Sagenhaftes Wernigerode - Carsten Kiehne - E-Book

Sagenhaftes Wernigerode E-Book

Carsten Kiehne

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Beschreibung

Da wird ja selbst der Teufel verrückt. 100 Sagen, Märchen und Anekdoten aus der bunten Stadt im Harz, am Fuße des legendären Brockens, laden dich ein, die Stadt aus ganz neuen Blickwinkeln zu entdecken. Wandle auf den Spuren des Dichterfürsten Goethe durch sagenumwobene Bergtäler, vorbei an Klüften und Felsen, unter denen die Zwerge wohnen, hinauf zum Schloss, in dem die mächtigen Harzgrafen thronten, immer weiter und höher zu den Altären der Hexen und der Kanzel des Teufels. Kaum einen Schritt kannst du durch Wernigerode setzen, ohne auf Geschichte und spannende oder humorvolle Geschichten zu stoßen. Das Buch, das du in deinen Händen hältst, bildet die größte Wernigeröder Sagensammlung ab, die bisher erhältlich war. Aus hunderten von Harzer Sagenbüchern des Archivs von Sagenhafter Harz und dem, was man von Stadtführern und Einheimischen ablauschen kann, ist sie von einem der bekanntesten Sagenerzähler Deutschlands zusammengesammelt und neu aufgeschrieben worden. Carsten Kiehne erzählt in seiner Liebeserklärung an Wernigerode nicht nur von den Merkwürdigkeiten der Stadt, sondern auch von deren altheiligen Plätzen, den wundersamen Bäumen und heilsamen Kräutern. Viel Spaß beim Lesen und Staunen.

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Carsten Kiehne

gehört seit vielen Jahren zu den renommiertesten Kennern der Harzer Sagenwelt. Als Autor & Herausgeber vieler Bücher wie „Die bekanntesten Sagen aus dem Ostharz & ihre geheime Bedeutung", „Kräutersagen aus dem Harz" & „Bäume - heilig & heilsam" sowie Auftritten in der Sagenhaft-Reihe im MDR ist er überregional bekannt. Als Initiator der Interessensinitiative „Sagenhafter Harz" gibt er Workshops & Führungen zum Thema im gesamten Harz.

Inhaltsverzeichnis

EINLEITENDE WORTE

Von der Entstehung

Sag nicht, was du nicht

Die Sage von der Harburg

Die rote Forelle

Teufel & Brunnenbauer

Hexensabbat am Brocken

Das Allheilmittel

Menhir von Benzigerode

Der Namen Benzingerode

Die Hexe im Bielerturm

Eine der Ersten

Die Schlimmste von allen

Hänsel und Gretel

Die Hippelwiese

Was ich sehe, das vergehe

Das kleine Habichtskraut

Der überstudierte Doktor

Wie man Bauern strafte

Zwerge von Wernigerode

Die Krellsche Schmiede

Der Kiebitztanz

Vom Armeleuteberg

Wie das Rathaus entstand

Verfluchter Bürgermeister

Wie man Regen macht

Das schiefe Haus

Spuk im Waisenhaus

Schrecken der Nacht

Vogelfrei

Von der Schnakenburg

Der älteste Schrank

Vorhergesagtes Feuer

Verfluchtes Feuer

Der ruhelose Pasto

Das nächtliche Orgelspiel

Von der Rosengasse

Die Mönchslagerstätte

Hexe und Mönch

Die Mönchsbuche

Walknochen am Schloss

Die Krone von Otto II

Vom Buschwindröschen

Die Hangeleiche

Alles was ich tat

1000 Jahre, wie ein Tag

Weinkeller Himmelpforte

Der silberne Mann

Der Leichenstieg

Bodo & Emma

In der Sonne sitzen

Drei Wünsche

In Liebe leben

Ewig und unwandelbar

Göttliche Errettung

Der Altar der Wahrheit

Räuber Brand Schmalian

Zur Rothen Mühle

Die Kraft des Eichbergs

Geheime Kunst der Liebe

Köhler und Teufel

Das Femgericht Achtwort

Kopfloser Reiter

Der Knappenstein

Käsefrau von Mahndorf

Tanzmühle von Minsleben

Woher in Silstedt

Woher die Namen rühren

Im Wolfsholzteiches

Schauerliches

Die Sage vom Wulfhorn

Wernigerodes Werwölfe

Wer hat Angst

Der Träumer

Wenn Goethe mal

Die 1. Brockenbesteigung

Die Angstvollen

Schwiegermutter-Häuser

Der eingesperrte Tod

Kastanien aus dem Feuer

Buchen sollst du suchen

Rundumsicht & Weitblick

Geisterzug zum Brocken

Sagenhafte Brockenbahn

Ein Gottesgeschenk

Ein Zeitsprung

Das Weihnachtswunder

Damit wir siegen

Der Retter Wernigerodes

Die Leichtigkeit

Volkspolizist Ampelfranz

Lächelnder Straßenkehrer

LITERATURVERZEICHNIS

BILDVERZEICHNIS

DANKESLISTE

Vorwort

W ernigerode – die bunte Stadt – viel wurde von und über sie geschrieben, kein Wunder, besitzt sie doch eine atemberaubende Anmut, eine schillernde Schönheit und eine Sagenvielfalt wie wenig andere deutscher Städte. Über 100 Sagen sind in diesem Buch abgefasst, so viel wie in keinem anderen Werk! Weshalb es gelang, solche Vielfalt zusammenzutragen? Weil „Sagenhafter Harz“ über eines der größten Sagenarchive unseres Landes verfügt – über 500 teils längst vergriffene Veröffentlichungen aus dem Harz aus 3 Jahrhunderten stehen darin und freuen sich, von Interessierten wiederentdeckt, gelesen und wertgeschätzt zu werden!

Auch verstehe ich es zu lauschen und Wernigerode verschenkt seine Geschichten zuhauf. Eine Stadt, die seit Jahrhunderten gewohnt ist, selbst promintente Gäste (wie Goethe) zu beglücken, erzählt unentwegt und liebt Jene, die mit dem Herzen zu lauschen verstehen. Die Stadtführer erzählen, Einheimische, Chroniken, Heimatvereine ..., jedes einzelne Haus erzählt über Inschriften Jahreszahlen, Schutzsymbole und Namen. Die Orts- und Flurbezeichnungen erzählen, die Bäche, Seen, Bäume und Berge, allen voran Vater Brocken, dessen Legenden von Hexen und Teufeln wohl einzigartig sind.

Dass du lieber Leser, liebe Leserin, dieses Büchlein in den Händen hältst, beweist, dass du gerne lauschst und dass du um die Schätze weißt, die in den alten Sagen jedermann vor Augen liegen und doch in den Worten und Bildern verborgen, darauf warten, gehoben zu werden! So oft war ich selbst der von Wernigerodes Wundern und dessen umgebender Natur Erhobener. Aber wer würde sich nicht beschenkt fühlen, wenn er auf dem Agnesberg thront, um von dort auf das Schloss und die schöne Stadt herabzublicken!? Welchem Heimatfreund geht nicht das Herz auf, wenn er inmitten der Stadt fast vergessene Kulturschätze, wie den Knappenstein, entdeckt? Welcher Harzliebende fühlt sich nicht gesegnet, wenn er die Steinerne Renne und den Otto-Fels erklimmt, um einen Blick auf den sturmumsausten Brocken zu wagen? ... Sagenhaft schöne Stunden, wünscht dir

Stadtansicht von Wernigerode, 1847

Von der Entstehung Wernigerodes

Drei Brüder hausten in ältester Zeit auf der Harburg, stets in rote Montur gewandet (oder war es das Blut der Gemordeten, das ihre Kleider rot färbte?). Die Männer waren nämlich Räuber, welche die ganze weite Gegend unsicher machten. Nicht einmal Geistliche waren vor den Rotgewandeten sicher, weshalb man allen Reisenden, die der Harburg zu nahe kamen, zurief: „Ik werne jü vör de roden!“ – „Ich warne dich vor den Roten!", woraus sich allmählich der Name der Stadt bildete.

Zwei Schwestern hätten in jenen Jahren eine kleine Ansiedlung unterhalb der Burg gegründet, um Reisenden sichere Unterkunft zu gewähren und meinten, damit ein gutes Geschäft zu machen. Wenige Häuser waren das dazumal, die Westernstraße, von einer starken Wehrmauer umgeben, mit nur einem Tor darin, auf dem sie einen hohen Turm errichteten.

Der Westerntorturm war der sicherste Ort des kleinen, neu entstandenen Städtleins, den die Schwestern in ihrer großen Furcht vor dem Feind bezogen. Doch wie die Stadt immer größer und sicherer wurde, wuchsen auch ihre Ängste. Sie setzten bald keinen Fuß mehr auf die Straße, sondern schauten nur vom Turme herab und weit ins Land. Wessen sie bedurften, ward an einer Winde heraufgezogen. So mussten sich die Schwestern um nichts sorgen. Dennoch wuchsen ihnen die Sorgen – vor Räubern, Unholden im Harz, vorm Höllenfeuer und dem Teufel – so über den Kopf, dass der Westerntorturm immer mehr mit Dornenranken überwuchs. Ihre Angst vor dem Tode war so groß geworden, dass sie in ihren besten Jahren vergaßen, zu leben.

Als man die Körper der Schwestern, viele Monde darauf, entseelt im Turme fand, holte man einen Abt aus dem Kloster Corvey an der Weser in das kleine von Furcht regierte Städtchen. Warin hieß er und war ein berühmter Missionar. Er festigte den neuen Glauben im Nordharz, rodete entschlossen die Götzenhaine und errichtete eine befestigte Ansiedlung, die Schnakenburg mit der St. Sylvestri, die sich ehrenvoll Stadt nennen durfte. Und weil Warin in die Rodung neues Leben brachte, nannte man sie zum Dank bald „Wernigerode“ und so, ist’s noch heute. (aufgeschrieben nach Pröhle)

Sag nicht, was du nicht auch meinst

AIs der Abt Warin – von welchem die bunte Stadt am Harz auch ihren Namen haben könnte – den Flecken Wernigerode gründete und auf altheiligem Grund eine Kapelle errichtete, ging vom Papst in Rom die Weisung aus, dass ein jeder, der am Nordharz entlang pilgere, einen Tag lang beim Bau des Gotteshauses helfen solle. Als Lohn für die Hilfe wäre einem der Segen des Heiligen Georg - dem Schutzpatron der Bauern, Bergarbeiter, Ritter & Pilger - gewiss, schließlich sollte die Kirche doch bei Fertigstellung auf „ecclesia St. Georgi" getauft werden.

Wie ein Tischlermeister mit seinen zwei Gesellen mit der Kutsche in die Stadt gefahren kam, sah er den Abt schon von weitem stehen, die Reisenden herausziehen und zum Kirchbau bitten.

Da grummelte es im Meister: „Wir haben doch keine Zeit den Tag unbezahlt zu verplempern!“, worauf ein Geselle die Idee vortrug, er könne sich ja totstellen, einen Leichenzug würde der Abt sicher nicht aufhalten. Gesagt, getan: der junge, kerngesunde Mann legte sich längs auf den Kutschbock, sein Gesicht ward abgedeckt und mit Trauermiene fuhr der Tross in Wernigerode ein. „Gott zum Gruße", sprach der Abt und setzte hinzu „Der Herr im Himmel behüte euch auf euren Wegen, doch bitt ich euch noch vor dem Segen, die Hand an unsere Kirche zu legen!"

„Himmel hilf und Gott kann’s bezeugen, dass wir das herzlich jern tun wollten", entgegnete da der Meister „doch leider führ'n wir 'nen Toten mit uns. Der muss rasch nach Haus' und unter die Erde!" – „Führe den Namen des Herrn nicht mit Falschheit in einem Satz“, gab Warin streng zu bedenken. „Helft ihr nun beim Kirchbau, wie’s der Papst jüngst bestimmte?“ – „Nein, juter Mann, Gott ist unser Zeuge: Wir müssen zuerst den Toten überführ'n, beim nächsten Mal frailich jern!“, schwor der Tischlermeister. „So möge euch Gott nach euren Taten geben, hier mein Segen!", sagte Warin traurig, worauf die Kutsche langsam weiter über die alte Pflaster-straße holperte.

Nach einer ganzen Weile, der Abt war längst aus dem Blickfeld verschwunden, lachte der Meister und beglückwünschte seinen Gesellen für die gelunge Finte. „Aber nun ist jut mit deinem Schabernack, werd' balde wieder wach, du willst doch wohl nich den janzen Tach verschlapen?" Der sich Totstellende rührte sich aber nicht. Auch nicht nach dem zweiten mahnenden und dem dritten aufbrausendem Anrufen des Meisters. Wie nun der zweite Geselle das Gesicht abdeckte, da stockte ihm der Atem: Vor ihm lag sein Kumpan mit kreidebleichem Antlitz, aufgerissenem Mund und Augen, wirklich entseelt darnieder. Da verstanden die Lebenden die Lehre: Man soll mit dem Tod keine Späße treiben und nur sagen, was man wirklich auch meint! (aufgeschrieben nach Bechstein)

Die Sage von der Harburg

Früher stand das Schloss der Grafen zu Stolberg-Wernigerode noch auf einem anderen Berge, auf dessen Kuppe nur wenig Platz war. Diese Harburg bestand nur aus einem großen, geräumigen Wohnturm, der aber nicht einmal für jene Zeit sehr komfortabel gewesen sein soll. Und da sich die Macht des jungen Grafen Botho stetig mehrte und auch die Anzahl der Ritter und Dienerschaft wuchs, wuchs in Botho bald der Wunsch heran, seine Feste auszubauen. Abends stand er mit seiner tugendhaften Gemahlin Mechthildis auf dem Turm, blickte weit in das idyllische, hügelige Land und sprach zu ihr: „Sieh, wenn dort unsere Feste stünde, könnte man anbauen, bequeme Zimmer, die auf großen Kellergewölben ruhen. Eine stattliche Kapelle würden wir der heiligen Jungfrau errichten. Starke Mauern mit Zinnen und Brustwehr könnten uns schützen. Um die ganze Feste würde ich einen tiefen Graben anlegen lassen, aus dem sich ein hoher Wall erhebe!" Mechthildis hatte ihrem Mann schweigend zugehört und erwachte dann, wie aus einem Traum heraus: „Liebster, mir kam gerade in den Sinn, du könntest unseren guten Schutzgeist bitten, diesen Wunsch zu erfüllen. Noch immer hatten wir seinen Segen!“

Noch in dieser Nacht betrat der Graf den tiefen Höhlengang unter der Harburg – der Fackelschein beleuchtete nur spärlich die in den Felsen gehauenen Wände – den viele Generationen vor ihm schon herabwandelten, aber nur an besonderen Tagen und nur um den Göttern zu opfern. Da kniete Botho nun vor dem Altar und sprach: „Schutzgeist, bitte gewähre mir meinen Wunsch ...!“ Wie der Graf wenig später neben seiner Gemahlin im Schlafgemach lag und die Glocke der kleinen Burgkapelle zur Geisterstunde schlug, da rumorte es in der ganzen Burg, aber nicht unheimlich. Sanfte Klänge begleiteten das Treiben, worin eine gute Hoffnung lag. So schliefen das Grafenpaar und die Wachen und das Gesinde ganz friedlich und jedermann träumte von einem Leben in Fülle, was ganz Unterschiedliches hieß.

Wie der Graf am andern Morgen seine müden Glieder streckte, sich langsam von seinem Lager erhob und nur aus den Augenschlitzen aus dem Fenster des Schlafgemachs blickte, da erschrak er bis ins Mark. „Bei allen guten Geistern, Mechthildis, ... komm rasch hierher ... das musst du sehen!", rief er, plötzlich hellwach geworden. Nun stand auch sein Weib mit offenem Munde neben ihm und blickte auf die Stadt herunter, die plötzlich so nahe zu Füßen der Burg lag. „Sieh!“, sagte Botho und wies nach oben, „Dort oben stand die Harburg noch gestern! Wie’s scheint, hat sich der Wunsch in nur einer Nacht erfüllt – wir wollen’s dem Hausgeist danken!“ Noch am selben Tage begann die Arbeit am neuen, großen Schloss, von dessen Zauber du dich heute noch überzeugen kannst! (aufgeschrieben nach Cramm)

Die rote Forelle von Wernigerode

Als Wernigerode schon eine stolze kleine Stadt war, viele schöne Kirchen und Türme und eine feste Stadtmauer besaß, da dachte sich der Teufel: „Ich will es doch nochmal versuchen, durch die Mauern zu schlüpfen, Unfrieden zu stiften, die Wernigeröder zu versuchen, denn dort wo Reichtum und Blüte ist, da keimt auch Neid und Niedergang!“ - Als Händler verkleidet einfach durch die Tore zu spazieren, war dem Teufel nicht vergönnt, denn dort hingen ja überall Kreuze, daran konnte er nicht vorbei. Durch die Lüfte sausen, direkt durch die Fenster und Türen hindurch, ging desgleichen nicht, war doch an den meisten reichen Häusern der Drudenfuß ins Gebälk gehauen, das Hexenmal wehrte ihn, den bösen Höllenfürsten, ab.

Also verwandelte sich der Teufel in eine riesige Forelle. An der niedrigsten Stelle Wernigerodes, wollte er durch den Kanal in die Stadt eintauchen, unter den Straßen Unheil stiften und aus dem Fletkanal heraus – der Rinne einer jeden mittelalterlichen Straße, ...

...in dem die aus den Fenster gekippten Fäkalien zusammenliefen – Pest und Cholera über das Harzstädtlein bringen. - Rasch schwamm die Riesenforelle also zum „Klaren Loch" – welches von den Wernigerödern aus Spotte so benannt ward, weil hier der Ekel aus allen Ecken Wernigerodes zusammenströmte und eine braunschleimig stinkende Brühe bildete – tauchte unter, was selbst dem Teufel teuflisches Unbehagen bereitete, ... konnte die Flosse vor Augen nicht sehen, sich im Schlamm kaum vorwärts bewegen, aber doch, es musste gelingen ...! Zentimeter für Zentimeter wand sich der Teufelsfisch weiter, wusste, es wäre nicht mehr weit bis in die Stadt, nicht mehr weit, zu den armen reinen Seelen, die seinen Verlockungen nicht zu widerstehen wüssten ..., nicht mehr weit, die ganze Stadt zu verderben ...!

Die Wernigeröder aber, so spinnefeind sie sich manchmal auch sind, wussten zu jeder Zeit bei Gefahr zusammenzuhalten und achtsam zu sein. Vorsorglich hatte man vorm „Klaren Loch“ ein Gitter angebracht. Als man nun eine riesige Forelle dahinter schwimmen sah und wütend fauchen hörte, wusste man wohl (weil sie sich so seltsam geziemte), dass nur der Beelzebub dahinterstecken konnte. Man ließ einfach auch auf der anderen Seite der Stadtmauer ein Fallgitter herunter und der Teufel war im Klaren Loch gefangen, dazu verdammt in der Brühe zu schwimmen und kam nicht in die Stadt hinein und nicht in seine Berge hinaus. - Da schrie er, winselte und bat, dass man ihn doch erlösen solle, er würde auch schwören, die bunte Stadt am Harz nimmer mehr aufzusuchen. So kam es dann auch, er ward aus dem sumpfigen Verließ ins Freie gelassen und wollte schon aus Scham nie wieder nach Wernigerode kommen.

Wenn man im Harz sagt: „Des Teufels Zank erkennt man am Gestank!", dann liegt es ganz sicher an dieser Begebenheit! Übrigens ist die Forelle noch heute im Stadtwappen zu sehen, vielleicht als Symbol dafür, dass wenn man zusammenhält und achtsam ist, gemeinsam selbst den Teufel bezwingt! (einem Stadtführer abgelauscht & aufgeschrieben)

Der Teufel und der Brunnenbauer

Graf Christian beschloss eines Tages eine Wasserleitung zu seinem Schloss legen zu lassen. Zu beschwerlich war für seine Knechtschaft das Hinaufrollen und Schleppen der Fässer bis zur Feste, vor allem in allzu kalten Wintern. Damals lebte in Wernigerode der Brunnenbauer Wittneben, der den Auftrag bekam die Leitungen zu legen. Ein guter Lohn winke ihm, wenn er es vollbringen würde. Wenn er aber scheitere, könne er sich doch getrost eine andere Heimat suchen.

Was sollte der Brunner tun? Er musste dieses Wagnis eingehen, doch überall wo er grub, stieß er auf hartes Gestein. In seiner Verzweiflung ging er zu einer bekannten Wernigeröder Wahrsagerin, die ihm verhieß, er würde scheitern, wenn er nicht den Teufel zur Mithilfe bewegen würde. „Der Teufel? Der will für seine Hilfe doch sicher meine Seele!" Sie gab ihm recht, lachte aber und flüsterte ihm ins Ohr, wie Urian zu nasführen wäre. Zum Abschied rief sie ihm nach: „Vergiss nicht, der Teufel ist dumm und wir Harzer sind schlau!"

Zur selben Nacht bestieg der Brunnenbauer den Brocken, rief nach dem Teufel, der auch gleich kam und dem Menschen tatsächlich seine Hilfe zusagte, bekäme er nur die Seele. „Erst will ich die vollendete Arbeit sehen, dann siehst du deinen Lohn“, sagte Wittneben entschlossen. Damit war der Gehörnte zufrieden, zog mit seinen Höllengehilfen nach Wernigerode und vollbrachte das Gewünschte leicht. „So, das Werk ist vollbracht – ich will meinen Lohn!“, grummelte der Teufel am nächsten Morgen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

„Gut, du bekommst die Hälfte von dem Gold, das mir versprochen ward!", sagte der Brunner. „Ich will deine Seele!“, schnaubte der Gehörnte „Ich will nichts and'res sehen!“ – „Meine Seele? Nein, das war nicht vereinbart. Aber du bekommst dreiviertel des Goldes!“, lächelte Wittneben, was Urian fuchsteufelswild machte.

Da geschah, was die Wahrsagerin verhieß: „Wenn du den Teufel narrst und wütend machst, dann zieht so dichter Nebel auf, dass du die Hand vor Augen nicht sehen kannst. Also sage ihm „Du willst das fertige Werk sehen!" – das wird er dir dann grummelig nicht erfüllen können.“ - „Ich sagte, ich will die Leitungen sehen!“, lachte der Brunner. „Kannst du in diesem Nebel irgendwas erkennen? Sogar das Schloss ist vom Himmel verschluckt. Teufelchen, lass in Gottes Namen von meiner Seele ab!“

Da erkannte der Teufel, dass ihn wieder mal ein Menschlein an der Nase herumgeführt hatte und verschwand mit lautem Getöse in Richtung Brocken. In Wernigerode hat man ihn seitdem nie mehr gesehen. Der Brunner aber bekam vom Grafen den versprochenen Lohn und konnte bis zum Lebensende recht gut damit leben. (aufgeschrieben nach Schrader)

Hexensabbat am Brocken

Ein Mann war einst aus seiner Heimat Wernigerode geflohen und suchte als preußischer Soldat Obdach, weil eine Hexe ihn suchte und töten wollte. Wie‘s dazu kam, erzählte er einem ungläubigen Kameraden: „Ich war am Blocksberg zu Hause, hütete mit einem Freund am ersten Mai die Schafe und wir fragten uns, wie viele Hexen es wohl in Wernigerode geben würde. Wir beschlossen, das herauszufinden, legten einen Kreis von Drachenwurz, Schlangen- oder Hörnkenkraut genannt, um uns her und warteten auf die Nacht. Um elf kamen die Hexen auf Besen, Heugabeln und anderen Geräten herangeflogen. Zuletzt preschte unsere Nachbarin auf ihrem Kutschbock heran, der von keinem Gespann gezogen ward und wir riefen ihr zu: „Nawersche, nehmt uns doch mit!“ Tatsächlich ließ sie uns aufsteigen, fuhr wie der Blitz davon und setzte uns am Blocksberg ab. Rasch legten wir wieder einen Kreis aus unseren Kräutern und konnten nun in Sicherheit das Teufelsfest beschauen. Da tanzten tausend Gäste um die riesigen Feuer am Hexenaltar und der Teufelskanzel und soffen ihre Waldmeisterbowle, wie die Nawersche sagte. Eine Musik ward da gespielt, sag ich dir, die so betörend klang, als ob die Engel sängen.

Und so schön waren die Damen, die uns verlockten, aus dem schützenden Kräuterkreis herauszukommen, dass wir uns gegenseitig die Augen zuhielten. Der Leibhaftige ordnete die Tänze, sang und tanzte mit und wir konnten nicht anders, als die Schalmei vorzuziehen und mitzumusizieren.

Da kam der Teufel auf uns zu, gab uns bessere Instrumente, auf denen wir die ganze Nacht zum Tanze spielten. Stille sollten wir nur sein, als die ganze Schar zum Hexenwaschbecken trat, sich mit Blut zu weihen und dem Teufel den Treuekuss zu geben. Was dann geschah, traue ich mich gar nicht laut zu sagen ..., bis sich der Spuk Punkt zwölf im Nebel auflöste. Nur Urian stand noch an seinem Altar, kam auf uns zu und fragte, was wir fürs Aufspielen haben wollten. Wir sagten ihm, dass wir seine Schalmeien gerne behalten wollten, was er gestattete. Am andern Morgen aber sahen wir, dass die Instrumente Katzen waren, die Mundstücke waren deren Schwänze, die wir ganz abgenagt hatten. Ich traute mich nicht mehr nach Hause und kam hierher. Meinen Bruder tötete die Hexe, weil er nach Wernigerode zurückkehrte.“ (aufgeschrieben von Kiehne in „Sagenhafter Brocken“)

Das Allheilmittel

In Wernigerode hat einmal ein Mann seine Frau so unglaublich liebgehabt, dass er ihr sagte: „Mein Herz, gleich welcher Schmerz, ich würde alles für dich tun!" Bald sollte er Gelegenheit haben, diesen Schwur zu beweisen, denn sie lag totenbleich auf dem Bett darnieder und flehte: „Bitte nimm den Fuchs noch heute Nacht zwischen 11 und 12 Uhr und sprich: Fahre hin, nach dem Blocksberg steht mein Sinn! Dort wird eine uralte Muhme auf dich zukommen. Bitte sie dir drei ihrer Haare zu lassen. Eile, sonst bin ich des Todes!" – Ohne lang zu überlegen, sattelte der Mann den Fuchs und sprach die Formel „Fahre hin. Nach dem Blocksberg steht mein Sinn!“, da setzte das Pferd gleich zu einem Sprunge an, flog durch die Lüfte zum Brocken hin, an dem um ein großes Feuer viele Weiber tanzten. Manche ganz und gar nackend, ansehnlich und reizvoll, andere wiederum, mit stinkendem Muff und finsterer Miene so abstoßend, wie er bisher keine sah. Am hässlichsten aber war ein steinaltes, pickelübersätes, hakennäsiges Weib, das schnurstracks auf den jungen Burschen zustapfte, ihm mit ihrem Besen links und rechts um die Ohren hieb. „Das muss sie sein, von dem mein Weib sprach", dachte der Mann. „Weiß Gott, woher mein Weib dich Furie kennt – los, gib mir drei deiner Haare!“

Kaum hatte die Kirchglocke 12 Uhr geschlagen war der Mann wieder zuhause und brachte das Gewünschte seiner Frau! „Aber da ist ja Blut an den Haaren ..., was hast du getan?" „Was soll ich sagen, Liebste. Gewehrt hat sich das alte Weib, schlug mit dem Besen auf mich ein, immer wieder ... - da hab ich nicht lang gefackelt, nahm einen Knüppel, erschlug diese garstige Hexe und brachte eben den halben Schopf dir mit. Heißt’s nicht > Viel bringt viel?!< Sollst ja rasch gesund werden.“ – Da schrie das Weib, wie sie die Worte des Liebsten vernahm, jammerte und tobte und dicke Tränen quollen ihr aus den Augen. „Du hast meine Großmutter erschlagen!“ - Jetzt wusste der Mann, dass sein Weib eine Hexe war, ging hin zum Rathaus, zeigte sie als Zauberische an und liebte es, wie wohlig das Feuer knisterte, waren ihre Schreie erst einmal verhallt! (aufgeschrieben nach Kahlo)

Der Menhir von Benzigerode

N och bevor die Harburg und die Schlösser von Wernigerode und Blankenburg entstanden – in einer Zeit als Zwerge und Riesen noch ganz selbstverständlich auf der Erde wandelten – lag auf dem Struvenberg bei Benzingerode eine stolze Fliehburg. Darinnen wohnte eine schöne Prinzessin, strahlend wie die Sonne und ebenso allein, wie Jene, die uns allmorgendlich von der Dunkelheit erlöst. Solch eine Erlösung durch sie wünschte sich jeder Freier, der um sie zu werben vor ihre Burg ritt, doch niemals gab sie sich in die Hand eines gewöhnlichen Menschen.

Da kamen drei Riesen des Weges und freien, sollte sie der Stärkste von ihnen. Um ihre Kraft zu beweisen, fand ein Wettwerfen statt. Alle drei standen auf der Struvenburg, einen gewaltigen Felsbrocken in ihrer Hand und schleuderten ihn, soweit sie nur konnten. Der Kräftigste hatte den größten Stein am weitesten geworfen – tief versank der Koloss in der Erde und steht noch heute mitten auf einem Feld. Dieser lange Stein ist der Menhir von Benzingerode.

Jetzt stand der Sieger fest und das Hochzeitsfest, in welchem sich die Schöne in die feste Hand des Riesen gab, es ward auch gebührend gefeiert, doch wo ein Riese thront und wohnt, da bleibt nicht lange ein Stein auf dem anderen, so dass heute von der Struvenburg bis auf einzelne Erdwälle nichts mehr zu sehen ist!

Andere wiederum sagen, die drei Riesen hätten vom Regenstein aus geworfen, womit ein Sieger leicht hätte ausgemacht werden können. Jener Kraftprotz, der den Benzingeröder Menhir am weitesten geschleudert hatte, feierte sich schon als Sieger. Allein die beiden anderen beschwerten sich, waren doch die Steine alle unter-schiedlich groß und schwer. So war's natürlich der Leichteste, der am weitesten flog.

So stritten sich die Riesen weiterhin darum, wer die Schöne freien darf, schlugen sich umherliegende Felsbrocken auf ihre Bumsköppe, dass es nur so krachte im Harz und die Jungfrau? Sie harrte der Dinge tagein, tagaus, jahrein, jahraus, bis es ihr als alte Jungfer auch zu blöde war, noch länger auf den Antrag eines Blödkopps zu warten.

Von einer Hoch-Zeit der ganz anderen Art wird in der Sagenwelt vom Menhir aber auch erzählt: Unsere Ahnen feierten acht heilige Tage bzw. Nächte, vier Sonnen- und vier Mondfeste. Auch Geburt und Tod waren Hochfeste, schließlich kam eine Seele von den Göttern und fuhr am Ende eines Lebens wieder zurück in die heiligen Hallen. Von manchen Menschen aber wusste man schon zu Lebzeiten: Sie würden nicht freiwillig hinauf zu den Göttern wandeln, sondern lieber in die sieben Höllen hinabsteigen und mit den Teufeln speisen wollen. Solch ruhelose Seele, ein sogenannter Plagegeist, würde auch nach seinem Tode, ruhelos umherirren und den Verbliebenen das Leben zur Hölle machen. Noch schlimmer: Der Plagegeist könnte als Wiederkehrer die Lebenden zum Tode bringen. Um die Toten zu bannen, stellten unsere Ahnen bei Benzingerode drei Menhire auf, murmelten Bannflüche, ritzten Runen und umgaben dieses magisch gebildete Dreieck mit starken Schutzzaubern. Dieser Zauber wirkt noch heute und keiner unserer Vorfahren wäre freiwillig den Menhiren oder dem umsäumten Gebiet, dem Reich der Toten, zu nahegekommen.

Dann aber kam die Zeit des großen Vergessens. Die Grabhügel verschwanden, die Gegend wurde besiedelt, Straßen mitten durch das Land der Toten und auf ihren Leibern gezimmert, die Menhire versetzt und der bannende Zauber zerstört. Hellsichtige wollen sehen können, wie die unruhigen Seelen als Schatten wieder aufbegehren und aus den Gräbern auferstehen, wie sie sich an die vorbeirasenden Autos heften und das nervöse Böse, das unstillbare Aufbegehren überall in die Welt hinaus flieht.

Als der Bannbereich noch geschlossen war, da konnte man – freilich nur selbst gut in Licht gebettet, mit schützenden Zauberkräutern am Mann – zu einem der Menhire gehen. Bedacht an Ort und Stelle fragen, ob man nähertreten darf. Vernahm man ein „Ja“, fragte man, ob es einem auch guttun würde näher zu treten. Spürte man wieder ein „Ja“ bat man darum, sein Leiden auf den Menhir übertragen zu dürfen. Kam zum dritten Mal ein „Ja“, trat man achtsam näher, übergab das Opfer, eine Speise für die Toten, und hielt den erkrankten Körperteil an den kantigen Menhir. Sofort sog der alle bösen Geister hinaus. Doch Vorsicht: Was sich so einfach anhört – seine Krankheit spielend loszuwerden – ist wahrlich gefährlich, zieht der Menhir eben nicht nur das Böse aus dir heraus, sondern auch alle Lebendigkeit, alles Gute und die vergrabenen Seelenschlecken unter ihm, die fressen sich schleckend und schmatzend satt. Und wenn du nicht aufpasst, bleibt von dir nichts weiter übrig als bloß eine fahle Hülle, die kraftlos nach Hause trottet, um lebendiger Toter zu sein!

Wieder andere sehen in dem Menhir ein Denkmal auf dem Grab eines in der großen Schlacht gestorbenen Helden. Eine ferne Bekannte erzählte, dass sie zu diesem Seelenthron zu pilgern pflegt, wenn etwas unstimmig wäre in ihrem Leben. Achtsam würde sie aufs Feld schreiten, sich vor dem Menhir verbeugen, direkt daran niederknien und eine Opfergabe ablegen. Dann wäre es ihr erlaubt an diesem Stein zu verweilen, dann könne sie ihm Geschichten und auch Antworten auf ihre Fragen ablauschen und noch nie, wirklich niemals, wäre sie kraft- und ratlos nach Hause gegangen!

Woher Benzingerode seinen Namen hat

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