Sagen und Märchen Altindiens, Band 1 - Alois Essigmann - E-Book

Sagen und Märchen Altindiens, Band 1 E-Book

Alois Essigmann

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Inhalt: 1. Im Weltalter der Götter Schöpfung und Flut Die Götter und ihre Feinde Katscha und Dewajani Mada, der Riese Leidenschaft Nahuscha Der Fluch der Schlangenmutter Amrita, der Göttertrank Patala, die Unterwelt Ganga, die Dreipfadige Das Schlangenopfer 2. Nala und Damayanti 3. Bharatas Heldenstamm Vorgeschichte Bhischma Amba - Schikhandin Pandu und Dhrilarasehtra Pandava und Kaurava Jugend Feindschaft Bhimas Abenteuer Draupadi Ardschuna Großkönig Judhischthira Das Spiel Die zwölf Jahre Der Raub der Draupadi Die zwölf Monde Recht oder Macht? Die Schlacht Bhischmas Ausgang des Erhabenen Gesang: Dronas Ende Karnas Tod Sieg, Rache und Klage Der Pandava Ausgang

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Sagen und Märchen Altindiens, Band 1

Alois Essigmann

Inhalt:

Geschichte des Märchens

Sagen und Märchen Altindiens, Band 1

Meine liebe, stille Mutter!

Vorwort

Im Weltalter der Götter

Schöpfung und Flut

Die Götter und ihre Feinde

Katscha und Dewajani

Mada, der Riese Leidenschaft

Nahuscha

Der Fluch der Schlangenmutter

Amrita, der Göttertrank

Patala, die Unterwelt

Ganga, die Dreipfadige

Das Schlangenopfer

Nala und Damayanti

Bharatas Heldenstamm

Vorgeschichte

Bhischma

Amba – Schikhandin

Pandu und Dhrilarasehtra

Pandava und Kaurava

Jugend

Feindschaft

Bhimas Abenteuer

Draupadi

Ardschuna

Großkönig Judhischthira

Das Spiel

Die zwölf Jahre

Der Raub der Draupadi

Die zwölf Monde

Recht oder Macht?

Die Schlacht

Bhischmas Ausgang

des Erhabenen Gesang:

Dronas Ende

Karnas Tod

Sieg, Rache und Klage

Der Pandava Ausgang

Sagen und Märchen Altindiens, Band 1

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849603502

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com

Geschichte des Märchens

Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).

Sagen und Märchen Altindiens, Band 1

Meine liebe, stille Mutter!

Als du vor drei Jahrzehnten Deinen Kindern Märchen vorlasest, waren sie alle erstaunt: Du konntest Deine sanfte Stimme zur Härte zwingen, wenn Du als Harun al Raschid den bösen Kalum-Bek verurteiltest. – Nie hätten sie solches von Dir erwartet.

Wie recht tatest Du, keinerlei Pathos an diese flache Tatsachenwelt zu verschwenden, Maß zu halten in allem, was sich messen läßt, und dafür in der Unendlichkeit der Phantasie zu schwelgen!

Wenn ich diese Arbeit Deinem Andenken weihe, so dankt der Mann seiner Kindheit. Das gärende Werden, das zwischen Anfang und Reife liegt, lag auch zwischen Mutter und Sohn, wie die Jugend zwischen Kind und Mann.

Es ist vorbei! Alle Irrwege haben sich zum sicheren Pfad vereinigt.

Nimm hier die erste Frucht, die ich an diesem Wege zum Glück gepflückt habe. Du bist ja noch unter uns, als wärest Du am Leben!

Dein dankschuldiger Sohn Alois Essigmann

Vorwort

Diese Sagen und Märchen sind nicht nur Tausende von Jahren alt, sie sind auch im Laufe vieler Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende, entstanden, lange Zeit nur mündlich überliefert und auch nach der Niederschrift noch durch Jahrhunderte hindurch geändert, erweitert, den Sitten und Gebräuchen der Zeit, sowie dem Geschmack der jeweiligen Dichter angepaßt worden.

So erklärt sich mancher Widerspruch in der Auffassung und Verehrung von Göttern und Helden, in Landesbräuchen usw.

Zu merken wäre, daß die ältesten Inder ein sehr kriegerisches Volk waren und leibhaftige Naturkräfte als Gottheiten verehrten (Indra, Varuna, Agni usw.). Später aber riß der Priesterstand die Herrschaft an sich, die Naturgötter mußten sich den erdachten Repräsentanten der sittlichen Ordnung (Brahma, Wischnu, Dharma usw.) und Könige, Krieger und Volk ihren Priestern, den Brahmanen, beugen.

Mit dem der Allgemeinheit geläufigen Buchstabenmaterial ist es nicht möglich, ein vollkommen klangtreues Lautbild der altindischen Namen und Worte zu geben. Ich habe mich deshalb mit einer Annäherung begnügt und möchte nur noch bemerken, daß bei der von mir gewählten Schreibweise das Sch, sch im Anlaut weich gesprochen wird. Die letzte Silbe der Frauennamen ist lang.

Im Anhang habe ich ein alphabetisches Namensverzeichnis angefügt, welches manchen durch die vielen Namen vielleicht verwirrten Leser rasch über die Beziehung einzelner Personen zur Erzählung orientieren mag.

Im Weltalter der Götter

Schöpfung und Flut

Eine Ewigkeit hatte Brahma als Nichts auf dem Rücken der Urschlange Sescha geruht und sich zum All gesammelt.

Dann schuf sein Denken die zehn Schöpfer!

Sie wurden die Väter der Götter und Dämonen, die Ahnherrn der Menschen, und bauten mit ihnen Welten aus dem All.

Kaschjapa, einer der Schöpfer, nahm die Töchter des Schöpfers Dakscha zu Gattinnen:

Aditi schenkte ihm die Aditia oder Götter, Diti die Daitia und Danu die Danawa, zwei den Göttern feindliche Dämonengeschlechter.

Der Sohn der Sonne aber war Manu, der erste Mensch.

Im Auf und Ab der Zeiten vermehrten sich die Geschöpfe schier ins Unendliche, da dem Leben noch kein Ende gesetzt war.

Brahma versank in tiefes Denken:

Er wollte dem wuchernden Leben Einhalt gebieten, doch er konnte kein Mittel finden, den Strom der Fruchtbarkeit einzudämmen: Sein schöpferischer Wille hatte ihn hervorgebracht, und der war für ewige Zeiten unabänderlich.

Da schlugen, im Zorn über seine Hilflosigkeit, lohende Flammen aus den Augen des ohnmächtigen Allmächtigen und drohten die Welt zu verzehren!

Der Gott Schiwa aber fühlte inniges Mitleid mit allem Leben und bat den Erhabenen, seinen Zorn zu mäßigen, daß dessen Feuer das herrliche All nicht fräße. Die Flammen erloschen vor diesem Hauch des Alleinsempfindens!

Ein Tropfen fiel von der Stirne Brahmas und ward zu einem ernsten, schwarzäugigen Weib in purpurnem Kleide.

Nach Süden wandte es sich, um von dannen zu schreiten, als der Herr es anrief:

»Du Frucht meines Denkens über Vernichtung des Lebens sollst Tod heißen:

Du geh' und schlage Weise wie Toren, Gute wie Böse und alles was lebt, auf daß es nicht mehr erstehe, denn die Welt sinkt schier ins Wasser von seiner Last!«

Laut weinend warf sich die Lotusgeschmückte vor dem Allmächtigen auf die Knie und barg ihr Antlitz in seinen Händen.

»Gnade! Du Herr der Welt!« schluchzte sie.

»Soll ich Kindern und Greisen, Starken und Schwachen, Sündern und Büßern mit gleichem Maß messen? – Wie wird man mich hassen, wenn Vater und Mutter, Gattin, Freund und das Kind in der Wiege dahinschwinden! Durch alle Ewigkeit werden die Tränen der Unglücklichen mich brennen! – Gnade! Du gütiger Vater der Wesen!«

»Mein Wort ist unabänderlich und ewig!« sprach der Herr: »Tod soll das Leben enden! Doch du wirst vor den Geschöpfen ohne Schuld sein: du liebst sie, du sollst sie befreien! Zorn, Haß und Neid werden ihren Untergang zeitigen, ehe sie in deinen Armen Ruhe finden; die Tränen, die du in meine Hand geweint, will ich als Siechtum über die Erde streuen, so daß die Vergehenden dich als Erlösung ehren: Mögen die Sünder durch ihre Sünden vergehen – du bist die sühnende Gerechtigkeit, die sie, ohne Haß, ohne Liebe, aufnimmt!

Und Yama, der Herr über das Recht ist, soll auch Herr sein über dich, Tod!«

So war Tod in die Welt gekommen, auf daß sie sich ewig erneuere!

Noch einmal drohte allem Atmenden der Untergang, als ein Danawa dem ruhenden Brahma die heilige Lehre Weda stahl, die dem schlafenden Gott über die Lippen quoll.

Der Erwachte beschloß, eine Flut über die Erde fegen zu lassen und sich eines edlen Menschen zu bedienen, um die entsühnte Welt mit neuen Geschöpfen zu bevölkern:

An den Ufern der Wirini stand Manu, in strenger Bußübung die Arme zum Himmel erhoben, den Blick in die eilenden Wellen des Flusses versenkt. Da schwamm ein kleines Fischlein auf ihn zu und sprach mit menschlicher Stimme:

»Sieh! Du büßender Gerechter: Die großen Fische fressen die kleinen, die Starken verdrängen die Schwachen! Ich bin in steter Sorge um mein Leben. Rette mich, edelmütiger Büßer, vor dieser verzehrenden Furcht!«

Voll Mitleid schöpfte Manu das Fischlein mit der hohlen Hand aus dem Fluß und trug es rasch nach Hause. Dort setzte er es in eine silberne Schüssel, pflegte seinen Schützling voll frommen Eifers und liebte ihn wie einen Sohn.

Aber das Fischlein wuchs unter der Sorgfalt des Guten gar rasch und hatte bald nicht genug Raum in der Schüssel.

Auf seine Bitte setzte Manu es in einen großen Weiher: der maß drei Meilen in der Länge und eine in der Breite.

Doch der Fisch wuchs weiter, und nach einiger Zeit ward ihm auch dieses Wasser zu eng. Wieder bat er seinen gütigen Pfleger, ihn in ein größeres Gewässer zu setzen:

»Zur Ganga bringe mich, zu des Meeres Gattin! Dort möchte ich mich tummeln, du Lieber! Doch tu', wie du willst – du bist der Herr, denn deiner Güte verdank' ich das Wachstum, du Sündenloser!«

So brachte Manu den Fisch nach der Ganga, und als ihn auch die Ufer dieses Stromes beengten, trug er ihn nach dem weiten Meer. Dort setzte er den Riesenfisch, der einen himmlischen Wohlgeruch ausströmte, in die lockende Flut.

Der Fisch aber sprach mit freundlichem Lächeln:

»Du, Glückseliger, hast mich in treuer Sorge erhalten, so höre meinen Rat und handle danach:

Bald wird die große Reinigungsflut über die Erde fegen, denn Lebendem und Totem ist die Zeit des Schreckens nahe!

Baue ein Schiff und besteig' es mit den sieben Heiligen! Und Samen aller Art nimm auf und bewahre ihn wohl! Harre meiner, wenn die Flut dich trägt! An einem Horne sollst du mich erkennen!«

»Ich will tun, wie du geraten hast!« sprach Manu, und als der Fisch untertauchte, schritt er in den Wald und begann den Schiffbau.

Und als das Schiff fertig und genau nach des Fisches Rat beladen war, hob sich die Flut über die Erde und Manu glitt auf den Wogen dahin.

Und als er des wunderbaren Fisches gedachte, kam dieser geschwommen, und Manu sah an seiner Stirne ein großes Horn.

Daran mußte nun der Büßer sein Schiff binden, und in schneller Fahrt zog es der Fisch über die weite Meeresflut.

Stürme tobten über das Wasser, daß sie schier Sonne, Mond und Sterne verlöschten! Nur die sieben Heiligen, die mit Manu über das Wasser glitten, erglänzten im reinen Licht ihres sündenlosen Seins. Das Schiff tanzte über die Wellen wie ein liebetrunkenes Weib. Alles Land war versunken, und schier endlos schienen die Wasser.

Viele Jahre zog der Fisch schweigend das Schiff durch die Nacht!

Endlich stieß es an den höchsten Gipfel des Himawat, und Manu mußte es auf Geheiß des Fisches dort anbinden; heute noch nennt das indische Volk den Berg »Schiffsbindung«.

Der geheimnisvolle Fisch aber sprach zu Manu:

»Ich bin Brahma, das höchste und ewige Wesen!

Dichhabe ich aus der Flut gerettet, auf daß du meine Welt mit neuen Geschöpfen bevölkerst: Bete und schaffe, so wird es dir gelingen!«

Damit verschwand der Gott vor den Augen Manus.

Als die Wasser sich verliefen, reinigte der Gerettete seine Seele in frommer Sammlung, dann breitete er neues Leben über die weite Erde.

Die Götter und ihre Feinde

Mitten im Weltall ragt der Berg Meru in den Himmel und durch die Erde in die Unterwelt.

Er ist der geheiligte Sitz der Götter, den Sonne, Mond und Sterne voll Ehrfurcht rechtshin umwandeln und von allen Seiten mit ihrer Lichtflut umspülen.

Wie Strahlen um einen Stern, liegen die Erdteile um ihn.

Auf seinen Höhen wohnen die Götter unter der Herrschaft des kriegerischen Indra.

Schakra, der Mächtige, heißt er allen, denn er hat die schwankende Erde befestigt und das Blau des Himmels darüber gespannt. Er verteidigt sie gegen Daitia und Danawa in ruhmreichen Kämpfen und segnet sie mit fruchtbringendem Regen in schenkendem Frieden.

Die Wasu oder Erdengötter, die Rudra und Maruta, Wind- und Wettergötter, die lieblichen Apsaras, himmlische Wasserjungfrauen und des Himmels Spielleute: die Gandharva, sie alle ziehen in Indras Gefolge einher und beglücken Mensch und Tier, Baum und Gras, ja den dürstenden Sand in der Wüste mit ihren freundlichen Gaben.

Schatschi, die Macht, ist des Götterkönigs Gattin, ein ragendes Beispiel weiblicher Treue. Sie kost mit dem geliebten Gatten, wenn er aus der Schlacht kommt, sie schmückt ihm den Herdsitz, wenn er ruht nach friedlicher Reise, auf der er Flüsse, Seen und Teiche gefüllt und nach der Ordnung in den Reichen der Erde gesehen hat.

Der große, blonde Sohn der Aditi ist der Vorkämpfer der Götter, wenn die Dämonenscharen der Diti- und Danusöhne sich gegen den Himmel wälzen. Er ist Meister aller Waffen, und siebenfarbig ist sein großer Bogen, der nach dem Kampf am Himmel hängt.

Varunasteht neben Indra, der mächtige Herr der Gewässer. Sein Reich ist das unendliche Meer mit all seinen Schätzen und die gewaltigen Ströme, die flinken Wasser der Erde. Geheimnisvoll wirkt er noch in dem kleinsten Grashalm, denn seinem Gesetze gehorcht alles Leben. Er ist ein mächtiger Hüter der Menschheit und wacht über ihre Sitte: Der Unklarheit, der Unwahrheit ist er feind und straft sie mit Krankheit und heillosem Siechtum.

Agni, der milde Gott des Feuers, ist des Götterkönigs getreuer Freund und Kampfgenosse. Sein Wagen ist mit roten Stuten bespannt und so stürmt er die hölzernen Burgen der Feinde.

Er ist der ewig Junge, der sich stets erneuert!

Gerne wohnt er bei den Menschen und trägt ihre Opfer zu den Göttern.

Auch Agni ist ein Freund der Wahrheit, und die Liebe zu ihr hat einst den Fluch eines Heiligen auf ihn geladen:

Der Seher Bhrigu warb um Puloma, die Braut eines Riesen, und führte sie als Gattin in seine Einsiedelei. Verzweifelt irrte der verlassene Riese durch die Wälder, und als er zufällig die leere Klause des Heiligen betrat, warf er sich betend vor dem flackernden Hausfeuer nieder und flehte Agni um Wahrheit an:

»Wo ist Puloma? – Du schwarzpfadiger Gott! wo weilt sie, deren liebliches Lachen mir eine glückliche Zukunft verhieß? Sprich, du Siebenzüngiger, vor dessen Sitz die Ehen geschlossen werden: War sie die Meine, da sie sich mir versprochen? – Ward sie mir nicht geraubt? – O du, der du die ganze Welt durchziehst, der du in Sonne, Mond und Sternen bist wie in dem kleinsten Spanlicht, im opferfressenden Feuer wie im winzigsten Tröpflein Blut – du Allesseher! gib mir Wahrheit: wo weilt Puloma und ist sie die Meine?«

Um der Wahrheit willen sagte Agni, daß Puloma des Riesen Weib sein müßte, daß sie aber nun als Gattin Bhrigus in der Einsiedelei hause.

Da verbarg sich der Riese in der Nähe und raubte die Heimkehrende ihrem Gatten.

Als Bhrigu sah, daß er sein Weib verloren hatte, verfluchte er den schwatzhaften Agni!

»Werde zum verachteten Allesesser! verzehre, was du berührst – sei es rein oder unrein, erlaubt oder verpönt vom religiösen Gesetz – dich soll danach hungern, mundschneller Gott! – selbst Leichen sollen dir noch als köstliche Speise munden!«

Entsetzt floh Agni vor dem Fluch des zürnenden Heiligen und verbarg seine Schmach im Meer, da der Hohn seiner Feinde ihn »Allesfresser« nannte.

Mit einem Schlag hörten alle Opferfeuer zu brennen auf, die Götter hungerten, und die Menschen verkamen in Sittenlosigkeit.

In dieser Not baten die sieben Heiligen Brahma um Hilfe, denn ein feierlicher Fluch nimmt unaufhaltsam wie das Schicksal seinen Lauf: Das schnelle Wort kann nicht zurückgenommen, nur in seiner Wirkung gemildert werden.

Und der Allmächtige rief Agni vor sein Angesicht und sprach zu dem Betrübten:

»Du wirst bis ans Ende der Zeiten dem Fluche folgen und verzehren, was du berührst! doch ich schenke dir auch die Gabe, zu reinigen, was du berührst. So bist du zwar ein Allesesser, aber nichts Unreines wirst du essen, denn deine Berührung reinigt alles!«

Pavaka, der Reiniger, heißt Agni seither den Andächtigen.

Yama, der ernste Völkersammler, der über den Tod und das Recht herrscht, ist ein nimmermüder Freund der Menschen und getreuer Hüter der Ordnung. Im Gefolge des schweigsamen Herrschers schreiten die Ahnen und Väter der Lebenden. Seine Boten schweifen über die Erde und führen die Gezeichneten in sein gastliches Haus.

Suryaund Soma, der Gott der Sonne und des Mondes, teilen die Ewigkeit, auf daß sie als Zeit geregelt erscheine. Surya ruft täglich zu neuem Leben, und Soma läßt sein balsamisches Licht in die Nächte fließen, auf daß die Menschen darin Heilung und neue Kraft finden.

Uschas, die liebliche Morgenröte, erfreut Götter und Menschen, wenn sie das Himmelstor öffnet. Sie sendet alltäglich ihre beiden Reiter aus, um Verzweifelnde aus dem Schrecken der Nacht zu erlösen.

Aswinasheißen die schönen Jünglinge, die auch die Ärzte des Himmels sind.

Kama, der Liebesgott, reitet als ewiger Jüngling auf einem bunten Papageien und schwingt seinen goldenen Bogen, an welchem eine Schnur wilder Bienen die Sehne ist. Duftende Blüten sind die Spitzen seiner sehnsuchtbefiederten Pfeile, und ihre Wunden heilt allein Kamas Gattin: Rati, die Lust.

Wischnuund Schiwa, Erhalter und Zerstörer, sind Teile des Schöpfers, sind er selbst, der urewig geheimnisvolle, dreieinige Gott Brahma.

Brihaspati, der weise Sohn des Angiras, versieht als Priester den Opferdienst im Himmel. Er ist der gütige Mittler zwischen den Aditisöhnen und Brahma, dem ehernen Schicksal, dem sich auch die Götter beugen müssen.

Nicht sorglos fließt ihr Leben dahin; sie kämpfen um ihr Dasein, wie die Erdenkinder, und ihre schrecklichsten Feinde sind die starken Söhne der Diti und Dann, die wilden Dämonen der Finsternis, der Dürre, der sengenden Glut.

Auf kühner Streife war es einst Bala, dem Danawafürsten, gelungen, die Kühe der Götter zu rauben und sie in der weiten Höhle eines Berges einzuschließen.

Indra zog an der Spitze des Götterheeres aus, die milchspendenden Freunde aller Geschöpfe zu befreien und die Frevler zu strafen.

Auf seinem edelsteingeschmückten Streitwagen, mit den goldenen Radbüchsen und Schienen, brauste der starkarmige Götterkönig durch die Luft, in seinem Gefolge die flechtentragenden Windgenien in gedeckten Fellen, mit goldenen Helmen und Lanzen, die weithin über den Himmel glänzten.

In heißem Pfeil- und Speerkampf wurden die Danawa zurückgedrängt und der dreiköpfige Wischwarupa von Indra im Keulenkampf erschlagen. Ein Wurf mit der nie fehlenden Indralanze spaltete den Berg und befreite die Kühe, so daß sie ihr Labsal über die ganze Erde ergießen konnten.

Doch bald darauf führte Bala seine Dämonenscharen aufs neue gegen den Meru.

In heißer Schlacht entriß er dem Indra die Herrschaft über die Erde und flehte in inbrünstigem Opferdienst, daß Brahma ihn in dem neuen Besitz erhalte.

Da erschien Wischnu in Zwergengestalt, mit der weißen Schnur des Brahmanenstandes um die Brust, vor dem Opfernden, gewann in weiser Rede die Gunst des mächtigen Dämonenfürsten, und als dieser dem Lobredner eine Weihgabe bot, bat Wischnu, ihm drei Schritte Landes zu schenken.

Gerne bewilligte der Fromme dem priesterlichen Zwerg diese Bitte.

Vor den Augen des Dämonenfürsten wuchs nun der Gott ins Unendliche und nahm mit drei Schritten die ganze Welt! 17

Indra, dem Götterkönig, hat er sie wiedergegeben!

Mit Agni, dem kühnen Freund, zog nun Schakra abermals gegen Bala und schlug das Heer der Dämonen aufs Haupt, daß seine Herrschaft aufs neue befestigt war.

Indessen wuchs dem gewaltigen Herrn des Himmels in Writra, dem Fürsten der Kalakeya, einem Riesengeschlecht der Danawa, ein schier unbezwinglicher Gegner heran.

Writra wälzte mit seinen Riesen Berge gegen den Meru, daß die Erde erzitterte. Darauf stürmten die Kalakeya vor und warfen sich gegen die Götter. Der Meru schien in lohenden Flammen zu stehen, so funkelten die goldenen Panzer, die eisernen Keulen der Danawa. Tapfer wehrten sich die Götter, und zu Hunderten und Tausenden fielen die abgehauenen Köpfe der Riesen aus der Luft. Aber Writras Kühnheit hatte unzählige Scharen der Dämonen angelockt und die Götter wurden zurückgedrängt. Als stürzten Berge ein, so tobte es in den Lüften beim Zusammenstoß der feindlichen Helden.

Vergebens stritt Indra mit all seiner Tapferkeit und Stärke, mit allen seinen göttlichen Waffen gegen Writra. Der Danawa in seiner goldenen Wehr schien unverwundbar, und sein gellender Schlachtschrei trieb die Seinen zu tollster Kampfeswut und entmutigte die göttlichen Heerscharen.

Da trat Indra vor Brahma, um von dem Allmächtigen Rat zu erbitten. Brahma wußte, warum der Götterkönig vor ihm stand und sprach:

»Laß aus den Knochen eines Sündenlosen eine sechszackige Keule machen: damit wirst du Writra töten!«

Die Götter baten darauf den Heiligen Dadhitscha, ihnen zu helfen, und willig opferte der Edle sein Leben zum Heile der Welt.

Twaschler, der Götterschmied, verfertigte aus den Knochen des Sündenlosen den Sechszack, und, wieder voll Mut, warfen sich die Götter den Dämonen aufs neue entgegen.

Furchtbar war der Anprall Leib an Leib! wieder schienen die Danawa die Stärkeren zu sein, die Götter weichen zu wollen. Schon klang Writrus Kriegsschrei wie ein Sieges jauchzen – da warf Indra den Sechszack:

Schauerlich rollte der erste Donner durch die Lüfte, die Danawascharen mit Entsetzen erfüllend. Writra sank mit gespaltenem Schädel zu Boden und war tot!

Jetzt drangen die göttlichen Heerscharen auf die entsetzten Dämonen ein und schlugen ihrer viele Tausende nieder. Heulend flohen die letzten vom Schlachtfeld und verbargen sich voll Angst im Meer.

Seither ist der Donnerkeil Indras Lieblingswaffe. Freundlich spricht er mit dem Zackigen vor der Schlacht, und dieser glüht vor Kampfeslust in Schakras Hand, wenn der Feind sich naht.

Ein mächtiger Helfer gegen die Dämonen erstand bald darauf dem Götterkönig in dem Kriegsgolte Skanda:

Agni hatte beim Opfer die Gattinnen der sieben heiligen Seher erschaut, und sein Herz entbrannte in heißer Liebe zu den holden Frauen. Seufzend und sinnend zog er sich in den Wald zurück und fand keinen anderen Gedanken, als den an die tugendhaften Schönen, die er ewig meiden mußte.

Svaha, des Feuergottes Gattin, erkannte in ihrem liebenden Herzen den Kummer des Gemahls, und, um den Treulosen nicht zu verlieren, nahm sie die Gestalt der Gattin des ersten Sehers an und ging am Morgen zu Agni in den Wald. Voll Freude umarmte der Verliebte seine Gattin und verlebte den ganzen Tag in Lust und Freude mit ihr, ohne sie zu erkennen.

In der Dämmerung aber schlich Svaha ins Dickicht, verwandelte sich in einen Geier und flog nach dem Berge Sveta. Dort ruhte sie die ganze Nacht in einem goldenen Bett, von Schlangen und Geistern bewacht.

Am nächsten Morgen flog sie nach dem Wald zurück und nahte sich ihrem Gatten als Frau des zweiten Sehers. Wieder verlebte sie unerkannt einen glücklichen Tag mit Agni. Und wieder ruhte sie des Nachts in ihrem goldenen Bett auf dem Berge Sveta. Und noch viermal gelang es ihr, den geliebten Galten zu täuschen. Nur die Gestalt der Arundhati, der Gattin des siebenten Sehers, konnte sie nicht annehmen: Ihre Zauberkraft versagte vor der unendlichen Liebe der beiden Gatten zueinander!

Die ersten sechs Seher aber hörten von den schwatzhaften Tieren des Waldes, daß ihre Frauen sich mit Agni erlustigt hatten, und jagten die Ungetreuen aus dem Hause.

Unschuldig verdammt, irrten die Unglücklichen durch die Welt, bis Brahma sie als Sternbild an den Himmel setzte.

Svaha aber gebar auf dein Berg Svela den sechsköpfigen Skanda. Dann flog sie als Geier davon, und niemand kannte die Mutter des starken Gottes, der in vier Tagen zum Manne erwachsen war.

Um diese Zeit raubte der Dämon Keschin Dewasena und Daitiasena, die Tochter des Schöpfers Pratschapali. Indra besiegte Keschin und löste die Fesseln Dewasenas, während der starke Dailiafürst mit der Schwester der Befreiten entfloh.

Weinend beklagte die herrliche Dewasena das Los der Unglücklichen und schwor, nur den zum Gatten zu nehmen, der stärker als Götter und Dämonen sei.

Da trat der sechsköpfige Skanda auf den Plan.

Voll Kühnheit verfolgte er den Entführer und besiegte ihn nach heißen Kampf. Dann drang er weit in das Reich der Daitia ein und schlug Bana, den Sohn Balas, in schwerer Schlacht. Als der Dämonenfürst sich voll Angst in den Berg Krauntscha verkroch, spaltete der Gewaltige das Gebirge und tötete den Feigen durch einen Lanzenwurf. Indra, Schiwa und viele andere Götter hatten sich dem kühnen Skauda angeschlossen und lieferten den Dämonen blutige Schlachten.

Nun trat der Riese Mahisa an die Spitze der Dämonen und führte eine Schar ihrer Besten zum Angriff. Mit unwiderstehlicher Kraft fraßen sich die kühnen Recken in das Götterheer und drohten es zu vernichten. Bis dicht vor den Streitwagen des gewaltigen Schiwa rollte die feindliche Woge. Da tötete Skandas Lanze den Mahisa, der seine Keule schon gegen Schiwa erhoben hatte. Dann sprang der Starke unter die führerlose Schar und warf sie mit dem Schwert, wie der Schnitter die Halme. Der Riese Taraka stellte sich dem Sechsköpfigen entgegen: ein furchtbares Ringen hob an, und die Erde erdröhnte von dem Gestampf der beiden gewaltigen Kämpfer. Doch der sechsfachen Kraft des Gottes war keiner gewachsen: Skanda erwürgte den Riesen wie einen tollen Hund.

Indra neigte sich vor dem gewaltigen Kämpfer und bot ihm seine Herrschaft an, doch Skanda wies sie aus Ehrfurcht vor dem mächtigen Writratöter zurück und bat nur, ihm die Führung des Götterheeres anzuvertrauen.

Seither ist Skanda Indras starker und kluger Feldherr und der glückliche Gatte der Dewasena, die ihn stärker als alle Götter und Dämonen gesehen hat. Der rote Hahn, das Banner, welches Skanda von Agni erhalten hat, zieht dem Heere der Götter voran.

Katscha und Dewajani

Wirschaparwan, der König der Danawa, hatte dem bußereichen Brahmanen Uschanas das Seelenheil der Seinen anvertraut. Als Hauspriester des Königs war der Fromme oberster Priester im Danawareich. Uschanas hatte in strengster Askese und tiefinnerster Sammlung der Natur das Geheimnis des Sterbens abgelauscht. Wen immer er mit seinen Zauberworten rufen mochte, der brach jede Fessel des Todes und trat lebend vor den gewaltigen Büßer.

Da war die Weltherrschaft der Götter in Gefahr! Mochten ihre Waffen auch tausend und abertausend Dämonen in der Schlacht töten, das Zauberwort des Danawapriesters rief alle wieder ins Leben zurück.

Und die Leichen aus dem Heerbann der Götter blieben tot, denn der edle Brihaspati kannte das Zauberwort nicht. Jede Schlacht, und mochte sie auch für die Götter siegreich sein, zehrte an der Macht der Himmlischen.

Mit Grauen gedachten die Götter des Lichtes der Zeit, da die Dämonen der Finsternis, der verzehrenden Dürre, die Herrschaft der Welt an sich reißen, die alte Ordnung zertrümmern und Elend über die Erde breiten würden.

Sie gingen zu Katscha, dem Sohn ihres Priesters Brihaspati, und baten ihn, Schüler und Jünger des mächtigen Dämonenpriesters zu werden.

Vielleicht lernte er die Kunst des Wiederbelebens von seinem Meister, vielleicht fand der schöne Jüngling Gnade vor den Augen Dewajanis, der holden Tochter Uschanas: Auch die Götter mußten den Tod überwinden lernen, wenn die Welt fürder unter ihrer Herrschaft blühen sollte!

Katscha neigte sich ehrfürchtig vor den hehren Hütern der Welt und kam ihrem Wunsche freudig nach:

Im Schülerkleid, mit einer Tracht Brennholz auf dem Arm, so trat er, wie es die Sitte erheischte, vor Uschanas, nannte seinen Namen und seine Herkunft, und bat den würdigen Asketen, ihm tausend Jahre als Jünger dienen und von ihm die heilige Lehre des Weda und alle Bräuche der Priesterkaste hören zu dürfen.

»Gerne nehme ich dich als Schüler auf, edler Jüngling!« sprach Uschanas, »denn dein Vater, der ehrwürdige Götterpriester, ist mir wert! – Sei willkommen!«

So lebte nun Katscha im Hause des Danawapriesters, und seine Dienstwilligkeit, seine bescheidene Freundlichkeit, sein kindliches Lachen, machte ihn dem Alten und seinem jungfräulichen Töchterlein Dewajani immer lieber.

Fünfhundert Jahre hatte er schon gelernt und gedient, da hörten die Danawa erst, daß Uschanas' Jünger der Sohn des Götterpriesters sei.

Voll Sorge um das Geheimnis, dem allein sie ihre Macht verdankten, lauerten sie Katscha auf.

Als er eines Morgens die Kühe seines Lehrers auf die Weide trieb, erschlugen sie den edlen Jüngling und gaben seinen Leichnam den Wölfen zum Fraß.

Dewajani ahnte nichts Gutes, als die Kühe ohne den Hirten heimkehrten. Und als vollends die Stunde der Abendandacht schlug, ohne daß der eifrige Brahmanenschüler nach Hause gekommen wäre, litt es sie nicht länger in ihrer Sorge um den lieben Freund.

Sie wandte sich mit Tränen im Auge zum Vater und sprach: »O Vater! Katscha fehlt zur Abendandacht – er, der jeder Pflicht des Priesterslandes so pünktlich nachkommt – oh – er ist gestorben – sie haben ihn ermordet – oh – ich will nicht leben ohne ihn!«

Tröstend strich Uschanas über die Flechten seines lieblichen Kindes und rief den Vermißten mit seiner geheimnisvollen Zauberformel.

Da zerriß Katscha die Leiber der Wölfe, die ihn gefressen hatten, lief nach Hause und erzählte der treubesorgten Dewajani, was ihm geschehen war.

Bald darauf lauerten die Danawa dem Wiedererstandenen von neuem auf und töteten ihn, als er beim Blumensuchen zu weit in den Wald geraten war.

Sie warfen den Leichnam ins Meer, doch Uschanas' Zauberwort reichte auch in dessen Tiefen, und Dewajani konnte den schmerzlich vermißten Gespielen bald wieder begrüßen.

Zum drittenmal erschlugen nun die Danawa den Jüngling, verbrannten seinen Leichnam und gaben die Asche seinem Meister in Sura, einem berauschenden Getränk, zu trinken.

Wieder klagte Dewajani dem Vater ihr Leid, doch dieser weigerte sich, sein Zauberwort zu sprechen: »Wie oft ich auch Katscha erwecken wollte, die Danawa würden ihn stets wieder erschlagen!« sprach er. »Laß ihn ruhen! weine nicht um den armseligen Schüler, da Götter und Danawa um deine Liebe werben.«

»Oh – oh!« schluchzte Dewajani. »Wie kann ich meinem Schmerz um den edlen Jüngling, den lieben Gespielen, gebieten? – Nein, Vater, nein! – Hungern will ich und dürsten, bis du mich mit ihm vereinst – oder der Tod!«

»So will ich ihn noch einmal rufen!« sprach Uschanas, »und die Brahmanenmörder mit schweren Strafen bedrohen – –.«

»Halt ein!« rief da Katscha aus Uschanas' Leib, »Rufe mich nicht, ehrwürdiger Lehrer, denn du müßtest sterben. Die Danawa haben dir meine Asche im Abendtrunk gegeben! Du stirbst, wenn ich die Fesseln des Todes breche!«

»Nun, Dewajani, hast du die Wahl: gilt dir des Gespielen Leben mehr als das des Vaters?« sprach Uschanas ernst.

»Weh' mir!«