein wird.«

»Aber du hast gesagt, dass die ›in Ungnade gefallenen O’Sheas‹ vergessen sein werden«, argumentiere ich.

»O nein. Du hast mich falsch verstanden, Dummerchen. So etwas würde ich nicht sagen.« Sie winkt ab, als ob ich diejenige wäre, die hier aus der Reihe tanzt.

Als sich die Gesichter von Roxy und mir nicht entspannen, lacht Maeve nervös und kramt in ihrer Handtasche, um ein verschreibungspflichtiges Fläschchen ohne Etikett herauszuholen.

»Was machst du da?«, fragt Roxy. »Ist das Valium?«

»Nur eine kleine Pille für meine Nerven.« Maeve klappt den Deckel gekonnt mit einer Hand auf.

»Warte«, unterbreche ich. »Du hast getrunken. Ist das eine gute Idee?«

»Ich schaffe das schon. Ich habe das schon mal gemacht.«

»Das ist nicht unbedingt das Gleiche –«

Sie ignoriert mich, während sie die Flasche kippt wie den Shot, den sie gerade getrunken hat. Die Pillen gleiten an dem durchsichtigen orangefarbenen Plastik hinunter, bevor sie schnell ein paar Schlucke Schnaps nimmt und beides schluckt. Ich kann nicht sagen, wie viel sie genommen hat, aber als sie fertig ist, lässt sie die Flasche zurück in ihre schicke Handtasche fallen und lächelt mich an, als hätte sie nicht gerade meine Familie beleidigt, dubiose Pillen geschluckt und beides in Sekundenschnelle mit teurem Wodka hinuntergespült. Roxy erholt sich schneller als ich und erhebt langsam ihr Schnapsglas zwischen uns dreien, um mich davon abzuhalten, Maeve weiter auszufragen.

»Mit dieser beunruhigenden Bemerkung … Auf einen Schwanz für den Rest deines Lebens! Und auf die Millionen von Dollar, die dir hoffentlich helfen werden, diesen einen Schwanz zu vergessen. Prost!«

Roxy stößt mit all unseren Gläsern an, während ich kichere und Maeve unsagbar schockiert aussieht. Trotzdem stößt sie mit uns an wie ein Champion.

Sobald die Flüssigkeit meine Geschmacksknospen passiert, zische ich und schüttle den Kopf, während ich die Augen wegen des brennenden Gefühls zusammenkneife.

»Mein Gott, das wird dich an den Eierstöcken treffen«, murmle ich und ignoriere Maeves ständigen Ausdruck der Missbilligung.

»Oh, ich vergaß!« Roxy kramt in ihrer Handtasche, holt einen kleinen Stapel Karteikarten heraus, die mit einem silbernen Ring verbunden sind, und reicht sie mir. »Für dich.«

Ich runzle die Stirn, bis ich die geschwungene rosa Schrift auf der Vorderseite lese, in Roxys Handschrift: ›Bitch of Honor Kidnappings‹. Ich drehe den Umschlag um und sehe eine hübsch verzierte Terminkarte mit der Aufschrift ›Gewachste Papayas und Pediküre‹. Als ich wieder umblättere, sehe ich eine ›Dumme Liebeskomödie nach Wahl der Braut‹-, eine ›Eierstöcke tief im Suff‹- und eine ›Wünsch dir, du wärst noch Single‹-Karte, gefolgt von vielen weiteren.

»Das hast du für mich gemacht?« Meine Brust verkrampft sich angesichts des wohlüberlegten, selbst gemachten Geschenks.

Roxy zuckt mit den Schultern und versucht, ihr bestes lässiges Garde-Gesicht aufzusetzen. »Du hast gesagt, du hast Angst, dass wir nicht mehr zusammen abhängen können. Wenn du sie benutzen willst, schick mir einfach ein Foto und dann komme ich vorbei und entführe dich, ohne Fragen zu stellen.«

»Roxy …« Tränen füllen meine Augen. »Das ist so süß …«

Maeve reißt mir die Karten aus der Hand und zieht eine heraus. »Eine ›Wünsch dir, du wärst noch Single‹-Karte? Wirklich? Ich glaube nicht, dass du die brauchen wirst. Niemals.«

Roxy schnappt sich das Gutscheinbuch zurück und stopft es in ihren engen Body, bevor sie mit dem zerrissenen Zettel in der Luft herumfuchtelt. »Weißt du was, Maeve? Ich glaube, der hier wäre perfekt für unser Mädchen heute Abend. Es geht doch nichts über eine Party, die einem das Gefühl gibt, wieder Single zu sein.«

»Nein. Laceys ›Single-Tage‹ waren vorbei, als mein Bruder die Heirat mit ihr arrangierte. Er hat lange darauf gewartet, dass ihre Familie sich an diese Vereinbarung hält. Sie sollte so kurz vor der Hochzeit keinen Kater haben oder etwas Dummes anstellen.«

Ich möchte ihr aus Trotz widersprechen, aber sie hat nicht unrecht. Es ist lange her. Jahre, um genau zu sein, aber so ist das bei der Garde. Wir sollten nicht vor dem Geburtstag heiraten, den wir nach unserem College-Abschluss haben, nicht einen Tag vorher.

Eine Nacht. Das ist alles, was mir von meinem Singleleben geblieben ist.

Die Wartezeit bis zur Heirat ist in unserer Welt ein Geschenk des Himmels, denn sie gibt uns ein winziges Stück Freiheit, bevor die Verantwortung uns wie Ketten niederdrückt. Es ist niederschmetternd zu wissen, dass ich meine Leidenschaft zurücklassen muss, um einem Mann beizustehen, der seine verwirklicht. Monroe hat deutlich gemacht, dass er mich nur wegen meines Namens und der Position meines Vaters will. Sobald ich einen Baron gebäre, kann er sein Erbe antreten und sich die Unterstützung der Gesellschaft für seine politischen Bestrebungen sichern.

Die Frauen der Garde werden im Tausch gegen Macht wie Karten auf einem Tisch hin- und hergeschoben, Dynastien und Vermögen werden weitervererbt. Ohne eine von der Garde anerkannte Ehefrau und Erbin geht die Hälfte von Monroes Erbe entweder an Maeve, wenn sie heiratet und ein Kind bekommt, oder es fällt an die Garde zurück. Das Pay-to-Play-System ist eine rücksichtslose und archaische Praxis, aber das ist alles, was die Garde ist. Rücksichtslos und archaisch.

Und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann.

Bis jetzt.

Der Gedanke flüstert mir verführerisch in den Kopf, aber ich schiebe ihn beiseite. Tanzen ist eine Sache, aber eine putschartige Rebellion ist nicht das Klügste, woran ich denken sollte, während ich mit meiner verklemmten zukünftigen Schwägerin Alkohol trinke.

Die Limousine kommt langsam zum Stehen und Roxy rutscht aufgeregt auf ihrem Sitz hin und her. Bei jedem anderen würde das lächerlich aussehen, aber das Mädchen war eine der besten Tänzerinnen am Bordeaux Conservatory, der Schule für darstellende Künste, die wir beide in New Orleans besucht hatten. Jede ihrer Bewegungen ist fließend und perfekt, egal was passiert.

»Wir sind da«, singt sie falsch und kippt etwas Schnaps aus der Flasche. Sie holt tief Luft und schnauft, bevor sie Maeve die Flasche reicht.

»Trink aus, Mimi. Du musst den Stock in deinem Arsch lockern.«

Maeve runzelt die Stirn, nimmt aber trotzdem einen Schluck. Die meisten Garde-Frauen wurden dazu erzogen, gefügig zu sein, weil man ihnen jahrelang gesagt hat, was sie zu tun haben. Wenn man bedenkt, wie sehr der Baron darauf besteht, mein Leben zu kontrollieren, noch bevor wir verheiratet sind, bezweifle ich nicht, dass sie von der Glaswand einer nahe gelegenen Dachterrasse springen würde, wenn jemand, der reicher ist als sie, es ihr befehlen würde.

»Du auch, zukünftige Mrs. Stock im Arsch.« Roxy zwinkert mir zu, während sie eine weitere Flasche Dom aus der Kühlbox der Limousine holt und mir reicht.

Ich kichere, als ich sie an meine Lippen hebe und einen süßen Schluck nehmen will, um meine Angst zu lindern, aber mein Handy klingelt in der Tasche meines Kleides.

»Scheiße.« Ich schiebe die Flasche zu Roxy hinüber und unterbreche ihre Unterhaltung mit Maeve. Ich schwöre, sie macht sie absichtlich betrunken. Roxy ist dafür bekannt, dass sie sich bis zur Bewusstlosigkeit betrinkt, und mit dem Valium in Maeves Körper muss ich vielleicht an meinem Junggesellinnenabend den Babysitter spielen.

Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und werfe einen kurzen Blick auf das Display, bevor ich es an mein Ohr halte.

»Monroe? Wir gehen gleich in den Club. Kann ich dich danach anrufen?«

Mein Verlobter schnaubt zurück. Er ist wütend, dass ich zu einer Männerrevue gehe, seit Roxy und Tolie die Idee dazu hatten. Seine Schwester sieht mich mit betrunkenen, interessierten Augen an und ich widerstehe dem Drang, mit den Augen zu rollen. Maeve wird sich wahrscheinlich an nichts von heute Abend erinnern, aber es ist besser, sicher zu sein, als erpresst zu werden.

Roxy sieht ziemlich zufrieden aus und mir wird klar, was sie vorhat. Sie versucht, Maeve betrunken zu machen. Vielleicht will sie sicherstellen, dass Maeve Monroe nicht von meinem Tanz erzählen kann? Ich hatte auf eine ›Erst heiraten, dann um Verzeihung bitten‹-Situation mit ihm gehofft, aber dass sie sich überhaupt nicht daran erinnert, wäre so viel besser für mich.

»Ich weiß nicht, warum du überhaupt zu dieser lächerlichen Show gehen musst. Das ist ein stadtbekannter Stripclub, um Himmels willen. Es ist peinlich, dass meine zukünftige Frau dorthin geht.«

»Und wo wird dein Junggesellenabschied stattfinden, hm? In einem Kloster?«

Monroe schnaubt. »Offensichtlich nicht, aber Männer sind anders. Du solltest nicht in so einem Kleid durch die Stadt laufen.«

Ich sehe nach unten. »Woher weißt du, was ich anhabe …«

Als ich wieder aufblicke, sehe ich, dass Maeve alles ansieht, nur mich nicht.

Natürlich hat sie mich verpfiffen. Wahrscheinlich hat sie ihm das Gruppenfoto von uns dreien gleich nach der Aufnahme geschickt. Ich hätte nichts anderes erwarten dürfen, ehrlich gesagt, ich hätte nur nicht gedacht, dass sie so verdammt schnell handeln würde.

»Denk daran, dass ich kein Problem damit habe, die Hochzeit als Strafe zu verschieben. Ich könnte sie sogar verschieben, bis die Verhandlung deines Vaters vorbei ist. Was würde dann passieren? Ein Freispruch ist viel schwieriger zu erreichen als ein ›nicht schuldig‹-Urteil. Bring mich heute Abend nicht in Verlegenheit, Lacey.«

Die Luft in meinen Lungen gefriert bei seiner kalten Drohung. Der O’Shea-Teil in mir möchte sich gegen seine überhebliche Haltung auflehnen. Wie zum Teufel kann er es wagen, mich einzuschüchtern und die Freiheit meines Vaters gegen mich zu verwenden?

Aber die Realität meiner Situation erfordert die falsche, glitzernde Fassade, die ich der Welt vorbehalte, die nur schöne Dinge sehen will. In der ich zwar gesehen, aber nicht gehört werde. Und dieser Teil möchte sich in eine Ecke verkriechen.

Mein Mund entscheidet sich für eine Mischung aus beidem, bevor die Logik einsetzt.

»Das ist mein Junggesellinnenabschied, Monroe. Ich werde mich amüsieren. Das Rouge ist ein Etablissement der Garde. Ein O’Shea-Etablissement, sogar. Ich werde sicher sein vor den Paparazzi. Die Leute meines Vaters sind loyal und ich verspreche, dich danach anzurufen. So wie wir es vereinbart haben.«

Monroe brummt am anderen Ende der Leitung, aber ich kann nicht genau verstehen, was er sagt. Als er sich schließlich antwortet, bin ich über seinen Tonfall verärgert.

»Mach dir nichts draus, Lacey. Ich habe versucht, dich zu warnen. Es wäre eine Schande, wenn die ganze Sache in die Hose gehen würde, nur weil du zur Barschlampe wirst. Was wird dein Vater im Gefängnis machen, wenn er dich nicht als Druckmittel hat? Die Loyalität der Garde hält nur eine gewisse Zeit an.«

Ich öffne den Mund, um zu widersprechen, aber er legt auf. Mein Herz rast in meiner Brust und ich schaue zu Roxy, bereit, sie anzuflehen, mich einfach nach Hause zu bringen und diese Nacht frühzeitig zu beenden.

»Vielleicht können wir stattdessen eine Liebeskomödie oder so etwas sehen –«

»Nein, hier –« Sie drückt mir einen Shot mit grüner Flüssigkeit in die Hand. »Trink das. Ein Geschenk von Tolie.«

Misstrauisch betrachte ich die Farbe und rieche Lakritz aus dem Glas, noch bevor ich daran schnuppern kann.

»O Gott, was ist das?«

Roxy schnaubt. »Die grüne Fee. Sie wird dich gut behandeln, Babe. Mach dir heute Abend um nichts Sorgen. Tolie und ich haben alles im Griff.« Sie neigt den Kopf zu einer schluckenden Maeve und bestätigt damit meinen Verdacht. »Was auch immer im Rouge passiert, bleibt im Rouge.«

Sie zwinkert mir zu und der steinerne Elefant auf meiner Brust erhebt sich. Ich lächle ein wenig, bevor ich den Shot hinunterkippe. Es brennt, während es hinunterläuft, und der starke Lakritzgeschmack lässt mich mein Gesicht verziehen, bevor ich überhaupt geschluckt habe. Ich schaudere und kämpfe gegen den Drang an, den Shot wieder auszuspucken.

»Puh, der ist stark!«

Roxy gluckst. »Aber es hat geklappt. Und jetzt lasst uns lächerliche Mengen an Geld für atemberaubende halb nackte Männer und Frauen ausgeben.«

Wie aufs Stichwort öffnet einer von Roxys Leibwächtern die Tür der Limousine und das laute Chaos der Fremont Street hallt von beiden Enden des Parkhauses wider, prallt an den breiten Wänden und hohen Betondecken ab. Wir sind in Las Vegas, im Montmartre-Hotel-und-Casino, einem der Unternehmen, das meiner Familie gehört, und die hellroten LEDs an der Decke sind unser einziges Licht.

Es ist eine Ewigkeit her, dass ich in diesem Teil der Stadt gewesen bin. Ich war so lange in New Orleans, dass ich fast vergessen habe, wie es hier ist.

Kaum bin ich aus der Limousine gestiegen, fällt mein Blick auf ein riesiges dreidimensionales Gemälde an der Wand, das den Kopf eines Teufels zeigt, der sich vom Boden bis zur Decke erstreckt. Er hält die rotierenden Flügel einer zerstörten roten Windmühle in der Hand, als sei er gerade dabei, das idyllische französische Dorf hinter ihm dem Erdboden gleichzumachen. Das Kunstwerk ist eine Hommage an die Unterwelt und das ursprüngliche Pariser Kabarett Moulin Rouge. Die Tür des Clubs befindet sich im großen, weit geöffneten Maul des Teufels und ein roter Teppich rollt wie eine lange rote Zunge auf den steinernen Bürgersteig. Aus dem Eingang dröhnt Musik und ein Schauer der Erregung durchfährt mich.

»Mach dir keine Sorgen«, flüstert mir Roxy zu, als sie aus der Limousine steigt. »Ich werde dafür sorgen, dass die Karte heute Abend gut genutzt wird.«

Sie verschränkt ihren Arm mit meinem, grinst und zeigt auf das neonrote Schild über den sich langsam drehenden Flügeln der Windmühle.

»Willkommen im Rouge, Lacey.«

Dirty Dancing

 

»Willkommen im Rouge!« Tolies satte Stimme übertönt die Musik, die aus den Lautsprechern dröhnt, und erweckt den Eindruck, er sei überall in dem großen Saal.

Durch den Eingang gelangt man zu einer kabarettistischen Bestuhlung, bei der die Gäste an Tischen vor einer Bühne sitzen. Wenn nicht gerade Halloween ist, ist der Raum in kräftigen Rottönen mit silbernen Akzenten, Vorhängen und Geschirr prachtvoll dekoriert. Das opulente Design ist perfekt für meine Familie und die Garde, wenn sie Benefizveranstaltungen und Bälle geben. Aber jetzt wurde der gesamte Raum so umgestaltet, dass er wie Feuer und Schwefel der Unterwelt aussieht, mit dem klaffenden Höllenschlund auf der rechten Seite.

Wir befinden uns mitten im ersten Akt. Ein Frauenchor tanzt eine langsame, erotische Version des Cancan, eine weitere Hommage an das ursprüngliche Moulin-Rouge-Kabarett, das in den 1890er-Jahren für diesen frenetischen Tanz bekannt war. In ihren glitzernden Engelskostümen mit schwarzen Flügeln und bunten Federn im Victoria’s-Secret-Stil flattern ihre mitternächtlichen Röcke bis zur Taille, während sie ihre bis zu den Schenkeln in Nylons steckenden Beine in einem sinnlichen Port d’armes indie Luft strecken.

Bei dieser Bewegung müssen sie sich auf einem Bein drehen, während das andere zur Decke zeigt, und ihre Drehung muss geschmeidig sein, auch wenn sie ihre Hände von den Knöcheln bis zu den Oberschenkeln streichen. Ihre Rumpfkraft muss hervorragend sein, vor allem wenn man bedenkt, dass sie den Spagat im Stehen so lange halten können, wie der Türsteher braucht, um uns zu unserem Tisch zu führen.

Unsere Plätze sind ganz vorn, genau in der Mitte. Als wir durch das Publikum gehen, wird klar, dass wir nicht die einzige Halloween-Junggesellinnenparty im Raum sind. Die Bräute sind leicht zu erkennen, da wir alle weiß gekleidet sind, inmitten von Gruppen von Frauen, die themenbezogene Kostüme tragen. Natürlich hat meine kleine Gruppe – eine entlaufene Braut, ein Vampir und eine Nonne in einem keuschen schwarzen Kleid – kein Motto. Zugegeben, es ist nicht wirklich eine Party, aber ich hoffe, dass die Show uns in die richtige Stimmung bringt.

Als die Tänzerinnen und Tänzer fertig sind, erscheint Tolie plötzlich in einer Rauchwolke hinter gespenstisch grauen, zerschlissenen Vorhängen in der Ecke der Bühne. Sein stacheliges lilafarbenes Haar hebt sich von seinem schwarzen Smoking ab, aber eine orangefarbene Federboa, die er sich um den Hals geschlungen hat, verleiht seinem Moderatoren-Ensemble einen weiteren Farbakzent. Wenn er lächelt, kräuselt sich sein theatralischer falscher Schnurrbart auf seiner olivfarbenen Haut von Wange zu Wange.

»Es mag Dürre herrschen, aber im Rouge regnet es immer Männer! Und in dieser Devil’s Night sind es …« Er reißt die Arme in die Höhe, als sich die Vorhänge mit einem peitschenden Geräusch öffnen. »Eure Dämonen!«

Wilder, schriller Jubel und Schreie explodieren um mich herum und ich klatsche mit dem Rest des Raumes, als sechs riesige Männer in schwarzen Kapuzenumhängen erscheinen, die sie von Kopf bis Fuß bedecken. Die Musik hält abrupt an und bringt die Frauen gerade so weit zum Schweigen, dass wir alle aufhören, uns über die bekleideten Männer aufzuregen. Doch als ein neues Lied beginnt, ist alles vorbei. Der aufregende Hip-Hop-Beat bringt mich dazu, mich zu winden und zu tanzen, und ich lege meine Hände in den Schoß, um mich selbst zu stoppen, damit ich mich entspannen und die Show genießen kann, bevor ich an der Reihe bin.

Die Männer bewegen sich im Gleichschritt, während sie über den Boden zum Rand der Bühne gleiten. Dort warten sie, bis der Bass einsetzt, bevor sie ihre schwarz maskierten Köpfe heben und gleichzeitig ihre Umhänge ablegen, um ihre muskulösen Oberkörper samt eingeölten Bauchmuskeln und geschwollenen Armen zu enthüllen. Noch immer halten sie ihre Umhänge in den Händen, während sie Stunts wie Rückwärtssaltos, Handstandüberschläge und Spiralen in der Luft vollführen und den Stoff fliegen lassen, bis jeder Tänzer ihn in die Nähe des geschlossenen Vorhangs wirft.

Während die Tänzer vorn auf der Bühne die Blicke des Publikums auf sich ziehen, bleibt meiner an der Bewegung hinter ihnen hängen. Bühnenarbeiter kommen mit Stühlen heraus und stellen sie in einer Reihe auf. Sobald der letzte verschwunden ist, macht sich jeder Tänzer auf den Weg zu einem Stuhl, einige kriechen rückwärts auf den Knien, bewegen sich in Körperwellen über den Boden, während andere das Becken in Richtung Publikum schieben.

Sobald sie sitzen, beginnen die sechs dämonisch maskierten Männer mit ihren sinnlichen Striptease-Nummern. Selbst hinter ihren Masken fesseln ihre Augen das Publikum und der Lärm der durstigen Menge lässt meine Ohren klingeln.

»Heiß, oder?«, brüllt Roxy betrunken über die dröhnenden Lautsprecher und die kreischenden Frauen hinweg und ich nicke zurück.

»Ich bin irgendwie sauer auf mich, dass ich noch nie eine Show gesehen habe!«

»Natürlich hast du das nicht! Die kostbare Blume des Wächters bei einer Männerrevue?! Was für ein Skandal!« Sie keucht in gespieltem Entsetzen, bevor sie lacht. »Lass es uns ausleben, bevor du ein Neo-Baby bekommst und dich für den Rest deines Lebens zu Tode langweilst.«

Roxy hebt ihren Shot mit einem nachlässigen Lächeln, völlig ahnungslos, dass ihr letzter Satz den Alkohol in meinem Magen aufwirbelt. Das Mädchen ist eine Dame der Gesellschaft, die in einen Nachtclub strömt wie eine Motte in einen Insektenvernichter, aber sie kann sich nicht an den Alkohol halten, um ihr Leben zu retten. Es verheißt nichts Gutes, dass sie bereits ein Tablett mit Shots für den Tisch bestellt hat, obwohl wir erst seit einem halben Lied hier sind. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Maeves Kopf auf ihre Brust sinkt. Die beiden könnten ohnmächtig werden, noch bevor ich die Bühne betrete.

So viel dazu, dass ich heute Abend die Betrunkenste bin.

Ich bin froh, dass ich nicht wie Roxy vorgeglüht habe, während wir uns fertig gemacht haben. Der Alkohol wirkt auch bei mir, aber bis jetzt schwirrt er nur durch meinen Körper und gibt mir den Mut, zum ersten Mal seit meinem Abschluss aufzutreten.

Roxy trinkt den Shot ohne mich und stellt das Glas zurück auf den Tisch. Sie nimmt ein weiteres vom Tablett und drückt es mir in die Hand.

»Genieße den heutigen Abend, solange du noch kannst, Bitch. Wenn die Gerüchte über den Baron wahr sind, könnte es einer deiner letzten sein.«

Ihre betrunkene, undeutliche Sprache macht es fast unmöglich, sie zu verstehen, aber ihre Warnung ist kristallklar. Das Blut fließt schnell aus meinem Gesicht, sodass mir schwindelig wird, und ich leere den Schnaps in einem Zug. Das fruchtige Gebräu ist nicht annähernd so stark wie der Schnaps, den Roxy in der Limousine hatte, aber es erfüllt seinen Zweck. Als ich mein Glas wieder auf den Tisch knalle, wie sie es getan hat, wird Roxys Lächeln traurig.

»Schade, dass es nicht andersherum war.« Die Worte rollen aus ihrem Mund, als würde sie versuchen, sie mit ihrer Zunge zu finden. »Das mit Kian wäre vielleicht ganz gut ausgegangen.«

»Ja, aber das lag nicht unbedingt an mir, oder?«

Selbst wenn er mich gewollt hätte – wenn ich ihn gewollt hätte –, ist dasjetzt egal. Er wäre nicht in der Lage, meinen Vater zu retten.

Aber das sage ich ihr nicht. Stattdessen verzichte ich auf einen weiteren Schnaps und nippe an meinem Champagner. Ich hatte nicht vor, mir heute Abend in die Hose zu machen, aber wenn sie so weiterredet, könnte es passieren.

»Stimmt. Das ist wahr. Aber heute Nacht kann es an dir liegen! Wer weiß? Vielleicht wirst du flachgelegt, wenn du deine Karten richtig ausspielst!«

Mein Blick geht zu Maeve, um zu sehen, ob sie Roxy gehört hat, aber das Kinn meiner zukünftigen Schwägerin liegt offiziell auf ihrer Brust und ihre Augen sind geschlossen. Ich denke, ich bin sicher, Gott sei Dank.

Die Garde verfolgt die frauenfeindliche Politik, dass Frauen vor der Hochzeitsnacht ›rein‹ bleiben müssen, damit wir ›unsere Schönheit und unseren Wert nicht ruinieren‹. So hat es meine Mutter wortwörtlich gesagt, als sie mich im Alter von zwölf Jahren vor Jungs warnte. Es ist eine ekelhafte Doppelmoral, die von Männern eingeführt wurde, die Millionen mit Stripclubs verdienen und nicht einmal wissen, dass ein Tampon unsere Jungfräulichkeit genauso leicht ›nehmen‹ kann wie ein Schwanz. Ich rebellierte, sobald ich auf dem College war.

In meiner ersten Nacht hat mich Roxy mit unseren Bodyguards gedeckt, während ich den heißesten Touristen, den ich finden konnte, in die Toilette einer Bar mitnahm. Das war bis heute der beste Sex, den ich je hatte, nicht weil es romantisch war – das war es bei weitem nicht, und es war nicht einmal besonders gut –, sondern weil es meine Entscheidung war. Mein erstes großes ›Fick dich‹ an die Garde. Wenn der Baron allerdings herausfindet, dass ich mit anderen Leuten geschlafen habe, könnte das alles ruinieren. Zum Glück hat Roxys Hintergedanke funktioniert und Maeve ist bereits außer Gefecht.

Die Anspannung in meiner Brust lässt nach und meine Nerven werden leichter, als ich merke, dass ich tatsächlich ein letztes Mal auftreten darf. Roxys aufgeregtes Geschrei beflügelt mich und ich drehe mich wieder zur Bühne, um zu sehen, wie sie mit Dollarscheinen um sich wirft, aber irgendwie die Männer immer noch verfehlt.

Es dauert nicht lange, bis ich von einem Ohr zum anderen grinse und mich gehen lasse, während ich den Darstellern beim Tanzen und Herumwirbeln zuschaue. Sie sind eher Akrobaten als exotische Tänzer, fast so, als würde ich eine meiner Lieblingsshows des Cirque du Soleil sehen, aber das überrascht mich nicht.

Die Artisten in Las Vegas sind die Besten der Besten. Das müssen sie auch sein, denn die Konkurrenz ist groß. Ich ertappe mich dabei, wie ich ihre Bewegungen studiere, anstatt ihre Körper zu bewundern. Das heißt, bis sie sich den Rest ihrer Dämonenkostüme vom Leib reißen und nur noch ihre freizügigen schwarzen Badehosen tragen.

Das bringt die Menge natürlich zum Ausrasten und wir übertönen kurzzeitig die Musik. Sobald wir uns ein wenig beruhigt haben, ändert sich das Tempo, was die Männer dazu veranlasst, sich plötzlich wieder in einer Reihe aufzustellen und starr zu verharren. Ihre Positionierung verbirgt das, was sich hinter dem Vorhang befindet, der sich weit öffnet. Die pochende, tiefe Bassmusik nimmt einen bedrohlichen Ton an und treibt meinen Puls in die Höhe.