Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945 - Frank Baranowski - E-Book

Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945 E-Book

Frank Baranowski

4,8

Beschreibung

Autor: Frank Baranowski, Festeinband 24 x 17 cm, 596Seiten, 273 Abbildungen, darunter 260 Fotos.

Das E-Book Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945 wird angeboten von Verlag Rockstuhl und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Trelleborg, Trautenstein, Toronto, Torgau, Süsel, Timmenrode, Stöcken, Tel Aviv, Tiercelet, Straßburg, Tachau, Treffurt, Eisenach, Theresienstadt, Eindhoven, Stettin, Tonika, Stuttgart, Suhl, Treuenbrietzen, Tarthun, Tettenborn, Stolberg, Straußfurt

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Frank Baranowski

Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands von 1929 bis 1945

Südniedersachsen mit Braunschweiger Land sowie Nordthüringen einschließlich des Südharzes:

eine vergleichende Betrachtung des zeitlich versetzten Aufbaus zweier Rüstungszentren

Impressum

Umschlaggestaltung: Oliver Ziesing, Duderstadt

2., bearbeitete Auflage 2015 als E-Book

ISBN 978-3-86777-530-4, gedruckte Ausgabe (2013)

ISBN 978-3-95966-003-7, E-Book [EPUB]

Layout und Satz: Heinz W. Pahlke, Berlin

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Inhaber: Harald Rockstuhl

Mitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V.

Lange Brüdergasse 12 in D-99947 Bad Langensalza/​Thüringen

Telefon: 0 36 03/​81 22 46 Telefax: 0 36 03/​81 22 47

www.verlag-rockstuhl.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Danksagung

Einführung

Forschungsstand

Quellenlage

Die ungleiche Wirtschaftsentwicklung in den Gauen Südhannover-Braunschweig und Thüringen von 1923–1945

Frühzeitiger, langfristiger Aufbau von Rüstungszentren im Gau Südhannover-Braunschweig – später Rüstungsboom in Nordthüringen

Die geheime Wiederaufrüstung Anfang der 1920er Jahre

Die systematische Erfassung von Rüstungsbetrieben durch die Reichswehr

Die mit Staatsmitteln ausgelöste Ansiedlung von Rüstungsbetrieben als Element der „fabrikatorischen Vorbereitung“

Der rüstungskonjunkturelle Aufschwung im Gau Südhannover-Braunschweig

Die Einbeziehung südniedersächsischer Firmen in die Rüstungsproduktion – ein Kurzüberblick

Kriegsproduktion in der Stadt Göttingen

Die Schaffung von Rüstungskapazitäten in der Stadt Osterode

Der industrielle Ballungsraum Braunschweig-Hannover-Hildesheim-Salzgitter

Das Ausbleiben eines rüstungskonjunkturellen Aufschwungs in Nordthüringen

Die Situation im Regierungsbezirk Erfurt

Steuerungsversuche der Thüringer Landesplanung

Die Entwicklung in Südhannover-Braunschweig ab Sommer 1943

Die Verlagerung der Eltron Werk GmbH und des Flugzeugbauers Heinkel

Die Untertageverlagerungen im Hils bei Holzen und in den Asphaltstollen in Ahlem – die Bauvorhaben „Hecht“ und „Döbel“

Die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte als Beleg unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklung zweier Regionen – ein statistischer Überblick

Zwangsarbeit und Raketenrüstung

Der Aufbau des A4-Serienwerkes im Kohnstein und des Lagers „Dora“

Die Mittelwerk GmbH und der Verlegung der Häftlinge ins Barackenlager

Expansion der Raketenproduktion im Umfeld von Nordhausen

Die Verlagerungsbestrebungen der Rüstungsindustrie in Mitteldeutschland unter Berücksichtigung der Politik des Jägerstabes und anderer Sonderstäbe

Die oberirdische Dezentralisierung der Flugzeugindustrie

Die organisatorische Struktur der Untertageverlagerung

Die Gründung der Sonderstäbe und ihre Aufgaben

Flugzeugproduktion kontra Mineralölsicherungsplan

Die weitere Zurückdrängung der A4-Produktion im Kohnstein

Vom Arbeitslager Dora zum Konzentrationslagerkomplex „Mittelbau-Dora“

Der Strukturwandel – vom geplanten Rüstungs- zum Bau-KZ

Das Konzentrationslager Mittelbau-Dora als selbständiges Lager

Die Ökonomisierung des Häftlingseinsatzes

Die Muna Bernterode – erstes Beispiel einer Untertageverlagerung

Die Umwandlung von Kaliwerken zu unterirdischen Heeresmunitionsanstalten

Das „Muster“-Untertagelager: der Umbau des Kaliwerkes Bernterode zu einem Munitionsdepot des Heeres

Nordthüringen und die Südharzregion – vom ‚Notstandsgebiet‘ zur Rückzugsregion der deutschen Kriegswirtschaft

Die staatlich geförderte Ansiedlung neuer Unternehmen

Mühlhausen, Gerätebau GmbH

Mühlhausen, Lorenz AG

Rottleberode, Stock & Co

Die Umwandlung eingesessener Betriebe zu Rüstungsschmieden

Artern, Kyffhäuserhütte

Beyrode, Wagner & Co

Bleicherode, Ohl & Vattrodt

Bleicherode, Technische Werkstätten Lange & Weinhold

Dingelstedt, Maschinenfabrik Meister & Co

Dingelstedt, Schellhaas & Co

Dingelstedt, Wegerich & Co

Ellrich, Ewald Busse GmbH

Mühlhausen, Christoph Walter AG

Mühlhausen, Claes & Co. KG

Mühlhausen, Gebrüder Franke KG

Mühlhausen, Holzverarbeitungsfabrik Conrad Haberstolz

Mühlhausen, Leder- und Lederwarenfabrik Otto Stephan

Mühlhausen, Metallwarenfabrik Jost & Kleinschmidt

Mühlhausen, Möbelfabrik Karl Kleeberg

Mühlhausen, Maschinen- und Fahrradfabrik Walter & Co

Niedersachswerfen, Karl Hoffmann & Sohn

Nordhausen, Eisengießerei und Maschinenfabrik Mosebach & Sohn

Nordhausen, Federnwerke Dannert

Nordhausen, Julius Fischer

Nordhausen, Maschinen- und Apparatebau AG (MABAG)

Nordhausen, Maschinenbau & Bahnbedarf AG (MBA)

Nordhausen, Schmidt, Kranz & Co

Nordhausen, Tölle & Söhne

Sangerhausen, Maschinenfabrik AG (Mafa)

Sangerhausen, Mitteldeutsche Fahrrad-Werke GmbH (Mifa)

Sömmerda, Rheinmetall Borsig AG

Sömmerda, Selve-Kronbiegel-Dornheim AG (Selkado)

Die Arbeits- und Lebensbedingungen ausländischer Zwangsarbeiter in nordthüringischen Unternehmen

Rüstungsverlagerungen in die ‚Mitte‘ Deutschlands seit August 1943

Die oberirdische Dezentralisierung von Rüstungsbetrieben

Artern, Gollnow & Sohn/Geyer & Sohn (Außenkommando „Adorf“)

Artern, Preußische Bergwerks- und Hütten AG (Preussag)

Blankenburg (Harz), Krupp AG Essen/Bodewerk

Bleicherode, Elektromechanische Werke GmbH

Bleicherode, Fabrik elektrotechnischer Artikel Willi Kuhlmann

Dachrieden, Rheinmetall Borsig/Thüringische Maschinenfabrik AG

Dingelstedt, Henschel Flugmotorenbau GmbH Kassel

Ellrich u. a., Junkers/Nordwerke AG

Haynrode, Elektromechanische Werke GmbH

Kelbra, Mittelwerk GmbH

Kleinbodungen, Mittelwerk GmbH

Langensalza, Junkers/Langenwerke AG

Mühlhausen, Maschinenfabrik und Eisengießerei Jean Güsken

Mühlhausen, Junkers/Mühlenwerke AG

Neubleicherode, Elektromechanische Werke GmbH

Niedergebra, Elektromechanische Werke (SS-Kommando 48a)

Niedergebra, Fieseler-Werke

Niederorschel, Junkers/Langenwerke AG

Roßla, Mittelwerk GmbH

Die Untertageverlagerung in Kaliwerke und bestehende Untertageanlagen

Abteroda, BMW („Anton-Bär“)

Bischofferode (Eichsfeld), Henschel und Elektromechanische Werke GmbH

Bleicherode, Elektromechanische Werke GmbH

Halberstadt, Junkers/Makrele I und II

Leimbach (Schacht Salzungen/Kaiseroda I), BMW/„Ludwig-Rentier“

Leinefelde (Tunnel der Eisenbahnstrecke Leinefelde-Eschwege), Henschel Kassel

Rehungen (Schacht Neusollstedt), Nachschublager der SS

Rottleberode (Heimkehle), Junkers/Thyra-Werk

Sollstedt, Elektromechanische Werke GmbH

Sondershausen, Junkers pp

Springen (Schacht Heiligenroda III), BMW/„Heinrich-Kalb“

Timmenrode (Teufelsmauer), Polte Magdeburg

Die Unterbringung von Rüstungsbetrieben in neu errichteten Anlagen

Blankenburg (Harz), Kurbelwellen GmbH/Klosterwerke GmbH („Porphyr“)

Blankenburg (Harz), Schäffer & Budenberg/Oda-Werk GmbH („Turmalin“)

Ellrich, Ammoniakwerke Merseburg (Verlagerungsprojekt B 17)

Halberstadt, Junkers/Malachit AG

Halberstadt, Krupp („Maifisch“)

Niedersachswerfen, Ammoniakwerke Merseburg (Verlagerungsprojekt B 11)

Stempeda, Junkers (Verlagerungsprojekt B 4)

Woffleben (Himmelberg)/Appenrode (Mühlberg), Junkers (Verlagerungsprojekt B 3)

Woffleben, Junkers (Verlagerungsprojekt B 12)

Schlussbetrachtung

Hinter dem Rücken von Versailles – die Aufrüstung der Reichswehr

Strukturwandel, Rüstungsprofile und -profite zweier Regionen

Aus der Not des Bombenhagels

Zwangsarbeit und Raketenproduktion im Kohnstein, das KZ Mittelbau-Dora

Ausbeutung und Tod – die Situation auf den Untertagebaustellen

Tabellen zur Entwicklung von Zwangsarbeit in Niedersachsen und Thüringen

Quellen- und Literaturverzeichnis

Ungedruckte Quellen

Unveröffentlichte Quellen

Darstellungen

Abkürzungsverzeichnis

Ortsregister

Firmenregister

Fußnoten

Vorwort

Frank Baranowski legt mit seinem Werk „Rüstungsproduktion in Deutschlands Mitte von 1923 bis 1945“ die Summe seiner jahrzehntelangen Forschungen vor. Angefangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen, hat er Mitte der 1980er Jahre in der Schule. Der Verfasser des Vorworts war sein Lehrer. Die Frage nach französischen Zwangsarbeitern in Südniedersachsen rückte in das Unterrichtsinteresse, lange bevor man sie kannte, anerkannte und für erlittene Unbill „entschädigte“. Wo waren sie geblieben? Was erinnerten die, die noch lebten? Wo haben sie gelebt, wie gelitten inmitten der Schülergroßeltern? Was war aus den Ausbeutern ihrer Arbeitskraft geworden? Vielleicht spielte auch die technische Ausrichtung der gymnasialen Oberstufe, die Baranowskis Forschungsdrang auf den Weg brachte, eine Rolle. Waren es doch vor allem Unternehmen der Kriegsrüstung, die Zwangsarbeiter, ob in Frankreich und Belgien angeworben, eingezogen oder gekidnappt, Kriegsgefangene, Deportierte aus den Weiten des Ostens und zuletzt KZ-Gefangene ausbeuteten, oft jusqu’à ce que mort s’ensuive.1 Die Frage nach der moralischen Verantwortung technischer Bildung war gestellt.

Am Anfang war es eine schulische Rezeption der von Sven Lindqvist initiierten „Grabewo-du-stehst-Bewegung“. Lokalgeschichte, briefliche Befragung von Zeitzeugen, Erforschung von Lebenswelten, Industrie- und Alltagsgeschichte, sie alle wurden zum Bildungserlebnis, waren Teil einer Erlebnisbildung und Weg der Schülersozialisierung. Preisarbeiten für Schülerwettbewerbe der Robert-Bosch-Stiftung, der Bundeszentrale für politische Bildung, der Körber-Stiftung entstanden im Kursverband. War Frank Baranowski dabei noch Vorreiter, so ließ ihn das Thema nicht mehr los – es ihn und er es. Ulrich Herberts Monographie „Fremdarbeiter, Politik und Praxis des Ausländer-Einsatzes in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches“ wurde Frank Baranowski dabei zum Meilenstein. Neben seinem Jura-Studium setzte er die Forschungen fort, erst im heimatlichen Eichsfeld-Städtchen Duderstadt,2 dann immer weiter ausgreifend.

Dann kam die Wende und für Südniedersachsen lag das ehemalige Konzentrationslager Dora-Mittelbau bei Nordhausen vor der Haustür. Für Frank Baranowski wie für mich war die Anschauung Schock und Antrieb, mehr zu erfahren über das Schicksal dorthin Deportierter und die Strukturen ihrer Ausbeutung. Während ich das vierzig Jahre nach der Befreiung verfasste Erinnerungsbuch des ehemaligen Häftlings Yves Béon „Planet Dora“ aus dem Französischen übersetzte, machte Frank Baranowski sich auf den Weg, die Lager- und Ausbeutungsstrukturen in ihrer ganzen Breite zu erforschen. Er bereiste Archive in ganz Deutschland, studierte NS-Prozessakten in Ludwigsburg, befragte Zeitzeugen, beschaffte Dokumente, zum Teil aus den USA, sammelte sie und vieles mehr in einem umfassenden Privatarchiv, richtete eine Homepage ein, ebenso war er maßgeblich an der Konzeption einer Dauerausstellung zum Thema Heeresmunitionsanstalten in Kalibergwerken der Region in 600m Tiefe des Schachtes Glückauf in Sondershausen beteiligt.

Zunehmend entwickelte Frank Baranowski das Gespür einer ‚Trüffelnase‘. Mit gewinnender

Art erschloss er Privatarchive und Sammlungen von Nachfahren der Rüstungsproduzenten. Als die Sammlungen des International Tracing System (ITS) in Arolsen unter Verwaltung des Internationalen Roten Kreuzes noch unzugänglich waren, fand er Kopien und noch darüber hinausgehende Bestände im Archiv „Service des Victimes de la Guerre“ (AVSG) in Brüssel, die wir gemeinsam auswerteten. Darüber hinaus sucht Frank Baranowskis Fotoarchiv inzwischen seinesgleichen; die vorliegende Veröffentlichung zeigt nur einen Bruchteil des vorhandenen Materials. Auch an der Spitze einer mittelständischen Rechtsanwaltskanzlei in Siegen trieb er seine Recherchen voran, wandte seinen juristischen Sachverstand auf, um das Tarngeflecht staatlich bezahlter Rüstungsentwicklung in und durch Privatfirmen schon seit den 1920er Jahren zu entwirren. Mit der ab 1934 einsetzenden Kriegsvorbereitung waren es bald vollfinanzierte Staatsfirmen, die vom NS-Regime an Rüstungskonzerne verpachtet und zu deren Tochterfirmen deklariert, die Fassade von Privatfirmen abgaben. Dieses „Montan-System“ analysiert Baranowski ebenso wie er es vielfältig nachweist. Die Herstellung und Einlagerung massenhafter Munitionsbestände in aufgelassenen Thüringer Kalibergwerken, damit sie bloß den Versailler Kontrollkommissionen entgingen, beschreibt er als Untertageverlagerung früher Kriegstreiberei schon seit 1934. Vom industriellen Massenproduzenten von Rüstungsgütern über die verschwiegenen Entwickler von high-tech-Waffen bis zum handwerklichen Kleinstbetrieb, Baranowski hat die meisten Rüstungsproduzenten – Rädchen im System von Waffenherstellung und Kriegsproduktion – erfasst. So gewann er ein Gesamtbild der späten, aber umso intensiveren Dislozierung der Rüstungsindustrie in Thüringen und im Südharz. Ein Geflecht von in unterirdischen Hohlräumen (Naturhöhlen und bergbaulich hergestellte Objekte) verbunkerten Rüstungsschmieden, Teile- und Zuliefer-Manufakturen in mittelständischen Betrieben, deren ursprüngliche Produktion teils zwangsumgestellt wurde, Explosivem, Hochgiftigem und Todbringendem in Hügelland und Bergtälern. Und überall in der Nähe, was sich nur pauschalierend als „Zwangsarbeiterlager“ zusammenfassen lässt. Ein dichtes Netz von Barackenlagern des Grauens, Zeltunterkünften im strengen Winter, ein bald auf das Kohnsteinlager zentriertes KZ-System, aber auch firmeneigene Zwangsarbeiterunterkünfte in un- und umgenutzten Nebengebäuden von Fabriken, in ‚Behelfsheimen‘ auf dem Fabrikhof, wenn nicht gleich in der Werkhalle oder in einem Nebengemach der Fabrik selbst. Wer in einem beschlagnahmten Gaststättensaal untergekommen war, konnte noch von Glück reden.

Nicht nur KZ-Häftlinge nächtigten auf dem blanken Boden von Naturhöhlen, in Bergwerkschächten oder auf Betonböden der Fabriken. Und über allem die Unterdrückung durch das erbarmungslose KZ-Regime, SS-Personal, das man zum Teil bis in die Vernichtungslager des Ostens zurückverfolgen kann; als Peiniger aber auch zur Bewachung abgestellte Wehrmachtssoldaten. SS, Wehrmachtsangehörige und Fabrikpersonal teilten sich Überwachung und Drangsalierung der Zwangsarbeiter/​innen und KZ-Häftlingen, mit allenfalls graduell unterschiedlicher Härte. Willkürliche Strafen und Quälereien, willentliches Sterbenlassen in den Krankenrevieren und außerhalb, die von Kapos, SS-Leuten oder anderem Personal begangenen Morde, die Denunziation von Arbeitskollegen, die stete Demonstration des Lebensunwertes der Ausgebeuteten waren an der Tagesordnung. Kaum Solidarität oder auch nur Zeichen von Menschlichkeit.

Frank Baranowski hat das in den Dokumenten schon seit langem erfasst, gesammelt, ausgewertet. Nun ist er daran gegangenen, aus der Übersicht und seiner umfassenden Kenntnis eine Systematisierung vorzunehmen, die in einen Regionenvergleich mündet. So fördert Frank Baranowski zutage, wie die Herstellung der Vernichtungsmittel des Krieges untrennbar mit der Ausbeutung der Arbeit moderner ‚Sklavenheere‘ bis hin zu ihrer Vernichtung verbunden ist.

Göttingen im Juni 2013

Karl-Udo Bigott †

Danksagung

Niemand schreibt ein Buch allein. Auf die eine oder andere Weise trugen viele Menschen zu der vorliegenden Arbeit bei. Dafür möchte ich herzlich und ausdrücklich Danke sagen. Ohne Sie und Euch wäre diese Abhandlung nie fertig geworden.

So ist es meiner Frau, Angela Baranowski, zu verdanken, dass das Buch trotz aller Widerstände doch noch erscheinen konnte. Sie war der Motor, der mich immer wieder dazu ermutigt und angehalten hat, das Manuskript zum Abschluss zu bringen und zu veröffentlichen. Sie war es auch, die meine Recherchen über die Jahre hinweg begleitet und unterstützt hat, sei es bei der Auswertung von Archivmaterial vor Ort oder bei der Übernahme von Texten.

Karl-Udo Bigott († 25.09.2014) – mein damaliger Lehrer, Mentor und guter Freund – hat die Arbeit, wie die vorangegangenen, von Beginn an mit persönlichem Engagement begleitet. Seine Tür stand immer offen, wenn ich Nachfragen hatte oder Unterstützung brauchte. Teile der maßgeblichen Unterlagen haben wir gemeinsam aufgespürt, vor Ort eingesehen und ausgewertet. Insbesondere unser mehrtägiger Archivbesuch im „Service des Victimes de la Guerre“ in Brüssel ist dabei in dauerhafter Erinnerung geblieben. Den kontinuierlich gewachsenen Text hat Karl-Udo Bigott aufopferungsvoll redigiert und das ‚Juristendeutsch‘ sprachlich angepasst. Er hat so wesentlich Einfluss auf das Manuskript genommen.

Ohne die aktive Unterstützung von Freuden, Mitstreitern und Gleichgesinnten wäre dieses Buch nicht zustande gekommen. Leider ist es an dieser Stelle nicht möglich, alle Personen namentlich aufzuführen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind u.a. Dr.Jens-Christian Wagner, Dr.Friedhart Knolle, Cordula Tollmien, Dr.Rainer Karlsch, Johannes Köppler, Angelika Frenzel, Frank Jacobs, Dr.Joachim Neander, Marco Klinkerfuss, George Megargee, Günther Siedbürger, Hartmut Ruck, Wolfgang Große, Gunther Hebestreit, Manuela Ernst, Dr.Jürgen Kürschner, Ullrich Mallis und Dr.Manfred Heber zu nennen, die in individueller Weise zum Abschluss der Arbeit beigetragen haben, sei es durch fachliche Diskussionen und persönlichen Austausch, Hinweise auf mögliche Quellen, gemeinsame Recherchen oder die Überlassung von Dokumenten.

Das Manuskript ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Daraus ergab sich die Notwendigkeit der permanenten Korrektur und Anpassung von Textteilen. Dieser Aufgabe haben sich neben Karl-Udo Bigott insbesondere Anton Große, Erhard Hosfeld und Theo Döring gestellt. Sie haben durch ihre Korrekturen und redaktionellen Hinweise wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen.

Für die großzügige Unterstützung meiner Arbeit und die geduldige Bereitstellung von Archivalien danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der KZ-Gedenkstätten Mittelbau-Dora, Buchenwald und Wernigerode, des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar, des Niedersächsischen Hauptstaatsarchivs Hannover, der Landeshauptarchive Dessau und Magdeburg, des Bundesarchivs Berlin, des Militärarchivs in Freiburg, des Bundesarchivs in Ludwigsburg (ehemals Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen), der Staatsarchive Meinigen und Gotha, der Stadtarchive Bad Gandersheim, Göttingen, Bad Langensalza, Blankenburg/​Harz, Erfurt, Eisenach, Hannover, Herzberg, Hildesheim, Kassel, Magdeburg, Mühlhausen, Nordhausen, Northeim, Osterode, Sömmerda und Sondershausen, des Internationalen Suchdienstes Arolsen, des „Service des Victimes de la Guerre“ in Brüssel, der Staatsarchive Freiburg, Münster und Wolfenbüttel, der Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ in Warschau, der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung (Zentralnachweis zur Geschichte von Widerstand und Verfolgung 1933–1945 auf dem Gebiet des Landes Niedersachsen) sowie der Thüringer Landesanstalt für Umwelt. Für ihr überragendes persönliches Engagement und den unermüdlichen Einsatz gebührt besonderer Dank Frau Karola Wagner (Leiterin des Referats R 4 des Bundesarchivs), Frau Ingrid Glogowski (Stadtarchiv Blankenburg), Frau Anke Boeck (Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Dessau) und Frau Katrin Weiss (Thüringisches Hauptstaatsarchiv), Frau Roswitha Henning (Stadtarchiv Mühlhausen) und Frau Barbara Speiser (Museum der Stadt Sömmerda).

Herr Heinz W. Pahlke hat sich in ambitionierter Weise um die Gestaltung und die Satzlegung des Buches gekümmert. Dafür sei ihm an dieser Stelle ebenfalls gedankt.

Einführung

Zu einem Zeitpunkt, als im gesamten Deutschen Reich Kriegsführung und -rüstung erste Zerfallserscheinungen zeigten, der bevorstehende Zusammenbruch der Fronten sich abzeichnete und gezielte Luftangriffe der Alliierten die Schaltstellen der Rüstungsindustrie massiv lähmten, gab es in quasi letzter Minute Bestrebungen, wichtige Rüstungsbetriebe namentlich der Flugzeugindustrie in den Südharz zu verlegen. Dies, obwohl die Region um Nordhausen bis dahin in der Rüstungspolitik keine wesentliche Rolle gespielt hatte. Mit Ausnahme der unterirdischen Munitionsanstalten, die das Heer ab 1934 in stillgelegten Kaliwerken von Bernterode bis Sondershausen eingerichtet hatte, war im Gegensatz zum angrenzenden Gau Südhannover-Braunschweig ein nennenswerter rüstungskonjunktureller Aufschwung bis Mitte 1943 ausgeblieben; allenfalls Zulieferaufträge gingen in geringem Umfang an Betriebe südöstlich des Harzes. Auch hatten sich bis zu dem Zeitpunkt nur wenige Firmen zum Zwecke der Kriegsproduktion in Nordthüringen neu angesiedelt, so etwa die Gerätebau GmbH oder der Röhrenhersteller Lorenz in Mühlhausen. In den westlichen Harzkreisen Goslar und Osterode bot sich hingegen ein anderes Bild. Dort ließ sich in den Jahren 1934 bis 1938 eine Vielzahl neu gegründeter Betriebe nieder; eine Vorrangstellung nahmen dabei die chemische und die metallverarbeitende Industrie ein. In Göttingen verzeichneten Unternehmen der Feinoptik starke Zuwächse, ein weiteres wichtiges Standbein stellten Luftwaffenaufträge dar.1 Noch weitaus prononcierter war die Entwicklung in und um Braunschweig. Die Grundlagen dafür hatte die Reichswehr bereits Anfang der 1930er Jahre mit ihrem Bestreben gelegt, sich trotz der auferlegten Beschränkungen des Versailler Vertrages ein engmaschiges Netz an Zulieferern für den „Bedarfsfall“ zu schaffen. Eine Vielzahl gerade alteingesessener Unternehmen profitierte davon. Bereits frühzeitig warben sie Rüstungsaufträge ein, die ihnen das Überleben in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sicherten, bevor sie später ganz von Rüstungsaufträgen abhängig wurden. So entstand – zudem durch die Ansiedlung der Reichswerke Hermann Göring und einiger anderer mit Staatsmitteln alimentierter Firmen – eine Industriedichte, die im Reichsgebiet beispiellos blieb und zur Gründung ganzer Städte (Salzgitter, Wolfsburg) führte.2

Diese Ausweitung der Kriegsproduktion im Gau Südhannover-Braunschweig hatte zur Folge, dass in zunehmendem Maße Fremd- und Zwangsarbeiter herangezogen, später auch mehr und mehr KZ-Sklaven eingesetzt wurden. Da in der nordthüringischen Industrie ein solcher rüstungskonjunktureller Aufschwung nicht stattfand, blieb die Nachfrage nach ausländischem Personal zunächst gering. Erst mit der verstärkten Einberufung zur Wehrmacht im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Sowjetunion begann ein stetiger Anstieg der Zahl der Fremd- und Zwangsarbeiter; bis Ende 1943 war das allerdings nur in den wenigsten Fällen auf eine wesentliche Aufstockung der Rüstungskapazitäten zurückzuführen. Allein Rheinmetall-Borsig behauptete mit seinem Betrieb in Sömmerda eine Sonderstellung. Der Konzern hatte in Thüringen unter Missachtung der Bestimmungen des Versailler Vertrages bereits im April 1921 die Zünderfertigung wieder aufgenommen und im Folgejahr die Entwicklung einer neuen Maschinenpistole vorangetrieben. Im Oktober 1922 beauftragte die Reichswehr das Unternehmen, die gesamte von den Alliierten für Deutschland zugelassene Menge an Zündern herzustellen.3

Unmittelbar nach der Machtübernahme begann Rheinmetall-Borsig mit einer stetigen Ausweitung seiner Kriegsproduktion in Sömmerda, die von nun an nicht mehr verdeckt betrieben werden musste. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich das Werk zum bedeutendsten Rüstungsunternehmen Nordthüringens, stand damit jedoch allein und völlig losgelöst von der sonstigen Entwicklung in der Region. 1944 beschäftigte Rheinmetall Sömmerda zeitweise 13.000 Arbeitskräfte; damit mehr als die im Juni 1944 jeweils 12.000 Beschäftigten bei Hanomag oder Conti, den beiden größten Unternehmen des Rüstungskommandos Hannover.4 Die wirtschaftliche Situation in Nordthüringen änderte sich in dem Moment, als die Raketenmontage in die von der Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft (Wifo) geschaffene und von Häftlingen des eigens gegründeten Buchenwalder Außenkommandos Dora unter unmenschlichen Bedingungen ausgebaute Stollenanlage bei Niedersachswerfen verlagert wurde. In ihrer Verblendung plante die NS-Führungselite seit dem Frühjahr 1944, nach dem Beispiel „Dora“ weitere Produktionsstätten in Nordthüringen unter Tage zu dislozieren, vorrangig solche der Flugzeugindustrie, wie es das Heer seit 1934 vorexerziert hatte. Dadurch bedingt wurden fast explosionsartig weitere KZ-Außenlager gegründet, um deren Insassen als Arbeitssklaven auf den zahlreichen Baustellen der Sonderstäbe auszubeuten, bis ihre Lebenskräfte sie verließen. Keine dieser projektierten und unter hohen Menschenopfern in Angriff genommenen „Großanlagen“ ging in Betrieb.

Gleichzeitig fand ab Mitte 1943 in immer stärkerem Umfang eine oberirdische Verlagerung von wichtigen Rüstungsbetrieben in diesen „Mittelraum“ statt. Die Betriebsverlegungen nahmen derartige Ausmaße an, dass spätestens im zweiten Quartal 1944 kaum mehr freier Produktionsraum zur Verfügung stand und das Rüstungskommando dazu überging, im ganzen Gebiet Wirtschaftszweige insbesondere der Textilindustrie, zugunsten rüstungsindustrieller Verlagerungsbetriebe stillzulegen. Deren Nutznießer war erneut vor allem die Flugzeugindustrie, die damit zu einer führenden Stellung in Nordthüringen gelangte. Federführend war dabei der Junkers-Konzern, der zahlreiche seiner dezentralisierten Betriebe im Harz und Harzvorland unterbrachte. Mit dieser Verlagerungsbewegung erhöhte sich allein die Zahl der in Nordhausen tätigen Ausländer, bezieht man die in der Boelcke-Kaserne untergebrachten Zivilarbeiter der „Nordwerke“ ein, auf über 10.000.5 Auf diese Weise kam es im Stadtgebiet zu einem Ausländeranteil von fast 25%, weit mehr als z.B. in der Industriestadt Essen, die die meisten ausländischen Arbeitskräfte im Arbeitsamtsbezirk Rheinland zählte.6

Im Rohbau erstellte Werksanlage der Firma Bruns Apparatebau, ab Oktober 1944 von den Heinkel-Werken genutzt (Sammlung Baranowski)

Intention der vorliegenden Arbeit ist es, diese Strukturveränderungen und ihre Gründe zu analysieren. Es soll der Weg vom „Notstandsgebiet“ Nordthüringen zu einem wenn auch unvollendet gebliebenen Rüstungszentrum dokumentiert und nachgezeichnet werden; eine Zusammenballung von Waffenschmieden, die als Torso nur durch Ausbeutung von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen entstand und Zahllosen das Leben kostete. Als Kontrast wird im ersten Kapitel ein Blick auf den schon ab 1933 zur Blüte gelangten industriellen Ballungsraum Salzgitter-Braunschweig-Hildesheim – eines der Rüstungszentren des Reiches von Anfang an – und die weitaus geringer, aber dennoch intensiv vom Rüstungsaufschwung betroffenen südniedersächsischen Landkreise Göttingen, Goslar, Osterode und Northeim geworfen. Bei nahezu gleichen Ausgangsbedingungen nahm die Entwicklung dort einen ganz anderen Verlauf. Der rüstungsbedingte Aufschwung hielt in diesen Kreisen bis Kriegsbeginn an, erhielt nach 1939 durch den Krieg aber keine neuen Impulse. In der Endphase des NS-Regimes blieben hier nennenswerte Verlagerungstendenzen aus, wie sie in Nordthüringen zu umwälzenden Veränderungen führten. Von gewisser Relevanz waren lediglich die Untertage-Bauvorhaben im Hils bei Holzen (Projekt „Hecht“), in denen Zwangsarbeiter in großer Zahl zum Einsatz kamen; eine rüstungswirtschaftliche Nutzung der Untertagebauten war dennoch nicht erkennbar.7 Nennenswert ist noch der Flugzeugbauer Heinkel, der im Herbst 1944 eine seiner Fabriken aus dem polnischen Mielec nach Bad Gandersheim in Gebäude der Firma Bruns Apparatebau, die gerade bezugsfertig geworden waren, auslagerte. Er ließ dort von mehr als 500 Häftlingen des werkseigenen KZs Flugzeugrümpfe montieren.8

Es lässt sich nachweisen, dass der zeitversetzte Rüstungsaufschwung nicht nur infrastrukturelle Gründe hatte. Vielmehr war er im heutigen Niedersachsen bereits in der Weimarer Republik angelegt und hatte seine Grundlagen in den frühen, unter Verletzung der Abrüstungsbestimmungen des Versailler Vertrages betriebenen Aufrüstungsbestrebungen der Militärs. Die ‚Flucht aufs Land und in die Provinz‘, insbesondere in das bis 1943 nur untergeordnet mit Rüstungsaufträgen bedachte Nordthüringen, war hingegen einzig aus der Not des alliierten Bombenkriegs und dem Streben nach Dezentralisierung der Kriegsmaschinerie erwachsen, ohne nachhaltige Auswirkungen auf die Zeit nach dem Krieg. Zur Verdeutlichung dieser in Schüben vollzogenen Entwicklung sind die Steuerungsmechanismen aufzudecken und die an dem Prozess beteiligten administrativen Entscheidungsinstanzen auf politischer und militärischer Ebene zu benennen. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach Verantwortung, Schuld und ‚Täterschaft‘, insbesondere von Industrie und Wirtschaft.

Nachdem die ‚Quelle‘ ausländischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener nahezu versiegt war, griffen die Unternehmen verstärkt auf das letzte noch verbliebene Arbeitskräftereservoir zurück und integrierten in zunehmendem Maße KZ-Häftlinge, zum Teil in Baracken unmittelbar neben der Fabrik untergebracht, in ihren Produktionsablauf. In diesem Zusammenhang sind die unterschiedlichen Lebens- und Existenzbedingungen in der Fabrik und in der Vielzahl an Untertagebaustellen der SS zu untersuchen und bestehende Unterschiede aufzuzeigen. Abschließend ist zu erörtern, ob es ein gezieltes Programm der „Vernichtung durch Arbeit“ gab, also der Einsatz von Häftlingen Mittel zum Zweck ihrer Vernichtung war, oder ob die Vernichtung eine einkalkulierte, nicht aber vorsätzlich und willentlich herbeigeführte Folge des Zwangsarbeitereinsatzes war.

Forschungsstand

Nach der Kapitulation Deutschlands Ende des Ersten Weltkriegs hatte das Offizierkorps erleben müssen, wie Heer und Marine auf einen Bruchteil ihrer Vorkriegsstärke reduziert wurden und wie die ehemals privilegierte Stellung des Standes in Staat und Gesellschaft ins Wanken geriet. Gleichermaßen betroffen waren die großen deutschen Rüstungsunternehmen, die nicht nur ihre lukrativen und gewinnträchtigen Aufträge verloren hatten, sondern darüber hinaus unter Kontrolle der Alliierten entmilitarisiert wurden und einen Großteil ihres Maschinenbestandes abzugeben hatten. Der Versailler Vertrag legte der Industrie enge Beschränkungen auf und reglementierte die Herstellung von Rüstungsgütern, die bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr zugelassen waren, auch nicht für den ausländischen Markt. Wirtschaftsunternehmen und Militär standen dem neuen Staat daher gleichermaßen ablehnend gegenüber. Die Reichswehr war nicht gewillt, den eingetretenen Zustand auf Dauer hinzunehmen und strebte schon zu Beginn der 1920er Jahre die Restauration ihrer bisherigen Macht an, nötigenfalls durch einen Angriffskrieg. Im Rahmen ihrer „wirtschaftlichen Mobilmachungsvorarbeiten“ unterhielt die Reichswehr ab 1923 hinter dem Rücken und ohne Kenntnis der Reichsregierung Beziehungen zur Industrie, die der umfassenden Vorbereitung der gesamten Wirtschaft auf ihren Einsatz im Kriegsfalle dienten.1 Spätestens ab 1926 lagen in den Schubladen der verantwortlichen Reichswehroffiziere konkrete Pläne für die Aufstellung eines 21-Divisionen-Heeres.2 Um den daraus resultierenden Bedarf zu decken, ging der Nachschubstab des Heereswaffenamtes frühzeitig daran, in Frage kommende Rüstungsfirmen systematisch zu erfassen und ihnen bedingt mit finanziellen Mitteln, teils aus „schwarzen Kassen“, unter die Arme zu greifen.3 Diese vorbereitenden Handlungen der Reichswehr bildeten die Grundlage der NS-Aufrüstungspolitik, und ohne sie wäre eine rasche ‚Mobilmachung‘ nach 1933 undenkbar gewesen. Die bisherige Literatur hat ihren Fokus auf die Aufrüstungsbestrebungen des neuen Regimes ab 1933 gerichtet und ist zumeist nur am Rande auf die Vorarbeiten der Reichswehr eingegangen.4 Bis heute gibt es nur eine sehr überschaubare Zahl an Studien, die das Thema der frühen Aufrüstungsbestrebungen der Reichswehr aufgegriffen oder gar zum Kernthema gemacht haben.

Schon in den 1950er Jahren hatte sich Hallgarten der Thematik angenommen und die Zusammenarbeit zwischen Reichswehr und Roter Armee aufgezeigt.5 Außerdem ist die von General Georg Thomas im Oktober 1944 zum Abschluss gebrachte Arbeit über die „Geschichte der deutschen Wehr- und Rüstungswirtschaft“ zu nennen, die 1966 von Wolfgang Birkenfeld neu herausgegeben wurde.6 Von November 1928 an war Thomas nach seiner Ernennung zum Major im Heereswaffenamt des Reichswehrministeriums führender Kopf in Fragen der Bedarfsplanung für den Kriegsfall. Aus seiner Feder stammt die am 22.November 1928Reichminister Groener vorgelegte Denkschrift über „Zweck, Notwendigkeit und Umfang der wirtschaftlichen Aufstellungsarbeiten“.7 Als Chef des Stabes des Heereswaffenamtes erlebte der zwischenzeitlich zum Oberstleutnant aufgestiegene Thomas die ‚Machtübernahme‘ Hitlers. Am 1.September 1934 wurde er zum Leiter der neu errichteten Dienststelle „Wehrwirtschafts- und Waffenwesen“ im Wehrmachtsamt des Reichswehrministeriums ernannt. In den ersten Jahren der Naziherrschaft war Thomas der Vertreter der Wehrmacht in allen Fragen der Wirtschaft und Rüstung. Sein Einfluss und seine Macht schwanden allerdings in dem Maße, wie die Verantwortung für die Rüstung auf das neu geschaffene Reichsministerium für Bewaffnung und Munition unter Fritz Todt überging. Nach dessen Tod bei einem Flugzeugabsturz am 8.Februar 1942 war unter dem Amtsnachfolger Albert Speer schon bald klar, dass Thomas den Kampf um die Steuerung der Kriegswirtschaft verloren hatte. Mitte November 1942 trat er als Chef des Rüstungsamtes zurück.

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