Ruhrmond – Im Bann des Lichts - Tobias Kämper - E-Book

Ruhrmond – Im Bann des Lichts E-Book

Tobias Kämper

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Beschreibung

Stell dir vor, du lebst im Herzen des Ruhrgebiets, wo der Mond über rauchenden Schornsteinen und alten Fördertürmen wacht – aber plötzlich ist etwas anders. Der Vollmond scheint stärker, unheimlicher, und mit ihm erwacht eine uralte Macht. Menschen sehen Dinge, die nicht da sind, und Gewalt breitet sich aus wie ein Flächenbrand. Heike, eine entschlossene Frau mit einem unruhigen Herzen, und Marc, ein Überlebenskünstler mit mehr Mut als Verstand, geraten in einen Kampf, der größer ist, als sie je ahnten. In einer Welt, die zwischen Mondlicht und Dunkelheit zerrissen wird, müssen sie herausfinden, warum der Mond das Ruhrgebiet in seinen Bann zieht – und ob sie es schaffen können, die Bedrohung zu stoppen, bevor alles zerbricht. 'Ruhrmond' ist eine düstere Reise in die Abgründe des Lichts und die Schatten der Seele.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Vorwort

"Stell dir vor, du lebst im Herzen des Ruhrgebiets, wo der Mond über rauchenden Schornsteinen und alten Fördertürmen wacht – aber plötzlich ist etwas anders. Der Vollmond scheint stärker, unheimlicher, und mit ihm erwacht eine uralte Macht. Menschen sehen Dinge, die nicht da sind, und Gewalt breitet sich aus wie ein Flächenbrand. Heike, eine entschlossene Frau mit einem unruhigen Herzen, und Marc, ein Überlebenskünstler mit mehr Mut als Verstand, geraten in einen Kampf, der größer ist, als sie je ahnten. In einer Welt, die zwischen Mondlicht und Dunkelheit zerrissen wird, müssen sie herausfinden, warum der Mond das Ruhrgebiet in seinen Bann zieht – und ob sie es schaffen können, die Bedrohung zu stoppen, bevor alles zerbricht. "Ruhrmond – Im Bann des Lichts" ist eine düstere Reise in die Abgründe des Lichts und die Schatten der Seele."

 

Der Autor Tobias Kämper wurde im Herzen des Ruhrgebiets geboren und wuchs zwischen Fördertürmen und rauchenden Schornsteinen auf. Seine Geschichten sind geprägt von der rauen Herzlichkeit und den tief verwurzelten Mythen seiner Heimat. Schon als Kind faszinierte ihn die Magie, die in den scheinbar alltäglichen Straßen und Wäldern des Reviers lag. Mit einem untrüglichen Gespür für Spannung und Emotionen verwebt er in seinen Büchern das Dunkle und das Menschliche zu packenden Erzählungen. Tobias lebt noch immer im Ruhrpott, wo er seiner Leidenschaft für Geschichten nachgeht und oft Inspiration bei langen Spaziergängen durch alte Industriegebiete findet.

 

Titel: "Ruhrmond – Im Bann des Lichts"

Kapitel 1: Der erste Mond

Dr. Heike Lohkamp zog sich die Cat-Eye-Brille zurecht und schob die kalten Hände um ihren Kaffeebecher. Es war einer dieser Tage, an denen selbst die schäbigste Pendlerkneipe einladender wirkte als ihre Praxis. Grüntee mit Mandelmilch – wer zur Hölle trank sowas freiwillig? Aber das war eben ihr „Markenzeichen“. Oder wie ihre Freundin Nadja immer sagte: „Heike, du bist so’n Hipster-Müllhaufen, das passt schon.“

Das Büro war stickig, trotz aufgerissener Fenster, und der alte Heizkörper gluckerte, als wollte er gleich explodieren. Auf dem Schreibtisch stapelten sich Patientenakten, aber Heike starrte auf die E-Mail auf ihrem Laptop. Betreff: "Anfrage zur Konsultation – Dringend". Der Inhalt war kurz und wirkte wie dahingekotzt:

„Frau Doktor, hier läuft was schief. Leute drehen durch, der Mond macht’s. Ich schwör. Melden Sie sich. Detlef“

„Detlef. Natürlich heißt der Detlef“, murmelte Heike und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. Bitter wie ihr Leben, aber wenigstens warm. Seit Wochen kamen solche Nachrichten. Von Nachbarn, Patienten, sogar von irgendwelchen Möchtegern-Wissenschaftlern. Der Mond sei schuld. Klar, der Mond.

Die Tür knallte. Heike zuckte zusammen.

„Hallo?!“ rief sie, aber die Stimme klang kratziger, als sie wollte. Keine Antwort. Ihr Blick wanderte zur Uhr. Der letzte Patient war vor einer Stunde gegangen, der nächste kam erst morgen. Vorsichtig schlich sie zur Tür, die halb offen stand.

„Detlef, bist du das?“ Sie hasste sich für den Witz, aber das half irgendwie gegen die Gänsehaut.

Im Flur war es still. Nur das Summen der Neonröhren, das selbst den hartgesottensten Ruhrpottler in den Wahnsinn treiben konnte. Plötzlich hörte sie ein Kratzen – wie Nägel über Beton. Dann Schritte. Langsam, schwer, wie von jemandem, der nicht ganz wusste, wo er hinwollte.

„Scheiße nochmal …“ Heike griff nach dem Papierlocher auf ihrem Schreibtisch. Nicht gerade ein Messer, aber besser als nichts.

Die Schritte wurden schneller, dann ein Schatten. Und dann sah sie ihn: Ein Mann, vielleicht Mitte fünfzig, in einem fleckigen Jogginganzug, der aussah, als hätte er die letzten Nächte im Straßengraben gepennt. Sein Gesicht war blass, die Augen weit aufgerissen. Er keuchte, als hätte er gerade einen Marathon gelaufen, und in seiner Hand hielt er ein zusammengeknülltes Stück Papier.

„Helfen Sie mir! Der Mond … der Mond hat sie geholt!“

 

Heike erstarrte. „Was soll’n der Scheiß? Wer hat dich hier reingelassen?“ Ihre Stimme klang fester, als sie sich fühlte. Der Typ sah aus wie ein Penner, aber sein Blick hatte was... Seltsames. Wie ein Reh, das schon wusste, dass der Laster kommt.

„Ich… ich habe geklopft“, stammelte er und hielt ihr das Papier entgegen. Seine Hand zitterte wie irre. „Es passiert schon wieder! Die machen es schon wieder!“

„Die? Wer ist die, und was machen die?“ Heike blieb auf Abstand, auch wenn das Papier jetzt fast ihre Nase berührte. Der Typ roch wie ein abgestandener Aschenbecher.

„Die… die im Wald. Die mit den Masken.“ Sein Atem ging stoßweise. „Ich hab’s gesehen. Der Mond macht sie verrückt, ich schwör, der Mond...“

„Okay, beruhig dich mal. Setz dich da hin.“ Heike deutete auf den ollen Plastikstuhl in der Ecke, den sonst niemand benutzen wollte. „Ich hol’ dir was zu trinken.“

„Nicht Wasser!“ rief er, als sie schon Richtung Wasserkocher ging. „Die sagen, Wasser macht es schlimmer. Kaffee. Oder Schnaps.“

Heike riss die Augenbrauen hoch, aber was soll’s. Sie goss ihm eine Tasse Kaffee ein und reichte sie ihm. „Hier. Ohne Mandelmilch, sorry.“

Er klammerte sich an die Tasse, als wär’s das Einzige, was ihn noch aufrecht hielt. „Sie glauben mir nicht, ne? Das tut keiner. Aber der Mond…“ Er hob den Kopf und sah sie direkt an. Sein Blick hatte was Wahnsinniges, aber auch was Tödliches. „Der Mond redet mit mir. Und bald redet er auch mit Ihnen.“

„Aha.“ Heike verschränkte die Arme. „Und, was sagt der Mond so? Dass ich meine Miete pünktlich zahlen soll?“

„Lustig.“ Der Typ verzog das Gesicht, aber sein Lachen klang eher wie ein Würgen. „Der Mond sagt, dass Blut fließen wird. Dass sie uns holen. Die haben den ersten schon. Der war im Wald. Die werden alle holen, einen nach dem anderen.“

„Wer, verdammt nochmal, sie?“ Heike hielt die Fassade aufrecht, aber innerlich war sie angespannt wie ein Flitzebogen.

Er legte den Kopf schief, als würde er überlegen, ob er antworten soll. „Die mit den Masken. Die, die das Licht beschwören.“ Seine Stimme wurde leiser. „Ich habe ihre Stimmen gehört. Es war… keine Sprache. Eher wie ein Summen. Und dann der Mond… so rot habe ich ihn noch nie gesehen.“

„Rot?“ Heike kniff die Augen zusammen. „Gestern war der Mond nicht rot.“

„Nicht für Sie!“ rief er plötzlich und sprang auf, dass der Kaffee überlief. „Der zeigt sich nur uns! Den Auserwählten!“

„Alles klar, mein Lieber.“ Heike rückte unmerklich Richtung Tür. „Ich glaube, ich ruf mal jemand an, der dir besser helfen kann.“

„Nicht die Bullen!“ Er war sofort auf den Beinen, zitterte aber am ganzen Körper. „Die helfen nicht. Keiner hilft. Es ist schon zu spät!“

Und dann warf er ihr das zerknüllte Papier vor die Füße, drehte sich um und rannte zur Tür, so schnell seine wackeligen Beine ihn trugen. Heike stand wie angewurzelt da, das Papier direkt vor ihren Schuhen. Sie hob es vorsichtig auf, entfaltete es und starrte auf das, was darauf gezeichnet war.

Ein Kreis. Und darin ein Mond. Halb, aber irgendwie falsch. Drumherum Symbole, die sie nicht entziffern konnte.

„Was zur Hölle…?“ murmelte sie und spürte plötzlich eine Gänsehaut, die ihr den Rücken hochkroch. Draußen war der Typ längst verschwunden. Aber als sie zur Fensterfront sah, bemerkte sie, wie der Mond durch die Wolken brach.

Er war nicht rot. Aber das Licht… irgendwas daran stimmte nicht.

 

 

Kapitel 2: Der Mond im Nacken

Heike konnte nicht aufhören, auf den Zettel zu starren. Das Papier war schmuddelig, die Ränder zerfetzt, und es roch nach kaltem Rauch und billigem Bier. Aber das, was drauf war – dieser verdammte Kreis mit den seltsamen Symbolen – ließ ihr den Kaffee im Magen rumoren. Sie wusste nicht, was es war, aber irgendwas daran löste eine merkwürdige Beklemmung in ihr aus.

„Scheiße, das kann doch nicht dein Ernst sein“, murmelte sie und warf den Zettel auf den Schreibtisch. Das Adrenalin aus der Begegnung mit dem Typen ließ langsam nach, und jetzt setzte die Realität ein: Ein völlig durchgedrehter Typ war einfach so in ihre Praxis spaziert, hat irgendwas von „Masken“ und „Auserwählten“ gelabert und war dann wieder abgehauen. Was zum Teufel sollte sie damit anfangen?

Heike griff nach ihrer Kaffeetasse, doch der Inhalt war inzwischen kalt. Mit einem genervten Schnauben lehnte sie sich zurück und rieb sich die Schläfen. „Mond redet mit mir“, äffte sie leise nach. „Das glaubst du doch selber nicht, Detlef.“ Aber der Gedanke ließ sie nicht los.

Die Symbolzeichnung lag da wie ein stummer Vorwurf. Sie überlegte, sie wegzuschmeißen, doch irgendwas hielt sie zurück. Vielleicht war es die Art, wie der Typ geschaut hatte. Das war nicht einfach Wahnsinn gewesen. Da war Angst. Und nicht die alltägliche Sorte Angst – nicht die vor Rechnungen oder einem verkackten Leben. Es war eine tief sitzende Panik gewesen, als hätte er etwas gesehen, das er nicht hätte sehen sollen.

Sie stand auf, ging zum Fenster und schaute raus. Bochum zeigte sich in seiner üblichen Montagsmüdigkeit: grauer Himmel, leergefegte Straßen, ein paar Tauben, die sich um eine verschimmelte Pommes balgten. Der Mond war längst wieder hinter Wolken verschwunden, und doch…

Da war dieses Kribbeln in ihrem Nacken. Es fühlte sich an, als würde sie beobachtet.

„Du wirst paranoid, Heike“, murmelte sie. Doch als sie einen Schritt zurücktrat, um die Jalousien zuzuziehen, fiel ihr Blick auf einen Schatten am anderen Ende der Straße. Eine Gestalt stand dort, fast reglos, und starrte in ihre Richtung.

„Nee, oder?“ Sie blinzelte, aber der Schatten war immer noch da. Eine Person, groß, breit, mit einer Art Kapuze. Das Gesicht konnte sie nicht erkennen, doch sie schwor, dass die Gestalt genau sie ansah.

Ihre Hand zitterte leicht, als sie nach ihrem Handy griff. Sie wollte es einfach nur dabei haben, nur für den Fall. Doch als sie kurz wegschaute, um die Tastensperre zu entsperren, und dann wieder hochblickte, war der Schatten weg.

„Verdammte Kacke.“ Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug. „Das war sicher nur ’n Passant, der da rumgelungert hat. Kein Grund, sich einzupissen.“ Trotzdem konnte sie das Gefühl nicht abschütteln, dass da mehr war.

Sie atmete tief durch und zwang sich, wieder an ihren Schreibtisch zu gehen. Doch kaum hatte sie sich hingesetzt, klingelte ihr Handy. Das schrille Geräusch ließ sie zusammenzucken, und sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Auf dem Display stand: Unbekannt.

„Super“, murmelte sie. „Was kommt jetzt? Telefonterror?“ Trotzdem nahm sie ab.

„Dr. Lohkamp.“

„Haben Sie’s schon gesehen?“ Die Stimme am anderen Ende war flach, monoton, aber irgendwie vertraut.

„Wer ist da?“

„Sie wissen es. Der Mond. Haben Sie ihn gesehen?“

Ihr Herz setzte für einen Moment aus. „Ist das ein Witz? Wer zum Teufel sind Sie?“

„Kein Witz. Der Mond ist anders. Es hat angefangen. Wenn Sie schlau sind, bleiben Sie heute Nacht drinnen.“

„Hören Sie, ich hab keine Zeit für diesen Scheiß.“ Sie wollte auflegen, doch die Stimme sprach weiter.

„Es gibt Dinge, die wir nicht verstehen, Doktor. Dinge, die im Dunkeln warten. Und der Mond… der Mond ist ihr Schlüssel.“

„Was zum…“ Doch da war die Leitung schon tot.

Heike ließ das Handy sinken und starrte auf das Symbol, das noch immer auf ihrem Schreibtisch lag. Plötzlich fühlte sie sich seltsam ausgelaugt, als hätte jemand all ihre Energie ausgesaugt.

Das Gefühl im Nacken war wieder da. Dieses Kribbeln, als wäre etwas hinter ihr. Sie drehte sich langsam um, doch da war nichts – nur die leere Wand, der Wasserkocher, der Schreibtischstuhl.

Aber sie wusste, dass sie nicht allein war. Nicht mehr.

 

Kapitel 3: Die Risse im Alltag

Heike kam nach Hause, wenn man das so nennen konnte. Eine Zweizimmerwohnung in einem der alten Nachkriegsbunker von Wattenscheid, wo der Flur immer nach kaltem Zigarettenrauch roch und die Nachbarn entweder zu laut stritten oder gar nicht redeten. Sie warf ihre Tasche in die Ecke, die Cat-Eye-Brille auf den Tisch und drückte sich mit einem genervten Seufzer aufs durchgesessene Sofa.

Die Deckenlampe summte leise, und irgendwo im Haus knallte eine Tür. Es war einer dieser Momente, in denen sie sich fragte, warum sie überhaupt noch in dieser Stadt blieb. Dieselben grauen Straßen, dieselben kaputten Menschen, die dasselbe kaputte Zeug redeten. Aber diesmal… diesmal war es anders.

Die Stimme vom Telefon ging ihr nicht aus dem Kopf. Und dann war da dieser Typ mit seinem Zettel und den bescheuerten Symbolen. Heike wollte es ignorieren, wollte einfach Netflix anschmeißen und sich mit irgendeiner dämlichen Serie das Hirn weichspülen, aber das Kribbeln im Nacken ließ nicht nach.

„Ach, leck mich doch“, murmelte sie und griff nach ihrem Handy. Sie scrollte durch ihre Kontakte, bis sie den Namen fand, den sie brauchte: Dennis „Schorsch“ Schröder. Ein alter Kumpel aus Uni-Zeiten, mittlerweile bei der Polizei, allerdings nicht gerade der Typ für eine große Karriere. Er hatte sich mit seinem Ruhrpott-Charme immer gerade so durchgewurschtelt, aber wenn jemand was über seltsame Vorfälle in der Gegend wusste, dann er.

Sie rief an, und nach dem dritten Klingeln meldete er sich. „Schorsch hier. Wer nervt?“

„Heike.“

„Ah, die Klugen aus der Klapse. Was willst du? Psycho-Analyse oder nur ’nen Drink?“

„Halt die Klappe. Hör zu, hast du in letzter Zeit was von ’ner Mordserie gehört? Oder irgendwas mit komischen Symbolen? Vollmond, Masken, sowas?“

„Jo, klar. Und der Osterhase tanzt Samba in Herne-Mitte. Was is los mit dir?“

„Schorsch, ich mein’s ernst! Heute war ein Typ bei mir in der Praxis. Total durchgedreht. Labert was von Masken, nem roten Mond und ’ner Mordserie.“

Am anderen Ende wurde es still. „Moment mal. Masken? So ne Art Ritualkram?“

Heike richtete sich auf. „Ja. Warum?“

„Weil wir vor zwei Tagen ne Leiche gefunden haben. In nem alten Schrebergarten bei Duisburg. Typ lag da, mitten in nem Kreis aus Kerzen, mit irgendwelchen Zeichen in die Brust geritzt. Dachte erst, das wär wieder so’n okkulter Hipster-Scheiß, aber jetzt, wo du’s sagst…“

Heike spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. „Und? Was habt ihr rausgefunden?“

„Nix. Keine Spuren, nix. Aber die Kollegen sagen, das ist nicht die erste. Vor nem Monat gab’s schon was Ähnliches in Essen, und davor in Dortmund. Immer bei Vollmond.“

Sie hielt den Atem an. Das passte alles viel zu gut zusammen, um Zufall zu sein. „Schorsch, du musst mir mehr sagen. Das wird noch schlimmer, ich spür’s.“

„Heike, ich kann dir da nicht viel erzählen, okay? Aber wenn du schlau bist, machst du nen großen Bogen um das Ganze. Die Typen, die sowas machen, sind keine Spinner. Das sind Psychos.“

„Na toll. Und was mach ich, wenn einer vor meiner Tür steht?“

„Ruf mich an. Oder halt die Fresse und bleib zuhause.“

„Danke für nix, Schorsch.“ Sie legte auf und warf das Handy auf den Tisch. Ihr Herz hämmerte, und die Nervosität kroch ihr langsam unter die Haut. Sie war keine Polizistin, kein verdammter Ermittler. Aber irgendwas sagte ihr, dass sie mittendrin war, ob sie wollte oder nicht.

Draußen wurde es dunkel. Der Mond war wieder zu sehen, groß und silbern, wie ein kaltes Auge am Himmel. Heike stand auf und zog die Vorhänge zu, aber das Gefühl von Unruhe blieb.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Es war kein normales Klopfen – nicht dieses „Hallo, ich bin der Pizzabote“-Klopfen. Es war langsam, schwer, als würde jemand mit Absicht jeden Schlag betonen.

Ihr Herz setzte einen Moment aus. Wer zum Teufel war das?

„Ja?“ rief sie, ihre Stimme klang brüchiger, als sie wollte.

Keine Antwort. Nur ein weiteres Klopfen, diesmal lauter.

Sie griff nach einem Küchenmesser, das noch auf der Spüle lag, und schlich zur Tür. „Wer ist da?“

Wieder nichts. Aber sie hörte jetzt Schritte – langsame, schwere Schritte, die sich von der Tür entfernten. Sie wartete, das Messer fest in der Hand, bis alles wieder still war.

Als sie schließlich die Tür einen Spalt öffnete, war niemand zu sehen. Nur ein Umschlag, der auf ihrer Fußmatte lag.

Mit zitternden Fingern hob sie ihn auf. Kein Absender, nur ihr Name, in krakeliger Handschrift. Sie riss ihn auf und zog ein Foto heraus.

Es zeigte eine alte Industrieruine – einen verlassenen Hochofen, irgendwo im Nirgendwo. Und davor stand eine Gestalt in einer schwarzen Maske, die den Mond anstarrte.

Auf der Rückseite des Fotos standen drei Worte: „Wir sehen dich.“

Ihr Herz raste. Sie knallte die Tür zu, drehte den Schlüssel zweimal im Schloss und lehnte sich keuchend gegen die Wand.

Das war kein Zufall mehr. Es war real. Und es kam näher.

 

 

Kapitel 4: Schatten im Kopf

Heike saß immer noch auf dem Boden, die Knie angezogen, das Messer in der Hand. Ihr Atem ging flach, und die feuchten Strähnen ihres Ponys klebten an ihrer Stirn. Der Umschlag lag vor ihr, das Foto daneben, als wäre es ein stiller Zeuge ihrer Panik.

„Scheiße… scheiße, scheiße, scheiße“, murmelte sie vor sich hin. Ihr Verstand ratterte wie wild, aber nichts ergab Sinn. Wer waren diese Leute? Warum suchten sie ausgerechnet sie? Und vor allem: Woher kannten sie ihren Namen, ihre Adresse?

Die Vorstellung, dass jemand da draußen sie beobachtete, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Es war wie ein ekliges Kribbeln, das unter ihrer Haut wühlte. Sie griff nach dem Foto und starrte es an. Der Hochofen kam ihr bekannt vor, aber sie konnte ihn nicht genau zuordnen. Der Ruhrpott war voll von solchen Ruinen, Relikte einer Zeit, die längst vorbei war.

Ihr Handy vibrierte plötzlich auf dem Tisch, und sie schrie fast auf. Ein kurzer Blick aufs Display: Schorsch. Sie griff danach und nahm ab, die Stimme zittrig. „Was jetzt?“

„Heike, ich hab was rausgefunden“, kam es aus der Leitung. „Die Sache mit den Morden. Das ist viel größer, als ich dachte.“

„Ach nee“, blaffte sie, mehr aus Angst als aus Wut. „Das hab ich inzwischen selbst gecheckt, danke. Aber schön, dass du auch mal in die Pötte kommst.“

„Hör auf mit der Scheiße und hör zu.“ Schorsch klang ernst, was bei ihm selten vorkam. „Wir haben ne Spur. Die Typen, die du beschrieben hast – Masken, Rituale, das ganze Gedöns – die tauchen immer wieder auf. In Berichten, aber auch bei so alten Fällen. Vor Jahrzehnten schon, aber nie konnte man was nachweisen.“

„Und was willst du mir damit sagen? Dass das ’ne Art Ruhrpott-Illuminaten sind?“

„Nicht ganz. Die nennen sich die ‚Nachtboten‘. Soll heißen: Die glauben, dass der Mond ’ne Art Gottheit ist. Oder ein Tor. Keine Ahnung, wie man so einen Scheiß glaubt, aber die ziehen das durch. Immer bei Vollmond, immer in Ruinen oder Wäldern.“

Heike schnaubte. „Und jetzt? Was bringt mir das? Soll ich die Polizei rufen und sagen: ‚Hey, da sind ein paar Wahnsinnige mit Mondfetisch hinter mir her‘?“

„Nein“, sagte Schorsch leise. „Weil ich glaube, dass die dich im Visier haben.“

Ihr Herzschlag beschleunigte sich. „Wie bitte?“

„Ich hab in den Akten was gefunden. Die Mordopfer – es sind nicht nur Zufallsleute. Alle hatten Kontakt zu irgendwem, der vorher schon so’n Quatsch gemeldet hat. Der Typ, der bei dir in der Praxis war, passt ins Schema. Das heißt: Die wussten, dass er zu dir geht.“

Heike schluckte schwer. Ihr Mund war plötzlich trocken, und ihr Kopf fühlte sich an, als würde er gleich platzen. „Und jetzt? Soll ich abhauen? Verstecken?“

„Nein. Verstecken bringt nix. Aber bleib wachsam, okay? Ruf mich an, wenn irgendwas komisch ist. Ich komm sofort vorbei.“

„Komisch?“ Sie lachte bitter. „Schorsch, das hier ist schon lange nicht mehr ‚komisch‘. Das ist totaler Irrsinn!“

Er seufzte am anderen Ende. „Ich weiß, Heike. Aber wir ziehen das durch, okay? Mach die Tür nicht auf, und bleib weg von dunklen Ecken.“

Sie legte auf, aber die Anspannung in ihrer Brust ließ nicht nach. Stattdessen wurde sie stärker, wie ein dicker Knoten, der sie erdrückte. Sie stand auf, um sich ein Glas Wasser einzuschenken, doch die Stille in der Wohnung war fast schlimmer als der Lärm draußen.

Dann hörte sie es. Ein leises Klopfen. Nicht an der Tür, sondern am Fenster.

Ihr Blick schoss zur Seite, und ihr Atem stockte. Ihre Wohnung war im ersten Stock, direkt über einem engen Innenhof. Da war niemand, der einfach so ans Fenster klopfen konnte.

Das Klopfen kam wieder. Langsam, fast fordernd.

„Nein… nein, das bildest du dir nur ein“, flüsterte sie, aber ihre Beine bewegten sich wie von selbst zum Fenster. Sie schob die Gardine einen Spalt zur Seite – und sah nichts. Nur Dunkelheit.

Doch dann, genau in dem Moment, als sie sich entspannen wollte, schälte sich eine Gestalt aus den Schatten. Eine Maske, weiß und glatt wie Porzellan, starrte sie an. Darunter war nichts zu erkennen, keine Augen, kein Mund. Aber die Präsenz war überwältigend.

Heike stolperte zurück und schlug sich den Rücken am Tisch. „Verpiss dich!“, schrie sie, aber ihre Stimme klang hohl, fast lächerlich.

Die Gestalt bewegte sich nicht. Doch ihre Hand, blass und dünn, hob sich langsam – und deutete auf sie.

Heike packte das Messer fester und rannte zur Tür. Sie riss sie auf und stürmte in den Flur, ohne zurückzusehen. Ihre Schritte hallten auf den kahlen Fliesen, während sie das Treppenhaus hinunterhetzte. Ihr Herz raste, und der Schweiß klebte ihr die Haare an die Stirn.

Als sie die Haustür erreichte und auf die Straße trat, blieb sie keuchend stehen. Die kalte Luft brannte in ihrer Lunge, aber das war ihr egal. Sie schaute zurück zu ihrem Fenster.

Niemand war da. Kein Klopfen, keine Maske. Nur der Mond, der sie beobachtete, klar und hell wie ein unbarmherziges Spotlight.

Heike wusste, dass das erst der Anfang war.

 

 

 

Kapitel 5: Fremde Gesichter, fremde Absichten

Heike stand immer noch mitten auf der Straße und schnappte nach Luft, während der Mond hoch oben wie ein stummer Beobachter auf sie herabsah. Ihre Hände zitterten, und der Schmerz von der Ecke des Tisches pochte unangenehm in ihrem Rücken. Sie fühlte sich ausgelaugt, leer – und trotzdem wachsam, wie ein Reh vor dem Wolfsrudel.

Ein lautes Quietschen riss sie aus ihren Gedanken. Ein schwarzer SUV bremste direkt vor ihr ab, die Scheinwerfer blendeten sie. „Wollen Sie sich umbringen, oder was?“ rief der Fahrer, ein Typ mit Lederjacke, der aussah, als hätte er die Geduld eines Goldfischs. Heike hob nur die Hand, als wolle sie ihn abwimmeln, und machte einen Schritt zur Seite. Der Wagen fuhr hupend weiter.

Sie starrte die leere Straße entlang, unfähig, sich zu entscheiden, was sie jetzt machen sollte. Zurück in die Wohnung? Auf keinen Fall. Aber wo sollte sie hin? Die Kälte kroch ihr in die Knochen, und ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt.

„Alles okay?“

Die Stimme kam von der Seite, tief und sanft, aber mit einer rauen Kante, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Heike drehte sich ruckartig um und sah ihn. Einen Mann, vielleicht Ende dreißig, mit dunklen, zerzausten Haaren und einem Gesicht, das aussah, als hätte es schon einiges erlebt – scharf geschnittene Wangenknochen, ein leichter Bartschatten und Augen, die genauso wachsam wirkten wie ihre eigenen.

Er trug eine abgenutzte Jeansjacke über einem grauen Hoodie, und seine Hände steckten lässig in den Taschen. Trotzdem war da etwas an ihm, das Heike alarmierte. Vielleicht die Art, wie er sie ansah – ruhig, aber so, als würde er mehr sehen, als sie zeigen wollte.

„Sie sehen aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen“, sagte er mit einem Hauch von Ironie.

„Haben Sie was dagegen, wenn ich weitergehe?“ Heike klang schärfer, als sie wollte, aber die Anspannung ließ keinen Platz für Nettigkeiten.

Er hob die Hände, ein halbes Lächeln auf den Lippen. „Hey, kein Grund, mich anzufahren. Sie stehen hier mitten in der Nacht in der Kälte rum. Ich dachte, ich frag mal, ob alles klar ist.“

„Ja, alles klar.“ Ihre Stimme war abweisend, aber in ihrem Kopf schrillten die Alarmglocken. Wer lief um diese Uhrzeit noch durch die Gegend und sprach Fremde an?

„Echt jetzt?“ Er zog eine Augenbraue hoch und musterte sie. „Sie zittern wie Espenlaub, und Ihre Augen sehen aus, als hätten Sie seit Tagen nicht geschlafen. Soll ich Ihnen echt glauben, dass alles ‚klar‘ ist?“

„Was wollen Sie?“ platzte es aus ihr heraus. „Sind Sie einer von denen?“

„Einer von wem?“ Sein Ton wurde ernst, und er machte einen Schritt auf sie zu. Nicht bedrohlich, aber bestimmt. „Hören Sie, ich hab keine Ahnung, wovon Sie reden, aber wenn Sie Ärger haben, sollten Sie mir vielleicht sagen, worum’s geht. Dann kann ich Ihnen vielleicht helfen.“

Heike schnaubte. „Klar. Weil ich jedem Kerl auf der Straße direkt mein Leben auf die Nase binde.“

„Fair point.“ Er hob wieder die Hände, als wolle er ihr zeigen, dass er harmlos war. „Okay, dann anders. Ich heiße Marc. Und nein, ich bin kein Psychopath. Und auch kein Mondfanatiker, falls Sie das meinen.“

„Schön für dich, Marc.“ Heike sah ihn noch immer skeptisch an, aber irgendwas an seiner Ausstrahlung machte es schwer, ihn einfach stehenzulassen. Er wirkte… echt. Nicht wie einer dieser aufgesetzten Selbstdarsteller, die man in Großstädten so oft traf.

Marc musterte sie, als würde er abwägen, ob er noch einen Schritt weitergehen sollte. Schließlich zog er ein Päckchen Zigaretten aus der Jackentasche und bot ihr eine an. „Rauchen? Manchmal hilft’s, wenn man durch den Wind ist.“

Heike schüttelte den Kopf. „Ich rauch nicht.“

„Okay.“ Er steckte sich selbst eine an und zündete sie an, wobei die Flamme des Feuerzeugs kurz sein Gesicht beleuchtete. In dem warmen Licht sah er fast weich aus, aber Heike war sich sicher, dass dieser Typ mehr Geheimnisse hatte, als er zugeben wollte.

„Also?“ fragte er nach einem tiefen Zug. „Sagen Sie mir jetzt, was los ist? Oder soll ich weitergehen und Sie alleine mit… was auch immer hier draußen rumspukt, lassen?“

Sie biss sich auf die Unterlippe. Ein Teil von ihr wollte ihn einfach stehen lassen, aber ein anderer Teil – ein viel lauterer – wollte reden. Nicht über alles, aber vielleicht genug, um zu sehen, ob er wirklich helfen konnte.

„Es gibt… Leute“, sagte sie zögernd. „Ich weiß nicht, wer sie sind, aber sie haben’s auf mich abgesehen. Die reden von Symbolen und Monden und so nem Schwachsinn. Und heute… heute war einer an meinem Fenster.“

Marc zog eine Augenbraue hoch, aber er lachte nicht. Er schien sie ernst zu nehmen, und das war irgendwie beruhigend. „Masken? Rituale? Klingt nach Ärger.“

„Danke für die Info“, murmelte Heike.

„Hör zu“, sagte er und sah ihr direkt in die Augen. „Wenn das echt so ist, solltest du nicht alleine rumlaufen. Du kannst bei mir unterkommen, wenn du willst. Nur für die Nacht, bis du dir was überlegst.“

„Bei dir?“ Heike schnaubte. „Und warum genau sollte ich dir trauen?“

„Weil ich weiß, wie solche Sachen laufen.“ Sein Blick wurde hart, und für einen Moment schien es, als würde er etwas verdrängen. „Ich hab meine Erfahrungen mit Leuten, die… sagen wir mal, nicht ganz sauber ticken.“

Heike überlegte. Es war eine scheiß Idee, das wusste sie. Aber was war die Alternative? Zurück in die Wohnung mit der Maske vorm Fenster?

„Okay“, sagte sie schließlich. „Aber wenn du Mist baust, bin ich weg. Klar?“

Marc nickte. „Deal.“