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Beschreibung

Der vorliegende Band enthält Beiträge der Mitarbeiter*innen des Museums und externer Autor*innen, die sich mit unterschiedlichen Aspekten des Daten- und Objekte-Sammelns und Präsentierens beschäftigen. So wird Einblick in die vielfältigen Tätigkeiten verschiedener Forschungsdisziplinen gegeben. Um die Zukunft des Sammelns- und Präsentierens zu beleuchten, ist auch ein Blick in Vergangenheit und Gegenwart unabdingbar. Aspekte wie Provenienzforschung, Daten-Erheben in diversen naturwissenschaftlichen Bereichen bis zur Präsentation in Ausstellungen und der Vermittlung werden behandelt.

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Seitenzahl: 427

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SAMMELN UND PRÄSENTIEREN

 

 

 

 

 

Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen16/2023

Erscheint zugleich als

Veröffentlichungen des Vereins Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

ISSN 0379-0231

SAMMELN UND PRÄSENTIEREN

Herausgegeben von

Karl C. Berger, Ursula Grimm, Astrid Flögel

Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m.b.H.

Museumstraße 15

A-6020 Innsbruck

© 2023 bei den Autorinnen und Autoren und der Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m.b.H.

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung der Herausgeber*innen urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Satz und Umschlag

Universitätsverlag Wagner/Karin Berner

Umschlaggestaltung nach Entwürfen von: Stefan Rasberger, www.labsal.at

Umschlagabbildung: Details aus: Eine Auswahl von Pilzaquarellen des Innsbruck Mykologen Meinhard Moser (1924–2002). Scans: Gerhard Raffl & Mario Baldauf/TLM

Herstellung

Universitätsverlag Wagner in der Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: [email protected]

Internet: www.uvw.at

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://www.dnb.dnb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-7030-6625-2

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.uvw.at

INHALT

VORWORT

Karl C. Berger

PROVENIENZFORSCHUNG IN DEN TIROLER LANDESMUSEEN.

AUF DER SUCHE NACH EINER BIOGRAPHIESonia Buchroithner

WIE MACHT MAN VOLKSMUSIK PRÄSENTIER- UND NUTZBAR?

PRÄSENTIEREN AUS SICHT EINES ARCHIVS IM MUSEUMSonja Ortner

GETROCKNETE PILZE SIND NICHT NUR FÜR DIE KÜCHE GUT.

EIN BLICK IN DIE PILZSAMMLUNG DER TIROLER LANDESMUSEENRegina Kuhnert-Finkernagel

STUBEN ANDERS SEHEN – DAS TAKTILE LEITSYSTEM IM TIROLER VOLKSKUNSTMUSEUMCharisse Santos

ORNITHOLOGIE EINST UND HEUTEUrsula Grimm

DER ZUGANG ZU GENETISCHEN RESSOURCEN BEDARF BESONDERER SORGFALT.

ANLEITUNG FÜR DEN REGELKONFORMEN UMGANG MIT GENETISCHEN RESSOURCEN GEMÄSS DEM PROTOKOLL VON NAGOYAKlara Brandl, Martin Götzl

DIE ZUKUNFT HAT BEREITS BEGONNEN: DNA-BASIERTE FORSCHUNG IN DEN NATURWISSENSCHAFTEN DER TIROLER LANDESMUSEENPeter Huemer

KURATIEREN, VERMITTELN UND GESTALTEN ALS GEMEINSAMER PROZESS.

EIN PRAXISBEISPIELLaura Manfredi, Gabriele Ultsch

CITY NATURE CHALLENGE INNSBRUCK 2022 UND 2023Christian Anich

KAUFEN, TAUSCHEN, WERBEN, BITTEN –

SCHLAGLICHTER AUF DIE ERWERBUNGS- UND SAMMELPOLITIK VON ANDREAS ALOIS DIPAULI (1761–1839) FÜR SEINE BIBLIOTHECA TIROLENSISHansjörg Rabanser

DIE NADEL IM HEUHAUFEN.

ÜBER BEWAHRUNG UND PRÄSENTATION VON MUSEUMSGUT IN DER NEUEN ONLINE-SAMMLUNG DER TIROLER LANDESMUSEENRalf Bormann, Michael Zechmann-Khreis

AUTORINNEN UND AUTOREN

JAHRESBERICHT 2022 DES VEREINS TIROLER LANDESMUSEUM FERDINANDEUM

VORWORT

Gerade aus heutiger Perspektive sind es eindrucksvolle Worte, die Erzherzog Johann anlässlich der Grundsteinlegung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum am 2. Oktober 1842 wählt. Der „Stein, den wir da einlegten“, erläutert er, „sank als ein Denkmal des Friedens in den Grund; als ein Denkmal des Friedens steigt der Bau empor.“ Schließlich fordert der geistige Gründer des Museums die Anwesenden auf, durch „gemeinschaftlichen Eifer“ zu agieren, „daß dieser Bau kein starres Behältnis todter Sammlungen wird, sondern eine Stätte lebendiger, wahrhaft nützlicher Thätigkeiten.“

Die Tiroler Landesmuseen, so könnte man mit Blick auf die im August 2022 verabschiedete Museumsdefinition der ICOM die Worte des Erzherzogs neu interpretieren, stehen im „Dienst der Gesellschaft“. Als Stätte der Wissenschaft, des Informationsaustausches und der Bildung gehen sie offen auf Menschen zu. Museen entwickeln sich deshalb zu durchlässigen Räumen, die verstärkt im öffentlichen Raum agieren und sich gesellschaftspolitisch relevanten Themenfeldern stellen, diese partizipativ, manchmal widersprüchlich, jedoch niemals konfliktscheu diskutieren. Ein Museum ist nicht lediglich ein Ort, sondern ein sich stets entwickelnder Prozess.

Die daraus resultierenden Herausforderungen sind vielfältig: Nachhaltigkeit, Inklusion, Diversität, Digitalisierung, Interdisziplinarität oder Internationalität sind nur einige Schlagworte, die sich mit den Kernaufgaben eines Museums – Sammeln, Forschen, Bewahren, Vermitteln – kreuzen: Sie beginnen zum Beispiel im Engagement im Bereich der Biodiversität, wie dies der Beitrag von Christian Anich zeigt. Neue Forschungsmöglichkeiten und -techniken eröffnen, das zeigen die Überlegungen von Peter Huemer, neue Fragestellungen und Kooperationen. Eine zentrale Herausforderung für Museen stellt die öffentliche Zugänglichkeit der musealen Sammlung dar. Dies kann beispielsweise durch eine Online-Präsentation geschehen. Die inhaltliche und technische Komplexität eines solchen Vorhabens wird durch den Beitrag von Ralf Bormann und Michael Zechmann-Khreis sowie von Sonja Ortner, die mit Blick auf das Volksliedarchiv Fragen zur „hearing culture“ stellt, erörtert. Die Veröffentlichung von Daten und Informationen wirft Fragen eines ethischen Nutzens musealen Wissens auf, was am Beispiel des Artikels von Klara Brandl und Martin Götzl deutlich wird. Wesentlich für die Museumsarbeit bleibt eine Reflexion und Analyse der gegenwärtig sowie früher angewandten Methoden. Ursula Grimm legt dies am Beispiel der Vogelkunde und Regina Kuhnert-Finkernagel hinsichtlich der mykologischen Sammlung der Tiroler Landesmuseen dar. Damit einher geht eine Auseinandersetzung mit der Institutionengeschichte und Beforschung der Provenienz der Objekte. Die Überlegungen von Hansjörg Rabanser und Sonia Buchroithner sind dieser Überzeugung geschuldet. Schließlich muss sich ein Museum stets auch mit Fragen der Vermittlung beschäftigen. Dabei kann, wie Laura Manfredi und Gabriele Ultsch vorstellen, ein experimentelles Vorgehen ebenso wichtig sein wie die Hinwendung zur Barrierefreiheit, was am Beispiel des Beitrags von Charisse Santos ersichtlich wird. Werden all diese Facetten berücksichtigt, schafft ein Museum unterschiedliche Erlebnisräume für möglichst viele wissbegierige Menschen. Wissen wird zugänglicher gemacht und damit werden kritische Reflexion und Erkenntnisgewinne gefördert. Es entsteht ein Raum für Innovation, Überraschungen, Kreativität, Experimente und innovatives Denken. Ein solches Museum ist ein Museum, das in die Zukunft leitet und sich als eine „Stätte lebendiger, wahrhaft nützlicher Thätigkeiten“ definiert.

Abschließend möchte ich mich herzlich bei allen Autorinnen und Autoren für die wertvollen Beiträge bedanken, die den Leserinnen und Lesern des vorliegenden Werkes einen Einblick in die vielfältigen Arbeitsbereiche der Tiroler Landesmuseen (und von Museen im Allgemeinen) gewähren. Ein besonderer Dank geht auch an meine Mitherausgeberinnen, Ursula Grimm und Astrid Flögel, sowie an den Universitätsverlag Wagner für die unkomplizierte und angenehme Zusammenarbeit am heurigen Band.

Karl C. Berger

Abb. 1: Das Angebotsschreiben von Antonia Köning aus München vom 8. Oktober 1938. Start der Verkaufsverhandlungen, Archiv Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Hausakten, 389/1938. Foto: TLM

PROVENIENZFORSCHUNG1 IN DEN TIROLER LANDESMUSEEN

AUF DER SUCHE NACH EINER BIOGRAPHIE

Sonia Buchroithner

ABSTRACTS

In 1938, the Tyrolean State Museum Ferdinandeum acquired a painting by the Tyrolean artist Franz Richard Unterberger (1837–1902) depicting an Ötztal motif from 1868. In the museum documents from 1938, the name “A. Köning” is found as the seller. Recent research has revealed that this is the widow of a “head washing water manufacturer” from Munich. Antonia Köning, born in Munich in 1895, was married to Friedrich Köning, a druggist and owner of Fritz Köning & Cie. in Munich. She died in 1968. Inquiries about her person among provenance researchers have revealed that she has not yet been mentioned in provenance research on acquisitions during the National Socialist era. The outlined example of a museum acquisition during the National Socialist era illustrates the work of provenance and restitution research in the Tyrolean State Museums. Despite the many restitutions of the post-war years and some restitutions in recent years, there may still be objects in the collections of the Tyrolean State Museums whose provenance needs to be clarified in order to verify the unencumberedness of the property/ownership of the Tyrolean State Museums.

1938 erwarb das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum ein Gemälde, ein Ötztal-Motiv aus dem Jahr 1868 darstellend, des Tiroler Künstlers Franz Richard Unterberger (1837–1902). In den Museumsunterlagen aus dem Jahr 1938 findet man als Verkäufer den Namen „A. Köning“. Aktuelle Recherchen haben ergeben, dass es sich dabei um die Witwe eines „Kopfwaschwasserfabrikanten“ aus München handelt. Antonia Köning, geboren 1895 in München, war mit Friedrich Köning, einem Drogisten und Inhaber der Fritz Köning & Cie. in München, verheiratet. Sie verstarb 1968. Rückfragen über ihre Person im Kreis der Provenienzforscher*innen haben hervorgebracht, dass sie bisher in der Provenienzforschung über Erwerbungen in der Zeit des Nationalsozialismus nicht in Erscheinung getreten ist. Das skizzierte Beispiel eines Museumserwerbs in der NS-Zeit zeigt die Arbeit der Provenienzund Restitutionsforschung in den Tiroler Landesmuseen. Trotz der vielen Restitutionen der Nachkriegsjahre und einiger Rückgaben in den vergangenen Jahren sind möglicherweise immer noch Objekte in den Sammlungen der Tiroler Landesmuseen vorhanden, deren Herkunft es zu klären gilt, um die Unbelastetheit des Besitzes/des Eigentums der Tiroler Landesmuseen zu prüfen.

Mit der Gründung der Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m. b. H. im Jahr 2006 wurde die Provenienzforschung des Ferdinandeums auf die Bestände des Tiroler Volkskunstmuseums und ab 2009 auch auf den Zeitraum von 1933 bis 1955 erweitert. Von den bisher eindeutigen – insgesamt 18 – Restitutionsfällen konnten bis heute 16 abgeschlossen und insgesamt 29 Objekte restituiert werden. Im Fall der – wohl in ganz Österreich bekannten – „Kisten“ aus dem Besitz des Gauleiters Franz Hofer, in denen sich unter anderem zahlreiche Gemälde von Albin Egger-Lienz befanden, konnten trotz intensiver Recherchen bisher keine früheren Eigentümer ausfindig gemacht werden. Diese Gemälde sind weiterhin auf den einschlägigen Websites als Objekte mit unbekannter Provenienz publiziert.2

Trotz der teils umfangreichen Restitutionen der Nachkriegsjahre und einiger Rückgaben in den vergangenen Jahren sind möglicherweise immer noch Objekte in den Sammlungen der Tiroler Landesmuseen vorhanden, deren Herkunft es zu klären gilt, um die Unbelastetheit des Besitzes/des Eigentums der Tiroler Landesmuseen zu prüfen und für die Zukunft sicherzustellen.3

In den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft war man im Ferdinandeum bemüht, die Tradition der Erwerbungen weiterzuführen, wie sie seit der Gründung des Museums 1823 bestanden hatte. In den Jahren vor der nationalsozialistischen Herrschaft gab es – aufgrund der schlechten finanziellen Situation des Museums – kaum Möglichkeiten, die Museumssammlungen bedeutend zu erweitern. So wurden vor 1938 vom Ferdinandeum nur wenige Ankäufe bei Kunsthändlern*innen und von Privaten vorgenommen.

Mit dem „Anschluss“ 1938 verbesserte sich die finanzielle Situation langsam. Es war nun wieder möglich, die Museumsbestände durch den Erwerb von Kunstwerken aus verschiedenen Sammlungen zu bereichern. Die Erwerbungspolitik des Ferdinandeums war in den Jahren der NS-Herrschaft von der Möglichkeit geprägt, wertvolles Kulturgut günstig und zum Teil auf Kosten anderer zu erwerben. Von zentraler Bedeutung war ab 1938 der Zugriff auf jüdische Sammlungen, ob in Innsbruck selbst, in der „Ostmark“ oder im übrigen Deutschen Reich.

Und besonders bei diesen Ankäufen steht bis heute neben der Frage, was erworben wurde, vor allem in Diskussion, aus welchen Quellen erworben wurde. Auch die Erwerbungen aus dem Kunsthandel werden – unter Einbeziehung neuester Forschungsansätze – gesichtet und überprüft. Die Erweiterung der Sammlungen des Ferdinandeums zwischen 1938 und 1945 basierte zu einem wesentlichen Teil auf Schenkungen, Legaten, Ankäufen von Privatpersonen oder aus dem Kunsthandel und Tauschgeschäften. Auch aus den ab 1940 bis 1944 stattfindenden Gau-Kunstausstellungen wurden Erwerbungen getätigt.4

Inzwischen kann sich wohl kaum mehr ein Museum, ob groß oder klein, der Aufgabe entziehen, die Herkunft der Bestände genau zu untersuchen und die Ergebnisse transparent darzustellen. Die oftmals verschlungenen Wege, auf denen Kunstwerke oder Kulturgüter in eine Museumssammlung gekommen sind, werden rekonstruiert. Provenienzforschung kann die Erinnerung an die Opfer wachhalten, etwas gutmachen, Unrecht aufdecken. So versucht man jedem Kürzel, jedem Namen eine Person zuzuordnen, um in der Forschung weiterzukommen. Die Recherchen dazu machen deutlich, wie mühsam Untersuchungen zu diesem Thema sein können, aber auch wie spannend sie sind, wenn man es rein unter Forschungsgesichtspunkten betrachtet.

So ist es zudem interessant, Objekte zu untersuchen, die offensichtlich keinen Entziehungshintergrund haben. Wer waren die Eigentümer*innen eines Objektes, bevor es ins Museum gelangte? Unter welchen Umständen kam es in die Sammlungen des Museums? Die Beantwortung dieser Fragen ist mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der Museumsarbeit. Ziel ist es, eine möglichst lückenlose Herkunftschronologie für das Sammlungsgut nachzuweisen. Aufgabe der Provenienzforschung ist jedoch vor allem das Identifizieren von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in Museen sowie das Auffinden der rechtmäßigen Eigentümer*innen und deren Erb*innen und eine entsprechende Rückgabe.

Womit beginnt man, wenn man die Erwerbungen in einem bestimmten Zeitraum untersucht? Man hat eine Liste von mehreren 100 Objekten aus den verschiedensten Sammlungsbereichen vor sich liegen und soll deren Herkunftsgeschichte klären. Zunächst stützt man sich auf die verfügbaren hauseigenen Quellen. Dafür stellt das Zugangsregister – in den Tiroler Landesmuseen die sogenannten „Erwerbungsbücher“ – einen ersten wichtigen Anhaltspunkt dar. Als Eigentumsnachweis des Museums werden darin die ins Haus gelangten Objekte, einschließlich ihrer Vorbesitzer*innen und der Art der Erwerbung, jahrgangsweise laufend nummeriert und je nach Sammlung erfasst. Die Quellenlage für die Geschichte der Erwerbungen des Tiroler Landesmuseums kann durchaus als gut bezeichnet werden. Zwar sind Ausschussprotokolle, Erwerbungsbücher und Jahresberichte oft recht kurz gehalten und nur wenig aussagekräftig, um die historisch interessanten Diskussionen und Entscheidungsfindungen nachvollziehen zu können. Diese Quellen werden jedoch regelmäßig durch umfangreiche Korrespondenzakten ergänzt. Allerdings sind über die Jahre nicht alle Museumsakten erhalten geblieben. So fehlen zum Beispiel Akten, die an das Tiroler Denkmalamt weitergereicht wurden und seitdem nicht mehr auffindbar sind. Eine wichtige Quelle ist neben allen Dokumenten, Archivalien etc. das Objekt selbst.

Anhand von Verdachtsmomenten – wie eine besonders geringe Erwerbungssumme, ein dem NS-Regime dienender Kunsthändler oder ein verdächtiger Name – wird eine weitere Untersuchung vorgenommen. Die Recherche beginnt: Sichtung der Museumsakten, alter Jahresberichte, alter Museumsführer und Karteikarten. Auch das Objekt selbst muss sorgfältig in Augenschein genommen werden, um es auf Hinweise auf mögliche Vorbesitzer*innen hin zu untersuchen. Dabei ist auf Beschriftungen, Zahlen und Buchstaben oder Aufkleber auf den Rück- oder Unterseiten der Objekte zu achten. Oftmals findet man noch annotierte Kataloge mit wertvollen Informationen über die Verkaufskonditionen oder vielleicht sogar mit einem Hinweis auf den Verkäufer eines Objektes. Leider sind dabei aber oft nur Kürzel zu finden. Aber über den Austausch mit Fachkolleg*innen in Österreich und Deutschland sowie in diversen Kommunikationsportalen können diese oft entschlüsselt werden, sodass wieder ein Baustein in der Geschichte des jeweiligen Museumsobjektes ermittelt ist. Auch die Recherche in anderen Archiven und Museen ist oftmals notwendig. Jedem noch so kleinen Hinweis auf eine Vorgeschichte ist nachzugehen.

Wesentliche Aufgabe ist die Erforschung der Biographie der Vorbesitzer*innen oder der Verkäufer*innen. Recherchen in der von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste betriebenen LostArt-Datenbank5 sowie Rückfragen bei der Kommission für Provenienzforschung in Wien6 sind weitere wichtige Schritte bei der Arbeit eines Provenienzforschers bzw. einer Provenienzforscherin. Falls sich Informationen über einen Vorbesitzer bzw. eine Vorbesitzerin finden, kann nun in einem nächsten Schritt versucht werden, diesem bzw. dieser Leben einzuhauchen. Wer war er bzw. sie? Gibt es biographische Informationen? Wie war der Zusammenhang zwischen dem Eigentümer bzw. der Eigentümerin und den Verkaufsumständen? Kann dieser rekonstruiert werden? Wurde der Vorbesitzer bzw. die Vorbesitzerin zwischen 1933 bzw. 1938 und 1945 aus rassistischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt? Erfolgte ein Vermögensverlust durch Zwangsverkauf oder Enteignung? War der Verkaufspreis angemessen oder wurde unter Zwang und Druck verkauft?

Abb. 2: Museumskustos Dr. Vinzenz Oberhammer zeigt Interesse am angebotenen Gemälde von Franz Richard Unterberger und bittet um Unterlagen, Archiv Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Hausakten, 389/1938. Foto: TLM

AUF DER SUCHE NACH EINER BIOGRAPHIE: WER WAR A. KÖNING?

Im Zuge der Durchsicht aller Erwerbungen des Ferdinandeums im Zeitraum 1933 bis 1955 fand sich auch eine Erwerbung 1938 von „A. Köning“ aus München. Wer war diese Person? Agierte sie als Kunsthändler oder als Privatperson, die „ihre“ Kunstwerke verkaufte? Die Angebote an das Ferdinandeum werden auf keinem Geschäftspapier verfasst. Eine Spurensuche.

Abb. 3: Die vom Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum gewünschte Aufnahme des Gemäldes von Franz Richard Unterberger findet sich heute noch im Museumsakt, Archiv Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Hausakten, 389/1938. Foto: TLM

A. Köning verkaufte dem Ferdinandeum ein Gemälde, das Ötztal aus dem Jahr 1868 darstellend, von Franz Richard Unterberger (1837–1902).7 Unterberger ist ein bedeutender Tiroler Künstler und das Gemälde stellt eine tirolische Szene dar. Wahrscheinlich aus diesem Grund wurde dieses Gemälde dem Ferdinandeum angeboten.

WAS WURDE ERWORBEN?

Franz Richard wurde 1837 in Innsbruck in die bekannte Kunsthändlerfamilie Unterberger geboren. Er studierte in München an der Akademie bei Albert Zimmermann (1809–1888). Ab 1864 lebte Unterberger in Belgien. Tiroler Motive inspirierten ihn vor allem in seiner frühen Schaffenszeit. Viele seiner Werke wurden zumeist schon von den Ausstellungen weg verkauft. Der Künstler gehörte seit 1875 dem Museumsverein Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum an. 1899 wurde Unterberger zum Ehrenmitglied des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum erklärt8, sicherlich auch als Dank für seine Schenkung des Gemäldes „Amalfi und der Golf von Salerno“ (1893) und seine Ausstellung im Rundsaal des Ferdinandeums. Er starb 1902 in Neuilly-sur-Seine, einem Pariser Vorort. Er wurde in Innsbruck begraben. Unterbergers Verbundenheit mit dem Tiroler Landesmuseum zeigte sich in einem Legat von sechs Werken, das am 1. Dezember 1902 dem Ferdinandeum überreicht wurde.9

WER WAR NUN ABER „A. KÖNING“?

Meine Recherchen starteten im Münchner Stadtarchiv. Ich wollte der Person einen kompletten Namen und ein Geschlecht geben. Das Münchner Stadtarchiv konnte helfen und es stellte sich heraus, dass es eine Frau ist: Antonia Anna Josepha Köning, geborene Aumüller. Antonia Anna Josepha Aumüller wurde am 11. Februar 1895 in München geboren. Ihr Vater, Anton Aumüller, ein Tischler, und ihre Mutter, Martha Aumüller, geborene Schleinkofler, beide römisch-katholisch, waren wohnhaft in der Corneliusstrasse 12 in München.10 Später arbeitete Anton Aumüller als Staatsbahnschaffner.

Als seine Tochter Antonia 1917 heiratete, war er bereits verstorben. Am 25. April 1917 heiratete sie Friedrich „Fritz“ Köning.11 Friedrich Köning, geboren am 28. April 1894 in Rosenheim, war der Sohn des Kaufmanns Heinrich Friedrich Wilhelm Georg Köning und der Marianna Köning (geborene Mallapell). Als Beruf wird bei Friedrich Köning Drogist angeführt. Friedrich Köning brachte einen unehelichen Sohn, Rudolf Albert Anton Köning, geboren am 6. Jänner 1911, in die Ehe mit. Friedrich Köning verstarb am 4. Mai 1933. Antonia Köning heiratete am 20. Oktober 1943 am Standesamt München I ein zweites Mal, den Cafetier Friedrich Karl Naß. Friedrich Naß wurde am 23. Februar 1895 in München geboren. Als Antonias Wohnadressen werden in der Zeit von 1917 bis 1943 die Corneliusstrasse 10/2 und ab 1943 die Müllerstrasse 56/II geführt.12 Antonia Naß, verw. Köning, geb. Aumüller, verstarb am 6. Juni 1968 in München.13 Dies sind die puren Fakten zum Leben der Antonia Köning.

Laut den Stadtadressbüchern von München der Jahre 1930 und 1931 war Friedrich Köning Fabrikant, ihm gehörte die Firma Fritz Köning & Cie.14 Diese Firma produzierte „Bayrum- und Toilettewaschwasser“, Firmensitz war der Jakobsplatz 10 in München. Im Jahr 1933 steht im Stadtadressbuch „Toilettewaschwasserfabrikant“, ab 1934 – nach dem Tod Fritz Könings – findet man Antonia/Antonie Köning als „Kopfwaschwasserfabrikant“ mit der Privatadresse Corneliusstrasse 10/2 im Adressbuch der Stadt München. Die Firma Fritz Köning & Cie scheint nach 1934 nicht mehr zu existieren. Im Münchner Stadtadressbuch von 1938 findet man den Eintrag mit der Berufsbezeichnung „Kopfwaschwasserfabrikantin“ und keinerlei Hinweis auf eine Tätigkeit im Kunsthandel.15

Abb. 4: Eintrag „Antonia Köning“ im Münchner Telefonbuch aus dem Jahr 1938. URL: https://wiki.genealogy.net/Kategorie:M%C3%BCnchen/Adressbuch_1938 (Zugriff: 11. Juli 2023)

Vermutlich hatte sie von ihrem Mann einige Gemälde geerbt, bat sie doch dem Ferdinandeum ein Mädchenbildnis von Franz von Defregger (1835–1921) oder ein Werk von Hans Markart (1840–1884) an.16 Leider befinde ich mich da ein wenig im Reich der Spekulationen und komme in der Provenienzforschung hier nicht weiter. Wenigstens wissen wir aber nun, dass es sich um eine Frau, um eine Antonia handelt, die dem Ferdinandeum das Gemälde „Ötztal“ verkauft hat.

ERGEBNIS: ANTONIA KÖNING WAR EINE „KOPFWASCHWASSERFABRIKANTIN“ AUS MÜNCHEN

„A. Köning“ bietet in einem Schreiben vom 8. Oktober 1938 dem Ferdinandeum das Gemälde „Das Ötztal“ von Franz Richard Unterberger um den Preis von RM 1.950,– an. Wenn das Museum keinen Erwerb wünsche, wird um Kontakt zu Sammlern gebeten, heißt es im Angebot. Weiteres wird ein Bild von Franz von Defregger aus dem Jahr 1870 mit angeboten.

„Von dem 1838 in Innsbruck geborenen bedeutenden Künstler Franz Richard Unterberger besitze ich ein außergewöhnlich fein durchgeführtes Gemälde 90 x 130 sig. u. datiert 1869 darstellend: das Ötztal – welches ich mir erlaube zum günstigen Preise von RM 1950,– anzubieten. Wenn Sie selbst kein Interesse haben sollten so wäre ich dankbar mir event. einen dortigen Sammler zu nennen somit das schöne Werk Ihrer Heimatstadt erhalten bliebe. Auch ein sehr schönes Bild F. v. Defregger um 1870 entstanden, ist in meinem Besitz. Heil Hitler A Köning.“17

Das Ferdinandeum meint mit einem Mann zu korrespondieren und beantwortet das Schreiben am 10. Oktober 1938 mit „Sehr geehrter Herr“. Kustos Oberhammer bittet um Fotos der beiden angebotenen Bilder und merkt an, dass „der genannte Preiß für das Unterberger-Bild […] ‚ungeheuer hoch‘ wäre“. Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme wird dem Ferdinandeum zugesandt. Das Foto befindet sich noch im Museumsakt.18 Im gleichen Schreiben sieht Frau Köning auch einem Gebot für das Gemälde oder einen Tausch „irgendeiner Dublette ihres Museums“ entgegen.

Kustos Vinzenz Oberhammer teilt am 28. Oktober 1938 in einem Schreiben an A. Köning (im Brief wird sie wieder mit „Sehr geehrter Herr!“ begrüßt) mit, dass das Museum das Gemälde von Unterberger gerne erwerben möchte. Es müsse nur geklärt werden, welche Bilder als Tausch infrage kommen.

Im Museumsakt befindet sich auch eine Postkarte von Frau Köning, in der sie mitteilt, dass das Bild per Bahnexpress nach Innsbruck komme, das Museum solle rasch einen möglichen Erwerbungswunsch mitteilen, denn „ein Konsortium“ plane das Gemälde als Geschenk ebenfalls zu erwerben und es komme ein vollständiger Tausch nicht infrage.

Das Gemälde kommt als Reisegepäck nach Innsbruck. Ein Herr Ricke verhandelt in der Folge im Auftrag von Frau Köning den Verkauf des Gemäldes. Antonia Köning protokolliert in einem Schreiben an das Ferdinandeum vom 8. November 1938 ein Telefongespräch mit der Direktion des Museums. Vereinbart wurde, dass das bereits dem Ferdinandeum zugesandte Gemälde „Ötztal“ von Franz Richard Unterberger vom Museum erworben werde, zur Hälfte gegen Barzahlung, zur anderen Hälfte durch Tausch mit anderen Gemälden aus dem Museumsbesitz. Das Museum bot ein leider nicht mehr zu identifizierendes Bild an (gewünscht war laut einem Schreiben vom 31. Oktober 1938 ein Gemälde aus der Alt-Münchner Schule) und RM 800,– in bar.19 Kustos Oberhammer dankte in einem Schreiben vom 13. November 1938 „Herrn F. Köning“.

Recherchen im Museumsarchiv ergaben, dass Frau Köning schon im März 1938 dem Museum ein Mädchenbildnis von Franz von Defregger mit einem „Attest“ des Sohnes von Defregger, Hans Defregger, angeboten hatte.20 Das Museum hatte damals einen Erwerb jedoch abgelehnt. Ende 1938 bietet Frau Köning neuerlich ein Gemälde von Hans Markart zum Preis von RM 550,– dem Museum an. Ein Erwerb des Gemäldes wird ebenfalls abgelehnt.21

Rückfragen über die Person Antonia Köning im Kreis der Provenienzforscher*innen haben leider nichts ergeben. Antonia Köning scheint bisher im Kreise der österreichischen und deutschen Provenienzforschung nicht in Erscheinung getreten zu sein.22

Es muss weitergeforscht werden. Die Recherchemöglichkeiten haben sich durch das steigende Interesse an Provenienzforschung in den letzten Jahren deutlich verändert und erweitert. Es entstehen immer mehr Datenbanken und Websites, die Verknüpfungen von Objekten und Personen ermöglichen können. In der Literatur werden immer mehr Familienschicksale, Enteignungen und auch Rückgaben erzählt und helfen, Zusammenhänge zu finden. Im Zuge von Ausstellungsvorbereitungen und Neuaufstellungen wird vermehrt auf die Frage der Provenienzforschung Rücksicht genommen und recherchiert und im Falle auf eine problematische Provenienz hingewiesen. Entsprechend ist die Provenienzforschung in den Tiroler Landesmuseen weiterzuführen. Man wird der Verpflichtung zur Recherche, zur Vernetzung und zur Veröffentlichung der ermittelten Daten und Zusammenhänge auch künftig nachkommen.

Ergebnisse der Recherchen zu den verschiedenen Erwerbungen des Ferdinandeums aus dem Kunsthandel sind auf der Internetseite der Tiroler Landesmuseen publiziert. Die Tiroler Landesmuseen veröffentlichen diese Objekte, weil anzunehmen ist, dass ein Teil der dort genannten Objekte aufgrund nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen versteigert bzw. verkauft wurden.

> SAMMELN UND PRÄSENTIEREN

Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 16/2023

S. 8–17

____________

1    Oft hat ein Objekt schon einen langen Weg und viele Besitzerwechsel hinter sich, bis es an den Ort kommt, an dem es sich aktuell befindet. In der Wissenschaft spricht man von der „Provenienz“ eines Objektes. Die Provenienzforschung kümmert sich um die Suche nach der Herkunft eines Objektes.

2    Siehe URL: https://www.tiroler-landesmuseen.at/forschung/provenienzforschung/ (Zugriff: 7. Juni 2023), URL: https://www.kunstdatenbank.at/objekt-suche/volltext/ferdinandeum (Zugriff: 7. Juni 2023) und URL: https://www.lostart.de/de/suche?term=ferdinandeum&filter[type][0]=Objektdaten (Zugriff: 7. Juni 2023).

3    Siehe dazu die Internetseite der Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft URL: www.tiroler-landesmuseen.at. Unter der Rubrik „Provenienz“ (URL: http://www.tiroler-landesmuseen.at/page.cfm?vpath=tiroler-landesmuseen/forschung&genericpageid=1589) findet man alle in den letzten Jahren getätigten Rückgaben bzw. Ergebnisse der laufenden Recherchen zu den Erwerbungen aus dem Kunsthandel.

4    Informationen zu bisherigen Restitutionen und zur Geschichte des Ferdinandeums in der NS-Zeit: Sporer-Heis, Claudia: „(…) sind dem Ferdinandeum Auslagen erwachsen, auf deren Ersatz es Anspruch erheben zu können glaubt (…)“. Zur Frage der Restitution jüdischen Eigentums am Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 82/II, 2002, S. 7–37. In diesem Band befinden sich auch die gemeinsam mit Eleonore Gürtler erarbeitete Auflistung der einzelnen Restitutionsfälle am Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Buchroithner, Sonia: Provenienzforschung in den Tiroler Landesmuseen. Recherchen zu einer Erwerbung im Jahr 1941: Das Helblinghaus, Aquarell von Rudolf von Alt. Vorbesitzer bleibt unbekannt!, in: Blimlinger, Eva/Schödl, Heinz (Hg.): … (k)ein Ende in Sicht. 20 Jahre Kunstrückgabegesetz in Österreich (= Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung 8), Wien–Köln–Weimar 2018, S. 172–179. Buchroithner, Sonia/Sporer-Heis, Claudia: Das Ferdinandeum in den Jahren 1938 bis 1945, in: Meighörner, Wolfgang (Hg): Zwischen Ideologie und Anpassung und Verfolgung. Kunst und Nationalsozialismus in Tirol, Innsbruck 2018, S. 102–110.

5    URL: https://www.lostart.de/de/suche?term=ferdinandeum&filter[type][0]=Objektdaten (Zugriff: 7. Juni 2023).

6    URL: https://provenienzforschung.gv.at/#:~:text=Die%20Kommission%20f%C3%BCr%20Provenienzforschung%20ist,den%20zust%C3%A4ndigen%20Bundesminister (Zugriff: 11. Juli 2023).

7    Franz Richard Unterberger, Ötztal, Öl auf Leinwand, 1868, 90 x 131cm, Innsbruck, TLM, Ältere kunstgeschichtliche Sammlung, Inv.-Nr. Gem 1756, Eigentümer: Verein Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum.

8    Hastaba, Ellen: Ehrenmitglieder des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum und anderweitig durch den Museumsverein ausgezeichnete Persönlichkeiten, in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 78, 1998, S. 251–288, S. 270 f.

9    Zum Leben und zum Werk F. R. Unterberger siehe: Moser, Sybille-Karin: F. R. Unterberger und die salonfähige Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert, Innsbruck–Wien 1986.

10   Geburtseintrag, Standesamt München I. 1261/1895 von Antonia Anna Josefa Aumüller, Stadtarchiv München.

11   Heiratsregistereintrag (Standesamt München I 471/1917) von Friedrich Köning und Antonia Anna Josefa Aumüller, Stadtarchiv München.

12   Einwohnerkarte von Friedrich Köning, Stadtarchiv München.

13   Sterberegistereintrag (Standesamt München II 2225/1968) von Antonia Anna Josepha Naß, geborene Aumüller, Stadtarchiv München.

14   URL: https://wiki.genealogy.net/M%C3%BCnchen/Adressbuch_1930 (Zugriff: 11. Juli 2023).

15   Anfrage an das Bayerische Wirtschaftsarchiv München, Dr. Richard Winkler (19. Jänner 2015). Laut Auskunft Dr. Winkler findet sich im Bayerischen Wirtschaftsarchiv keine weitere Information über Frau Köning. Beispiel Adressbuch München 1938: URL: https://wiki.genealogy.net/index.php?title=Datei:Muenchen-AB-1938.djvu&page=373 (Zugriff: 5. Juni 2023).

16   Eine Anfrage an das Münchner Stadtmuseum (Dr. Regina Prinz) vom 1. Juni 2023 hat keine neuen Hinweise auf eine Händlertätigkeit von Antonia Köning ergeben (Antwort-E-Mail vom 12. Juni 2023).

17   Archiv Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Hausakten, 389/1938.

18   Archiv Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Hausakten, 389/1938.

19   Archiv Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Hausakten, 389/1938.

20   Archiv Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Hausakten, 189/1939.

21   Archiv Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Hausakten, 507/1938.

22   Danke für die Auskünfte an Dr. Andrea Bambi, Leitung Provenienzforschung und Kulturgüterausfuhr, Bayerische Staatsgemäldesammlung München; Dr. Regina Prinz, Provenienzforscherin, Münchner Stadtmuseum; Dr. Stephan Klingen, Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München, Dr. Meike Hopp, ehemals Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München; Dr. Richard Winkler, Bayerisches Wirtschaftsarchiv u. a.

Abb. 1: „Kommt a Vogerl geflogen“ mit Fingerprint aus einem losen Konvolut handschriftlicher Zither- und Gitarrenoten des Fügener Musikanten Eduard Leo (1862–1939), Innsbruck, TLM, Tiroler Volksliedarchiv, Sign. IIINO31/4, Scan 25

WIE MACHT MAN VOLKSMUSIK PRÄSENTIER- UND NUTZBAR?

PRÄSENTIEREN AUS SICHT EINES ARCHIVS IM MUSEUM

Sonja Ortner

ABSTRACTS

As an archive in the context of a museum, we do not equally have visually attractive showpieces. We primarily collect sheet music, song manuscripts or sound recordings.

Nevertheless, the Tyrolean Folk Song Archive has been able to present its holdings in permanent and special exhibitions of the Tyrolean State Museums for two decades: As song transcripts or sound samples, they thematically complement the exhibits. The collection is presented to the public primarily through a database (www.volksmusikdatenbank.at), in which all Austrian folk song archives joined together in 2004. By entering melodies according to different systems, they can be listened to and found. Within the framework of a digitisation project, the search for melodies via keypad on an online keyboard is now being optimised in such a way that anyone interested can be guaranteed access to our holdings and their melodies as low-threshold as possible.

Als Archiv im Verbund eines Museums verfügen wir nicht gleichermaßen über optisch attraktive Schaustücke. Gesammelt werden vorrangig Notenblätter, Liederhandschriften oder Tonaufnahmen.

Trotzdem konnte sich das Tiroler Volksliedarchiv seit zwei Jahrzehnten in Dauer- wie Sonderausstellungen der Tiroler Landesmuseen mit seinen Beständen einbringen und diese präsentieren: Als Liedaufzeichnungen oder Tonbeispiele ergänzen sie thematisch die Schaustücke. Präsent ist die Sammlung in der Öffentlichkeit aber primär über eine Datenbank (www.volksmusikdatenbank.at), in der sich bereits 2004 alle österreichischen Volksliedarchive zusammengeschlossen haben. Durch Eingabe von Melodien nach unterschiedlichen Systemen lassen sich diese anhören und finden. Im Rahmen eines Digitalisierungsprojektes wird nun die Suche nach Melodien mittels Tastatur auf einer Online-Klaviatur so optimiert, dass allen Interessierten möglichst niederschwellig Zugang zu unseren Beständen und deren Melodien gewährleistet werden kann.

Als Archiv sind wir in gewisser Weise fehl am Platz in einem Museum, dessen vorrangiger Zweck darin besteht, seine reichhaltigen Bestände auszugsweise in Schausammlungen zu präsentieren. Was kann ein Archiv dazu beitragen? Welche Objekte stehen zur Verfügung?

Das Tiroler Volksliedarchiv hat seit fast 120 Jahren die Aufgabe, die volksmusikalische Kultur der Region Tirol abzubilden und zu dokumentieren.1 Anfangs, ab ca. 1906, hat man sich auf das Abschreiben vorhandener (älterer) Text- und Noten-Aufzeichnungen oder die Niederschrift unmittelbar vorgesungenen oder vorgespielten Lied- und Musiziergutes beschränkt, da Aufnahmegeräte noch rar, teuer und umständlich waren. Insbesondere seit den 1980er-Jahren ging man dazu über, mit Tonbandgeräten ins Feld zu ziehen. Handschriften oder Notate wurden ergänzend kopiert. Der Vorteil lag auf der Hand: So konnte man – zuerst mit einem simplen Kassettenrekorder – einfach und zeitsynchron Sänger*innen und Musikant*innen aufnehmen, ohne sie, wie zuvor bei der Niederschrift, unterbrechen zu müssen.2

So setzt sich unsere Sammlung einerseits aus Noten-, Textblättern und Liederhandschriften, also Flachware, zusammen, andererseits aus den immateriellen Tonaufnahmen, d. h. akustischem Material. Optisch attraktiv sind diese „Objekte“ in der Regel nicht.

Allerdings wurde es uns bereits im Jahr 2005 anlässlich des 100-jährigen Bestandsjubiläums des Tiroler Volksliedarchivs ermöglicht, zu fünf Themenbereichen im Tiroler Volkskunstmuseum Hörstationen mit entsprechenden Tonbeispielen aufzustellen. So erklangen in einer Stube urige Wirtshauslieder, im religiösen Bereich die originellen Liedsätze der (Südtiroler) „Kirchensinger“ oder im häuslichen Bereich, bei den ausgestellten Wiegen, Wiegenlieder. Da Musik bekanntlich unmittelbar Emotionen anspricht, selbst wenn man den Text (z. B. als Besucher*in aus dem Ausland) nicht versteht, hat dieses Projekt gezeigt, welche Rolle sie im Kontext konventioneller Ausstellungsräume einnehmen kann. Museumsbesucher*innen haben sich in der Folge wiederholt erkundigt, wo man die dort gehörte Musik bekommen könne. Während diese Hörstationen nach einiger Zeit wieder abgebaut wurden, erklingen nun in der Krippen-Schausammlung zu drei ausgewählten Krippen jeweils Hirten- bzw. Weihnachtslieder.

In den letzten Jahren konnten wir uns außerdem wiederholt im Rahmen von Sonderausstellungen mit Objekten und unserem Wissen einbringen.

Bei der Ausstellung „Vergessen. Fragmente der Erinnerung“ 2019/2020 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum wurden Noten und ein Tonbeispiel des Volksliedarchivs präsentiert: ein ehemals viel gesungenes Heimatlied,3 das kaum jemand mehr kennt, da es seinen Zweck verloren hat, des Weiteren einstimmig notierte Ländler vom Weerberg aus dem Jahr 1829, von denen man nicht weiß, wie sie tatsächlich geklungen haben (Besetzung? Stil? Tempo?), sowie die Aufnahme eines ursprünglich nur mündlich überlieferten Kirchensingerliedes aus einer Passion, die 1986 mithilfe der letzten lebenden Interpretin rekonstruiert werden konnte. Das Bild einer zerfallenen Handschrift aus unseren Beständen diente in Medienberichten der Visualisierung des Ausstellungsthemas.4 (Abb. 2)

Bei der ein Jahr später im Tiroler Volkskunstmuseum gezeigten Ausstellung „Al Lavoro!“, die sich der Geschichte der italienischen Arbeitsmigrant*innen in Nordtirol widmete, waren sogenannte „Italienerlieder“ zu sehen und hören, in denen man die sprachlichen Unzulänglichkeiten der Zuwanderer*innen und deren andersartige Mentalität oft spöttisch aufs Korn nahm.5 Den Höhepunkt musealen Präsentierens im eigentlichen Sinne bildete die Sonderausstellung „Wir Tiroler sind lustig. Die Rolle der Volksmusik für den Tourismus“ im Tiroler Volkskunstmuseum 20226, mit der das Volksliedarchiv erstmals eine eigene Ausstellung kuratierte. An die 200 Objekte aus eigenen und anderen Sammlungen des Hauses sowie von externen öffentlichen und privaten Leihgeber*innen wurden durch ein Dutzend Hör- und Videostationen ergänzt und die Musik dadurch ihrem Wesen entsprechend verlebendigt. Die zahlreichen Papierobjekte – Noten, Bücher, Postkarten oder Fotografien – wusste die Ausstellungsarchitektin Regina Tschurtschenthaler gekonnt zu inszenieren, Instrumente und andere dreidimensionale Objekte wie Reisekoffer und Trachten lockerten das optische Erscheinungsbild auf. Abseits von derart präsentierter Volksmusik – mittels Objekten oder Hörbeispielen – liegt unser Schwerpunkt jedoch auf dem Präsentieren bzw. Vermitteln des Gesammelten über CDs und Notenhefte sowie dem Zugänglichmachen der Daten unseres immateriellen Kulturerbes über die seit 2004 bestehende, online abrufbare Datenbank der Volksliedarchive/-werke Österreichs und Südtirols.7

Abb. 2: Josef A. Kapferer, Handschrift „Schnadahüpfeln aus Tirol“, um 1870, Innsbruck, TLM, Tiroler Volksliedarchiv, Sign. IIIGB92

Wenn mit Präsentieren einer Sammlung also auch deren Präsentsein etwa in Form einer solchen Datenbank gemeint ist, so darf hier auch Ausführungen zum Präsentieren von Musik/Melodien Raum gegeben werden. Aktueller Schwerpunkt ist – mehr oder weniger parallel zu der noch in Anras gezeigten Ausstellung „Wir Tiroler sind lustig“ – ein vom zuständigen Ministerium gefördertes Digitalisierungsprojekt („Kulturerbe digital“), das über Ansuchen des Dachverbandes Österreichisches Volksliedwerk abgewickelt wird. Es geht darum, die in den letzten Jahren mithilfe diverser Eingabestrukturen (ABC-Notation oder MEI-XML)8 sichtbar gemachten Melodien bzw. Melodieincipits für Benutzer*innen der Datenbank möglichst niederschwellig auffindbar zu machen. Das bedeutet, unsere Datenbank wird mit einer Melodierecherche ausgestattet, mittels derer Interessierte unkompliziert und selbsterklärend auf einer Online-Klaviatur gezielt nach Melodien oder Melodiefragmenten suchen können. Konzeptuell und technisch umgesetzt werden diese notwendigen Erweiterungen nach Absprache mit den Archivleiter*innen der Bundesländer-Volksliedarchive von Wolfgang Dreier-Andres vom Salzburger Volksliedwerk und Johannes Hölzl vom Datenbank-Informationssystem DABIS in Wien.

Melodien recherchierbar zu machen, daran haben sich schon viele, auch im Vor-Computer-Zeitalter versucht. So wurde im Bereich der Volksmusikforschung bereits 1956 von Karl M. Klier „eine Methode zur Registrierung und Ordnung von Melodien entworfen und eingeführt.9 Ein solches Register dient der Auffindung und dem stilistischen Vergleich von Melodien. […] Es beruht auf der Bezifferung des jeweils ersten Tones des viertaktigen Melodieanfangs (Incipit).“10 (Abb. 3) So fasst Walter Deutsch die „Wiener Methode nach Klier-Deutsch“ im ersten Band des „Corpus Musicae Popularis Austriacae“ 1993 zusammen. Im zwischen 1988 und 1991 erarbeiteten INFOLK (Informationssystem für Volksliedarchive in Österreich) wird dieses Erfassungssystem mittels „Ordnungszahl“ als Klassifikation für den melodischen Verlauf vorgegeben,11 obwohl damit der für Volksmusik typischen Variantenvielfalt schwer Rechnung getragen werden kann.

Eine andere systematische Ordnung verfolgte der vormalige Leiter des Tiroler Volksliedarchivs, Manfred Schneider, in seinem Band „Jodler aus Tirol“, um diese besondere Gattung adäquat fassbar zu machen.12 Als Vorbild diente ihm die „melodisch-alphabetische“ Ordnung von Josef Pommer in dessen „444 Jodler und Juchezer“ (Wien 1902). Das Material ist dabei zweifach gegliedert: zunächst in Gruppen nach aufsteigendem und abfallendem Intervall, das sind von der Sekunde bis zur Oktav elf Gruppen. „Zur Ermittlung des melodischen Modells war [dann] die diastematische Anordnung jener vier Töne maßgebend, die auf das jeweils erste Intervall folgen. Diese Notengruppe, bestehend aus dem Initialintervall und den folgenden vier Tönen, bildet in Ziffern abstrahiert die Sigle.“13 (Abb. 4) Ein ähnliches Konzept verfolgte man bei der Edition der gedruckten deutschen Kirchenlieder.14 Sie sind noch einfacher zu strukturieren bzw. zu erfassen als Jodler, da Variantenbildung noch weniger ausgeprägt ist – man singt sie, bedingt durch das geleitete gemeinschaftliche Singen im kirchlichen Kontext, für gewöhnlich immer gleich. „Jeder Eintrag besteht aus acht Tonhöhenzeichen, die die ersten sieben melodischen Intervalle der betreffenden Melodien bezeichnen“. Die Reihenfolge ist auch hier nach Intervallen geordnet, allerdings vom größten Sprung (also der Oktav) aufwärts bis zum größten Sprung abwärts. Die anschließenden zweiten bis siebten Intervalle bestimmen auf dieselbe Weise die weitere Reihenfolge. Optisch unterscheidet sich das Melodieincipit-Register von der Anordnung der Jodler dadurch, dass der Intervallverlauf mit Noten und nicht Ziffern dargestellt wird. (Abb. 5) Das digitale Zeitalter bietet nun gefällige Recherchemöglichkeiten, die keiner akribisch-mathematisch anmutenden „Einschulung“ in das Suchprozedere bedürfen. So kann z. B. beim folk tune finder15 die gesuchte Melodie mittels Tastatur über eine virtuelle Klaviatur eingegeben, in Musipedia16 zusätzlich mit Mikrophon vorgepfiffen werden.17 Um nun auf unsere Volksmusikdatenbank zurückzukommen: Ein erster Meilenstein in Richtung Sichtbarmachung von Musik konnte 2019 gesetzt werden. War es davor lediglich möglich nach Liedtext(anfäng)en oder Stücktiteln mit Zusatzangaben wie Herkunft, Entstehungszeit, Taktart etc. zu suchen, so konnten nun zumindest die ersten paar Takte von Liedern oder Instrumentalstücken dargestellt und sogar abgespielt werden, ohne dafür Scans der Originale hochladen zu müssen. Gerade im Bereich der Volksmusik, wo Lieder auf unterschiedliche Melodien gesungen werden und Tänze verschiedene Titel haben können, ist diese Erweiterung für Lai*innen wie Wissenschaftler*innen von großer Relevanz. Technisch umsetzbar wurde das durch die sogenannte ABCNotation, die 1991 vom englischen Informatiker und Musiker Chris Walshaw entwickelt wurde.18 Die Eingabe vonseiten des/der Katalogisierenden erfolgt als Text in ein Feld des entsprechenden Datensatzes. Anschließend werden diese Angaben mit Unterstützung eines Programmes (www.abcjs.net, Open-Source-Software) in Noten und Klangdateien umgewandelt. (Abb. 6)

Abb. 3: Melodienregister nach der „Wiener Methode nach Klier-Deutsch“. Deutsch, Walter: Niederösterreich. St. Pölten und Umgebung (= COMPA 1), Wien 1993, S. 474

Abb. 4: Melodische Ordnung der Jodler nach Anfangsintervallen. Schneider, Manfred (Hg.): Jodler aus Tirol (= Volksmusik in Tirol 1), Innsbruck 1982, S. 19 – Abb. 5: Melodische Ordnung der Kirchenlieder nach Intervallen. Stalmann, Joachim (Hg.): Das deutsche Kirchenlied. Abteilung III/1: Register, Kassel u. a. 1993–2002, S. 159

Abb. 6a, b: Eingabe der Melodie mithilfe von Buchstaben (ABC-Notation) und Ansicht desselben Datensatzes in der Online-Version mit Möglichkeit des Abspielens der Melodie. Foto: Tiroler Volksliedarchiv

Um nun auch konkret nach einer Melodie suchen zu können, haben Simon Haitzmann und Wolfgang Dreier-Andres, beide vom Salzburger Volksliedwerk, mit dem sogenannten „Fingerprint“ (auch als „tonal diatonic pitch class“ bekannt) eine brauchbare und simple Lösung gefunden: Ausgehend von der Grundtonart eines Liedes bzw. Stückes werden jedem Ton der betreffenden Tonleiter, unabhängig von Tonarten, die Ziffern 1 bis 7 zugeordnet, im Falle von C-Dur wäre das: C=1, D=2, E=3, F=4 etc. bis c=1 (C der nächsten Oktav). Halbtöne und Notenwerte werden nicht abgebildet. Im Falle des bekannten Kinderliedes „Kommt ein Vogerl geflogen“ würde der Fingerprint für diesen Anfang 3453332 lauten. Egal in welcher Tonart man das Lied singt, es beginnt immer mit der Terz, also dem dritten Ton. Das hier abgebildete Notenbeispiel aus dem Nachlass des Fügener Zitherspielers Eduard Leo steht in G-Dur, demzufolge beginnt das Lied also mit H. (Abb. 1) Ergänzend zum Fingerprint kann der „Parsonscode“, erfunden 1975 von Denys Parsons,19 eingegeben werden.20 Damit wird die Abfolge von Tönen durch drei Buchstaben nachgebildet: U steht für „up“ (aufsteigend), D für „down“ (absteigend) und R für „repeat“ (gleichbleibender Ton). Auch bei diesem System werden Notenwerte oder Rhythmus ignoriert. Die erste Zeile unseres Kinderliedes lässt sich demnach wie folgt darstellen: *UUDRRD.21

Für ein unbezeichnetes Stück aus dem erwähnten Nachlass konnten durch Eingabe des Fingerprints drei weitere Belege des Stücks aus Salzburg (Walzer bzw. ohne Titel) und dem Burgenland (Klarinettenländler) ausfindig gemacht werden. (Abb. 7, 8) Die Stücke wurden auch mittels ABC-Notation erfasst, wodurch man sich alle Versionen vergleichend anhören und die feinen Unterschiede, also die melodischen Varianten, akustisch leicht erkennen kann. Hätte man diese technischen Möglichkeiten nicht, würde man das Stück weder finden noch mit anderen vergleichen können!

Im aktuellen Projekt „Kulturerbe digital“ geht es nun um den Ausbau der Melodierecherche. Die Idee dazu entstand bereits 2018, nach dem Vorbild von Musipedia (www.musipedia.org), „die älteste mir bekannte Datenbank, die eine Melodiekontursuche via Keyboard/Klaviatur bietet, und das schon seit beinahe 20 Jahren.“22 Dabei wird die Online-Klaviatur, wie oben auch im Falle des folk tune finders erwähnt, über die gewöhnliche Tastatur bzw. Maus oder auch den Touchscreen eines Tablets/Smartphones bedient. Die weißen Tasten werden mit Fettschrift, die schwarzen Tasten bzw. der Halbton rechts oder links davon mit Normalschrift wiedergegeben. (Abb. 9, 10) Beim Anwählen einer Klaviertaste erklingt der entsprechende Ton, die Note wird oberhalb der Klaviatur als Viertelnote und unterhalb als Text dargestellt. Es wird möglich sein, sowohl nach dem Incipit als auch nach einem Motiv mitten im Stück zu suchen. Vor Absenden der Suchabfrage soll das gesamte eingegebene Notenbild abgespielt werden können. Nach Absenden soll die Software aus dem Melodiebild Fingerprint und Parsonscode in Varianten für sämtliche Tonarten erzeugen, die entsprechende Suchabfrage generieren und ein Suchergebnis darstellen.23

Abb. 7, 8: Unbezeichnetes Tanzstück, aufgezeichnet von Eduard Leo aus Fügen (Innsbruck, TLM, Tiroler Volksliedarchiv, IIINO13/4, Scan 14) und Auffinden derselben Weise mithilfe des Parsonscodes in den Beständen des Salzburger Volksliedarchivs unter URL: www.volksmusikdatenbank.at

Diese Form der Erschließung unserer musikalischen Bestände ermöglicht es, Melodien bzw. Teile davon auf relativ rasche und unkomplizierte Art und Weise sichtbzw. präsentier-, hör- und schließlich auch recherchierbar zu machen.24 Anders als bei den in Schausammlungen präsentierten Objekten steht hier nicht die optisch-sinnliche und inhaltliche Dimension im Vordergrund, sondern ein praktischer Aspekt, der im Idealfall Singende, Musizierende und Forschende gleichermaßen bedient.

Abb. 9, 10: Online-Klaviatur und Anzeige der Töne bei der künftigen Melodierecherche. Entwurf von Wolfgang Dreier-Andres, Projekt „Kulturerbe digital“, Österreichisches Volksliedwerk, 2023. Dreier-Andres, Wolfgang: Funktionsbeschreibung Klaviatur zur Melodiesuche für www.volksmusikdatenbank.at, Manuskript, 6. Februar 2023

> SAMMELN UND PRÄSENTIEREN

Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 16/2023

S. 18–27

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1    Zunächst und später noch punktuell einschließlich Südtirol.

2    Außerdem war damit wesentlich authentischeres Material verfügbar, da mit einer Aufnahme über Melodie und Text hinaus auch die Art der Interpretation, der Dialekt, die Agogik und vieles mehr festgehalten werden kann.

3    „Die Sehnsucht treibt mich in die Heimat“ von Franz Winkler (1906–1962) aus Sistrans.

4    Assmann, Peter/Sila, Roland: Vergessen. Fragmente der Erinnerung, Katalog Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum 2019–2020, Innsbruck–Wien, 2019, S. 206–209 (Kat. 69 f.).

5    Ein spannendes Liedgenre, das zeigt, wie sich Klischees verfestigen und die Eigenheiten „Fremder“ unreflektiert abgeurteilt werden. Vgl. Ortner, Sonja: „Italienerlieder“ in Tirol, in: Tiroler Landesmuseen (Hg.): Al Lavoro! Über die Zuwanderung aus dem Trentino im 19. Jahrhundert, Katalog Tiroler Volkskunstmuseum 2021, in Vorbereitung.

6    Die Ausstellung wird 2023 in Anras und 2024 im Stadtmuseum Kitzbühel gezeigt.

7    Zunächst über www.volksliedwerk.org, seit 2010 unter der Domain www.volksmusikdatenbank.at.

8    Siehe dazu: Dreier-Andres, Wolfgang: Volksmusikmelodien suchen, finden und anhören, in: Salzburger Volks.kultur 43, April 2019, S. 78–81.

9    Klier, Karl M.: Entwurf zur Anlage eines Melodien-Registers, Wien 1956.

10   Deutsch, Walter: Niederösterreich. St. Pölten und Umgebung (= COMPA 1), Wien 1993, S. 473 („Melodienregister“).

11   Haid, Gerlinde (Projektleitung): INFOLK. Informationssystem für Volksliedarchive in Österreich, in: Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes 39/40, 1990/1991, S. 81–216, S. 133: Pkt. „5181b Kennziffer Melodieregister“).

12   Schneider, Manfred (Hg.): Jodler aus Tirol (= Volksmusik in Tirol 1), Innsbruck 1982, S. 14.

13   Schneider (Hg.): Jodler (wie Anm. 12), S. 14 f.

14   Stalmann, Joachim (Hg.): Das deutsche Kirchenlied. Abteilung III, Kassel u. a. 1993–2002, Abt. III/1: Register, S. 156.

15   URL: https://www.folktunefinder.com/.

16   URL: https://musescore.com/.

17   Ein weiteres Melodiesuchsystem wäre IncipitSearch.

18   Dreier-Andres: Volksmusikmelodien (wie Anm. 8), S. 79.

19   Parsons, Denys: The Directory of Tunes and Musical Themes, Cambridge 1975.

20   Dieser wird zum Beispiel in der Datenbank Musipedia angewandt.

21   Das Sternchen zu Beginn steht für den ersten Ton. Man kann auf diese Weise, ebenso bei den anderen Recherchemöglichkeiten, selbstverständlich beliebige Ausschnitte aus einer Melodie suchen, wobei dann jeweils am Anfang und am Ende ein Sternchen gesetzt werden muss (sog. Trunkierungen), um anzuzeigen, dass davor/danach noch etwas sein kann.

22   Dreier-Andres, Wolfgang: Mail vom 30. Mai 2023.

23   Dreier-Andres, Wolfgang: Funktionsbeschreibung Klaviatur zur Melodiesuche für www.volksmusikdatenbank.at, Manuskript, 6. Februar 2023.

24   Scans bzw. Fotografien unserer Bestände, insbesondere der Handschriften aus dem Altbestand, werden aus personellen und finanziellen Gründen derzeit nur selektiv bzw. anlassbezogen angefertigt und selten an die entsprechenden Datensätze angehängt, da die Tiroler Landesmuseen noch über keine Digitalisierungsstelle verfügen und die fortlaufenden Kosten des Speicherplatzes im Web in keinem Verhältnis zum Nutzen stünden.

Abb. 1: Eine Auswahl von Pilzaquarellen des Innsbrucker Mykologen Meinhard Moser (1924–2002). Scans: Gerhard Raffl & Mario Baldauf / TLM

GETROCKNETE PILZE SIND NICHT NUR FÜR DIE KÜCHE GUT

EIN BLICK IN DIE PILZSAMMLUNG DER TIROLER LANDESMUSEEN

Regina Kuhnert-Finkernagel

ABSTRACTS

Since 2018, the Tyrolean State Museums have housed the Prof. Meinhard Moser (1924–2002) fungi collection with over 25,000 fungal collections with descriptions and pictures. This highly specialized and well-documented collection merits a deeper attention. Historical specimens that still need to be processed also offer insights into the preparation history of mycological collections.

Die Tiroler Landesmuseen beherbergen seit 2018 die Pilzsammlung von Prof. Meinhard Moser (1924–2002) mit über 25.000 Pilzkollektionen mit Beschreibungen und Bildern. Diese sehr spezialisierte und gut dokumentierte Sammlung ist es wert, näher betrachtet zu werden. Auch historische Belege, die noch aufgearbeitet werden müssen, bieten Einblicke in die Präparationsgeschichte von mykologischen Sammlungen.

EINLEITUNG

Bis zum 18. Jahrhundert waren Ursprung und Entwicklung von Pilzen ein Rätsel und die Theorie von Aristoteles (383–322 v. Chr.), dass sich Pilze spontan aus Fäulnisprozessen entwickeln, hielt sich lange in der wissenschaftlichen Literatur. Erst die Erkenntnis von Michelis aus dem Jahr 1729, dass auch Pilze „Samen“ entwickeln, änderte langsam die Sichtweise und Pilze fanden Eingang in die pflanzliche Literatur.

Für die Pflanzen- und Tierwelt war Linné (1707–1778) der Wegbereiter der modernen Systematik, 100 Jahre später etablierte der schwedische Botaniker E. M. Fries (1794–1878) die moderne Taxonomie der Pilze, indem er die Pilzarten auf Basis ihrer Sporenfarbe und der Beschaffenheit der Hutunterseite wie Poren, Lamellen, Röhren, Leisten oder Stacheln einteilte. Die Zuordnung der Pilze als Teil der Kryptogamen im 18. Jahrhundert war einer der größten Fortschritte der Mykologie (DÖRFELT & HECKLAU 1998). Der Begriff „Kryptogamen“ umfasste alle Gruppen von nicht-blühenden Pflanzen, wie Moose, Farne, Algen und eben Pilze.

PRÄPARIERUNG, KONSERVIERUNG UND DOKUMENTATION

Wie Pflanzen konserviert werden, ist bekannt, denn die Sammlungen von gepressten, getrockneten und auf Papierbogen geklebten Pflanzen, die vorher in Pflanzenpressen zum Trocknen aufgelegt wurden, sind gut dokumentiert. Diese Methode lässt sich auch für pilzpathogene Erreger auf Pflanzenmaterial anwenden, aber für Großpilze mit fleischigen Fruchtkörpern und einem Wassergehalt bis zu 90 % ist eine Trocknung mit Formerhaltung nur durch spezielle Präparationstechniken möglich. Mit dem Beginn der systematischen Erfassung von Pilzen im 19. Jahrhundert hat man sich eingehend mit der Konservierung von Pilzen beschäftigt, dazu wurden verschiedenste Präparationstechniken angewandt, um fleischige Großpilze naturgetreu und anschaulich zu präsentieren. Im historischen Teil der Pilzsammlung der Tiroler Landesmuseen befinden sich 40 Kartonbögen (Abb. 2) von Josef von Schmidt-Wellenburg (1830–1895), die basierend auf einer Veröffentlichung von SARNTHEIN (1902) nach der Herpell’schen Methode präpariert wurden (HERPELL 1880). Dazu wurden dünne Längsschnitte des frischen Pilzes angefertigt, wobei die Haut von Hut und Stiel vom Fleisch getrennt und anschließend beides auf Gelatinepapier aufgezogen wurde. Diese gelatinierten Blätter wurden zwischen einigen Lagen Löschpapier in einer Presse getrocknet. Nach der Trocknung wurden die gewonnenen hauchdünnen Pilzschnitte auf Papierbögen aufgezogen. So sollten Struktur und Form der Pilze erhalten bleiben.

Abb. 2: Phallus impudicus (Gemeine Stinkmorchel), präpariert von Josef von Schmidt-Wellenburg. Scan: Regina Kuhnert-Finkernagel / TLM

Eine Konservierung von Pilzen in flüssigen Medien wie Alkohol und Formalin war mit Farb- und Formverlust verbunden und benötigte außerdem viel Platz. Schneller und effizienter ist es, das Pilzmaterial schonend zu trocknen, meist werden dazu kommerzielle Dörrapparate verwendet. Bevor das Pilzmaterial in sogenannten Faltkapseln oder Kartonschachteln zur Aufbewahrung gegeben wird, muss das Material desinfiziert werden, um Insektenfraß zu vermeiden. Dafür wird das getrocknete Pilzmaterial für kurze Zeit in minus 20 °C- oder minus 40 °C-Schränke gelegt. Da bei der Trocknung Form und Farbe verloren gehen, ist eine vorherige detaillierte Dokumentation des frischen Pilzes notwendig. Zu den Bestimmungsmerkmalen gehören Farbgebung von Hut und Stiel, Geruch und Geschmack und Oberflächeneigenschaften wie glatt, schuppig, faserig, warzig oder schmierig.

Ein weiteres wichtiges taxonomisches Bestimmungsmerkmal ist die Sporenpulverfarbe. Dazu werden Sporenpräparate aus frischen, reifen Fruchtkörpern gewonnen, indem der Hut mit den nach unten ausgerichteten Lamellen, Röhren usw. auf weißes Papier gelegt und mit einer Alufolie umschlossen wird. Nach einigen Stunden entsteht ein Abdruck der Sporen, anhand dessen die Sporenpulverfarbe beurteilt werden kann. Zur Beurteilung von verschiedenen Farbvarianten mit Braun-, Ocker- und Schwarztönen stehen Farbschablonen zur Verfügung (MOSER 1983).

All diese Vergänglichkeit bewirkt, dass Abbildungen von Pilzen eine wichtige Rolle bei der Dokumentation darstellen.

PILZDARSTELLUNGEN IM LAUFE DER GESCHICHTE

Schon in grauer Vorzeit haben die Frühmenschen offenbar die bewusstseinserweiternde Wirksamkeit von Pilzen entdeckt und so findet man Felsenmalereien mit Pilzdarstellungen z. B. im Tassili-n-Ajjer-Massiv im Süden des heutigen Algerien oder Ausgrabungen von 3.000 Jahre alten Pilzsteinen in Guatemala.

Abbildungen von Pilzen in der Antike sind auch auf Wandgemälden in Pompeji zu finden, denn schon die Römer*innen wussten die Köstlichkeiten eines Kaiserlings (Amanita caesarea) oder einer Trüffel zu schätzen. Im Mittelalter dienten Pilze neben Beeren und Obst als Nahrung und Abbildungen von essbaren und giftigen Pilzen sind hauptsächlich in Kräuterbüchern zu finden.

Die „Floristik“ von Pflanzen und Pilzen erreichte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine große Bedeutung und großformatige Tafelwerke mit handkolorierten Wiedergaben von Kupferstichen wurden angefertigt. Bis ins 20. Jahrhundert wurden Bleistiftskizzen und Aquarelle zur Darstellung verwendet. Erst mit der Kommerzialisierung der Fotografie hat sich die Dokumentation verändert. Farbdias wurden bevorzugt angefertigt, da sie neben ihrer hohen Farbgenauigkeit und -sättigung auch für die Archivierung gut geeignet waren. Zudem waren sie weniger anfällig für Feuchtigkeit, Schimmel, Risse und Vergilbung. Dank ihrer hohen Auflösung besteht heute noch die Möglichkeit, sie zu digitalisieren. Ein weiterer Meilenstein für die Naturfotografie wurde durch die Entwicklung der Digitalfotografie erreicht. Sie ist kostengünstig und vereinfacht den Umgang mit Bildern. In den letzten Jahrzehnten wurden vermehrt Pilzführer mit naturgetreuen Fotografien veröffentlicht und Internetplattformen zur Bestimmung von Pilzen bieten zudem eine große Anzahl von Pilzfotos, die meist in ihrem natürlichen Habitat fotografiert wurden.

Erwähnenswert ist, dass heute noch Pilzbestimmungsbücher mit kolorierten Zeichnungen (Bon 2012; COURTECUISSE & DUHEM 2013) erscheinen, denn in subjektiv gezeichneten Aquarellen kann man alle wichtigen Makromerkmale eines Pilzes einfließen lassen, diese Optimierung ist in der Fotografie nicht möglich.

MEINHARD MOSER UND SEINE DOKUMENTATION

Meinhard Moser zeigte schon in frühen Jahren naturwissenschaftliches Interesse, sicherlich geprägt von seinem Großvater, dem Botaniker E. Heinricher (1856–1935), indem er schon als Elfjähriger Pilzzeichnungen anfertigte. Mit 17 Jahren leitete er Pilz- und Kräuterexkursionen.

Angeregt durch eine scherzhafte Bemerkung eines bekannten Mykologen: „geben sie sich zufrieden, wenn ich Ihnen sage, es ist ein Schleierling, denn Schleierlinge sind schleierhaft“, lenkte er sein Interesse auf die umfangreiche, aber schwierig bestimmbare Pilzgattung der Schleierlinge („Cortinarius“). Mehrere Aufenthalte in den Sammlungsgebieten von Elias Magnus Fries (1794–1878), dem Vater der Pilzsystematik, in Schweden und später in vielen Ländern erweiterten seine Kenntnisse und sein Wissen über Pilze. Über 120 Publikationen, 16 Bücher und eine Farbatlas-Serie zeugen von seiner unermüdlichen Leidenschaft für die Mykologie. Meinhard Moser erkannte schon früh, dass eine umfangreiche Dokumentation von Pilzfunden eine grundlegende Basis für wissenschaftliche Arbeiten darstellt. In den ersten Jahren seiner wissenschaftlichen Tätigkeit erstellte er handkolorierte Skizzen, die seine Fähigkeit für präzise und detailgetreue Darstellungen belegen. 1960 veröffentlichte er das Buch „Die Gattung Phlegmacium“ mit 32 Farbtafeln und 190 Pilzabbildungen, davon wurden 160 von ihm selbst angefertigt. In Folge erschienen in etwa 15 weitere Publikationen mit kolorierten Farbtafeln, die sich aber alle auf die Pilzgruppe der Schleierlinge beschränkten, seinem Spezialgebiet.

1975 erschien die Monographie „Cortinarius Fr. und verwandte Arten in Südamerika“, in der weitreichende neue Erkenntnisse über die Verbreitung von Cortinarien auf der Südhemisphäre dokumentiert wurden. 220 neu beschriebene Arten mit dazugehörenden handkolorierten Aquarellen komplettierten die Monographie (MOSER & HORAK 1975).