Sagen und Legenden aus Steyr und Umgebung - Franz Harrer - E-Book

Sagen und Legenden aus Steyr und Umgebung E-Book

Franz Harrer

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Beschreibung

Wer die Heimat kennenlernen will, muss auch ihre Sagen kennen: In vier Jahrzehnten hat der gebürtige Ennser Franz Harrer (1880 - 1975) mehr als 130 Sagen und Legenden aus der Region Traunviertel zusammengetragen und aufgeschrieben. Viele davon gehen auf mündliche Überlieferung aus dem Volk zurück. Von Goldschätzen, Bergmännlein, Wildschützen, schaurigen Pest-Zeiten und Begegnungen mit dem Teufel ist die Rede.An die siebzig Gemeinden und Ortschaften durchwandert der Leser auf Harrers spannender Sagenreise. Der Autor gewährt einen Einblick in längst vergangene Zeiten, wenn er von der Gründung der Burg Steyr, vom Windloch auf dem Damberg oder dem Waldweiblein am Schoberstein erzählt. Auch um den Heiligen Brunnen in Adlwang und Feldherren Graf Tilly, den Erbauer der Tillysburg bei St. Florian, ranken sich die kurzweiligen Geschichten.Mit der Gründungssage von Christkindl!

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Seitenzahl: 304

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Dem Gedenken meiner lieben Mutter

Maria Harrer, geborene Reisinger

Franz Harrer

Sagen und Legenden aus Steyr und Umgebung

ENNSTHALER VERLAG STEYR

www.ennsthaler.at

ISBN 978-3-7095-0139-9

Franz Harrer · Sagen und Legenden aus Steyr und Umgebung

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 1965 by Ennsthaler Verlag, Steyr

Ennsthaler Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 4400 Steyr, Österreich

Umschlaggestaltung: Thomas Traxl

Umschlagbilder: Kupferstich von Steyr, Wolfgang Hauser 1584,

fotolia.de / Olga Rutko, fotolia.de / Ig0rZh

E-Book Herstellung: Zeilenwert GmbH

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Sagen aus der Stadt Steyr

Der Ursprung der Burg Steyr

Der Raub der schönen Künhilde

Die Gründungssage der Burg Steyr

Der Ritter Heinz Scheck von Steyr

Die Michaelerkirche in Steyr

Die Ägidius-Glocke

Ein Wettlauf mit dem Tod

Der seltsame steinerne Kopf

Die Kapuzinerkirche in Steyr

Der abergläubische Müller

Das »Blut-Gassl«

Das Pestkreuz aus dem Jahre 1786

Der Goldschatz im Teufelsbach

Der Schmied beim Föhrenschacherl

Der rotbartete Wildschütz

Sagen aus dem Ramingtal

Damberg

Die zerstörte Burg

Die Laurenzi-Kapelle

Das »Windloch«

Der Hörndlrichter-Jogi

Unterwald

Die Heiligdreikönig-Sänger und der Teufel

Seebauer, der Klingenschmied

Der Goldschatz im Kesslboden

Der Teufelsspuk im Reitnergraben

Die Pest in Unterwald

Der »Sauhammer«

Die Räuber im »Moos«

Kleinraming

Der Lindenwirt in der Steinwänd

Der eingemauerte Silberschatz

Des Teufels Mühlsteine

Die lustige Dirn und der Teufel

Das »Mühlberger Geldloch«

Die Burg des »Grün-Königs«

Der »Höllstein«

Der unsichtbare Holzspalter

Kollergraben

Das angebannte Fuhrwerk

Ebersegg

Der Wildschütz

Spadenberg

Die Spadenberg-Kapelle

Maria Neustift

Die Kirche in Maria Neustift

Arthofberg

Die drei heiligen Jungfrauen

Konradsheim

Die feindlichen Brüder

Die Donatus-Kapelle

Lindauberg

Das Kind in der Schatzhöhle

Die feurigen Hunde im Lindauberg

Sagen aus dem Ennstal

St. Ulrich

Die Kirche von St. Ulrich

Der Fluch des Verurteilten

Der Ring des Schlossherrn

Die Schnecken-Kapelle

Die Krähen als Vorspann

Das unheimliche Fuhrwerk

Der Teufel als Fuhrmann

Dambach

Der scheltend’ Fleischhacker

Die Auerkapelle

Die Wildalm-Kapelle

Das feurige Manderl

Das Kreuz auf dem »Zwecker-Böndl«

Garsten

Abt Berthold von Garsten

Die Ketzer-Muttergottes

Der Mann mit dem schwarzen Mantel

Die Bertholdi-Glocke in Garsten

Lahrndorf

Der Tod als Fahrgast

Der Spuk im Wächterhaus

Der Hexenbeschwörer

Die zwei Liachtln

Dürnbach

Der Mann mit dem Sack

Wendbach

Die wilde Jagd im Waldgraben

Schoberstein

Das Geldloch im Schoberstein

Das Waldweiblein vom Schoberstein

Trattenbach

Die Pest im Trattenbachtal

Ternberg

Der reiche Bauer

Losenstein

Die Entstehung der Burg Losenstein

Der Blasibrunn am Scherrerbichl

Die drei lustigen Wanderburschen

Die Volkssage vom Ofen

Pfennigstein

Der Pfennigstein bei Losenstein

Die Eva-Kuchl

Schieferstein

Der steinerne Jäger

Der Jägersprung

Laussa

Der Spuk im »Geißberger-Moos«

Wie der Teufel den Stodermüller austränken wollte

Die versunkene Sichelschmiede

Das Blendwerk des Teufels

Die Pest im Geißbergerhaus

Der »goldene Hansenstein«

Die Hexe in der Loahmbichler-Woad

Der »Manderlmaler-Maurer«

Das nackte Weib unter dem Vieh

Höllleiten-Nöstltal

Die Kapelle in Höllleiten-Nöstltal

Reichraming

Die Begegnung mit dem Tod

Der Räuberhauptmann Stern

Die Goldluke

Großraming

Das »Kogler-Kreuz« in Großraming

Der Teufel jagt einen Fensterlbuben

Die Geisterschlucht

Die teuflischen Schmiedgesellen

Die Hüttal-Hexn

Sagen aus dem Steyrtal

Christkindl

Die Gründung von Christkindl

Der Goldschatz des Bergmännleins

Aschach

Die Kirche von Aschach

Waldneukirchen

Der »Teufelsturm« bei Waldneukirchen

Adlwang

Der heilige Brunnen in Adlwang

Maria im Ameisenhaufen

Das Geschenk der hl. Maria

Die heilige Maria im Bade

St. Blasien

Die Kirche in St. Blasien

Leonstein

Das gefangene Bergmandl

Pernzell

Die »Zwergen-Höhle« in Pernzell

Die Laußberg-Höhle

Molln

Der Schatz im Berge

Die unheimliche Begegnung

Klaus

Der Teufel baut eine Brücke

Windischgarsten

Das Marktwappen von Windischgarsten

Der Totenwagen

Sagen aus dem Alm- und Kremstal

Grünau

Die Bergmännlein und Bergfräulein von Grünau

Schlierbach

Der unauffindbare Schatz

Schellenstein

Die Rose von Schellenstein

Alt-Pernstein

Der Fenstersturz

Kremsmünster

Die Gründung des Klosters Kremsmünster

Die verwunschene Schlossfrau

Der Feuerbaum

Eberstallzell

Ein Weib überlistet den Teufel

Der Wagen des Teufels

Heiligenkreuz

Die Kirche Heiligenkreuz

Pfarrkirchen

Die Glocke von Pfarrkirchen

Feyregg

Das Schloss Feyregg

Achleiten

Der Teufel von Achleiten

Kematen

Der fremde Spieler

Neuhofen

Die Pest in Neuhofen

Julianaberg

Der Heilbrunnen auf dem Julianaberg

Rechberg

Die feindlichen Brüder von Rechberg

Sagen aus der Umgebung der zwei Ipfbäche und der Enns

Thanstetten

Der Schmied von Thanstetten

Weichstetten

Die Pest in Weichstetten

St. Marien

Das Totenkreuz

Losensteinleiten

Der Meisterschütze von Losensteinleiten

Wolfern

Die Kirche von Wolfern

Das »Weiße Kreuz« bei Wolfern

Gleink

Das Wappen des Klosters Gleink

Spitzenburg

Der »heilige Brunnen« in Spitzenburg

Thann

Der Schmied zu Thann rauft mit dem Teufel

Dietach

Die Kirche in Dietach

Stadelkirchen

Das Fluchtkreuz am Fluchtberg

Die Satanstanzstatt

Hargelsberg

Pudel, scher’ dich!

Steinerkirchen

Der geprellte Teufel

St. Florian

Das »Weiße Kreuz« bei St. Florian

Tillysburg

Die Tillysburg

Kronstorf

Das Siebenrasten-Kreuz

Pühring

Die »Ketzergruabn«

Maria Winkling

Die Kapelle Maria Winkling

Am Fletzerweg

Die Kapelle des hl. Nikolaus

Unterburg

Der Ritt durch die Enns

Vorwort

Es war schon lange mein Wunsch, dass die von mir seit vielen Jahren erforschten und in verschiedenen Zeitungen und Kalendern veröffentlichten sowie noch nicht veröffentlichten Sagen und Legenden gesammelt in Buchform erscheinen, damit sie auf diese Weise ins Volk zurückkehren, von dem sie gekommen sind. Die hier gesammelten Sagen stammen aus Steyr, der schönen, alten, wasserumrauschten Stadt im Tale, aus den Bergen und Tälern der Voralpen und aus dem schönen, malerischen, von klaren Bächen und Bächlein durchflossenen, fruchtbaren Hügellande, so weit die ausgedehnte, schöne Umgebung reicht. Im Laufe vieler Jahrzehnte habe ich mich bemüht, aus dem lebensfrohen, arbeitsamen, gastfreundlichen und sagenfreudigen Volke, das diesen herrlichen und entzückend schönen Landstrich bewohnt, Volkssagen und Legenden herauszuhorchen. Das Forschen nach Sagen, den einfachen Naturpoesien des Volkes, ist mir zur Lieblingsbeschäftigung in meiner freien Zeit geworden. Das Gemüt des friedvollen Volkes ist noch empfänglich für Sagen, die in geruhsamen Feierstunden daheim erzählt werden. Wie oft bin ich im Kreise von lieben Menschen in der traulichen Stube eines Voralpenbauers gesessen und habe ihren seltsamen Sagen, die sie »Geschichten« nennen, gelauscht.

Sowohl die Stadt Steyr als auch die Umgebung sind reich an köstlichen Sagen, die uns viel aus längst verklungenen Tagen erzählen.

Auffallend sind die vielen uralten Sagen und Legenden, die die Stadt Steyr besitzt, deren Begebenheiten durch den Nebelschleier der Vorzeit schimmern. Wie weit die Menschensiedlung Steyr in die Vorzeit zurückreicht, ist nicht genau bekannt, aber wo die Historie schweigt, redet die Sage. Hier gilt, was Peter Rosegger in einer seiner Schriften sagt: »Die Historie schläft – und ihr Traum ist die Sage.« Bis heute hat es noch keine umfassende Darstellung von Sagen und Legenden aus der Stadt Steyr und ihrer Umgebung gegeben. Dieses Buch schließt daher eine Lücke der heimatlichen Sagenforschung. Wer die Heimat kennenlernen will, muss auch ihre Sagen kennen und darf an ihnen nicht achtlos vorübergehen.

Franz Harrer

Sagen aus der Stadt Steyr

Der Ursprung der Burg Steyr

In der mittelalterlichen Heldensage von Biterolf und Dietleib wird die Erbauung der Burg Steyr mit Etzel, genannt Attila, dem Hunnenkönig, in Verbindung gebracht.

Historisch betrachtet war Attila ein Schrecken der Völker, ein Verächter von Gesetz und Recht. Er hat seinen Bruder Bledel ermordet, um Alleinherrscher der Hunnen sein zu können. Jordanes, der Geschichtsschreiber der Goten, schildert ihn als klein von Gestalt, breitschultrig, dickköpfig mit kleinen Augen, mit spärlichem, grau untermischtem Barthaar, mit platter Nase und dunkler Hautfarbe.

Er hatte, wie es bei diesem Volke Sitte war, viele Weiber, daher auch viele Söhne und Töchter; die Töchter zählten nicht, denn sie waren keine Krieger. Er hatte ein Heer von 500.000 Kriegern, die aber nach dem Bericht des Jordanes schier mehr Tiere als Menschen waren. Seine Hauptfrau war Helche, die Königin der Hunnen. In den Niederungen zwischen Donau und Theiß war, wie der oströmische Geschichtsschreiber Priskus berichtet, die große, volkreiche, aus Holz gebaute Hunnenstadt, wo Attila in einem großen Palast mit Säulenhallen sein Hoflager hielt und eine Pracht entfaltete, die selbst Römer und Griechen in Erstaunen setzte. Hier lagerten unermessliche Schätze, die Beute der eroberten Länder. Gesandtschaften aus allen damals bekannten Teilen der Erde trafen sich hier, wie auch Attila Gesandte in allen Ländern hatte. Viele germanische Fürsten weilten an seinem Hofe und leisteten Attila auf seinen Kriegszügen Heerfolge. Ein Mann mit mächtiger Kraft und unerschütterlichem Willen stand Attila, ein Völkerkönig, da. Er nannte sich selbst die »Gottesgeißel« und meinte, er sei zum Herrn der Welt bestimmt.

Erscheint Attila geschichtlich als unersättlicher Land- und Sachräuber, so tritt er in den alten Heldensagen als idealer König, freundlicher und leutseliger Herr in Erscheinung. So in der alten Heldensage von Biterolf und Dietleib.

Der Westgote Biterolf, Fürst von Toledo in Spanien, verließ eines Tages seine Frau Dietlinde, seine beiden Kinder Dietleib und Künhilde und zog an den Hof Attilas, der in Heldensagen Etzel genannt wird, um ihn, von dem er schon so viel Merkwürdiges gehört hatte, kennenzulernen. Er blieb dort viele Jahre unerkannt, machte Attilas Kriegszüge mit, zeichnete sich durch Tapferkeit aus und stand hoch in der Gunst des Königs Etzel. Inzwischen waren Dietleib und Künhilde herangewachsen. Dietleib, ein schöner und kräftiger Jüngling geworden, wollte durch die Lande ziehen und seinen Vater suchen, was ihm aber seine Mutter verwehrte. Doch er täuschte seine Mutter, indem er sagte, er gehe auf die Jagd, welches Vergnügen sie ihm gönnte. Auf diese Art entfloh er seiner Mutter.

Mit dreien gleich ihm tatenlustigen Jünglingen ritt er nach Norden an den Hof des Königs Günther zu Worms am Rhein, weil er glaubte, dort seinen Vater zu finden. Doch dort war er nicht. Nun ritten die viere nach Osten zu König Attilas Hof, wo sie gut aufgenommen wurden. Markgraf Rüdiger von Pechlarn begrüßte sie herzlich. Biterolf, der am Hofe Attilas war, kannte seinen Sohn Dietleib nicht und der Sohn den Vater nicht. Auf einer Heerfahrt gegen den Polenkönig, der Attila den Krieg angesagt hatte, zogen auch die beiden mit Dietrich von Bern, Wolfhart, Wittich und anderen Helden und kämpften als die Tapfersten. Nach dem Ende des Kampfes vermittelte Rüdiger von Pechlarn das Erkennen zwischen Vater und Sohn; denn er hatte in ihnen den Fürsten Biterolf von Toledo und seinen Sohn Dietleib erkannt.

Als der Krieg einen für Etzel (Attila) günstigen Verlauf genommen hatte, zog das Heer zurück zur Stadt der Hunnen. Alle Helden im Hunnenpalast wurden freundlich empfangen und belohnt. Dem Fürsten Biterolf schenkte Attila das Steyerland, das vorher Nurdung, Attilas Sohn, besessen hatte. Es war eines der schönsten Länder, das unter der Herrschaft Attilas war, reich an Getreide, Weiden und Wald, mit vielen jagdbaren Tieren, Salz und Wein, selbst Gold und Silber in seinem Inneren bergend. Biterolf und Dietleib bauten sich auf der Felsenhöhe am Zusammenfluss der Enns und Steyr die prächtige Steyrburg und nannten das Land Steiermark. Nach Vollendung der Burg ritten Biterolf und Dietleib nach Spanien und holten die Fürstin Dietlinde und die junge Künhilde ab und kehrten mit vielen Rittern zur Steyrburg zurück, in der nun Fürst Biterolf regierte.

Der Raub der schönen Künhilde

Fürst Biterolf, seine Frau, die Fürstin Dietlinde, Dietleib und seine junge Schwester Künhilde lebten und wirkten mit ihrem Ingesinde auf der schönen Burg zu Steyr, die Biterolf und sein Sohn Dietleib nach der Heimkehr aus der Residenzstadt des Königs Etzel auf der hohen Felsterrasse am Zusammenfluss der Steyr und der Enns haben erbauen lassen, wie eine uralte Sage uns erzählt. Am Morgen eines schönen Frühlingstages ging Künhilde, die schöne Tochter Biterolfs, mit ihren Gespielinnen aus der Burg zu Spiel und Tanz unter die grünen und blühenden Linden. Es fehlten auch die jungen Ritter nicht. Spielleute waren auf dem grünen Plan und spielten schöne Tanzweisen, nach denen sich das junge Volk drehte. Unter den Fröhlichen waren auch Fürst Biterolf, etliche Grafen mit ihren Frauen, die den heiteren Spielen mit Wohlgefallen zusahen.

Da kam auf seinem Pferde Laurin, der König der Zwerge, zur Burg Steyr geritten. Auch er sah dem fröhlichen Treiben der Mädchen interessiert zu. Unter den schönen Mädchen sah er Künhilde, welche die Schönste und Lieblichste von allen war. Sogleich entbrannte er in Liebe zu der schönen Maid. Vermöge seiner Zauberkraft und seiner Nebelkappe, die ihn unsichtbar machte, holte er Künhilde, indem er eine Tarnkappe über sie stülpte, aus der Hut ihres Bruders und einiger Grafen heraus, setzte sie auf sein Pferd und ritt mit ihr nach Tirol; er brachte sie in den fürstlich eingerichteten hohlen Berg, wo König Laurin sie als Königin über sein Zwergenvolk setzte. Niemand hatte den Raub der Fürstentochter bemerkt.

Auf der Suche nach seiner Schwester Künhilde, die auf so geheimnisvolle Art verschwunden war, kam ihr Bruder Dietleib auch zum Rosengarten des Zwergenkönigs Laurin in Tirol. Dort traf er mit den vier Fürsten Dietrich von Bern, Hildebrand, Wittich und Wolfhart zusammen, die er kannte und die seine Freunde waren. Dietrich stand zur selben Stund im ungleichen Zweikampf mit dem Zwergenkönig Laurin, der durch seinen Zaubergürtel Zwölfmännerstärke besaß und sich außerdem mit seiner Tarnkappe unsichtbar machen konnte. Erst als ihm Dietrich von Bern den roten Zaubergürtel zerbrach, war der Zwerg machtlos, gab sich besiegt und bat um sein Leben.

Laurin versprach den vier Fürsten Freundschaft und Treue, lud sie ein, mit ihm in den hohlen Berg zu gehen. Wohl warnten Wittich und Wolfhart vor der Tücke und der Hinterlist König Laurins, des Zwerges; um nicht feige zu erscheinen, gingen sie alle hinein in den Berg. Darinnen war einzigartige Pracht und Herrlichkeit; überall funkelte es von Gold und Edelsteinen. Laurin, der Zwerg, ließ den Fürsten ein Mahl bereiten. Bei Wein und Met, bei Harfenklang und Geigenspiel, Gesang und mancherlei Spielen, vom Volk der Zwerge dargebracht, war große Lust und Fröhlichkeit im Berge. Da kam herein die schöne Künhilde, reich gekleidet, das Haupt geschmückt mit einem goldenen Diadem. Sie grüßte die Fürsten als ihre lieben Gäste. Groß war die Freude, als sie ihren lieben Bruder Dietleib sah, den sie herzlich begrüßte. Sie sagte ihm, dass sie alles im Überflusse hätte, sich aber nach der lieben Heimat sehne. Dietleib sprach, er sei gekommen, sie von hier fort und heim zu bringen. Laurin, der Zwergenkönig, ging zu Künhilde, seiner lieben Herrin und klagte ihr sein Leid. Die Recken hätten ihm seine schönen Rosen verwüstet, Dietrich habe ihm den Gürtel zerbrochen, dadurch habe er seine Stärke verloren und könne sich nicht rächen. Sie möge ihm raten, was er tun solle. Sie steckte ihm unter der Bedingung, dass er den Fürsten nicht ans Leben gehe, was er ihr versprach, ein Ringlein an den Finger, mit dem er seine Zwölfmännerstärke wieder hatte.

Laurin ließ sich Dietleib kommen, nannte ihn seinen lieben Schwager und sagte, er wolle seine vielen Schätze mit ihm teilen, wenn er sich nicht der Fürsten annehme. »Nein«, sagte Dietleib, »das tue ich nicht, meinen Freunden werde ich nicht untreu.« Da sperrte der ränkesüchtige Zwerg Dietleib in das Felsgemach ein. Dann eilte Laurin in den Felsensaal, wo die vier Fürsten beim Mahle saßen, tat ihnen betäubenden Kräutersaft in Wein und Met, dass sie nach einer Weile wie tot auf den Bänken lagen. Dann warf er alle viere in ein tiefes Felsenverlies.

Künhilde, die alles beobachtet hatte, erkannte die Gefahr, in der ihr Bruder und die vier Fürsten schwebten. Sogleich eilte sie heimlich zu ihrem Bruder, gab ihm ein Ringlein, damit er die Zwerge sehen konnte, die er, durch Zauber verursacht, nicht hätte sehen können. Künhilde half dem Bruder sich rüsten, sie setzte ihm den Helm auf das Haupt, gab ihm Schwert und Schild. Dann führte sie Dietleib zu dem tiefen Felsverlies, darinnen die vier Fürsten gefangen waren. Er brachte ihnen ihre Rüstungen und die Waffen. Als Laurin das bemerkte, blies er in das Horn, dass es durch den Berg schallte, auf welchen Ruf dreitausend Zwerge kamen, denen er zurief: »Dass ihr mir von den fünf Recken keinen am Leben lasst!« Während sich die vier Fürsten in Eile rüsteten, kämpfte Dietleib einen harten Kampf mit den Zwergen, von denen viele tot dahinsanken, aber auch er drohte bald zu erliegen. Zur rechten Zeit noch kamen die Recken und griffen, nachdem auch sie von Künhilde Ringlein bekommen hatten, die sie befähigten, die Tausende von Zwergen zu sehen, in den Kampf ein, der vielen Zwergen das Leben kostete. Und als dem Zwergenkönig der Finger, an dem sein Ring stak, abgehauen wurde, verlor er abermals seine Zwölfmännerkraft. Da stieß der Zwerg in sein Hifthorn; auf diesen Notruf kamen fünf Riesen, die dem Zwergenkönig dienten, vom Walde herein in den Berg und griffen mit langen Eisenspießen in den mörderischen Kampf ein. Viele der Zwerge und mit ihnen auch die fünf Riesen wurden erschlagen.

Da sank der Zwergenkönig auf die Knie und bat nicht nur um sein Leben, sondern auch um das Leben seines übrig gebliebenen Zwergenvolkes. Erst als die schöne Künhilde um das Leben Laurins und seines Volkes bat und auch Dietleib sich der Bitte seiner Schwester anschloss, ließen die Fürsten von dem wilden Streite ab. Sintram, ein treuer Zwerg, wurde von den Recken als König der Zwerge eingesetzt. Der Zwergenkönig Laurin aber wurde gefangen und von den Fürsten nach Bern mitgenommen. Künhilde bat Dietrich von Bern um Milde für Laurin, den Zwergenkönig. Als sie sich von Laurin verabschiedete, weinte er bitterlich und schrie auf vor Schmerz über den Verlust der jungen, schönen Fürstentochter Künhilde. Künhilde aber kehrte mit ihrem Bruder Dietleib heim zur Burg Steyr, wo die auf so rätselhafte Weise verschwundene Fürstentochter von ihrem Vater Biterolf und ihrer Mutter Dietlinde mit Freuden empfangen wurde. So die altdeutsche Sage von der Künhilde, dem Zwergenkönig Laurin, dem Fürsten Biterolf und der Burg zu Steyr.

Die Gründungssage der Burg Steyr

Es war vor sehr langer Zeit. Da ritten eines Tages zwei junge Ritter auf schönen, edlen Pferden einen breiten, halb mit Gras bewachsenen Saumpfad entlang; bald ritten sie durch schattendunklen Wald, bald über grüne Fluren, die zwischen den Wäldern lagen. Sie waren von weither über das Hügelland gekommen und ritten gegen Süden, dem Gebirge zu. Zur Linken hatte jeder ein Schwert, dessen metallische Scheide an die eisernen Steigbügel schlug und glöckelte. Die Lanzen hatten sie angriffslustig in Händen, denn zu jener Zeit hausten in den vielen urwaldartigen Wäldern noch Bären, Wölfe und anderes Raubgetier.

Die beiden Ritter redeten nicht viel, sondern ritten schweigend durch die Gegend. Ihre Blicke aber ließen sie wie suchend über die hügelige Gegend schweifen. Dort und da, unter dem Laub der Bäume schier versteckt, lag ein aus Holz gebautes Bauernhaus, zaunumschlossen, am Saume eines Waldes. Auf den Feldern verrichteten Bauersleute ihre Tagesarbeit, die Waffen griffbereit in ihrer Nähe; denn es war, wie gesagt, noch eine gefährliche Zeit, wo Raubtiere durch die Gegend strichen.

Lange waren sie schon durch das Land geritten. Plötzlich standen die Ritter mit ihren Pferden am Rande eines steil, fast senkrecht abfallenden Berghanges. Voll Verwunderung sahen sie auf das herrliche Landschaftsbild, das sich vor ihren staunenden Augen auftat. Tief drunten rauschten und schäumten zwei Bergflüsse, die durch Auen von verschiedenen Richtungen kamen und sich hier zu einem Fluss vereinigten, der, von Auwaldbäumen besäumt, seine Wasser rauschend nordwärts wälzte. Sie sahen in das schöne Tal, sie sahen die grünen Berge, sie sahen die gewaltigen Felsenberge, deren weißgraue steinerne Häupter weit südwärts in die Bläue des Himmels ragten.

Entzückt von der Schönheit dieses Landschaftsbildes sprach der eine Ritter: »Hier ist es schön, hier wollen wir uns eine Burg bauen!« »Du hast recht, Bruder, und hier für immer bleiben.« Sie sahen sich nach einem geeigneten Platz zum Bau einer Burg um. Meinte der eine: »Der schönste Platz ist diese bewaldete Anhöhe, auf der wir stehen.« »Nein«, sagte der andere, »der beste und schönste ist drüber dem Fluss, dort auf dem dreieckigen Felsen, der sich zwischen den zwei Flüssen in die Wassergabel vorschiebt.« »Der schönste Platz ist aber hier«, so der eine. »Der sicherste aber ist dort drüben.« So der andere. So stritten sie lange fort und konnten sich nicht einigen.

Und so musste nach dem alten ritterlichen Brauche durch einen Zweikampf darüber entschieden werden, wo die Burg zu stehen kommen sollte. Hart rannten die beiden Brüder gegeneinander, bis einer aus dem Sattel geschleudert wurde. Nach dem Willen des Siegers wurde die Burg auf jenem Felsen erbaut, den die Fluten der Steyr bespülten. Daher wurde die Burg »Steyrburg« genannt. Handwerker mit ihren Familien siedelten sich hier an, denn im Schutz des Burgherrn konnten sie friedlich arbeiten. Im Laufe der Zeit entstand die Stadt Steyr, so genannt nach der Steyrburg. Auf der Anhöhe aber, wo der unterlegene Ritter die Burg bauen wollte, steht heute das kirchenähnliche, mauerumfangene Gebäude mit dem schlanken Türmlein, auf dessen Spitze der Wetterhahn sich nach dem Winde dreht und so den Leuten gutes oder schlechtes Wetter kündet. Dieses weiß schimmernde, freundliche Gebäude schaut aus luftiger Höhe hernieder auf die Stadt und wird »Tabor« genannt.

Der Ritter Heinz Scheck von Steyr

Im Mittelalter lebte in Steyr das Rittergeschlecht der Schecken. In langer Geschlechterfolge existierte dieses Geschlecht, das in Steyr eine hervorragende Rolle spielte, von 1126 bis 1465, dann starb es wahrscheinlich aus, weil man nichts mehr von ihm hörte. Einige der Schecken waren Burggrafen von Steyr. Einer der Schecken, und zwar Ritter Otto von Scheck, wurde im Jahre 1213 von dem wilden Ritter Otto Düring von Ternberg im Streite, dessen Ursache unbekannt ist, mit anderen im Freithofe von Garsten erschlagen. Dieser rauflustige Ritter ordnete hernach einige persönliche Angelegenheiten mit Abt Konrad III. vom Kloster Garsten und zog, wie es heißt, aus Reue über seine blutige Tat und zur Sühne als Pilger nach Rom und in der Folge als Kreuzritter mit Herzog Leopold V. von Österreich und Kaiser Friedrich II. nach Palästina, wo ihm in der Fremde das geschah, was er in der Heimat anderen getan: Er wurde dort erschlagen. Ein anderer der Schecken ist im Laufe der Zeit zur Sagenfigur geworden. Es war dies, wenn man der Sage glauben darf, der Ritter Heinz Scheck von Steyr. Von ihm erzählt die Sage gar Löbliches. Der junge, schöne Ritter Heinz Scheck lebte am Hofe Herzogs Leopold V., des Tugendsamen. Diesen Ritter schätzte und liebte der Herzog unter allen Rittern seines Hofstaates wegen seiner guten ritterlichen und menschlichen Eigenschaften am meisten; denn er war tapfer und immer siegreich im Turnier, welches Waffenspiel der Herzog so sehr liebte. Aber eines besaß der Ritter Heinz nicht, nämlich Reichtum; er war arm wie eine Kirchenmaus. So sehr Heinz Scheck in der Gunst des Herzogs stand, einmal aber sollte er sich doch diese Gunst, freilich unbeabsichtigt, verscherzen.

Eines Tages fand in der Steyrburg ein Turnier statt, zu dem sich viele Ritter in ihren kunstvoll gearbeiteten Eisenkleidern einfanden. Bei diesem Turnier warf der Ritter Heinz Scheck einen nach dem anderen in den Sand. Als kein Ritter mehr da war, mit dem er sich hätte messen können, ritt Herzog Leopold, der ein Meister dieses Waffenspieles war, mit dem Ritter Heinz in die Schranken. Dieser rannte den Herzog mit solchem Ungestüm an, dass er durch den wuchtigen Lanzenstoß im Bogen aus dem Sattel geworfen und höchst unsanft in den Sand geschleudert wurde, wo er wie tot liegen blieb. Die Beistände eilten zu Hilfe und bemühten sich um ihn. Als er zur Besinnung gekommen war und sich wieder erholt hatte, schwur er, lieber sein Lieblingsdorf Pfarrkirchen zu verschenken, als diesem groben Draufgänger noch einmal die Hand zu reichen. Außerdem bannte er ihn von seinem Hofe.

Nach einiger Zeit lud der Herzog die Ritter abermals zu einem Turnier in die Steyrburg. Bedingung aber war, dass jeder Ritter nur im reichsten Schmuck der Rüstung zu erscheinen habe, ein anderer aber zu diesem Kampfspiel nicht zugelassen würde. Das tat der Herzog, um den armen Ritter Heinz Scheck zu ärgern, dem es wegen seiner einfachen Rüstung unmöglich war, daran teilzunehmen.

Die unfreiwillige Muße, die dem Ritter Heinz durch die Verbannung vom Hofe auferlegt war, verbrachte er damit, dass er die Wälder um Steyr durchstreifte und dem Wilde nachjagte. Eines Tages, kurze Zeit vor dem angesagten Turnier, ritt er durch einen Wald. Da hörte er laute Hilferufe. Als er in die Richtung sprengte, sah er, dass sich ein Mann, der von einigen Straßenräubern überfallen worden war, verzweifelt wehrte. Heinz Scheck stürmte heran und die Strolche, vor den Schwerthieben weichend, ergriffen eiligst die Flucht. Der Mann, ein reisender jüdischer Kaufmann, bedankte sich herzlich. Der Ritter brachte ihn nach Steyr.

Als der Tag des Turniers erschienen war, kamen die Ritter in ihren kostbaren Rüstungen, die Harnische glänzten und funkelten. Jedes Pferd trug einen Überwurf aus Tuch oder Seide mit dem Wappen seines Herrn. Alle aber übertraf der Herzog, dessen Rüstung vom Golde gleißte und glänzte. Da kam auch ein fremder Ritter mit geschlossenem Visier auf feurigem Rosse herangesprengt, dessen Rüstung von wunderbarer Schönheit war. Der Herold verkündete den Beginn der Kampfspiele. Die Beistände reichten den zum Kampfspiel bereiten Rittern die Lanzen. Der fremde Ritter warf jeden Ritter, der mit ihm in die Schranken geritten war, in den Sand, bis keiner mehr da war, mit dem er noch nicht gekämpft hatte. Zum Schluss musste der Herzog den Waffengang mit dem siegreichen Ritter aufnehmen. Aber auch der Herzog, ehe er sich’s versah, lag schon im Sand. Der Herzog war voll Verwunderung über die Kraft und Gewandtheit des fremden Ritters, reichte ihm die Hand und versprach ihm eine Burg, wenn er an seinem Hof bleiben würde; aber er möge sein Visier öffnen. Heinz Scheck von Steyr – er war es – beugte das Knie vor seinem Fürsten und bat um Gnade, dass er es gewagt habe, vor den Augen seines Herzogs zu erscheinen. Ein reicher Kaufmann, den er vor Räubern gerettet, habe es ihm möglich gemacht, in dieser prächtigen Rüstung auf dem Turnierplatz zu erscheinen. Der Herzog reichte ihm verzeihend die Hand, nahm ihn wieder in Gnaden auf und schenkte ihm sein Lieblingsdorf Pfarrkirchen.

Das Leben Herzog Leopolds V. nahm durch ein Turnier, wie uns die Historie erzählt, ein trauriges Ende. Im Dezember des Jahres 1194 feierte der Herzog das Weihnachtsfest in Graz. Am 26. Dezember (Stefanitag) beteiligte er sich – er war schon 57 Jahre alt – an einem Turnier. Er stürzte mit seinem Pferde so unglücklich, dass ihm ein Bein zerschmettert wurde. Der am folgenden Tag eintretende Brand machte die Abnahme des Beines notwendig. Aber kein Arzt wollte ihm diesen gefahrvollen Dienst leisten. Da rief der Herzog seinen Kämmerer, er selbst setzte die Hacke auf das Bein, der Kämmerer musste mit einem Schlägel daraufschlagen; erst beim dritten Schlag war das brandige Bein ab. Am anderen Morgen deuteten die Ärzte dem Herzog die große Gefahr, in der er schwebe. Nachdem der Herzog das Ordenskleid der Cisterzienser angelegt hatte, starb er fünf Tage später am 31. Dezember 1194 und wurde seinem Wunsche gemäß zu Heiligenkreuz in Niederösterreich begraben.

Die Michaelerkirche in Steyr

Auf erhöhtem Platze, am Fuße der Taborleiten in Steyr, steht die prächtige barocke Michaelerkirche, die mit ihren hohen Zwillings-Türmen weit ins Land schaut. Das große, hoch droben zwischen den Türmen an die breite Wand gemalte Freskogemälde, das den Kampf des Erzengels Michael mit den abgefallenen Engeln und deren Sturz darstellt, fesselt den Blick jedes Fremden, der die schöne Stadt Steyr besucht.

Mit dem Gespinst der goldenen Sage ist diese Kirche überzogen; in allen Sagen, die sich um sie ranken, spielt der Teufel eine Rolle. Sie erzählt, dass die Michaelerkirche vom Teufel erbaut worden ist. Als er nach langer und mühevoller Arbeit fertig war, ist er durch ein Loch hinter dem Hauptaltar aus der Kirche gefahren. Dieses Loch soll vor Jahrzehnten noch zu sehen gewesen sein.

Nach einer anderen, im Volke verbreiteten Sage, hat vor langer Zeit der Teufel in einem großen Wald in der Umgebung von Steyr seine »Dörrstatt« gehabt, wo er in Vollmondnächten sein errafftes vieles schöne Geld »dörrte« oder, wie es auch so schön heißt, »bleichte«. Welchen Zweck das »Dörren« des Goldes hat, das zu wissen muss schon dem Teufel selber überlassen bleiben. – Mancher hätte in der damals goldarmen Zeit so ein blinkendes Goldstück brauchen können. Wer es aber gewagt haben würde, dem Teufel ein solches wegzunehmen, den hätte er in Stücke zerrissen.

Von dem Treiben des Teufels in nächtlicher Zeit erfuhr ein alter frommer Priester. Der beschloss, sich den Gehörnten einmal etwas näher anzusehen. Als er das Waldrevier erkundet hatte, wo sich der Teufel aufhielt und sein merkwürdiges geheimnisvolles Nachtgeschäft betrieb, machte er sich eines Abends auf den Weg dorthin. Inzwischen war es Nacht geworden. Er ging, als er angekommen, weit hinein in den finsteren Wald, durchstreifte ihn nach verschiedenen Richtungen, konnte aber den Satan nicht zu Gesicht bekommen. Schon wollte er umkehren und die Suche nach dem Teufel und seinem Golde aufgeben, da sah er plötzlich einen dämmeriggrünen Lichtstreifen durch den finsteren Wald schimmern. Auf den ging er zu und kam auf eine vom Vollmond beschienene Waldwiese. Mitten in dieser Wiese saß der Teufel auf einem Stein und »dörrte« einen vor ihm liegenden Haufen Goldstücke.

Der greise Priester ging furchtlos auf ihn zu, sagte einen bannenden Spruch, so dass der Teufel sitzen bleiben musste, wo er saß. Er musste alles tun, was der Priester ihm befahl; dem es sogar gelang, ihn zu zwingen, das Gold in bestimmten Raten und zu bestimmten Zeiten zum Bau der Michaelerkirche zu bringen, und zwar so lange, bis die Kirche fertig dastehe. Und der Teufel brachte zu der ihm vorgeschriebenen Zeit das Gold in Raten zum Kirchenbau herbei.

Als er die letzte Rate in die Kirche gebracht hatte, wurde er von dem alten Priester vom Banne gelöst, abgedankt und gewarnt, sich ja nicht mehr in Steyr blicken zu lassen. Voll Zorn und Wut über die so lange erzwungene Einschränkung seiner Freiheit und über den Verlust des vielen schönen Goldes, das er zum Bau der Kirche hatte bringen müssen, fuhr er brüllend hinter dem Hochaltar aus der Kirche und ließ in der Mauer ein Loch zurück, das, wie es heißt, nie recht vermauert werden konnte. Dieses Loch bringt eine weitere Sage in Verbindung mit einem Frevler, der sich in der Michaelerkirche an einem Tage zehnmal abspeisen ließ. Der Teufel holte ihn bei lebendigem Leibe und fuhr mit ihm durch das Loch in der Mauer hinter dem Hochaltar aus und davon.

Trotz des Verbotes, dass sich der Teufel in Steyr nicht mehr sehen lassen dürfe, wollte er doch wieder einmal in die Stadt gelangen. Es war um die Mitternachtszeit, da die Leute in den Kirchen der Christmette beiwohnten. Er wagte sich daher nicht herein, sondern musste, als er an der Michaelerkirche glücklich vorüber war, mit Höllenlärm über die dunkle Bürgerspitalstiege hinab und in die Steyr hineinjagen.

Die Ägidius-Glocke

Die altgotische, dem heiligen Ägidius geweihte Pfarrkirche der Stadt Steyr, die im Jahre 1443 vom ersten Baumeister Hans Buxbaum nach dem Muster der berühmten Stefanskirche in Wien zu bauen begonnen wurde, ist nach dem neugotischen Maria-Empfängnis-Dom in Linz die schönste Kirche Oberösterreichs. Der alte sechseckige Quaderturm der Stadtpfarrkirche ragte bis zum Jahre 1876, in welchem Jahre der obere Teil des Turmes abbrannte, in acht Geschossen mit hohen Turmfenstern hoch in die Lüfte; der obere Teil mit Kuppeldach gehörte nicht dem ursprünglichen Bau an und harmonierte im Stil nicht mit demselben.

In diesem Turm hing einige hundert Jahre lang die dem heiligen Ägidius geweihte Glocke. Diese Glocke, die unter ihren Schwestern die größte und schönste war, wurde im Jahre 1522 gegossen. Sie soll einen voll tönenden, wunderbaren Klang gehabt haben. Ein frommer Wohltäter hatte sie einst zur Kirche gestiftet. Von dieser berühmten Ägidius-Glocke erzählt die Sage:

Einst verreiste der Stifter dieser Glocke und ließ lange nichts von sich hören; man glaubte schon, er komme überhaupt nicht mehr. Als er aber eines Tages ganz unerwartet zurückkam und durch das schöne Schmucktor, das Schnallentor genannt, herein in die Stadt zog, fing die große Glocke von selbst zu läuten an. Diese alte Glocke, deren schöner, erhabener Klang vierhundert Jahre lang, vom Mittelalter bis in die Neuzeit, die Steyrer Bevölkerung, ob jung, ob alt, in guten und schlechten Zeiten erfreute und sie tagtäglich zum Gottesdienste rief, existiert schon lange nicht mehr; im Jahre 1849 wurde sie umgegossen und im Ersten Weltkrieg ist sie dem Kriegsgott zum Opfer gefallen. Als dieser fast sechs Jahre dauernde Krieg vorüber war, hängte man eine neue Ägidius-Glocke, die zweite, in den Turm. Diese fiel dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Wieder eine neue, große, edel geformte, 2789 Kilogramm schwere Ägidius-Glocke, die dritte, gegossen in der Glockengießerei in St. Florian, wurde im Jahre 1956 hoch hinauf in den Turm gezogen und hängt nun in dem Glockenstuhl des in den Jahren 1885 bis 1889 in rein gotischem Stile ausgebauten, achtzig Meter hohen, schlanken Turmes, der mit seinem vergoldeten Knauf weit ins Land schaut; er ist eines der schönsten Wahrzeichen der Stadt Steyr.

Ein Wettlauf mit dem Tod

In der Blumauergasse, nahe dem Südwesteingang zur Burg Steyr, steht, von den weit ausgreifenden Ästen zweier mächtiger Lindenbäume und anderer Bäume liebevoll behütet, eine große, zu eben dieser Burg gehörende und aus dem 18. Jahrhundert stammende schön gebaute barocke Kapelle. In ihr steht auf einem hohen, schön gearbeiteten steinernen Sockel die lebensgroße Statue des heiligen Nepomuk. Den Sockel zieren Spiralen, uralte Sonnensinnbilder, das erhaben gemeißelte gräfliche Wappen und die Krone des hochberühmten Geschlechtes der Lamberger, deren einer die Kapelle erbauen ließ.

Über dem unbedeckten Haupt des Heiligen windet sich der Heiligenschein in der Form eines eisernen Reifens mit fünf goldenen Sternen. Zu seinen Füßen ruhen zwei niedliche kleine Engel. Die Kapelle ist mit einem niederen, schön durchbrochenen, steinernen Gitter geschlossen.

Diese Kapelle wurde, wie eine mündliche Überlieferung besagt, an der Stelle einer längst verfallenen uralten Kapelle erbaut, von der eine alte Sage die Erinnerung an eine tiefmenschliche Tragödie wachhielt, die sich als Sage auch auf die Nepomuk-Kapelle übertragen hat. Die nur wenigen Steyrern bekannte und fast vergessene Sage, die weit in die Christianisierungszeit zurückreicht, soll hier erzählt werden.

Als Steyr schon eine ziemlich große Siedlung, aber noch lange keine Stadt war und auch die prächtige und wuchtig wirkende Steyrburg noch nicht zwischen den beiden grünen Alpenflüssen, der Enns und der Steyr, auf spitz zulaufender Anhöhe majestätisch thronte, lebte und werkte an dem Wasser der grünen Steyr ein Müller, der eine schöne, liebreizende Tochter hatte. Noch lagen hier römische Legionssoldaten im Quartier, die von einem hohen Wachtturm die Flussübergänge bewachten und scharf ins Land lugten; denn es war noch die Zeit, da das weltweite Rom das Land diesseits der Donau in Besitz hatte und beherrschte. Das Christentum hatte durch eifrige Sendboten hier im Volke bereits Eingang gefunden, aber es gab noch viele Heiden, die umso fanatischer den alten Göttern anhingen. Auch der Müller war noch solch ein fanatischer Heide, der den Göttern zu gewissen Zeiten seine Opfer darbrachte. Seine einzige Tochter aber war heimlich Christin geworden und hatte sich taufen lassen. Das Mädchen war wegen seiner Schönheit und sonstigen guten Eigenschaften viel von Freiern umworben, von denen mancher das liebreizende und in frischer Jugend prangende Wesen gerne als Frau in sein Haus geführt hätte. Unter diesen Freiern suchte sich ihr Vater einen aus, den er als Gatten für seine Tochter haben wollte. Es war einer der schönsten jungen Männer, aber er war, ebenso wie der Müller, noch ein Heide. Als der Müller seiner Tochter den Freier bekanntgab, den er für sie bestimmt hatte mit dem Wunsche, dass sie ihn heiraten möge, lehnte sie entschieden ab und bat ihren Vater, diesen nicht zum Manne nehmen zu müssen, denn sie sei, was der Vater ihr verzeihen möge, Christin geworden und könne keinen Heiden, sondern nur einen Christen, sofern ihr einer gefiele, zum Manne nehmen.

Die Enttäuschung des Vaters über den von seiner Tochter ohne sein Wissen erfolgten Übertritt zum Christentum und ihre Weigerung, den ihr vorgeschlagenen jungen Mann zu heiraten, versetzte den Vater in maßlose Wut. Er forderte die von den Göttern abtrünnig gewordene auf, von dem Christengotte zu lassen und wie er den Göttern zu opfern, was sie aber ablehnte. Sprühend vor Zorn über die Halsstarrigkeit seiner Tochter ergriff er ein Beil, um sie zu töten; denn er wollte sie lieber tot als vom alten Glauben abgefallen wissen.

Furchtbar erschrocken über das Beil in der Hand des rasenden Vaters und von Todesangst getrieben, lief sie aus dem Hause, lief den steilen Hang hinan und fort auf dem Sträßlein, das hinauf zur Anhöhe führte. Der Vater aber raste voll Wut und in wilder Hetzjagd mit dem Beil in der Hand hinter ihr her. Das Mädchen, in Todesangst am ganzen Körper zitternd, mit aufgelösten Haaren, die im Wind flatterten, die Augen Hilfe suchend in die Ferne gerichtet, lief keuchend auf der Straße fort. Als es schon am Ende seiner Kraft war und hinzustürzen drohte, holte es der Vater ein, hob das schwere Beil hoch auf und führte einen wuchtigen Schlag auf das Haupt des Mädchens, das auf die Erde hinstürzte und sein Leben aushauchte. Durch die ungeheure Aufregung über seine entsetzensvolle Tat vom Herzschlag getroffen, brach der Vater zusammen und fiel tot neben seine Tochter hin. Das schöne Mädchen war mit dem Tod um sein junges Leben gelaufen. Sieger geblieben aber war der Tod. Der unvorstellbare religiöse Hass, der nicht einen Funken Liebe erkennen ließ, hatte auch dem Vater das Leben gekostet.

Das Volk ließ zur Sühne für diesen Mord an der Stelle dieses grausigen Geschehens eine Kapelle errichten; diese ist aber längst den Weg alles Irdischen gegangen. Geblieben ist aber eine uralte Sage, die fortdauernd sich um die heutige Nepomuk-Kapelle rankt.

Der seltsame steinerne Kopf