Sammelband: Lunadar 1+2 - Betty Schmidt - E-Book

Sammelband: Lunadar 1+2 E-Book

Betty Schmidt

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Beschreibung

Dieser Sammelband enthält Teil 1 und 2 der Urban Fantasy Reihe Lunadar.

~ eine unerfahrene Hexe ~
~ eine Welt voller Magie, übernatürlicher Wesen und Gefahren ~
~ ein Geheimnis, das sie das Leben kosten könnte ~
~ eine Geschichte über Liebe, Freundschaft und Verrat ~

Band 1: Das Erbe der Carringtons

Nach dem Tod ihrer Mutter entwickelt Sarah Lewis magische Fähigkeiten. Fasziniert von der neuen Welt, die sich ihr offenbart, findet sie jedoch heraus, dass das Leben einer Hexe nicht nur verführerisch, sondern auch tödlich sein kann. Umgeben von Magie, Dämonen, Werwölfen, Vampiren und einem mysteriösen Verfolger, der sie einfach nicht in Ruhe lassen will, versucht sie, die Geheimnisse ihrer Vergangenheit aufzudecken. Darüber hinaus muss sie lernen, sich selbst zu verteidigen, um sich zu schützen und das Leben, und den Willen, des Mannes zu retten, in den sie sich mehr als nur ein bisschen verlieben könnte.

Band 2: Der Orden der Meander

Nach ihrem turbulenten Eintritt in die Welt des Übernatürlichen möchte Sarah sich erholen und genießen, dass sie noch am Leben ist. Dazu gehören Dates mit Ryan, der Einzug in ihr neues Haus mit ihren besten Freundinnen und sich am Strand zu entspannen. Was sie nicht gebrauchen kann, sind die Feinde ihres Vaters und ein skrupelloser Jäger, für den alles Übernatürliche automatisch böse ist. Natürlich interessiert es niemanden, was sie möchte. Ryan ist distanziert, Damien schikaniert sie, und bevor sie weiß, wie ihr geschieht, wird sie nicht nur verfolgt, sondern beobachtet auch noch einen Mord. Langweilig scheint das Leben einer Hexe zumindest nie zu werden.

Altersempfehlung: 16+ (wegen ein paar erotischer Szenen)

Warnung: Wer keine Cliffhanger mag, sollte den Epilog von Lunadar 2 erst kurz vor Erscheinen des 3. Teils der Reihe lesen. Das Buch an sich hat eine abgeschlossene Geschichte, der Epilog ist eine Überleitung zum nächsten Band, sozusagen eine Art Teaser.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Betty Schmidt

Sammelband: Lunadar 1+2

Das Erbe der Carringtons & Der Orden der Meander

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Vorwort

Sammelband:

 

Lunadar I: Das Erbe der Carringtons

&

Lunadar II: Der Orden der Meander

 

© 2016 Betty Schmidt

 

1. Auflage

 

~ * ~

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte sind vorbehalten. Das Buch darf ohne Einwilligung der Autorin weder vollständig noch in Teilen schriftlich, elektronisch oder in anderer Form reproduziert werden. Davon ausgenommen sind Buchrezensionen, -besprechungen und Ähnliches. Diese dürfen kurze Abschnitte zitieren.

Personen, Orte und Handlungen innerhalb des Buches sind frei erfunden und entstammen der Fantasie der Autorin. Ähnlichkeiten mit realen Personen, Orten oder Ereignissen sind Zufall und un­beabsichtigt.

 

~ * ~ 

 

Buch Design:

Charming Designs - https://supr.com/charmingdesigns

 

Bilder im Cover:

Anja Kaiser/Fotolia.com, Clker.com, Graphicstock.com, Pixabay.com

 

Lektorat & Korrekturen:

Ulrike Fair, Lina Lieblich, Jutta Schmidt, Thomas Hohn, Alexandra Höchtl, Michaela Sipek, Juliette Manuela Braatz

 

weitere Mitwirkende:

Jessica Holmes, Arlette Heiner, Nicole Ziegler, Tina Barth, Steffi v. d. Driesch, Manfred Lukaschewski und die kreativen Mitglieder der Fantasy und Autoren Foren:

http://www.fantasy-schreibforum.com

& http://www.fantasy-foren.de

 

~ * ~ 

Dieses E-Book beinhaltet Teil 1 und 2 der Fantasy Reihe Lunadar. Bisher erschienen:

1. Das Erbe der Carringtons (Buch 1)1.1 Überraschende Wendung (Extra-Szene zu Buch 1)1.5 Sarahs Interview (Charakterinterview in Form einer Szene)2. Der Orden der Meander (Buch 2)Magische Weihnachten (Kurzgeschichte) Aus Verständnisgründen wird empfohlen, die Bücher in der angegebenen Reihenfolge zu lesen. Das Abenteuer beginnt ... ~ eine unerfahrene Hexe ~~ eine Welt voller Magie, übernatürlicher Wesen und Gefahren ~~ ein Geheimnis, das sie das Leben kosten könnte ~~ eine Geschichte über Liebe, Freundschaft und Verrat ~ Nach dem Tod ihrer Mutter entwickelt Sarah Lewis magische Fähigkeiten. Fasziniert von der neuen Welt, die sich ihr offenbart, findet sie jedoch heraus, dass das Leben einer Hexe nicht nur verführerisch, sondern auch tödlich sein kann. Umgeben von Magie, Dämonen, Werwölfen, Vampiren und einem mysteriösen Verfolger, der sie einfach nicht in Ruhe lassen will, versucht sie, die Geheimnisse ihrer Vergangenheit aufzudecken. Darüber hinaus muss sie lernen, sich selbst zu verteidigen, um sich zu schützen und das Leben, und den Willen, des Mannes zu retten, in den sie sich mehr als nur ein bisschen verlieben könnte. Das Abenteuer geht weiter ... Nach ihrem turbulenten Eintritt in die Welt des Übernatürlichen möchte Sarah sich erholen und genießen, dass sie noch am Leben ist. Dazu gehören Dates mit Ryan, der Einzug in ihr neues Haus mit ihren besten Freundinnen und sich am Strand zu entspannen. Was sie nicht gebrauchen kann, sind die Feinde ihres Vaters und einen skrupellosen Jäger, für den alles Übernatürliche automatisch böse ist. Natürlich interessiert es niemanden, was sie möchte. Ryan ist distanziert, Damien schikaniert sie und bevor sie weiß, wie ihr geschieht, wird sie nicht nur verfolgt, sondern beobachtet auch noch einen Mord. Langweilig scheint das Leben einer Hexe zumindest nie zu werden.

 

~ * ~  Altersempfehlung: 16+

 

~ * ~  Warnung: Wer keine Cliffhanger mag, sollte den Epilog von Lunadar 2 erst kurz vor Erscheinen des dritten Teils der Reihe lesen. Das Buch an sich hat eine abgeschlossene Geschichte, der Epilog ist eine Überleitung zum nächsten Band, sozusagen eine Art Teaser.

 

~ * ~ 

 

 

Vielen Dank an alle, die mir geholfen haben! Ohne Euch wären meine Bücher nicht möglich. Vor allem möchte ich mich bei meiner Mutter bedanken, die immer an mich geglaubt und mich unterstützt hat, und bei Ulrike, die mir ständig mit Rat, Ideen, Verbesserungsvorschlägen und Korrekturen zur Seite steht.

 

Another person who deserves a very big thank you is my American friend Jess, who was always there to listen to my troubles, helped me plot and agreed to make me a great homepage.

 

Darüber hinaus geht ein ganz dickes Dankeschön an Lina und Thomas, die mich kaum kannten und trotzdem einverstanden waren, für mich das Korrekturlesen zu übernehmen. Danke für eure ehrliche Meinung und all die wertvollen Tipps!

 

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich auch bei euch, den Lesern, zu bedanken. Zum einen für eure Geduld und zum anderen für all die lieben Worte, die ich nach Teil 1 über Facebook, meinen Blog und auf anderen Wegen erhalten habe. Als Autorin freue ich mich natürlich, wenn meine Bücher gekauft werden. Noch wichtiger ist es mir allerdings, dass sie euch gefallen, vielleicht sogar ein Lächeln auf euer Gesicht zaubern. Deshalb freue ich mich ganz besonders über Rückmeldungen & Rezensionen. Vielen Dank! <3

 

Und nun wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen und eine zauberhafte Reise durch Lunadar!

Lunadar 1: Das Erbe der Carringtons

Lunadar

 

 

Band I

 

 

Das Erbe der Carringtons

 

 

Betty Schmidt

 

 

Fantasy-Roman

1. Magie

Es war bereits dunkel. Nur der sanfte Schein der Straßenlaternen erhellte den Bürgersteig ein wenig. Ein leichter Wind wehte. Sarah Lewis zog ihre Jacke enger, um sich warm zu halten. Mit jedem Schritt schien es jedoch kälter zu werden. Oder war es gar nicht die Kälte, die sie beunruhigte? Sie fühlte sich unsicher. Vielleicht hätte sie nicht allein nach Hause gehen sollen? Eigentlich brauchte sie nur fünf­zehn Minuten von der Party, auf der sie gewesen war, bis zu ihrem Studentenwohnheim. Jetzt kam es ihr sehr weit vor.

Verunsichert sah sie sich um. Nichts. Nur Dunkelheit. Sie war allein. Langsam ging sie weiter, lauschte angespannt. Da war doch etwas. Hinter ihr. Abrupt blieb sie stehen. Schritte verhallten. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Eine Gänsehaut ließ sie erschauern. Hastig suchte sie die nächtliche Straße ab. Nichts. Bildete sie sich das alles ein? Vermutlich. Sie seufzte über sich. Dennoch ging sie schneller. Das unangenehme Gefühl wollte nicht von ihr ablassen.

Plötzlich hörte sie ein Knacken. Direkt hinter ihr. Leise nur. Für sie klang es laut wie ein Pistolenschuss. Erschrocken wirbelte sie herum und starrte in das von Dreck verschmierte Gesicht eines Mannes. Unter seiner Kapuze konnte sie nur einen grimmigen Mund erkennen. Ihr Herz fing an, laut zu schlagen. Blitzschnell griff er nach ihrer Tasche. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Wäre sie nicht so überrascht gewesen, hätte Sarah ihm die Tasche aus Angst überlassen. Stattdessen klammerte sie sich mit aller Kraft daran fest.

 „Gib her, Göre“, rief der Mann und zog fester. Sarah roch seinen nach Alkohol stinkenden Atem.

Als sie immer noch nicht losließ, zog er ein Messer. Starr vor Angst, verfolgte sie die blitzende Klinge, die in rasender Geschwindig­keit näher kam. Sie kniff die Augen zu, ließ die Tasche los und betete, dass er sie nun in Ruhe ließ. Abgesehen von einem leichten Ziehen in ihrem Magen passierte nichts. Sie blinzelte zaghaft und sah sich um. Der Mann war verschwunden, die Gefahr gebannt.

Mit hämmerndem Herzen atmete Sarah ein und aus, bevor sie ihre Umgebung genauer wahrnahm. Verwirrt drehte sie sich einmal um ihre Achse. Der Raum wurde nur notdürftig von einer Straßenlampe durch das Fenster beleuchtet, dennoch erkannte Sarah, dass sie in ihrem Zimmer stand. Das Ziehen in ihrem Magen fiel ihr wieder ein. Als sie es gefühlt hatte, war ihr nicht klar geworden, was es bedeutete. Sie hatte sich unbewusst in Sicherheit gebracht. Erleichtert atmete sie auf, schaltete das Licht ein und setzte sich auf ihr Bett.

Das Gesicht in den Händen vergraben, saß sie für einige Minuten still. Es war wieder geschehen. Seit Monaten passierten ihr bereits seltsame Dinge. Sarah konnte sich die Ereignisse nicht erklären und hatte sich immer gewünscht, sie würden aufhören. Diesmal tat sie das nicht. Der Mann hätte auf sie einstechen und sie töten können, wenn sie nicht wieder auf mysteriöse Weise von einem Ort verschwunden und an einem anderen aufgetaucht wäre.

Es hatte kurz nach dem Tod ihrer Mutter begonnen, vor etwas über einem Jahr. Sarah erinnerte sich noch genau und sah es beinahe vor ihren Augen. Es war ein kalter, verregneter Tag gewesen und der Bus hatte - wie üblich - Verspätung. Eine Gruppe von Mitschülern tuschelte ein paar Meter entfernt. Ihren verstohlenen Blicken zufolge, ging es wahrscheinlich um den Tod von Sarahs Mutter. Es war die Sensation in Tohosé, dem kleinen Ort, in dem Sarah aufwuchs. Noch nie hatte es dort einen Raubmord gegeben. Viele schienen geradezu erpicht auf blutige Geschichten zu sein und zerrissen sich die Mäuler. Sarah hasste es, zusätzlich zu ihrem Verlust, auch noch im Mittelpunkt zu stehen. Sie wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Zum Glück wurden ihre Mitschüler mit einem Auto abgeholt, bevor sie dumme Fragen stellen konnten. Der Bus kam allerdings immer noch nicht, und Sarah sah ihre neugierige Nachbarin von Weitem kommen. In diesem Moment wünschte sie sich nichts mehr, als endlich zu Hause zu sein und sich in ihrem Bett verkriechen zu können. In der nächsten Sekunde stand sie in ihrem Zimmer.

Vorfälle wie diesen gab es im Verlauf der folgenden Monate mehrere. So sehr Sarah auch versuchte, nicht darüber nachzudenken oder sich einzureden, dass es eine plausible Erklärung gab, sie glaubte es nicht mehr. Einen Blackout zu haben oder sich in Gedanken zu verlieren, sodass die Zeit an einem vorbeiraste, war zwar möglich, aber dass es immer wieder passierte, war lächerlich. Wahrscheinlich würden die Meisten darauf bestehen, dass es nach dem Schock, den sie durch den Verlust ihrer Eltern erlebt hatte, nicht ungewöhnlich war, mal abzuschalten und nicht mitzubekom­men, wie die Zeit verging. Es klang auch einleuchtend. Allerdings gab es ein Problem bei dieser Erklärung. Egal wie weggetreten sie auch sein mochte, wenn sie wieder zu sich kam, müsste Zeit vergangen sein.

Sarah blickte zur Uhr auf ihrem Nachttisch. Vor zehn Minuten hatte sie die Party verlassen. Um bereits hier zu sein, hätte sie rennen müssen. Und wenn sie gerannt wäre, müsste sie außer Atem sein. Nein, sie war nicht gerannt, und es war auch keine Zeit verstrichen, zwischen ihrem Verschwinden von der Straße und dem Auftauchen in ihrem Zimmer.

Was passierte mit ihr? Stimmte etwas mit ihr nicht? War sie anders? Sofort fielen ihr Filme über Menschen mit Fähigkeiten ein: Hexen, Superhelden, Mutanten. Ein Schauer lief ihren Rücken hinunter. Sie konnte doch kein Mutant sein. Nein, bestimmt nicht. Handelte es sich vielleicht um … Magie. Sie hörte beinahe das Lachen ihrer Mutter, als sie das Wort dachte. Amanda Lewis hatte ihr bei jeder Gelegenheit mitgeteilt, was sie von Magie und dem Übernatürlichen hielt: absolut gar nichts. Geschichten über Zauberei, Vampire, Werwölfe und dergleichen gab es schon immer. Sarah fand diese interessant und aufregend. Als Kind glaubte sie sie sogar, aber ihre Mutter redete ihr das mit der Zeit aus. ‚Glaubst Du nicht, wir hätten schon längst Berichte und Videoaufzeichnungen über Vampire und andere Wesen gesehen, wenn es sie gäbe? Nein, das Übernatürliche ist nicht real und darüber auch nur nachzudenken, ist reine Zeitverschwen­dung“, sagte Amanda immer wieder. Sarah glaubte ihr. Warum auch nicht? Es kam ihr so vor, als wüsste ihre Mutter alles und die hätte ihre Tochter niemals angelogen. Aber vielleicht hatte sie es doch nicht besser gewusst? Sarah konnte sich eher mit dem Gedanken an Magie anfreunden als damit, eine Mutantin zu sein. Fantasy mochte sie mehr als Science Fiction.

Sarah seufzte. Mutmaßungen brachten nichts. Genauso wenig würde es ihr helfen, die Tatsache zu ignorieren, dass sie immer wieder von einem Ort verschwand und an einem anderen auftauchte. Es passierte und hörte sicher nicht auf, weil sie es sich wünschte. Nein, sie musste den Tatsachen ins Auge sehen, ihre Ängste überwinden und herausfinden, warum das alles geschah. Da es immer wieder passierte, egal wo sie sich aufhielt und wer sich in ihrer Nähe befand, deutete alles darauf hin, dass Sarah es selbst unbewusst auslöste. Sie musste mehr über Magie und übernatürliche Fähigkeiten in Erfahrung bringen. Vielleicht würde sie dadurch lernen, was auch immer sie tat, zu kontrollieren. Denn so konnte es nicht weitergehen. Was wenn sie es weiterhin aus Versehen machte und dabei etwas Schlimmes passierte? Sie könnte in einer Wand landen! Oder vor einem Auto. Sie atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Sie würde dieses ‚Verschwinden’ in den Griff bekommen! Einen Namen dafür zu finden, wäre auch nicht schlecht. Was machte sie da eigentlich? Beamen? Nein, das klang zu sehr nach Star Trek. Teleportation? Das hörte sich auch seltsam an, aber besser als beamen. Bis sie mehr darüber herausfand, würde sie ihre seltsame Fähigkeit Teleportieren nennen. Sarah lächelte. Jetzt hatte ihr Problem wenigstens einen Namen und erschien ihr seltsamerweise gleich erträglicher. Oder vielleicht war es erträglicher, weil sie ohne diese Fähigkeit wahrscheinlich niedergestochen worden wäre?

Sarah holte tief Luft und versuchte, nicht mehr daran zu denken, dass sie beinahe, wie ihre Mutter, das Opfer eines Raubmordes geworden wäre. Unruhig und ängstlich, stand sie auf und ging zum Fenster, um zu prüfen, ob es verschlossen war. Danach verließ sie ihr Zimmer, durchquerte den Gemeinschafts­raum der Wohneinheit, die sie sich mit zwei anderen Studentinnen teilte, und kontrollierte die Wohnungstür. Abgeschlossen. Sarah fasste in ihre Jackentasche und holte ihren Schlüssel heraus. Erleichtert schloss sie die Augen. Zum Glück hatte sie ihn in die Jacke und nicht ihre Handtasche gesteckt, die ihr gestohlen worden war. Sonst hätte sie mit Sicherheit kein Auge zugetan.

„Sarah?“, fragte plötzlich eine Stimme.

Erschrocken drehte Sarah sich um, schnappte nach Luft und versuchte, im Dunkeln etwas zu erkennen. Einen Moment später ging das Licht an.

„Selina! Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du dich nicht immer so anschleichen sollst?“

Selina Matar lächelte, und schon fühlte Sarah sich besser. Wie immer, wenn sie ihre Freundin sah, kam es ihr so vor, als würde die Sonne aufgehen. Sarah wusste nicht, wie sie das machte. Vielleicht hatte Selina die Gabe, andere aufzuheitern oder jeder reagierte so auf seine beste Freundin. Sarah wusste es nicht und es war ihr auch egal. Sie war einfach nur froh, nicht mehr allein zu sein.

„Bist du okay?“, fragte Selina. „Du siehst blass aus.“

„Ja, ja, alles in Ordnung“, erwiderte Sarah, zog ihre Jacke aus und strich sich ihre langen, braunen Haare aus dem Gesicht. „Ich bin nur etwas schreckhaft heute und mir ist kalt. Am besten mache ich mir einen Tee.“

„Gute Idee“, sagte Selina und lief zum Wasserkocher. „Ich könnte auch was Warmes vertragen.“

Sarah hängte ihre Jacke auf und ging zum Schrank, um Tassen zu holen. Warmer Tee würde ihr gut tun und ihr etwas geben, auf das sie sich konzentrieren konnte, während sie sich beruhigte. Selina würde sonst merken, dass etwas nicht stimmte. Sie wollte ihre Freundin nicht beunruhigen. Und außerdem, was sollte sie ihr erzählen? Ich wurde überfallen, aber es ist alles okay, ich habe mich in Sicherheit teleportiert? Ja, super Idee, das klang reif für die Klapsmühle.

„Sarah!“

Sie drehte sich um, als sie die beharrliche Stimme ihrer Freundin vernahm.

„Hörst du mir überhaupt zu? Ich rede mit …“ Selina brach ab und sah Sarah eindringlich an. „Was ist los? Und sag nicht wieder, dass alles in Ordnung ist. Du zitterst ja.“

Sarah blickte zu der Tasse, die sie aus dem Schrank geholt hatte und fest umklammert hielt. Sie zitterte tatsächlich. Schnell stellte sie das Gefäß weg, bevor sie es fallen ließ. Selina nahm ihre Hand und zog sie zum Sofa.

„Setz dich und erzähl. Vor mir kannst du sowieso nichts verheim­lichen, das weißt du doch.“

Seufzend sank Sarah auf die Couch. Selina kannte sie zu gut. Etwas vor ihr zu verheimlichen, war nicht leicht. Sie waren seit der ersten Klasse befreundet, hatten sich seitdem beinahe jeden Tag gesehen und fast alles zusammen gemacht. Nun teilten sie sich eine Wohneinheit im Studentenwohnheim. Niemand kannte Sarah besser. Sie hatte Selina immer alles anvertraut. Sie wünschte sich, es wäre immer noch so. Aber aus einem ihr unerfindlichen Grund, hatte sie es nicht übers Herz gebracht, ihrer besten Freundin von den seltsamen Vorkommnissen zu erzählen, die ihr seit Monaten schlaflose Nächte bereiteten.

„Ich wurde überfallen … jemand hat meine Tasche gestohlen … und er hatte ein Messer“, sagte sie auf einmal. Sie konnte oder wollte Selina nichts von ihren ‚Teleportations-Problemen’ erzählen, aber was sonst noch diese Nacht geschehen war, musste sie nicht verheimlichen. Wozu hatte man denn Freunde?

„Was?“, rief Selina. Schockiert rutschte sie auf dem Sofa näher. „Bist du verletzt? Was ist passiert? Hast du die Polizei gerufen?“

Als sie das beunruhigte Gesicht ihrer Freundin sah, bekam Sarah ein schlechtes Gewissen. So schlimm war es gar nicht gewesen, oder? Sie hatte diese ungewöhnliche Fähigkeit, mit der sie aus heiklen Situationen herauskam. Allerdings konnte sie diese nicht kontrollieren. Vielleicht war sie also doch in Gefahr gewesen?

„Nein, ich bin nicht verletzt“, sagte sie schnell, um Selina nicht weiter zu verunsichern. „Ich konnte entkommen.“ Sie schüttelte sich beim Gedanken daran, was alles hätte passieren können. Plötzlich war ihr eiskalt. Sie nahm eine Decke vom Ende der Couch und wickelte sich darin ein. Danach erzählte sie Selina detaillierter, was geschehen war … alles, außer wie sie entkam. Selina hörte besorgt zu, stellte ein paar Fragen und machte ihnen einen Tee.

Eine halbe Stunde später saßen die Freundinnen aneinan­der gekuschelt auf dem Sofa und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Es hatte Sarah gut getan, sich Selina anzuvertrauen, auch wenn sie einen Teil verschwieg. Zumindest fühlte sie sich weniger allein und nicht mehr so ängstlich.

„Du solltest Anzeige gegen Unbekannt erstatten“, unterbrach Selina die Stille. „Die Polizei findet den Mann bestimmt.“

„Ja, vielleicht“, murmelte Sarah und trank ihren Tee aus. Dann stand sie auf. „Jetzt gehe ich aber erst mal ins Bett. Ich bin müde.“

„Okay, aber wenn irgendwas ist, wenn du was brauchst, weißt du ja, wo du mich findest.“

„Ein Zimmer weiter?“, erwiderte Sarah mit einem Versuch zu lächeln, war sich aber nicht sicher, ob sie es schaffte.

„Gute Nacht“, rief Selina.

„Schlaf gut“, erwiderte Sarah wie automatisch, diesmal ein echtes Lächeln auf den Lippen.

„Und träum schön“, beendete Selina ihr nächtliches Ritual, das sie als Kinder gestartet hatten, wenn sie beieinander übernachteten.

Als Sarah ihre Zimmertür hinter sich schloss, fühlte sie sich wirklich besser. Sie zog ihren Schlafanzug an, schnappte sich ihren Laptop und legte sich auf ihr Bett. Es war an der Zeit, im Internet zu recherchieren. Vorher konnte sie sowieso nicht schlafen. Auch wenn es geholfen hatte, mit Selina zu reden, plagten sie immer noch hunderte von Fragen. Sie wollte endlich ein paar Antworten finden.

 

Am nächsten Tag machte sich Sarah nach ihrer letzten Vorlesung auf den Weg in die Altstadt. Bei ihrer Internetrecherche hatte sie einen Magie-Laden in Lunadar, der Stadt in der sie seit ein paar Monaten studierte und wohnte, entdeckt. Das Gebäude befand sich in der Nähe eines Restaurants, in dem sie und Selina öfter aßen. Seltsam, dass sie den Laden noch nie bemerkt hatte. Als sie davor stand, wunderte sie das allerdings nicht mehr. Der Eingang war in einer Seitengasse und ziemlich unscheinbar. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihn jemand zufällig fand. Wenn es mein Geschäft wäre, würde ich wenigstens ein größeres Schild über die Tür hängen, das Kunden anlockt, dachte sie. Aber das war nicht ihr Problem. Sie hatte ein anderes. Konnte ihr hier jemand helfen? Wahrscheinlich nicht.Aber nun bin ich hier und kann mich auch umsehen. Tief einatmend nahm sie ihren Mut zusammen und trat ein.

Von innen sah der Magie-Laden einladender aus. Mystische Symbole zierten die Wände, die hell-orange schimmerten. Sarah wusste nicht, was sie bedeuteten. Vermutlich sollten sie magisch aussehen und auf Kunden professionell wirken. Weiße und rötliche Lampen wechselten sich ab und gaben dem Raum eine angenehme Atmosphäre. Es roch nach Räucherstäbchen, aber nicht zu streng. Sarah relaxte und merkte, dass sie sich wohlfühlte. Noch vor wenigen Minuten war sie angespannt und unsicher gewesen, jetzt fühlte sie sich wie ausgewechselt. Wahrscheinlich war alles in diesem Laden Unsinn und Geldmacherei, aber wenigstens war es nicht unheimlich.

Sarah ging weiter in den Raum und sah sich genauer um. Eine Seite war voller Schmuck, darunter Armbänder, Ringe und Amulette. Auf der anderen Seite des Ladens befanden sich Regale mit Büchern. In der Mitte stand die Kasse auf einem Schränkchen, das Tarot-Karten und Zaubertrick Artikel enthielt. Sarah schmunzelte. Einer ihrer früheren Mitschüler hatte versucht, Mädchen mit Zaubertricks zu beeindrucken. Dauernd gab er vor, Geldstücke hinter Ohren hervorzuziehen. Wegen dieser Art von Magie war sie wirklich nicht hier. Aber was hatte sie erwartet? Zaubertränke und Hexen, die vor ihren Augen Zaubersprüche aufsagten, die auch noch funktionierten? Sie unterdrückte ein Lachen und schlenderte zu den Schmuck-Regalen. Sie wollte sich vor allem die Bücher genauer ansehen, war aber neugierig auf die Ketten. Selina hatte bald Geburtstag. Vielleicht würde sie hier etwas Schönes finden. Sie ignorierte die Armbänder und Ringe zugunsten der Amulette. Es gab einige mit Fledermäusen, Wölfen, Hexen auf Besen, Drachen und anderen mystischen Wesen. Sie lief weiter und die Anhänger veränderten sich. Nun gab es Symbole, von denen Sarah nur wenige kannte. Eines sah wie ein Kreuz mit einer Schlaufe aus, ein anderes wie drei Monde aneinander. Daneben gab es welche mit verschiedenen Arten von Sternen. Sarah erkannte ein Pentagramm. In einem Film, den sie vor Jahren gesehen hatte, wurde es als Symbol für Teufelsanbetung auf Mordopfern hinterlassen. Sarah erinnerte sich, wie ihre Mutter darüber gelacht hatte.

„Gute Wahl“, sagte eine Stimme, und Sarah bemerkte, dass sie nicht mehr allein war. Eine junge Frau in ihrem Alter, mit roten, lockigen Haaren, stand neben ihr und deutete auf die Kette, die Sarah in Gedanken verloren angestarrt hatte. „Das Pentagramm ist ein Schutzsymbol.“

Sarah musterte sie und fragte sich, ob sie wirklich daran glaubte.

„Außerdem ist es sehr beliebt und wird am meisten gekauft“, fügte die junge Frau hinzu.

Sarah mochte die offene Art ihres Gegenübers.

„Ariana Henley, ich arbeite hier. Der Laden gehört meiner Mutter.“ Sie streckte ihre Hand aus und Sarah ergriff sie.

„Sarah Lewis, und ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich die Kette nehme.“

„Ah, noch ein bisschen unschlüssig. Falls du Fragen hast, was die Symbole bedeuten, ich erkläre dir gern alles.“

„Ist es so offensichtlich, dass ich mich hiermit nicht auskenne?“, fragte Sarah.

„Ein wenig, aber ich habe dich hier auch noch nie gesehen. Die meisten unserer Kunden kenne ich bereits.“

Das macht Sinn, dachte Sarah. So versteckt, wie der Eingang des Ladens ist.

„Das Pentagramm ist also ein Schutzsymbol?“, hakte sie nach. „Ich habe in einem Film gesehen, dass es für Teufelsanbetung steht.“

Lachend schüttelte Ariana den Kopf. „Du solltest nicht alles aus dem Fernsehen glauben. Mit dem Teufel hat das Pentagramm eigentlich gar nichts zu tun. Allerdings benutzen es einige Unwissende in ihren Teufelsanbeter-Kulten. In dem Fall steht es aber andersrum.“ Sie nahm den Anhänger der Kette, die Sarah angeschaut hatte, und drehte das Symbol, bis die Spitze des fünf-zackigen Sterns nach unten zeigte.

„Du scheinst viel über Pentagramme und Magie zu wissen. Bist du … bist du eine Hexe?“, fragte Sarah vorsichtig und fühlte sich gleich darauf ziemlich dumm. Dass Ariana erneut lachte, machte die Sache auch nicht besser.

„Sehe ich etwa aus wie eine Hexe?“, erwiderte die Verkäuferin. „Abgesehen von den roten Haaren, die laut vieler Geschichten und Märchen natürlich auf eine Hexe hindeuten müssen.“

Sarah schmunzelte. Obwohl sie sich bescheuert vorkam, gab ihr Ariana nicht das Gefühl, sich über sie lustig zu machen. Bestimmt wurde sie als Verkäuferin eines Magie-Ladens nicht zum ersten Mal gefragt, ob sie eine Hexe sei und fand das Ganze nur noch amüsant.

„Naja, eine Warze hast du nicht und auch keinen Besen in der Hand, auf dem du davonfliegen könntest“, witzelte Sarah. Natürlich glaubte sie nicht, dass auch nur eines der Hexen-Stereotype stimmte. Falls sie selbst eine Hexe war, widerlegte sie diese. Eine Warze hatte sie zum Glück nicht auf der Nase, ihre Haare waren dunkelbraun, nicht rot, und auf einem Besen konnte sie schon gar nicht fliegen.

Ariana lachte abermals. „Gut, dass wir das geklärt hätten. Und um auf deine Frage zurückzukommen, nein, ich bin keine Hexe, aber ich weiß eine Menge über Magie und das Übernatürliche.“

„Glaubst du auch daran?“, wollte Sarah wissen. Die Rothaarige bedachte sie mit einem Blick, den Sarah nicht deuten konnte. Es kam ihr fast so vor, als würde sie versuchen, direkt in sie hineinzusehen. Sarah wüsste zu gern, was in diesem Moment in Ariana vor sich ging. Gedankenlesen wäre eine hilfreiche Fähigkeit. Das Einzige, was Sarah bisher, mehr oder weniger aus Versehen, hinbekommen hatte, war allerdings Teleportieren. Und dann war da noch das Schweben. Sie war schon öfter aufgewacht und hatte das Gefühl gehabt, ein paar Zentimeter über ihrem Bett zu schweben. Sobald sie die Sache genauer untersuchen wollte, war sie jedoch zurück auf die Matratze gefallen und konnte sich, sobald sie richtig wach war, nie sicher sein, ob sie alles nur geträumt oder sich eingebildet hatte. Aber egal, ob sie schweben konnte, diese Fähigkeit würde ihr auch nicht helfen, herauszufinden, was die Verkäuferin des Hexen-Ladens dachte.

„Was ich glaube, ist bedeutungslos“, antwortete diese nach einer Weile und bedachte Sarah mit einem verschwörerischen Blick. „Wichtiger ist, was die Kunden annehmen.“

Sarah runzelte die Stirn. Wollte sie damit andeuten, dass sie alles vertreten würde, solange es ihr half, etwas zu verkaufen? Falls sie das beabsichtigte, glaubte Sarah ihr nicht. Ihr Gefühl wies eher darauf hin, dass Ariana ihr etwas verheimlichte. Wusste sie mehr über Magie, als sie zugab? Hatte sie vielleicht sogar gelogen und war doch eine Hexe?

Bevor Sarah genauer nachfragen konnte, wurde sie von der Türglocke abgelenkt. Eine ältere Frau kam in den Laden. Als sie Sarah erblickte, nickte sie ihr auf eine seltsame Weise zu. Es kam Sarah beinahe so vor, als würde die Frau glauben, sie zu kennen oder als würden sie ein Geheimnis teilen und sich wissend zunicken. Sie wusste nicht, wie sie auf diese Gedanken kam, aber sie erinnerte sich, dass ihr in Lunadar schon zweimal jemand auf die gleiche Weise zugenickt hatte. Sie kannte die Personen nicht und war sich unsicher, ob sie jemanden neben oder hinter ihr gemeint hatten. Diesmal befand sich allerdings niemand außer ihr und Ariana, die mit dem Rücken zu der Frau stand, im Laden. Sarah strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte die Frau an. Wahrscheinlich war sie einfach ein freundlicher Mensch und hätte jedem, den sie in diesem Laden antraf, auf die gleiche Weise zugenickt. Sarah schüttelte ihren Kopf über ihre seltsamen Gedanken und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Ariana. Die hatte sich jedoch zu der Kundin gedreht.

„Frau Karras, schön Sie wiederzusehen. Ihre Bestellung ist da. Ich hole sie gleich, oder kommen Sie am besten mit.“ Sie deutete auf eine Tür hinter der Kasse, die Sarah erst jetzt bemerkte. Bevor sie ging, drehte Ariana sich noch mal zurück. „Ich bin gleich wieder da. Du kannst dich so lange ja weiter umsehen.“

Sarah nickte und beobachtete, wie Ariana und die Kundin verschwan­den. Für einen Moment wurde sie neugierig, was sich hinter der Tür befand, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Bestimmt handelte es sich um ein Hinterzimmer, das als Lagerraum diente. Sie drehte sich wieder zu den Ketten und nahm zwei mit Pentagrammen. Eine davon würde sie Selina zum Geburtstag schenken und die andere selbst behalten. Falls Ariana recht hatte und das Pentagramm ein Schutzsymbol darstellte, konnte es nicht schaden, eines zu haben. Wenn nicht, sahen die Ketten zumindest schön aus.

 

Nachdem Sarah sich mindestens eine halbe Stunde bei den Büchern umgesehen hatte, kamen Ariana und Frau Karras zurück. Die ältere Frau bedankte sich und verließ den Laden. Was auch immer die beiden im Hinterzimmer gemacht hatten, hatte doch länger gedauert. Sarah fand das nicht weiter schlimm. Es hatte ihr genügend Zeit gegeben, in Ruhe die Regale durchzustöbern. Einige von den Büchern schienen interessant zu sein. Sie suchte sich zwei davon aus: „Einführung in die Welt der Magie“ und „Magische Wesen von A bis Z und deren Fähigkeiten“. Für den Anfang würde sie sich die beiden anschauen und danach überlegen, ob sie noch welche kaufen sollte. Vielleicht standen in diesen auch Empfehlungen für weitere Bücher. Falls sie überhaupt hilfreich sind und nicht nur unnützen Schrott enthalten, dachte Sarah skeptisch. Auch wenn ihre Fähigkeiten etwas mit Zauberei zu tun hatten, bedeutete das noch lange nicht, dass alles, was sie über Magie und das Übernatürliche las, stimmte. Trotzdem musste sie mit ihren Recherchen irgendwo anfangen.

An der Kasse entdeckte Sarah ein Schmunzeln auf Arianas Gesicht.

„Du hast wirklich keine Ahnung vom Übernatürlichen, was? Wieso willst du dich darüber informieren?“, wollte die Verkäuferin wissen, als sie die Preise in die Kasse tippte.

„Reine Neugier“, erwiderte Sarah ausweichend. Es war auch nicht gelogen. Nachdem sie den Magie-Laden gesehen hatte, war sie neugieriger als zuvor, ob das Übernatürliche existierte und welche Gerüchte stimmten. Ihre persönlichen Gründe behielt sie für sich. Sie mochte Ariana zwar, kannte sie aber nicht.

Ariana schien nicht überzeugt zu sein, nickte jedoch und packte die Bücher und Ketten ein. Nachdem Sarah bezahlt hatte, reichte sie ihr den Beutel mit den Einkäufen, zögerte aber.

„An deiner Stelle würde ich mich von alldem fernhalten.“ Sie deutete im Laden herum.

Überrascht sah Sarah sie an. Was sie überraschte, war allerdings nicht, dass jemand, der in einem Laden arbeitete und versuchen sollte, mehr zu verkaufen, ihr riet, nicht wiederzukommen, sondern wie sie es sagte. Sarah wusste nicht einmal, was sie an Arianas Worten so besonders fand, aber sie lösten eine Gänsehaut bei ihr aus.

„Soll das eine Warnung sein?“, fragte sie zaghaft.

Ariana starrte sie an, aber Sarah konnte nicht deuten, was sie dachte. Nach einem Moment schien die Verkäuferin sich eines Besseren zu besinnen und schüttelte leicht den Kopf, als würde sie sich amüsieren.

„Ich wollte dir nur einen Tipp geben, nicht deine Zeit zu ver­schwenden.“

Sarah runzelte die Stirn. Aus einem ihr unerfindlichen Grund glaubte sie Ariana kein Wort. Die Warnung hatte ehrlich geklungen, der Tipp nicht im Geringsten.

„Ich entscheide, womit ich meine Zeit verschwende“, erwiderte sie, drehte sich um und ging. Als sie den Laden verließ, bekam sie ein schlechtes Gewissen. Eigentlich mochte sie Ariana. Davonzurennen war unfreundlich und half ihr kein bisschen. Vielleicht hätte Ariana ihr mehr verraten, wenn sie öfter in den Laden gekommen wäre und sie sich besser kennengelernt hätten. Diese Möglichkeit hatte sie sich mit ihrem Verhalten vermutlich ruiniert. Aber falls sie noch einmal in den Laden gehen sollte, konnte sie immer noch versuchen, mit einer Entschuldigung alles wieder hinzubiegen.

In Gedanken verloren, schenkte Sarah ihrer Umgebung keine Beachtung und stieß beinahe mit einer Gruppe junger Leute zusammen, die in der Nähe des Ladens standen. Sie hielt gerade noch rechtzeitig an und machte einen Bogen um die Jugendlichen. Dabei hörte sie, wie ein Mädchen sich verabschiedete: „Bis heute Abend im Pandora.“ Daraufhin lief sie zum Magie-Laden und verschwand darin, während ihre Freunde weitergingen. Pandora, überlegte Sarah. Hatte sie nicht schon mal davon gehört? War das nicht der Club, in den ihre Mitbewohnerin Kelly letzte Woche mit ihrem neuen Freund gehen wollte? Kelly meinte, es wäre ein Geheimtipp. Vielleicht sollte sie ihre Freundin danach fragen. Wenn jemand, der in einem Magie-Laden einkaufte, dorthin ging, konnte sie dort vielleicht Antworten finden. Einen Versuch war es wert.

2. Pandora

Das Pandora war ganz anders, als Sarah es sich vorgestellt hatte. Die meisten angesagten Clubs befanden sich in Randgebieten Lunadars oder in Vororten. Sarah hatte ein Gewerbegebiet, eine ehemalige Lagerhalle, einen Keller oder vielleicht ein neumodisches Haus erwartet. Das Pandora hingegen lag mitten in der Altstadt, nur ein paar Straßen vom Magie-Laden entfernt. Als neu konnte das Bauwerk nicht bezeichnet werden. Im Gegenteil, es war sehr alt und bestimmt historisch wertvoll. Es würde Sarah nicht überraschen, zu erfahren, dass es unter Denkmalschutz stand. Umso mehr erstaunte es sie, einen Club in dem zweistöckigen Gebäude vorzufinden, das mit seinen Erkern, Pfeilern und zwei Türmen eher wie eine altertümliche Villa oder ein Herrenhaus aussah. Ein Museum wäre hier weitaus passender. Wahrscheinlich stellte das Pandora aus genau diesem Grund einen Geheimtipp dar. Wer nicht wusste, dass das Gebäude einen Club beherbergte, würde hier sicher nicht nach einem suchen.

„Sarah, komm endlich! Wir sind nicht hergekommen, um das Pandora von außen zu bewundern“, rief Kelly schmunzelnd, als sie mit ihrem Freund Frank zum Eingang lief.

Sarah folgte ihnen. Die beiden hatten darauf bestanden, mit ihr zu gehen. Zum Glück war wenigstens Selina zu beschäftigt, da sie eine Hausarbeit schreiben musste. So gern Sarah ihre beste Freundin auch dabei gehabt hätte, sie wollte nicht, dass Selina herausfand, warum sie sich für den Club interessierte. Sarah wusste nicht einmal, wieso es ihr so wichtig war, dass sie nichts von ihren seltsamen Fähigkeiten erfuhr. War es ihr peinlich? Wollte sie nichts erzählen, solange sie sich nicht sicher sein konnte, was vor sich ging? Hatte sie Angst, dass ihre Freundin sie für verrückt halten würde? Oder möglicherweise sogar für einen Freak, falls sie ihr glaubte? Selina war immer für sie da gewesen. Sarah wollte nicht, dass sich das änderte. Sie hatte schon ihre Mutter, ihren Stiefvater und ihren Vater, den sie nie kennengelernt hatte, verloren. Selina war nun definitiv der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Sarah brauchte sie und konnte nicht riskieren, dass sie davonlief oder in etwas Gefährliches hineingezogen wurde. Sie hatte genügend Filme über Hexen, Werwölfe, Vampire und dergleichen gesehen, in denen Menschen starben, sobald sie herausfanden, dass das Übernatürliche existierte. Ihre Freundin aus alldem herauszuhalten, wäre mit Sicherheit besser. Was Selina anging, war das Pandora nur ein Club, in den Kelly sie schleppte, und nichts Besonderes.

Dass das Pandora nichts Besonderes war, war allerdings eine Lüge. Sobald sie ihre Jacken abgegeben hatten und einen größeren Raum betraten, kam Sarah aus dem Staunen nicht mehr heraus. Von innen beeindruckte sie das Gebäude fast noch mehr. Es wirkte beinahe wie eine Burg oder gar ein Schloss. Säulen zierten Durchgänge und Treppen. Wasser plätscherte in Brunnen und Statuen ergänzten das atemberaubende Ambiente. Dennoch hatte der Innenausstatter es geschafft, die altertümliche Atmosphäre mit der eines modernen Clubs perfekt zu vereinen. Indirekte Lichtquellen beleuchteten die Figuren und verliehen dem dunklen Raum das gewisse Etwas. Das Wasser der Brunnen schimmerte in einem sanften Rot-Orange. Wellen spiegelten sich glitzernd an der Decke. Eine Frauenstatue wurde in ein warmes Gelb getaucht. Die Farbe umspielte ihre weiblichen Formen und ließ sie beinahe lebendig erscheinen. In der Hand hielt sie eine leicht geöffnete Schatulle. Ein Leuchten kam aus dem Inneren. Die Büchse derPandora, dachte Sarah, bevor sie von einem Engel abgelenkt wurde, der zu ihrer Rechten mit ausgebreiteten Flügeln im Raum zu schweben schien. Als sie sich nach links drehte, entdeckte sie eine Elfe, die sich graziös über eine Tulpe beugte und daran schnupperte. Für einen Moment glaubte Sarah, den Duft der Blume zu riechen. Beeindruckt atmete sie ein und wusste kaum, wohin sie schauen sollte.

„Genau so hab ich bei meinem ersten Besuch auch ausgesehen“, sagte Kelly grinsend. Daraufhin drehte sie sich zu Frank, der lachend ihre Hand nahm und sie hinter sich herzog. Mit strahlenden Augen lief Sarah ihnen nach. Sie beeilte sich, obwohl sie sich keine Sorgen darüber machen musste, die beiden zu verlieren und nicht mehr zu finden. Mit ihren grünen Haaren, die hochgegelt in alle Richtungen standen, war Kelly kaum zu übersehen.

„Es gibt drei Räume hier unten und mehrere kleinere im ersten Stock“, informierte ihre Freundin sie und deutete nach oben. Sarah folgte der Geste. Der Innenbereich war weiträumig offen, wodurch sie Gänge mit eleganten Balustraden und kleinen Balkonen sehen konnte, die über die Tanzfläche reichten.

„Und den VIP Bereich im Keller“, fügte Frank hinzu und zeigte auf eine Treppe am Ende des Flures. „In den ich schon immer mal wollte. Aber ich habe noch nicht herausgefunden, wie man eine Einladung dafür bekommt.“ Er klang geknickt.

„Wenn wir oft genug herkommen, schaffen wir es bestimmt irgendwann“, versicherte Kelly ihm. „Aber jetzt holen wir uns erst mal was zu trinken.“ Sie zog Frank mit sich in Richtung Bar. Sarah folgte ihnen, blickte aber noch einmal zur Treppe, die zum VIP Bereich führte. Eine Kette hing davor und ein ‚Türsteher’ stand daneben. Allerdings sah er mit seiner kleinen, zierlichen Figur nicht wirklich wie einer aus. Dennoch strahlte er Autorität aus. Seltsam. Ein Pärchen versuchte, nach unten zu gehen. Als er sie abwies, gingen sie ohne Proteste weiter.

„Sarah, was willst du trinken?“

Blinzelnd richtete Sarah ihre Aufmerksamkeit auf ihre Freunde und lief zu ihnen. Sie konnte sich später genauer umsehen.

 

Nach einem Rundgang durch den Club, einem Cocktail und einem Abstecher auf die Tanzfläche hatte Sarah noch immer nichts Außergewöhnliches entdeckt. Das Pandora war zwar anders als alle Clubs, die sie bisher kannte, und hatte eine mystische Atmosphäre, aber das bedeutete offenbar nicht, dass es hier auch Hexen oder andere übernatürliche Wesen gab, abgesehen von den Engel- und Feenstatuen. Mit einem Seufzer ging sie zu Kelly und sagte ihr, dass sie eine Tanzpause brauchte und zur Toilette gehen würde.

Das Bad befand sich am anderen Ende des Clubs. Auch auf dem Weg dorthin nahm sie nichts Besonderes wahr. Das Mädchen aus dem Magie-Laden, das vom Pandora gesprochen hatte, entdeckte sie nirgends. Vermutlich konnte Sarah sie im Gedränge nicht finden oder sie hatte ihre Pläne geändert. Und selbst wenn sie hier war, nicht jeder, der in einen Magie-Laden ging, musste eine Hexe sein. Wieso hatte Sarah sich überhaupt eingeredet, dass sie im Pandora etwas Ungewöhnliches finden würde? Anscheinend war sie so erpicht darauf, Antworten zu finden, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Selbst wenn es sich bei dem Mädchen um eine Hexe handelte, wieso sollte das bedeuten, dass der Club, in den sie ging, voller übernatürlicher Wesen war? Viel wahrscheinlicher wäre, dass Hexen, wie jeder andere auch, hingingen, wo es ihnen gefiel, nicht an einen speziellen Ort für Übernatürliches.

Auf dem Rückweg beschloss Sarah, sich einen netten Abend zu machen und für heute ihre Fragen beiseite zu schieben. Dann kam sie an der Treppe vorbei, die in den VIP Bereich führte. Stirnrunzelnd beobachtete sie, wie sich ein Pärchen mit dem ‚Türsteher’ unterhielt. Danach verschwanden die beiden hinter der Absperrung. Sie hatte doch noch nicht den ganzen Club ausgekundschaftet. Aber wie sollte sie nach unten gelangen? Frank kam seit über einem Jahr her und hatte es noch nicht geschafft herauszufinden, wie man eine Einladung in den VIP-Bereich bekam. Sie würde es bestimmt nicht bei ihrem ersten Besuch hinbekommen. Vielleicht sollte sie jemanden fragen, der hinunterging? Oder noch besser, sie musste jemanden finden, der sie mitnahm. Kaum hatte sie das gedacht, fiel ihr Blick auf einen jungen Mann, der direkt auf die Treppe zuging. Er war groß, ganz in schwarz gekleidet, hatte lange, schwarze Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren, und einen gut gebauten Körper. Das Stereotyp ‚groß, dunkel und mysteriös’ passte auf ihn wie die Faust aufs Auge. Er sah auf jeden Fall gut aus, auch wenn Sarah nicht auf düstere Typen stand. Mit ihm zu flirten, um in den VIP-Bereich zu kommen, wäre sicher nicht schlimm. Das einzige Problem war, ihn anzusprechen, und das, bevor er verschwand. Sie wünschte sich bestimmt zum hundertsten Mal, mehr wie Selina zu sein. Ihre beste Freundin hatte nie Probleme, jemanden kennenzulernen und meistens musste sie nicht einmal den ersten Schritt machen. Egal wohin sie kam, Selina stand im Mittelpunkt und das, ohne es zu wollen. Sie zog mit ihren gold-blonden Haaren, ihrer tollen Figur, ihrem umwerfenden Lächeln und ihrer fröhlichen und offenen Art jeden in ihren Bann. Sarah wusste, dass sie auch eine gute Figur hatte und nicht schlecht aussah, aber Selinas Selbst­bewusstsein und Fähigkeit auf Menschen zuzugehen, besaß sie nicht. So schwer konnte es aber nicht sein, jemanden anzusprechen. Selina würde sie auslachen, wenn sie wüsste, wie sie sich anstellte. Seufzend beschloss Sarah ihn zu fragen, ob er etwas mit ihr trinken wolle und das, bevor er die Treppe hinunterging. Der ‚Türsteher’ hatte ihm schon zugenickt und die Absperrungskette zur Seite getan.

Als Sarah loslaufen wollte, drehte sich der mysteriöse Unbekannte um und sah zu ihr. Sie hatte das Gefühl, als würde er direkt in sie hineinsehen, um ihre tiefsten und dunkelsten Geheimnisse zu erfahren. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihren Armen aus. Sie fühlte sich unsicher und wollte am liebsten davonlaufen, aber ihre Füße schienen am Boden angefroren zu sein. Sie schaffte es nicht, auch nur einen Schritt zu machen. Einen Moment später drehte sich der Fremde weg und ging die Treppe hinunter.

Verdutzt schnappte Sarah nach Luft. Hatte sie sich seinen hypnotischen Blick eingebildet? Hatte er nicht sie betrachtet, sondern sich nur umgesehen? Denn wieso sollte er sie so intensiv anstarren und anschließend verschwinden? Oder gefiel sie ihm nicht? Egal was geschehen war, sie hatte ihre Chance verpasst, den Fremden dazu zu bringen, sie mitzunehmen. Toll gemacht, dachte sie zähneknirschend. Jetzt musste sie auf den Nächsten warten, der allein in den VIP-Bereich wollte, und hoffen, dass sie sich nicht wieder genauso blöd anstellte. Sie wollte sich gerade nach einem Kandidaten umschauen, merkte aber, wie der ‚Türsteher’ ihr zuwinkte. Überrascht sah sie ihn an. Er hielt die Kette noch in der Hand und schien zu warten, bis sie durchlief. Oder meinte er jemand anderen, der hinter ihr stand? Nein, sie würde sich nicht umsehen und ihm zeigen, dass sie unten nichts verloren hatte. Zielstrebig lief sie los. Den ‚Türsteher’ anlächelnd, straffte sie ihre Schultern und verschwand hinter der Absperrung, als wäre es etwas ganz Gewöhnliches für sie.

Als sie hinabstieg, holte Sarah tief Luft. Es gab keinen Grund, nervös zu sein. Wahrscheinlich würde sie nichts Besonderes finden. Sie hatte den Gedanken kaum beendet, als die Treppe eine Kurve machte und ihr einen ersten Blick auf den VIP-Bereich gab. Ihre Augen weiteten sich. Der Atem stockte ihr. Es wimmelte nur so von seltsamen Kreaturen. Was waren sie? Dämonen? Es konnten keine Menschen sein. Sarah fühlte es instinktiv. Die Meisten hätten sicher angenommen, dass eine Kostümparty stattfand. Sarah glaubte das nicht.

Mit flauem Gefühl im Magen ging sie die letzten Stufen hinunter und zupfte nervös an einer Haarsträhne herum. Tief durchatmen, ermahnte sie sich. Die Wesen taten nichts Ungewöhnli­ches. Außerdem befanden sich auch Menschen in der Menge und unterhielten sich mit ihnen. Das deutete darauf hin, dass alles in Ordnung war. Hörner, Schuppen und grüne Haut machten die Wesen nicht furchteinflößend, nur anders.

Als Sarah an einer menschlich aussehenden Frau vorbeilief, merkte sie, dass diese spitze Ohren hatte. Vielleicht waren die ‚Menschen’ hier unten doch keine Menschen? Wo war sie nur gelandet? Sie fühlte sich, als würde sie von allen Seiten angestarrt. Ihr Atem ging schneller. Ihr Herz schlug immer lauter.

„Darf ich dich zu einem Drink einladen? Oder vielleicht einem Snack?“

Sarah wirbelte herum und starrte in das Gesicht eines Mannes. Er wirkte menschlich, bis er sie anlächelte. Er hatte zwei lange, spitze Zähne. War das etwa … ein Vampir? Und was meinte er mit Drink oder Snack? Er wollte doch nicht andeuten, dass sie der Snack sein sollte, oder? Sie schluckte und überlegte fieberhaft, wie sie aus der Situation wieder herauskam. Dann hörte sie eine weitere Stimme.

„Hey Marc, such dir jemand anderen zum anbaggern. Wir haben kein Interesse an untoten Blutsaugern.“

Erleichtert merkte Sarah, dass die Stimme zu einer normal aussehen­den Frau gehörte. Nein, sie sah nicht nur normal aus, sondern umwerfend. Sie hatte eine Model-Figur, helle Haut, die in starkem Kontrast zu ihren langen, schwarzen Haaren stand, rote Lippen und trug ein dazu passendes, dunkelrotes Kleid mit einem sexy Schnitt. Sarah fühlte sich plötzlich wie eine graue Maus in ihren dunkelblauen Jeans und dem schwarzen Trägeroberteil, das zwar leicht durchsichtig schimmerte, aber im Gegensatz zu dem Outfit ihres Gegenübers langweilig aussehen musste.

Marc, der anscheinend wirklich ein Vampir war, verdrehte die Augen und ging grummelnd davon. Sarah glaubte, etwas wie „arrogante Hexen“ herauszuhören. Hexen? Hatte sie tatsächlich eine gefunden? Sie blickte zu der jungen Frau, die sie nicht nur vor einem Vampir gerettet hatte, sondern möglicherweise auch genau das war, wonach sie suchte. Was machte es da schon, wenn sie Sarah mit ihrer exotischen Schönheit in den Schatten stellte?

„Danke für die Rettung“, sagte sie.

„Kein Problem. Wir Hexen müssen doch zusammenhalten, vor allem gegen Blutsauger. Nicht dass Marc besonders gefährlich wäre. Er wurde erst vor ein paar Monaten verwandelt und ist ohnehin nicht der Schlauste. Er hat wahrscheinlich nicht mal gegen die meisten Prima Vista ne Chance.“

Verblüfft starrte Sarah sie an. „Wie … wie kommst du darauf, dass ich eine Hexe bin?“, fragte sie leise. „Und was sind pri… ?“

„Prima Vista“, kam die Antwort mit einem Stirnrunzeln. „Und ich habe es natürlich gespürt. Du verbirgst dein magisches Talent ja nicht. Aber davon scheinst du keine Ahnung zu haben, oder?“ Ihre Augen wurden immer größer. „Unglaublich, ich habe noch nie eine untrainierte Hexe getroffen. Wie hast du nur bis jetzt überlebt?“ Als sie Sarahs Gesichtsausdruck betrachtete, schmunzelte sie und legte einen Arm um ihre Schultern.

„Sorry, das war nicht gerade nett von mir. Komm einfach mit. Ich stelle dich meinen Hexen-Freundinnen vor. Zusammen können wir deine Fragen beantworten. Du hast bestimmt tausende. Ich heiße übrigens Lorraine. Lorraine Karras.“

 

Sarah blickte in die Runde. Wie versprochen stellte Lorraine sie ihren Freundinnen vor. Sarah sah von einer zur nächsten und versuchte, sich ihre Namen zu merken. Kurze, dunkelblonde Haare: Nadira. Lange, glatte, hellblonde Haare: Elaine. Dunkelbraune Haare: Joanne. Wellige, gold-blonde Haare: Cassandra. Sie waren alle ungefähr in Sarahs Alter, manche vielleicht ein bisschen jünger, andere ein bis zwei Jahre älter.  Genau wie Lorraine trugen sie sexy Kleider und sahen umwerfend aus. Sarah schluckte und blickte an sich hinunter. Im nächsten Moment bemerkte sie, dass sie von allen Seiten angestarrt wurde und Lorraine gerade aufhörte zu sprechen. Was sie gesagt hatte, hatte Sarah nicht mitbekommen. Sie lächelte unsicher, woraufhin Lorraine sie auf einen leeren Stuhl zuschob und sich selbst einen vom Nachbartisch holte.

„Du hast echt keine Ahnung von Magie und dem Übernatürli­chen?“, fragte Joanne und unterbrach dadurch die Stille.

Sarah drehte sich zu ihr und schüttelte den Kopf, bevor sie alle weiter betrachtete. „Ihr seid wirklich Hexen?“, platzte sie heraus.

Ein Lachen ging durch die Gruppe. 

„Natürlich“, antwortete Elaine, als wäre das selbstverständ­lich. Kurz darauf wirbelte Joanne mit dem Finger durch die Luft. Ein Wind kam aus dem Nichts auf und blies Sarah die Haare aus dem Gesicht. Ihre Augen weiteten sich. Cassandra schüttelte grinsend ihr Glas. Die Flüssigkeit drehte sich, erhob sich und flog in einem Bogen in das Glas von Joanne, während deren Getränk in Cassandras landete.

„Hey!“, beschwerte Joanne sich und stieß ihren Ellenbogen spielerisch in die Seite ihrer Freundin. „Dein Gesöff kannst du selber trinken.“ Erneut kam eine Brise Wind auf, die die Gläser verrückte, bis jede wieder ihr Getränk vor sich stehen hatte.

Cassandra verzog ihr Gesicht.

„Angeber“, rief Lorraine mit einem Lachen. „Und wenn du deinen Cocktail nicht magst, Cassy, probier mal das.“ Sie beugte sich vor, berührte das Glas und der Inhalt färbte sich gelblich.

„Wer ist jetzt die Angeberin?“, entgegnete Cassandra, bevor sie einen Schluck nahm und erfreut nickte. „Nicht schlecht.“

Sarah beobachtete sie und relaxte. Sie mochte das vertraute Geplänkel. Es ließ die surreale Situation normaler erscheinen.

Lorraine grinste schelmisch, bevor sie sich zu Sarah drehte. „Dass wir Hexen sind, sollte damit geklärt sein, oder?“, fragte sie lachend.

Sarah stimmte in das Lachen ein. „Ja, könnte man so sagen“, antwortete sie.

„Dann erzähl mal, wie hast du das Pandora gefunden, wenn du nichts über die Welt des Übernatürlichen wusstest?“, forderte Lorraine sie auf.

„Und wie hast du erfahren, dass du eine Hexe bist?“, fügte Nadira hinzu.

„Ja, genau, erzähl“, sagte Elaine. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, unter Prima Vista aufzuwachsen. Das muss furchtbar sein!“

„Auf jeden Fall“, stimmte ihr Lorraine zu. „Ohne Zauberei zu leben, ist doch schrecklich! Wie überlebt man denn das?“

Sarah wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, verunsicherte sie immer. Sich zwischen Hexen zu befinden, verbesserte das nicht gerade. Lorraines Worte und ihr Gesichtsausdruck ließen Sarah das allerdings vergessen. Sie schmunzelte.

„Wenn man nicht weiß, dass es Magie wirklich gibt, ist es ganz normal, ohne auszukommen“, beteuerte sie. Weder Lorraine noch die anderen schienen überzeugt, was Sarah zum Lächeln brachte und sie auftauen ließ.

„Ich kannte nichts anderes und habe bis vor kurzem nicht einmal vermutet, dass es Hexen geben könnte, geschweige denn, dass ich eine bin. Erst als mir immer wieder seltsame Dinge passiert sind, habe ich angefangen nachzuforschen und bin in den Magie-Laden hier in der Nähe gegangen. Dort habe ich jemanden vom Pandora reden hören und beschloss herzukommen.“

„Was für ein Glück, dass du uns dadurch gefunden hast. Wir können eine Hexe unmöglich weiterhin wie eine Prima Vista leben lassen“, sagte Lorraine.

Sarah strahlte sie an. Das klang, als wollten sie ihr helfen. Vielleicht würden sie ihr sogar das Zaubern beibringen? Zumindest konnte sie auf ein paar Antworten hoffen.

„Was bedeutet eigentlich Prima Vista?“, fragte sie das Erste, das ihr in den Sinn kam.

„Das steht für Ahnungslose oder Unwissende, also jemanden, der keinen blassen Schimmer hat, wie die Welt wirklich aussieht“, erklärte Cassandra.

„Es ist quasi die gängige Bezeichnung für normale Menschen“, fügte Nadira hinzu.

Sarah nickte. Das klang zwar seltsam, aber mit der Zeit würde sie sich bestimmt daran gewöhnen.

Bevor Sarah eine Chance hatte, zu überlegen, was sie noch wissen wollte, wurde ihr eine Frage nach der anderen gestellt. Die Hexen sprühten vor Neugier. Sie hatten schon davon gehört, dass manchmal jemand, der zur Welt des Übernatürlichen gehörte, als Prima Vista aufwuchs, hatten aber noch nie so jemanden kennengelernt. Sie schienen fasziniert zu sein. Sarah ging es nicht anders. Es war alles sehr aufregend. Zwischendurch schaffte sie es, auch etwas zu fragen. Leider schwirrte ihr bald der Kopf. Die Antworten, die sie bekam, warfen noch mehr Fragen auf und sie wusste nicht länger, was sie denken sollte.

Nadira hatte bisher am wenigsten gesagt, schien aber am ehesten nachvollziehen zu können, wie ungewohnt und seltsam die Situation für Sarah sein musste. Sie schlug vor, etwas zu trinken und sie nicht mit Fragen zu erschlagen. Dafür war Sarah ihr sehr dankbar. Sie musste erst ihre Gedanken ordnen. Sie hatte Hexen gefunden … und jede Menge andere übernatürliche Wesen. Magie war real, genau wie Vampire. Als sie beschlossen hatte, ins Pandora zu gehen, um Nachforschungen anzustellen, hatte sie gehofft, etwas zu finden, das ihre Vermutungen bestätigte, aber sie hatte sich nicht klargemacht, was das für sie bedeuten würde. Auch wenn sie angenommen hatte, dass Magie existierte, sie hatte sich trotzdem nicht ausgemalt, wie sich ihre Welt verändern würde, wenn sie Beweise dafür fand. Bisher hatte sie geglaubt, zu wissen, wie die Welt aussah. Jetzt war alles anders. Sie hatte keine Ahnung mehr, was möglich war und vor allem wusste sie nicht mehr, wer sie selbst war. Laut Lorraine wurden Hexen mit magischen Fähigkeiten geboren oder erlernten Magie. Fähigkeiten tauchten nicht aus dem Nichts auf. Woher kamen sie bei ihr? Konnte sie von Geburt an eine Hexe gewesen sein? Wenn ja, wieso hatte sie als Kind keine Fähigkeiten gehabt? Und von wem stammte ihre Magie ab? Ihre Mutter hatte immer darauf beharrt, dass Zauberei lächerlich sei. Sie konnte unmöglich eine Hexe sein. Folglich musste Sarah ihre Fähigkeiten von ihrem Vater geerbt haben. War er ein Hexer? Nannte man das so oder anders? Zauberer? Magier? Mehr und mehr Fragen schwirrten durch Sarahs Kopf. Als Nadira ihr ein Glas gab, trank sie es auf einmal aus.

„Durstig oder überwältigt?“, fragte Lorraine.

„Beides?“, antwortete Sarah zaghaft.

Lachend bestellte Lorraine noch eine Runde.

„Für mich nur einen Orangensaft“, sagte Sarah schnell. „Ich möchte mich morgen nicht fragen müssen, ob ich mir das alles eingebildet habe, weil ich zu betrunken war.“

„Das hast du auf keinen Fall“, versicherte Lorraine ihr. „Es ist alles real. Und falls du dich fragst, in was du da hineingeraten bist … eine Hexe zu sein, ist einfach … magisch“, fügte sie hinzu und machte eine ausschweifende Bewegung mit ihrem Arm. Wo ihre Hand entlangfuhr entstanden kleine, glitzernde Punkte in der Luft, die hinunter­rieselten und um Sarah und Lorraine tanzten.

Strahlend starrte Sarah die Glitzerpunkte an. Lorraine hatte es mit dem Wort ‚magisch’ auf den Punkt gebracht.

„Wow.“ Mehr brachte Sarah nicht heraus, als sie beobachtete, wie der Glitzer langsam aufhörte zu schweben und auf dem Tisch liegenblieb. Auf ihren Armen und Haaren war auch einiges gelandet, wie sie bemerkte, als Elaine anfing zu pusten und einen erneuten Glitzer-Regen verursachte.

„Wie hast du das gemacht?“, wollte Sarah wissen. „Kannst du mir das beibringen?“

„Klar, komm doch morgen zu mir und wir fangen mit deiner Hexenausbildung an“, antwortete Lorraine. „Und wir können auch über alles reden, was du noch wissen möchtest und dir jetzt nicht einfällt, weil du viel zu aufgewühlt bist.“

„Gute Idee“, erwiderte Sarah. Wenn sie Zeit gehabt hatte, über alles nachzudenken, würden ihr bestimmt tausende von Dingen einfallen, die sie wissen wollte.

„Gib mal dein Handy. Wir geben dir unsere Nummern“, sagte Lorraine.

 

Nachdem Nadira als letzte ihre Handynummer in Sarahs Smartphone eingetragen hatte, kam eine Nachricht über WhatsApp. Sarah ergriff ihr Handy und sah, dass sie von Kelly war. Oje, sie hatte Kelly und Frank ganz vergessen. Die beiden vermissten sie sicher schon.

„Die Nachricht ist von meinen Freunden, die ich oben gelassen habe“, erklärte Sarah, als sie ihrer Mitbewohnerin antwortete und mit ihr ausmachte, sich gleich an der Bar zu treffen. „Ich sollte wieder hochgehen.“

„Hol sie doch runter“, schlug Joanne vor.

„Hierher?“, fragte Sarah überrascht.

„Ach ja, sie sind Prima Vista“, antwortete Joanne. „Und haben keine Ahnung davon, wie die Welt wirklich aussieht.“

„Und ich weiß nicht, ob es eine gute Idee wäre, es ihnen anzu­vertrauen“, fügte Sarah hinzu.

„Auf keinen Fall“, riefen die anderen sofort.

„Du darfst Prima Vista nie von der Welt des Übernatürlichen erzählen“, erläuterte Lorraine. „Es ist verboten.“

„Ist das ein Gesetz?“, fragte Sarah perplex.

„Könnte man so sagen“, antwortete Elaine. „Das oberste Gesetz. Es wurde nach der letzten großen Hexenverfolgung erlassen, um dafür zu sorgen, dass wir und alle anderen übernatürlichen Wesen in Zukunft vor den Menschen geschützt sind.“

„Und Wächter wurden auserwählt, um sicherzustellen, dass das Gesetz befolgt wird. Wer es bricht, muss sich einem von ihnen stellen“, fügte Nadira hinzu. Sie klang, als wäre es das Letzte, das sie jemals tun wollte.

Sarah schluckte. Sie hatte das Gefühl, dass sie gar nicht erfahren wollte, was genau passierte, wenn man von einem dieser Wächter aufgesucht wurde. Wahrscheinlich sollte sie es trotzdem wissen, aber sie konnte sich nicht dazu bringen, zu fragen. Zumindest nicht heute. Der Kopf schwirrte ihr genug, und morgen war auch noch ein Tag.

„Ihr könnt mir nächstes Mal mehr davon erzählen, jetzt sollte ich gehen“, sagt sie. „Ich melde mich bei dir, Lorraine, um was Genaueres auszumachen.“

„Okay, wir bringen dich noch hoch, nicht dass du wieder von einfältigen Blutsaugern angemacht wirst“, erwiderte Lorraine.

„Gute Idee, lasst uns hochgehen. Die Männer hier unten sind mir sowieso zu … unmenschlich“, sagte Elaine mit einem Lachen und zwinkerte Lorraine zu. Diese nickte grinsend.

Sarah fand es beruhigend, dass die Hexen mehr auf ‚Prima Vista’ standen als auf andere Wesen. Das deutete darauf hin, dass man zumindest Beziehungen mit normalen Menschen eingehen durfte.

Auf dem Weg nach oben überlegte Sarah, wie die exotischeren Wesen, die sich im VIP-Bereich tummelten, durch das Pandora nach unten kamen, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Gab es einen Hintereingang?

„Angeborene Zauber, die sie in Gegenwart von Prima Vista menschlich aussehen lassen“, antwortete Lorraine, nachdem Sarah danach fragte. „Oder magische Amulette, die eine Illusion kreieren. Einige Hexen erstellen und verkaufen sie.“

Normale Menschen konnten also gar nicht sehen, wenn ein übernatürliches Wesen an ihnen vorbeiging, dachte Sarah. War sie schon oft an einem von ihnen vorbeigelaufen, ohne es zu merken? Oder war sie vorher nur nie welchen begegnet, weil sie bis vor kurzem in einem kleinen, uninteressanten Ort gelebt hatte? Sie würde morgen mit Lorraine darüber reden und fragen, was sie davon hielt. Vor allem wollte sie aber herausfinden, wieso sie erst jetzt magische Fähigkeiten entwickelt hatte.

Oben verabschiedete Sarah sich von den Hexen und machte sich auf den Weg zu Kelly und Frank.

 

Als Sarah nach Hause kam, ließen ihr die Ereignisse der Nacht keine Ruhe. Stundenlang wälzte sie sich in ihrem Bett herum. Sie war eine Hexe, eine richtige, echte Hexe! Zumindest hatte das eine Gruppe von Hexen behauptet und die schienen zu wissen, wovon sie sprachen. Noch viel wichtiger war, dass sie sie aufgenommen hatten, als wäre sie eine von ihnen. Sie waren nett, bereit ihre Fragen zu beantworten und hatten sogar angeboten, ihr das Zaubern beizubringen. Sarah konnte es immer noch kaum glauben, sie hatte endlich die Chance herauszufinden, was es mit ihren Fähigkeiten auf sich hatte. Außerdem gab es nun Leute, mit denen sie ehrlich sein konnte. Sie musste nichts mehr verbergen, aus Angst abgelehnt zu werden oder jemanden in Gefahr zu bringen. Lorraine und ihre Freundinnen konnte sie in nichts mehr hineinziehen, sie befanden sich schon mittendrin. Trotz schwirrender Gedanken und lauter Mitbewohner, schlief Sarah gegen morgen endlich ein. Ihre Träume waren wirr, voller seltsamer Kreaturen und Magie. Später hatte sie das Gefühl, einmal aufgewacht zu sein und durch ihr Fenster den Fremden gesehen zu haben, den sie dazu bringen wollte, sie im Pandora mit nach unten zu nehmen. Aber das war sicher auch nur ein Traum. Der Mann hatte kein Interesse an ihr gezeigt. Wieso sollte er sie beobachten? Er wusste weder ihren Namen, noch wo sie wohnte. Bestimmt träumte sie von ihm, weil sie sich dämlich angestellt hatte und ihr das peinlich war.

Als sie am frühen Nachmittag aufstand, schob Sarah die Gedanken an den Fremden und den Rest ihrer wirren Träume beiseite und schrieb Lorraine eine Nachricht. Sie konnte es kaum abwarten, sie wiederzusehen. Lorraine würde ihr nicht nur ihre Fragen beantworten und ihr zaubern beibringen, sondern könnte auch noch eine gute Freundin werden. Sarah hatte sich in ihrer Nähe gleich wohlgefühlt und das lag bestimmt nicht nur an der unheimlichen Umgebung. Manchmal traf man Leute, mit denen man sich sofort gut verstand. Mit Selina war das auch so gewesen.

Nachdem sie geduscht hatte, kam eine Antwort von Lorraine. Sie sollte gegen 17 Uhr zu ihr kommen. Am liebsten hätte Sarah gefragt, ob sie nicht gleich kommen dürfe, wollte aber nicht aufdringlich sein. Stattdessen machte sie sich etwas zu essen und legte sich danach mit ihren Magie Büchern auf ihr Bett. Sie würde die verbleibende Zeit nutzen, um sich wenigstens ein bisschen zu informieren. Dann würde sie später hoffentlich nicht ganz so unwissend und dumm dastehen.

 

Als Sarah sich Lorraines Adresse näherte, kam sie aus dem Staunen kaum mehr heraus. Es handelte sich um eine Villengegend in der Nähe des Strandes. Ein Anwesen sah besser aus als das andere und Sarah fühlte sich ein wenig fehl am Platz. Aufgrund der reichen Familie ihres Stiefvaters hatte es ihr selbst nie an etwas gemangelt. Trotzdem hatten sie in einem normalen Einfamilien­haus mit einem kleinen Garten gelebt. Es war mehr als groß genug für drei Personen gewesen und Sarah konnte sich kaum vorstellen, in einer riesigen Villa zu wohnen. Was machte man mit all dem Platz?

Lorraines Villa war im Vergleich zu den anderen, die Sarah auf dem Weg gesehen hatte, nicht die größte, aber sie lag direkt am Strand. Sarah liebte das Meer. Am Strand zu leben, musste toll sein, und da die Villa von Lorraines Familie nicht ganz so groß war, schien sie auch gleich viel einladender.

Lorraine begrüßte sie mit einer Umarmung und führte sie stolz durch ihr Heim. Schicke, neumodische Möbel zierten die weiß gestrichenen Räume. Bilder hingen in größeren Abständen an den Wänden. Die Zimmer waren nicht zu vollgestellt und ordentlich aufgeräumt. Es sah beein­druckend aus und gefiel Sarah sehr. Dennoch bevorzugte sie Häuser mit einem gemütlicheren Ambiente, die wirkten, als lebte jemand darin.

Während Lorraine ihr alles zeigte, erzählte sie, dass sie mit ihren Eltern vor ungefähr einem Jahr aus Magijaria hergezogen war und wie sehr sie es liebte, direkt am Strand zu wohnen. Dafür habe sie auch gern die Uni gewechselt. Durch Lorraines Fröhlichkeit und Offenheit fühlte sich Sarah bei ihr gleich wohl, obwohl sie meistens etwas Zeit brauchte, um mit jemandem warm zu werden. Wie sie bereits vermutet hatte, war das mit Lorraine nicht so. Ihre neue Freundin behandelte sie, als kannten sie sich schon Jahre und verwickelte sie problemlos in ein Gespräch nach dem anderen. Aus der Küche nahmen sie sich etwas zu trinken mit und gingen in Lorraines Zimmer. Es war groß, hell und mit einer Terrassentür in Richtung Strand.

„Wow“, sagte sie wahrscheinlich nicht zum ersten Mal.