Rough Touch - Beherrsche mich - Willow Winters - E-Book

Rough Touch - Beherrsche mich E-Book

Willow Winters

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Beschreibung

Ich dachte, ich wäre sicher.

Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich mein Kleid glattgestrichen und meine Ohrringe angelegt habe, so als wäre mein Aussehen das Wichtigste auf der Welt.

Doch an diesem Tag änderte sich alles. Der Tag, an dem meine Familie ermordet und ich entführt wurde.

Meine Fesseln werde ich wohl niemals los, aber ich höre nicht auf zu kämpfen. Ich werde Rache nehmen, koste es, was es wolle. Solange ich mich noch an das Mädchen erinnern kann, das ich früher war.

Aber ich habe nicht mit Kane gerechnet: ein gefährlicher, düsterer und mächtiger Mann, der mir trotz allem Freundlichkeit zeigt.

Freundlichkeit, nach der ich mich verzehre.

Freundlichkeit, die mich zerbrechen wird.

Der heiße dritte Band der düsteren Mafia-Romance-Reihe "Rough Touch" von USA-Today-Bestsellerautorin Willow Winters.

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitelPROLOGKANEAVAKANEAVAKANEAVAKANEKANEKANEAVAKANEAVAKANEKANEAVAKANEAVAKANEAVAAVAKANEKANEAVAKANEAVAKANEAVAEPILOGÜber die AutorinWeitere Titel der AutorinImpressum

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Über dieses Buch

Ich dachte, ich wäre sicher. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich mein Kleid glattgestrichen und meine Ohrringe angelegt habe, so als wäre mein Aussehen das Wichtigste auf der Welt. Doch an diesem Tag änderte sich alles. Der Tag, an dem meine Familie ermordet und ich entführt wurde. Meine Fesseln werde ich wohl niemals los, aber ich höre nicht auf zu kämpfen. Ich werde Rache nehmen, koste es, was es wolle. Solange ich mich noch an das Mädchen erinnern kann, das ich früher war. Aber ich habe nicht mit Kane gerechnet: ein gefährlicher, düsterer und mächtiger Mann, der mir trotz allem Freundlichkeit zeigt. Freundlichkeit, nach der ich mich verzehre. Freundlichkeit, die mich zerbrechen wird.

Der heiße dritte Band der düsteren Mafia-Romance-Reihe »Rough Touch« von USA-Today-Bestsellerautorin Willow Winters.

WILLOW WINTERS

Beherrsche mich

Aus dem Amerikanischen von Leni Krüger

Dark Mafia Romance

PROLOG

AVA

KANE

Ich war die Mafia-Prinzessin. Ich dachte, ich wäre sicher.

Ich war der Starke und der, der das Geld eintreibt. Ich galt als unantastbar.

Ich weiß noch, wie ich an dem Tag, als das alles passierte, mein Kleid glattstrich und mir meine Ohrringe ansteckte.

Ich weiß noch, wie ich mir in der Nacht, als alles zusammenbrach, das Blut aus dem Gesicht wischte und mir die Hitze des Feuers entgegenschlug.

Ich ziehe an der Kette um meinen Hals und hasse das, was aus mir geworden ist.

Ich wickle mir Klebeband um meine Knöchel, bevor ich zuschlage, und hasse das, was ich tun muss.

Sie sind alle tot. Jetzt habe ich niemanden mehr.

Sie sind alle tot. Jetzt habe ich niemanden mehr.

Ich fühle mich so allein, aber ich werde nicht aufhören zu kämpfen.

Ich fühle mich so allein, aber ich werde nicht aufhören zu kämpfen.

Sie wollen, dass ich Angst vor ihnen habe, also tue ich so, als ob. Das kann ich noch zu meinem Vorteil nutzen.

Sie haben Angst vor mir, das ist gut. Diese Angst werde ich nutzen, um das hier zu überleben.

Das Flugzeug geht in den Sinkflug und setzt so unsanft auf der Landebahn auf, dass der ganze Frachtraum wackelt, doch ich dränge die Übelkeit zurück. Ich hoffe, der widerliche Scheißkerl ist hier.

Ich höre das Flugzeug landen und weiß, dass es gleich so weit ist. Hoffentlich ist es diesmal er und nicht nur eine weitere Lieferung.

Er ist schuld da­ran, dass ich in Ketten gelegt und geschlagen wurde. Missbraucht und erniedrigt. Ich werde nicht aufhören, um mein Leben zu kämpfen, bis ich mich gerächt habe.

Er ist meine Chance auf Erlösung und ein neues Leben. Ich werde mich nicht ducken und sterben; nein, ich werde hart arbeiten, bis jeder meinen Namen kennt.

Sie sagen dauernd, dass ich ein liebes Mädchen bin.

Die halten mich für einen bösen Jungen.

Keiner von denen weiß, wie ich wirklich bin.

Keiner von denen weiß, wie ich wirklich bin.

Sollen sie mich ruhig weiter für lieb halten – bis zu dem Moment, in dem ich ihnen die Kehle durchschneide.

KANE

Meine Faust trifft auf den Sack. Ich sehe das Gesicht meines Onkels vor mir und verpasse ihm einen Haken mit der Rechten, gefolgt von einem Schlag mit der Linken. Immer und immer wieder hämmere ich mit den Fäusten auf das Leder ein, bis meine Muskeln vor Schmerz schreien. Und dann treibe ich mich noch weiter an. Ich spüre, wie meine Fingerknöchel unter dem Gewicht meiner Schläge knacken. Trotzdem kann der Aufprall meiner Fäuste auf dem schweren Sack die Spannung in mir nicht mildern. Ich will hören, wie sein Kiefer bricht. Diese verdammte Ratte. Der Feigling hat meine Familie und damit mein Leben zerstört, und ich kann nichts dagegen tun. Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen.

Weiter und weiter malträtiere ich den Sack in dem Versuch, diese Last loszuwerden, die meine Brust zu zerquetschen droht. Ich kann die Stimme meines Vaters hören, das Quietschen der Reifen. Die Schüsse. Schließlich umklammere ich den Boxsack und warte, bis mein Herz aufhört zu rasen. Ein tiefer Atemzug füllt meine Lunge, doch statt mich zu beruhigen, stachelt er meine Wut nur weiter an. Wegen meines feigen Onkels sind sie auf uns alle losgegangen. Und ich kann nichts da­ran ändern.

»Kane!« Marcos Stimme hallt durch den leeren Raum. Ich höre, wie die Tür zuschwingt und die Sohlen seiner Stiefel auf den Betonboden der Lagerhalle hämmern. Keuchend wische ich mir den Schweiß aus dem Gesicht.

Ich musste etwas Dampf ablassen, aber für das Treffen sollte ich anständig aussehen, deshalb schnappe ich mir das Handtuch von den aufgestapelten Kisten neben mir und trockne mich schnell damit ab. Marcos Schritte kommen immer näher, während ich mir mein Hemd nehme und es anziehe. Beim Zuknöpfen konzentriere ich mich angestrengt da­rauf, meine Wut zurückzudrängen. Aggressivität wäre gerade kein guter Ratgeber. Nicht, solange ich allein bin, vollkommen in der Unterzahl, und gleich dem neuen Boss des Marzano-Kartells gegenüberstehe.

Abram Petrov, ein Mann, der für seine Machtgier bekannt ist und dabei schnell und tödlich vorgeht. Erst kürzlich hat er sich das führende Kartell in Mexiko einverleibt – davon abgesehen, dass er in Frankreich und Russland, wo er herkommt, einflussreiche Persönlichkeiten auf seiner Seite hat. Er ist ein neuer Gegner, der vor nichts zurückschreckt, und dieser Gegner hat gerade meine Türschwelle übertreten.

»Ich komme!«, brülle ich über die Schulter zurück, bevor ich auf ihn zumarschiere. Zeit, die neue Familia kennenzulernen, oder die Bratwa, wie die russischen Wichser sie nennen. Wie auch immer sie heißen: Ich muss mir eine gute Position erarbeiten, in einer Meute, die bereit ist, den Neffen einer Ratte bei sich aufzunehmen. Ich schlucke hart: Mittlerweile warte ich seit einigen Wochen auf dieses Treffen, bin die ganze Zeit im Lagerhaus geblieben und habe mich ruhig verhalten, während auf meinem Rücken eine verdammte Zielscheibe klebt. Diese Halle hier war mal ein Safe House für meine Familie. Doch jetzt ist sie mein Ass im Ärmel, um Petrovs Aufmerksamkeit zu erregen.

Seine Leute sind gestern schon gekommen, um alles vorzubereiten, aber ich habe Abstand gehalten. Sie wissen, dass das hier mein Zuhause ist und sie nur wegen des Geschäfts hergekommen sind, was gut ist. Doch ich gehöre nicht zu ihrem Team. Ich habe sie freundlich begrüßt und ihnen den Raum zur Verfügung gestellt, den sie brauchen, aber mit ihrem Scheiß will ich nichts zu tun haben. Ich darf das hier nicht vermasseln.

»Das wird eine gute Zusammenarbeit, das weiß ich jetzt schon.« Grinsend sieht Marco mich an, bevor er mir mit einer Hand auf den Rücken klopft. Er muss den Arm strecken, um meine Schultern zu erreichen. Ich bin eins fünfundneunzig groß und ein Muskelpaket. Neben Marco wirke ich wie ein Tier, schließlich war ich nicht ohne Grund der Topeintreiber innerhalb der Familia. Mit mir legt man sich nicht so einfach an. Die Leute zahlen lieber, als mich zu verärgern. Doch obwohl ich für das Geld gesorgt habe, wollten sie mich umbringen lassen. Sie haben es versucht, aber sie sind gescheitert.

»Der Boss ist jetzt schon beeindruckt von dem, was du mit diesen Schwächlingen gemacht hast.« Mein Magen zieht sich zusammen, und durch meine Brust schießt ein Schmerz. Mich anzugreifen … das hätten sie besser wissen müssen. Die Scheiße, die mein Onkel fabriziert hat, hatte nichts mit mir zu tun. Und auch nicht mit meinem Vater. Und schon gar nicht mit meiner Schwester und meiner Mutter, das wussten die genau. Trotzdem haben die Wichser uns attackiert. Sie hätten dafür sorgen sollen, dass wir alle sterben. Aber die Arschlöcher haben mich am Leben gelassen. Und dafür haben sie den Preis gezahlt. Obwohl sie die einzigen Menschen waren, die ich noch hatte.

Ich erwidere Marcos Grinsen und lache schnaubend. Ich muss den Boss von mir überzeugen. Irgendwo muss ich hin und irgendwas tun. Ich bin in diesem Metier aufgewachsen, und alle, die ich kannte, haben sich von mir abgewandt. Wäre ich nicht so am Ende gewesen, hätte ich das Geschäft allein übernehmen können. Ich habe immer noch ein paar Kontakte. Leuten, denen ich vertraue. Aber ich habe die Sache nun mal angeleiert, zu früh zwar, doch nun muss ich sie durchziehen.

Tief atme ich durch, bevor ich die Halle durchquere und auf den Hangar zugehe. Das Treffen wird hier stattfinden. Ich bin bereit. Das ist kein Hinterhalt, obwohl sie mich leicht umbringen könnten. Ich bin allein gegen alle. Doch deswegen sind sie nicht hier. Und nach dem, was ich getan habe, rührt mich keiner mehr an. Rache kann aus einem Mann einen Wahnsinnigen machen. Einen, den niemand aufhalten kann. Einen, an den sich niemand rantraut. Doch sie hat auch dazu geführt, dass ich allein bin. Trotzdem bin ich bereit, all das hinter mir zu lassen und wieder zu arbeiten.

In dem relativ leeren Hangar befinden sich nur einige kleine Flugzeuge. Auf einem Klapptisch stapeln sich ziegelsteinförmige, in Plastik verschweißte Päckchen mit Kokain. Den Anblick bin ich nicht gewohnt. Ich bin mehr der Politiker-Erpresser-Typ. Aber ich schätze, für den Anfang tut es auch ein Handelsjob. Es kann nur aufwärtsgehen, oder wie heißt der Scheißspruch? Auf jeden Fall werde ich mich beweisen.

Um den Tisch he­rum steht eine Gruppe von vier Männern in schwarzen und grauen Anzügen, die zwei Arbeitern beim Wiegen und Verpacken der Ware zusehen. Als sie unsere Schritte hören, drehen sie sich zu uns um, und Abram, der Boss, kommt auf mich zu. Der Underboss begleitet ihn, allerdings in ein, zwei Schritten Abstand. Die anderen zwei Männer gehören zur Kampftruppe, zumindest ihren breiten Schultern nach zu urteilen. Einer hat eine Narbe quer über dem Gesicht. Sieht aus, als hätte er sie sich bei einem Messerangriff zugezogen, bei dem man ihm das Auge ausstechen wollte. Der andere hat ein Tattoo, das sich um seinen Hals windet. Im Gegensatz zu ihrem Boss wirken die beiden Kämpfer hochgefährlich, während sie mich mit ihren dunklen Augen anstarren. Mit straffen Schultern, die Arme hinterm Rücken verschränkt, warten sie auf Anweisungen. Marco geht an ihnen vorbei zum Tisch. Er ist auch nur ein einfacher Soldat. Und komplett damit zufrieden. Was für ein Dummkopf.

»Kane«, begrüßt Abram mich und streckt mir eine Hand entgegen. Er ist groß und schlank und hat sein schwarzes Haar mit Gel zurückgekämmt. Ich schüttle seine Hand mit festem Griff und blicke ihm dabei direkt in die Augen; die sind so dunkel, dass sie ebenfalls schwarz wirken.

Abram ist ein skrupelloser Boss. Ich habe gehört, was er mit dem Kartell von Mazatlán gemacht hat, und die Art, wie er sämtliche Verbindungen zerschlagen hat – aus rein geschäftlichen Gründen –, stimmt mich nicht gerade zuversichtlich. Und »zerschlagen« meine ich wortwörtlich: Zuerst haben seine Leute die Geschäfte des Kartells demoliert, dann alles geklaut, was da war, und schließlich jeden umgebracht. Abram als »skrupellos« zu bezeichnen, ist sogar noch untertrieben, aber ich habe keine andere Wahl. Ich weiß, dass man mich im Visier hat, deshalb brauche ich eine Möglichkeit, um unterzutauchen. Und da das hier meine einzige Option ist, schließe ich eben einen Pakt mit dem Teufel.

»Abram. Oder soll ich Sie Boss nennen?«, frage ich, und der Hauch eines Grinsens umspielt meine Mundwinkel.

Petrov lächelt mich breit an. »Boss ist ab jetzt das Richtige.« Bei diesen Worten kann ich endlich aufatmen, lasse mir meine Erleichterung allerdings nicht anmerken. Abram legt mir einen Arm um die Schultern und führt mich auf die Männer zu. Diese Geste wirkt etwas seltsam, weil ich so viel größer bin als er, doch ich lasse ihn gewähren. »Vielen Dank noch mal, dass du uns den Grenzübergang hiermit erleichterst. Das weiß ich wirklich zu schätzen.«

»Kein Ding.« Ich nicke zustimmend, bevor ich die Ware auf dem Tisch genauer in Augenschein nehme. Das ist eine ganze Menge Koks. Das Angebot, meinen Hangar zu nutzen, war definitiv eine gute Lösung für sie. Und dass sie es angenommen haben, ist ein Zeichen ihres Vertrauens.

»Ich möchte dir Vadik vorstellen, meinen Stellvertreter«, sagt Abram.

Ich strecke dem Underboss meine Hand entgegen, und er schüttelt sie sofort lächelnd. Auch ein gutes Zeichen. Der Mann wirkt schon älter, etwa im gleichen Alter wie mein Vater, während Abram sicher höchstens fünfunddreißig ist. Um seine Augen ist gerade mal der Ansatz hauchdünner Fältchen zu erkennen. Vadik hingegen sieht man sein Alter an: Das graue Haar hat er genauso zurückgegelt wie Abram, und sein Gesicht ist von tiefen Falten durchzogen. Seine blassblauen Augen erinnern an zwei Eisberge. Wahnsinnig kalt. Der Mann ist tödlich. Abram kann einen leicht da­rüber hinwegtäuschen, wie gefährlich er ist, und einen so umschmeicheln, dass man sich in falscher Sicherheit wiegt. Nach allem, was ich über ihn gehört habe, hat er das schon diverse Male erfolgreich bei früheren Gegnern geschafft. Vadik allerdings sieht schon so aus wie ein Killer.

»Freut mich.« Als ich seine Hand schüttle, nimmt er die andere Hand hinzu und legt sie auf meine.

»Ganz meinerseits, Kane. Ich wollte unbedingt den Mann kennenlernen, der die gesamte Armeno-Familie in einer Nacht ausgelöscht hat.« Seine Lippen verziehen sich zu einem fiesen Lächeln. »Das hat ganz schön Eindruck gemacht«, fügt er hinzu.

»Das freut mich zu hören«, entgegne ich, doch im Stillen freue ich mich ganz und gar nicht. Ich habe getan, was ich tun musste. Ich wollte das nicht, aber ich musste es tun.

»Ich habe über deinen Vorschlag nachgedacht, dich uns anzuschließen«, beginnt Abram, während er mir direkt in die Augen sieht. Ich spüre, dass gleich ein »aber« kommen wird, und das gefällt mir gar nicht. Doch ich blickte ihn weiter mit unbewegtem Gesicht an, während er fortfährt: »Er gefällt mir. Er gefällt mir sogar sehr gut. Ich denke, wir werden gut zusammenarbeiten.« Meine Augenbrauen zucken leicht nach oben, und er bemerkt meine Überraschung.

»Gleich stoßen noch ein paar Gäste zu uns«, sagt er und bedeutet mir mit der Hand, ihm zum Ausgang des Hangars zu folgen. Die Tore stehen offen, und das Sonnenlicht strömt he­rein. Es ist ein wunderschöner Tag. Ein erfrischender Wind weht zu uns he­rüber. Nur blöd, dass so viel Adrenalin durch meine Adern pumpt, dass ich kaum Luft bekomme.

»Noch mehr Gäste?«, frage ich mit einem Hauch von Neugier in der Stimme. In Wahrheit bin ich allerdings gar nicht neugierig – nein, ich bin wütend. Ich habe ihm meinen Hangar angeboten, um ihm leichter Zutritt zu den USA zu verschaffen, nicht um ihn als Basis für seine Geschäfte zu nutzen. Und ganz sicher nicht, um weitere Leute hierher einzuladen. Aber ich werde einen Teufel tun und ihm das sagen. Zumindest nicht jetzt. Mag sein, dass Wut mein Antrieb ist, doch ich bin kein Hitzkopf.

»Jetzt, da es unseren Konkurrenten nicht mehr gibt, müssen wir ein paar Geschäftstermine wahrnehmen.« Er bleibt auf dem Rollfeld stehen und blickt in Richtung Straße. »Kennst du die Valettis?«

Statt einer Antwort nicke ich stumm. Die Valettis sind ein ziemlich eingeschworener Clan. Das ist fast die einzige Familia, an deren Spitze noch Blutsverwandte stehen. Zumindest hier in dieser Region. Ich habe viel Gutes über sie gehört, Vielversprechendes. Aber wir sind uns noch nie begegnet. Die sind in ihrem Territorium geblieben und wir in unserem.

»Tja, die waren mit unserem ehemaligen Konkurrenten im Geschäft, und jetzt kommen sie her, um mit uns über unsere neuen Konditionen zu sprechen.«

»Neue Konditionen?«, hake ich nach. Diese Info überrascht mich. Wobei ich weiß, dass Abram nun, da er der Hauptexporteur ist, die Preise erhöhen kann.

Aber ich bin mir nicht sicher, ob es so klug ist, das am Anfang einer neuen Geschäftsbeziehung zu tun.

»Warte es ab«, sagt Vadik links von mir mit einem schiefen Grinsen und einem Funkeln in seinen kalten Augen. Mir gefällt es nicht, wie er das sagt, doch wieder lasse ich mir meine Gedanken nicht anmerken. Stattdessen nicke ich nur und blicke den beiden schwarzen Range Rovers entgegen, die gerade den Schotterweg hi­nauffahren, der zur Landebahn führt. Mein Herzschlag beschleunigt sich, und es fällt mir noch schwerer, meinen Ärger zu unterdrücken.

Ich mag diese Geheimniskrämerei nicht. Und auch nicht die plötzliche Gesellschaft. Es gefällt mir nicht, in der Hierarchie ganz unten zu stehen und von nichts zu wissen. Keine Macht zu haben. Doch ich muss mir immer wieder in Erinnerung rufen, dass ich in einer Sackgasse stecke. Ich muss locker bleiben und mich nützlich machen. Gerade nutze ich niemandem etwas, und das erhöht nicht gerade meine Chancen zu überleben.

Die Valettis parken ihre Autos und steigen rasch aus. Ich verspüre den Drang, ihnen entgegenzugehen und sie auf halbem Weg zu treffen, doch Abram rührt sich nicht von der Stelle. Deshalb beobachte ich die Neuankömmlinge nur; bleibe stehen und verhalte mich angemessen. Wenn man mich fragt, ist das ein ziemlich unhöflicher Empfang. Aber was weiß ich schon? Wenn ich für Abram arbeiten will, muss ich den Scheiß mitmachen. Schon verspüre ich Bedauern. Doch ich beiße die Zähne zusammen und wünschte, ich könnte den Ärger in mir an irgendwas auslassen. Oder an irgendwem. Verdammt, ich hasse die Position, in der ich mich befinde.

»Abram Petrov«, grüßt Vince, als er vor uns stehen bleibt. Ich erkenne ihn sofort. Er ist der neue Don seiner Familia. Sein Vater hat sich zur Ruhe gesetzt, und die Tatsache, dass Vince seinen Posten übernommen hat, hat schnell die Runde gemacht. Er hat drei weitere Männer im Schlepptau, und aus dem zweiten Wagen steigen noch zwei aus.

»Vincent Valetti. Schön, Sie endlich kennenzulernen.« Lächelnd streckt Abram die Hand aus. Vince bleibt ruhig und gefasst, während er die Hand schüttelt, doch das Lächeln erwidert er nicht.

»Es ist ein ganz schöner Ritt bis hierher, Abram. Ich hab gehört, Sie sind ein Mann, der geschäftliche Abschlüsse dieser Art schnell über die Bühne bringt. Ist das richtig?«

Ein schiefes Lächeln zerrt an meinen Mundwinkeln. Es gefällt mir, wie rasch Vince zum Punkt kommt. Ich würde diesen Scheiß auch gern so schnell wie möglich hinter mich bringen. Die beiden Männer, die hinter ihm stehen – und ebenso der Rest seiner Familia, wie ich jetzt bemerke –, sind bewaffnet und zeigen das auch ganz offen. Was allerdings nicht ungewöhnlich ist, da die Männer hinter mir – die zwei, die mir noch nicht vorgestellt wurden – ebenfalls eine Hand an ihrer Waffe haben. Das ist keine Drohung oder Machtdemonstration. Es gehört einfach nur zum Geschäft. So werden die Dinge in diesem Metier erledigt.

Trotzdem werde ich mich besser fühlen, sobald das hier vorbei ist. Es macht mir nicht gerade Spaß, von mir unbekannten Männern umgeben zu sein, die allesamt bewaffnet sind. Aber irgendwo muss ich ja neu anfangen.

Ein herzliches Lachen dringt aus den Tiefen von Abrams Brust, und er nickt. »Gegen ›schnell‹ hab ich nichts einzuwenden, Vince.« Lächelnd deutet er auf ein Flugzeug, das vor etwa einer Stunde gelandet ist, und geht da­rauf zu.

Weitere Lieferungen.

Vor dem Frachtraum der Maschine steht der Pilot und raucht eine Zigarette. Er trägt Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Seine Arme sind mit Tattoos überzogen, und eine seiner Augenbrauen ist gepierct. Auf mich wirkt er mexikanisch. Ich nehme an, er war Abrams Kontaktmann in Javiers Kartell. Irgendwo muss ein Verräter gesessen haben. Doch keiner weiß mit Sicherheit, wer es war. Vielleicht liege ich auch falsch mit meiner Vermutung. Ist aber sowieso egal.

»Ich bin bereit, mit Ihnen ins Geschäft zu kommen, und ich hab’s gern, wenn alles rund läuft. Also, die Preise bleiben für Sie genauso, wie sie waren. Alles beim Alten. Der einzige Unterschied ist, dass Sie in Zukunft alles mit mir abwickeln statt mit Ihrem vorherigen Kontaktmann«, erklärt Abram, während wir uns dem Flugzeug nähern. Übelkeit steigt in mir hoch. Ich bin mir nicht sicher, wieso, aber ich weiß, dass mir nicht gefallen wird, was ich gleich zu sehen bekomme

»Das macht mich als Geschäftspartner natürlich sehr glücklich«, entgegnet Vince, doch in seiner Stimme schwingt der Hauch eines Zögerns mit. Er ist skeptisch. Genau wie ich. Es gibt verschiedene Gründe für ein persönliches Geschäftstreffen, aber die Konditionen so zu belassen, wie sie sind, gehört normalerweise nicht dazu.

»Wir brauchen Ihre Hafenanlagen für andere Transaktionen. Deshalb würde ich unsere Geschäftsbeziehung gern erweitern«, sagt Abram, als wir vor der Maschine stehen bleiben.

»Was wollen Sie exportieren?«, fragt Vince mit zusammengekniffenen Augen.

»Felipe, bring die Ladung raus«, weist Marco den Piloten an. Felipe wirft da­rauf­hin die Zigarette auf den Boden und geht zum Heck des Flugzeugs.

Mit schreckgeweiteten Augen sehe ich zu, wie er eine Frau aus dem Frachtraum zerrt. Sie verhält sich die ganze Zeit über ruhig, wehrt sich nicht, sondern versucht so gut sie kann, mit dem Piloten Schritt zu halten. Am liebsten würde ich den Wichser umbringen. Ich habe Mühe, meine Atmung unter Kontrolle zu halten. Die Frau trägt einen Metallring mit einer Kette um den Hals, doch Felipe zieht sie an den Haaren hinter sich her.

Das Blut rauscht laut in meinen Ohren, und heiße Wut durchflutet meinen Körper. Mädchenhandel. Ich hatte keine Ahnung, dass sie so eine Scheiße machen. Und Vince offensichtlich auch nicht, wenn ich seinen Gesichtsausdruck – und den seiner Männer – richtig interpretiere. Als ich Marco kontaktiert habe, dachte ich, ich wüsste, wo­rauf ich mich einlasse. Und das hier gehört ganz sicher nicht dazu. Das ist neu, und es gefällt mir ganz und gar nicht.

Die junge Frau gibt keinen Laut von sich, während sie gewaltsam aus der Maschine gezwungen wird. Ihre blauen Augen blicken zu Boden. Man hat ihre Handgelenke in Ketten gelegt, und sie trägt keine Schuhe, nur ein schmutziges, halb zerrissenes Kleid. Ihre blasse Haut ist voller blauer Flecken, aber ansonsten sauber. Ihr brünettes Haar hängt strubblig um ihr Gesicht, und auf ihrer Wange kann ich einen roten Abdruck erkennen – offensichtlich wurde sie erst vor Kurzem geschlagen. Mit fest zusammengepressten Lippen folgt sie ihrem Wärter, als würde sie versuchen, keinerlei Regung zu zeigen, wobei man ihr ganz leicht ansieht, dass sie Schmerzen hat. Trotzdem bleibt sie ausdruckslos, als der Mann sie vor uns auf die Knie stößt. Ich weiß, dass es verdammt wehgetan haben muss, und am liebsten würde ich ihm seine verfluchten Kniescheiben zertrümmern, weil er sie so he­rumschubst. Doch sie gibt immer noch kein Geräusch von sich und lässt sich den Schmerz nicht anmerken. Stattdessen verharrt sie in der Position, in die Felipe sie gezwungen hat.

»Wir wollen etwa ein halbes Dutzend pro Monat durch die Docks schmuggeln. Die werden dann alle codiert und gechippt sein, sodass keine verloren gehen kann.« Vadik beugt sich he­run­ter und packt die Frau am Handgelenk. Sie wehrt sich nicht. Stattdessen bleibt sie ruhig und lässt zu, dass Vadik ihren Arm so dreht, dass wir den eintätowierten Barcode auf der Innenseite ihres Unterarms sehen können, direkt unterhalb ihres Handgelenks. Mit den Fingern deutet Vadik auf eine gerötete Beule an ihrem Arm. Ich nehme an, dass sie ihr dort den Chip eingesetzt haben.

Unwillkürlich balle ich die Hände an den Seiten zu Fäusten, und ich spüre, wie sich meine Atmung leicht beschleunigt. Doch hier sind zu viele Arschlöcher um mich he­rum. Und ich habe keine Waffe bei mir. Wenn ich den Scheißkerl in Stücke reiße, wie ich es gerade gern tun würde, wäre ich sofort tot.

»Bis dahin werden sie auch mehr oder weniger zugeritten sein, wobei nicht alle so einsichtig sind wie Ava hier. Sie war die russische Prinzessin, als ihr Vater noch das Territorium kontrolliert hat. Wir haben sie als kleines Souvenir mitgenommen, und als eine Art Testlauf, um zu schauen, wie es mit dieser Art von Ware so läuft. Wir hatten also ein paar Wochen Zeit, um ihr richtiges Benehmen beizubringen.«

Die junge Frau, Ava, zuckt weder zusammen, noch zeigt sie irgendeine andere Reaktion, als Vadik ihren Arm fallen lässt und ihr gegen die Beine tritt. Sie beugt sich lediglich vorn­über und legt sich flach auf den Boden, die Arme an den Seiten. Das Gesicht hat sie abgewandt, während sie die Wange gegen den Betonboden presst.

»Und an dieser Stelle kommt mein Mitarbeiter Kane ins Spiel.« Die kleinen Härchen auf meiner Haut stellen sich auf, und ein Schauer läuft meine Wirbelsäule entlang, als Vadik mir einen Schlag auf den Rücken versetzt. Ich soll diese Scheiße hier regeln? Das war nicht Teil des Deals. Doch ich sage nichts, sondern blicke nur starr geradeaus und mahle geräuschlos mit den Zähnen. Ich kann den Auftrag nicht ablehnen. Sonst bin ich tot.

»Er wird dafür sorgen, dass die Ware bereitsteht und gut verpackt ist für den Transport.« Ich blicke auf die Frau hi­nun­ter und schaue ihr in die Augen. Ich bin überrascht, als ich da­rin Trotz aufblitzen sehe. Die Gefühlsregung ist jedoch so schnell wieder verschwunden, dass ich schon glaube, sie mir nur eingebildet zu haben. Dafür bemerke ich, dass sich Avas Muskeln anspannen, als würde sie sich da­rauf vorbereiten, gleich geschlagen zu werden. Mühsam schlucke ich den Kloß in meinem Hals hi­nun­ter und zwinge mich, den Blick abzuwenden. Ich kann diesen Scheiß kaum ertragen.

»In diesem Bereich machen wir keine Geschäfte«, antwortet Vince schließlich. Seine Stimme klingt entschieden, doch in seinen Worten schwingen keinerlei Emotionen mit. Keiner seiner Männer scheint eine Meinung dazu zu haben, dass vor ihnen eine Frau in Ketten auf dem Boden kauert. Ein Teil von mir wünschte, sie würden dem Ekel, den ich vorhin in ihren Gesichtern gesehen habe, Taten folgen lassen, doch sie tun nichts. Und so stehe ich allein hier, ohne einen verdammten Ausweg.

»Ich verstehe, dass dieses Projekt für Sie neu ist.« Abram geht auf Vince zu, während er mit ihm redet, und lässt Vadik und mich neben dem Mädchen stehen. Neben Ava. »Deshalb möchte ich Ihnen auch ein bisschen Zeit geben, um über diese Ergänzungen unseres Geschäfts nachzudenken.« Er deutet nach hinten in meine Richtung. »Kane wird sich eine Weile in Ihrem Territorium aufhalten, um Ihre Arbeitsweise kennenzulernen.«

Vince ballt die Fäuste und unterbricht Abram. »So was machen wir nicht.«

»Bisher nicht«, korrigiert Abram ihn grinsend. »Sie sollten sich aber da­rüber im Klaren sein, dass ich keine halben Sachen mache. Entweder alles oder nichts, und das zu meinen Bedingungen.«

Erneut verengen sich Vince’ Augen. Er scheint seine Möglichkeiten abzuwägen, dann blickt er über die Schulter zu seinen Männern. »Ich brauche einen Moment, um das mit meinen Männern zu besprechen.«

»Nehmen Sie sich zwei Wochen. So lange brauchen wir, um die erste Lieferung zusammenzustellen. Und Kane wird auch etwas Zeit brauchen, bis er Ihre Abläufe kennt und weiß, wie man mit diesem besonders zerbrechlichen Produkt umgeht.«

Vince’ Blick fällt auf mich, und am liebsten würde ich ihm seinen verurteilenden Ausdruck aus dem Gesicht prügeln. Ich tue so was Widerliches nicht. Mehr als je zuvor fühle ich mich in die Ecke gedrängt. Es macht mir nichts aus, Arschlöcher mies zu behandeln. Ich finde, das ist Teil des schlechten Karmas, das sie sich selbst eingebrockt haben. Aber diese Scheiße hier? So was gefällt mir ganz und gar nicht.

»Kane De Rocca?«, fragt Vince, und ich nicke.

In seinen Augen leuchtet Überraschung auf, dann bedenkt er mich mit einem wissenden Blick. Genauso, wie ich ihn kannte, weiß er sicher auch alles über mich und die Scheiße, die ich hinter mir habe.

»Kane.« Abram wendet sich wieder mir zu und gibt damit Vince und dessen Leuten unmissverständlich zu verstehen, dass sie gehen sollen. »Nimm das Mädchen und fahr mit ihnen mit. Sicher kannst du dort irgendwo unterkommen.« Mit der Hand deutet er auf die junge Frau neben mir auf dem Boden. »Behalt sie bei dir, bis die anderen gebracht werden.« Er zeigt auf meinen Hangar. »Hier können wir sie perfekt unterbringen«, sagt er so laut, dass ihn alle hören können, während Vadik an ihm vorbeigeht, um Vince samt seinen Männern zurück zu deren Autos zu begleiten. Er bedankt sich bei ihnen und schwärmt davon, wie toll dieses Geschäft für alle Beteiligten sein wird, doch seine Stimme verliert sich, als er mit den anderen die Landebahn hi­nun­tergeht.

Noch während ich ihnen hinterherblicke, lehnt sich Abram vor und umklammert meine Schulter so fest, dass ich gezwungen bin, mich auf eine unbequeme Weise zu ihm he­run­terzubeugen, damit er mir direkt ins Ohr sprechen kann. »Lass dir alles genau zeigen. Ich erwarte hinterher einen ausführlichen Bericht.« Ohne meine Schulter loszulassen, wendet er sich von meinem Ohr ab. Ich begegne seinem Blick und nicke angespannt. »Sieh es als deine erste Bewährungsprobe an.« Aufmunternd klopft er mir auf die Schulter. »Wir kommen in ein paar Tagen vorbei, um zu sehen, wie du mit der Kleinen hier klarkommst. Enttäusch mich nicht.«

Ich kann da­rauf nicht antworten und versuche es auch gar nicht erst. Als er davongeht, zurück zum Hangar, bleibe ich neben der Frau stehen, die immer noch gebeugt auf dem Rollfeld zu meinen Füßen liegt. Der Rest von Petrovs Männern zieht sich wieder nach drinnen zurück, während die Valettis in ihre Wagen einsteigen. Als ich Vince’ Blick begegne, weiß ich, dass in seinem Territorium Ärger auf mich wartet.

In diesem Moment kommt der Pilot in dem schwarzen T-Shirt zu mir he­rüber, greift nach unten und zerrt an der Kette, die sich um den Hals der armen Frau befindet. Sofort hebt sie den Kopf und steht auf, bevor die Kette ihre Bewegungen diktieren kann. Offensichtlich ist sie diese Behandlung schon gewohnt. Sie weiß, wie man den Schmerz vermeidet.

Der Pilot blickt auf sie he­run­ter und stößt ein kurzes Lachen aus. Das miese Glitzern in seinen Augen sorgt dafür, dass sich mir der Magen umdreht und meine Muskeln sich anspannen. »Ich glaube nicht, dass sie Schwierigkeiten macht«, sagt er zu mir und entblößt seine fleckigen Zähne zu einem Lächeln. »Wirklich schade – als sie sich noch gewehrt hat, hat es mehr Spaß gemacht.«

Er hält mir die Kette hin, und widerwillig nehme ich sie ihm ab. Die Frau steht reglos neben mir, die Hände vor sich verschränkt und den Kopf leicht gebeugt.

»Wir kommen wieder, um sicherzugehen, dass du sie gut im Griff hast.« Mit einem hämischen Grinsen nickt er mir zu, bevor er in Richtung Hangar verschwindet.

Mein Körper steht unter Spannung, und ich bin kampfbereit, aber mir bleibt keine Wahl. Wenn ich nicht tue, was Petrov mir aufgetragen hat, bin ich tot. Angewidert knirsche ich mit den Zähnen. Mir gefällt diese Situation überhaupt nicht. Staub wirbelt auf, als die Valettis losfahren und in der Ferne verschwinden.

Ich blicke auf die Kette in meiner Hand hi­nun­ter und verfolge sie bis zum Hals der jungen Frau. Sie ist an sie angeschlossen, was mich wahnsinnig wütend macht. Man hat mir keinen Schlüssel gegeben, aber das ist mir scheißegal.

Sobald ich mit ihr allein sein werde, breche ich das Schloss auf.

AVA

»Komm.« Schnell setze ich mich in Bewegung, weil ich damit rechne, dass er an der Kette ziehen wird. An meinem Hals befindet sich immer noch eine schmerzende Wunde von dem letzten Arschloch, das da­ran gezogen hat, nur um eine Reaktion von mir zu erzwingen. Ich habe mich so rasch bewegt, wie ich konnte, doch das war ihm egal. Selbst wenn ich schnell genug gewesen wäre, hätte das keine Rolle gespielt. Dann hätte er irgendetwas anderes gefunden. Ihm ging es nicht da­rum, dass ich ihm gehorche; er wollte mir einfach nur wehtun. Es hat ihm Spaß gemacht, mich zu quälen.

Ich habe gelernt, dass es zwei verschiedene Typen gibt: Der erste will anderen nur Schmerzen zufügen. Diese Sorte Männer ist die schlimmste, denn selbst wenn man alles richtig macht, stellen sie einem irgendeine Falle. Die wollen nur bestrafen. Den anderen Typen geht es um die perfekte Ausführung. Ihren Erwartungen zu entsprechen ist schwer, aber ich tue alles, um es ihnen recht zu machen. Das muss ich, wenn ich keine Schläge bekommen will.

Am Anfang habe ich mich noch gewehrt. Und dafür bezahlt. Aber ich konnte einfach nicht anders, als zu kämpfen. Sie haben mich festgehalten und vor den Augen meines Vaters brutal gequält. Ja, er war ein Arschloch und ein widerlicher Mensch, trotzdem tat es mir weh, dass er dabei zusehen musste. Ich schließe die Augen und versuche, die Bilder zu verdrängen. Alles tat weh. So sehr, dass ich mir sicher bin, dass einige Bereiche meines Körpers abgestorben sind. Irgendwo tief in meinem Innern ist mir bewusst, dass ich kaum noch Ähnlichkeit mit der starken Frau habe, die ich einmal war, aber das nehme ich nur ganz am Rande wahr.

Sie haben mich vergewaltigt, mir meine Unschuld geraubt. Ich konnte gar nicht anders, als mich zu wehren. Doch dann wurde mir klar, wie kräftezehrend das war. Ich musste mitspielen. Ich musste ihnen vortäuschen, dass sie mich gebrochen hatten. Dass sie mich zum braven Haustier dressiert hatten. Und jetzt warte ich ab, warte auf den perfekten Augenblick, um mich zu rächen. Wobei ich auch meine Tiefpunkte habe; Momente, in denen ich vergesse, wa­rum ich überhaupt noch am Leben bleiben will. Wa­rum ich gehorsam sein sollte, um weiterzuleben.

Diese neue Situation bringt mich durcheinander. Nicht dass ich einen konkreten Plan hätte, außer zu überleben. Aber ich hatte gehofft, dass ich nach der Landung auf weniger Männer treffen würde. Es ist notwendig, dass es weniger sind, damit ich sie einen nach dem anderen ausschalten kann, wenn sie zu mir kommen. Momentan werde ich zwischen dreien hin und her gereicht. Deren Muster kenne ich inzwischen. Oder kannte. Jetzt weiß ich gar nichts mehr.

Irgendwie muss ich an eine Waffe kommen. Ich werde warten. Bisher kam mir immer irgendwas in die Quere. Bevor wir losgeflogen sind, hätte ich fast die Chance gehabt, aber ich habe sie nicht ergriffen. Abram und Vadik waren weg, und für das, was ich vorhabe, müssen sie da sein. Dieser miese Dreckskerl Abram soll für das bezahlen, was er mir und all den Menschen angetan hat, die ich liebe. Ich will, dass er als Letzter stirbt. Er soll richtig leiden.

Ich werde mich rächen, koste es, was es wolle. Die werden mich nicht verkaufen. Das ist nicht ihr Plan, weil es zu simpel wäre; eine zu einfache Lösung für die Mafiaprinzessin. Ich hoffe, sie wähnen sich in Sicherheit und passen nicht so genau auf. Einen kurzen Moment nur, mehr brauche ich nicht. Doch mein Körper bettelt da­rum, sich auszuruhen, und eine leise Stimme in meinem Innern flüstert: Aber du brauchst Kraft, um das zu schaffen.

»Rein da.« Kanes harte Stimme bringt mich in die Realität zurück. Kane De Rocca. Seinen Namen habe ich vorhin gehört. Ich sorge dafür, dass ich alles mitbekomme. Ich weiß, das sollte ich nicht, aber ich tue es trotzdem. Sein Nachname kommt mir bekannt vor, aber ich weiß nicht, woher.

Das läuft nicht wie geplant. Und das gefällt mir nicht. Angst erfasst mich, und mir werden die Knie weich. Mit seiner großen Hand stützt er meinen Rücken ab, und automatisch spanne ich mich an, in Erwartung des Schlags. Ich schließe die Augen und senke den Kopf, während ich warte. Ich bin selbst schuld. Ich habe nicht aufgepasst, weil ich in Gedanken war. Was ist los mit mir? So was darf ich nicht machen.

Dafür werde ich bestraft, und ich will nicht bestraft werden. Ich will ein braves Mädchen sein. Ich muss gehorsam sein.

Ich muss aufpassen und die Anweisungen befolgen.

»Rein da«, befiehlt er noch lauter, und ein Zittern läuft durch meine Schultern, doch mein Körper setzt sich schnell in Bewegung. Als ich die Augen öffne, wird mir bewusst, dass ich vor der hinteren Tür seines Autos stehen. Nicht vor einem Kofferraum oder einer Kiste. Nachdem ich eingestiegen bin, schlägt er die Tür zu, und ich blicke mich um, halte den Kopf jedoch nach vorn gerichtet. Tatsächlich achte ich da­rauf, mich gar nicht zu bewegen. Meine Überraschung darf ich mir auch nicht anmerken lassen. Keinerlei Gefühle. Stattdessen sitze ich ruhig da, habe den Rücken kerzengerade aufgerichtet und lehne mich nicht in den Ledersitz zurück. Das werde ich auch die ganze Fahrt über nicht tun.

Es ist schon Tage her, seit mich das letzte Mal jemand angefasst oder auch nur gesehen hat. Reisen sind ein Segen. Doch nun werde ich wieder weitergereicht. An einen neuen Herrn oder Wächter oder Sir. Ich habe wahnsinnige Angst, und eine widerliche, saure Flüssigkeit kriecht meine Kehle hoch. Meine Augen beginnen zu brennen, doch ich lasse nicht zu, dass sie sich mit Tränen füllen. Vielleicht habe ich vergessen, wie man weint. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich bestraft werde, wenn ich weine. Deshalb ist mein Gesicht wie eine steinerne Maske. Ausdruckslos, genau so, wie es ihnen gefällt. Oder zumindest dem zweiten Typen. Der erste Typ will etwas anderes.

Ich rufe mir in Erinnerung, was Abram vorhin gesagt hat. Er meinte, sie würden wiederkommen. Also habe ich noch die Chance, ihn und Vadik zu erwischen. Ich brauche nur eine Chance. Diese Situation hier ist nur vo­rübergehend. So wie bei den anderen Malen auch.

Am liebsten würde ich mich bewegen und mir den Mann ansehen. Kane. Doch mein Herz hämmert vor Angst. Er erwartet von mir, dass ich hier sitze, also werde ich genau das tun. Ich verhalte mich ruhig und warte. Ich konzentriere mich da­rauf, flach zu atmen und mich nicht zu bewegen. So kann ich am besten damit umgehen, das habe ich inzwischen gelernt. Dann ist es so, als hätte ich mich aufgelöst. Wenn ich das doch nur könnte.

Meine Augen schließen sich ohne mein Zutun, und mein Körper bettelt da­rum zu schlafen, aber das geht jetzt nicht. Auch wenn ich total erschöpft bin, weil ich während des gesamten Flugs wach war. Ich hatte Angst, dass sie mich irgendwann aus der Maschine werfen würden. Dass ihre Drohungen nicht leer waren und sie mich diesmal wirklich umbringen würden. Ich konnte nicht schlafen. Ich kann nicht mehr richtig schlafen, seit sie mich entführt haben.