Sarah oder der Wendekreis der Jungfrau - Klaus E. Kofler - E-Book

Sarah oder der Wendekreis der Jungfrau E-Book

Klaus E. Kofler

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Beschreibung

Von Einem der auszog das Fürchten zu verlernen. Ein Möchte-Gern-Frauenheld, angetrieben von Sex & Drugs & Rock and Roll, von zu vielen gelesenen Büchern zum Träumen verführt... holt ihn am Ende die schmerzhaft reale Welt ein. Erst ist alles nur Abenteuer und Neugierde auf das Neue, in diesem Leben. Satt und prall, hemmungslos und gierig, voll wie überkochender Topf. Aber manchmal dreht sich alles, bis es so verdreht ist, dass man nicht weiß, wo ein und aus... Und dann geht das wirklich wirkliche Leben erst wirklich los. Ganz anders, als man es geplant hatte...

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Seitenzahl: 381

Veröffentlichungsjahr: 2020

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1955 - 1992
Verlag: Epubli GmbH, Berlin
ISBN: 978-3-752996-38-8
Copyright by Klaus E. Kofler © 2020
Umschlagfoto und Gestaltung: Peter J. Gnad
Autorfoto: Didi Lipkovich
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, ohne Zustimmung des Verlages und des Autors, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Klaus E.Kofler
geb.1949 in Klagenfurt, Österreich
Autor, Musiker, Komponist

Sarah

oder

der Wendekreis der Jungfrau

        Roman
von

Klaus E. Kofler

I
Es war ein grauer Morgen und ich hatte Kopfschmerzen. Sonntag noch dazu, die Glocken der nahen Kirche hatten mich aus dem Schlaf gerissen. Mühsam wälzte ich mich auf die andere Seite, sah meiner Frau beim Schlafen zu. Die hatte sicher auch Kopfschmerzen, der vergangene Abend mit den Nachbarn vom dritten Stock  war sehr weinlastig gewesen, man hatte, wie schon so oft, über Gott und die Welt schwadroniert und es war spät geworden.
Aber das kümmerte Robert gar nicht.
Robert, der Hund, unser Rauhaardackel saß wedelnd und murrend neben dem Bett, er wartete schon dringend auf seinen morgendlichen Ausgang mit Darmentleerung und Nachrichtensuche an den Bäumen der Straße, wo seine Freunde bereits ihr Geschäft verrichtet hatten.
Meine Frau, noch schlaftrunken, bemerkte die aufkommende Aktivität, sagte: "Geh schlaf doch noch weiter, gib' a Ruh'…" drehte sich um und schnarchte leise weiter.
Chancenlos, es gab kein Entrinnen, Roberts Augen und der darin liegende Vorwurf, trieben mich aus dem Bett. Vielleicht konnte ich ja später, am Nachmittag, noch etwas Schlaf nachholen.
Die Kirchenglocken trieben mich noch in den Wahnsinn, dieses Gedröhne, so früh am Morgen, es dröhnte auch in meinem Kopf. Ich verschwand im Badezimmer, da war es wenigstens nicht so laut.
Auf der Straße war alles ruhig, nur wenig Verkehr, nur wenige Menschen unterwegs, das kam mir entgegen, ich war an keinen nachbarlichen Gesprächen interessiert. Mein Kopf brauchte wohl noch etwas mehr an Auslüftung.
Robert war das alles egal, er hatte ja nicht zuviel getrunken, er lächelte mich an, ich grinste mühsam zurück. Er umrundete alle Bäume der Straße, zog mich hinter sich her, wollte wohl auch noch in den nahen Park, da gab es noch so viele schöne Bäume an denen man schnüffeln konnte.
Willenlos folgte ich ihm, es war egal wohin wir gingen, seine Wege mussten gegangen werden.
Aber dann gab es plötzlich eine Überraschung, Robert bog nach links ab, hin zu dem kleinen Platz in der Innenstadt, da wo üblicherweise eher das Nachtgeschäft blühte, da waren Restaurants, Kneipen, Weinstuben und eben auch jenes Lokal, in dem ich manchmal abends Freunde traf.
Der Kellner, ein kleiner Italiener namens Marcello stand vor der Tür, kniete sich nieder, als er uns sah, um den Hund zu begrüßen.
"Ah, Roberto, come stai…komma härr da, du Chund !"
Ich stand da, wartete bis der Anfall vorüber war, wollte schon wieder umdrehen, da kam die Verführung in Form einer Schale mit Futter. Es gab mehrere Hunde die in diese Kneipe kamen, mit ihren Herrchens oder Frauchens, deshalb hatte Marcello auch immer ein paar leckere Bissen bereit.
Der Hund war schuld, ich musste ihm ja schon fast hinein folgen, er zog mich hinter sich her. Und da stand ich nun wieder, in der alten Kneipe, wo ich gar nicht hingewollt hatte.
Aber es roch so gut, nach heißem Punsch und anderen Geisten, da gab es auch den legendären Calmus. Nirgendwoanders konnte man das bekommen, die Kneipe war berühmt für alle diese Spezialitäten in Sachen Schnäpse.
Robert bekam dann noch eine Schale Wasser, während ich mich nach einem Sitzplatz umsah.
Das Lokal war wie immer gut besetzt. Man konnte an den Gesichtern erkennen, dass manche eine anstrengende Nacht im Alkohol verbracht hatten und den Weg nach Hause scheuten, die "Nacht" war noch nicht zu Ende gebracht.
II
Nun, wenn ich schon da war, dann konnte ich auch gleich versuchen das Kopfweh hier mit einem sogenannten "Heil-Bier" oder auch "Reparaturseidl" genannt loszuwerden.
"Ein Bier bitte“, rief ich der ältlichen Wirtin zu, sie lächelte mich verstehend, wissend an.
Ich setzte mich mit einem nur gemurmelten "gestatten", zu einem etwas älteren Herrn an dessen Tisch.
"Bitteschön, wenn's sein muß - Ich bin der Ernst, aber das heißt nicht, dass ich auch immer ernst bin." Eine Antwort über die ich erst nachdenken musste.
"Harvey, auch angenehm", etwas verlegen doch vorwitzig meine Ansage, ich setzte mich zu ihm.
"Ah, Harvey, angenehm... lüpfen wir noch einen", war seine fragende Erwiderung, er lachte leise. Seine Mundwinkel zuckten. Mein Einstieg war wohl gelungen.
Er kannte den Film: "Mein Freund Harvey" mit James Steward in der Hauptrolle, in dem ein lebensgroßer imaginärer Hase ihm beim Trinken beobachtete und mit ihm diskutierte.
"Nenn mich trotzdem Joe, das ist leichter zu merken", nickte ich ihm zu.
Eine Weile saßen wir einander schweigend gegenüber. Robert hatte es sich unter meinem Sessel gemütlich gemacht, er fühlte sich sichtlich wohl in der Kneipe.
Bewundernd beobachtete ich einen an der Theke stehenden Gast, der sich mithilfe seines Schals das Glas mit einem Viertel Schnaps zügig zum Mund zog, um ja nichts auszuschütten, weil seine Hände so zitterten. 
Ich musterte heimlich den vor sich hinschmunzelnden Gesellen neben mir, der genüsslich an seinem Getränk nuckelte:
“Althippie, Trinker - weil mich seine etwas geröteten Augen hin und wieder freundlich anlächelten, Hutgröße 52, tippte ich, ohne seine langen Haare. Aber gepflegt, ein leichter Buckel, als hätte er an seinem Leben schon schwer getragen, das kleine Bäuchlein zeugte von leichter Wohlstandsverwahrlosung, die Kleidung leger aber ein wenig nach Rauch und Moder duftend, die Zähne sahen aus, als hätte ein Zahnarzt gute Arbeit geleistet, sie schienen jünger als er, die Zigarette zitterte ein wenig, wenn sie  sich dem Aschenbecher näherte, alles in allem eine durchaus interessante Erscheinung an diesem Morgen ohne sonstige Motivation.
Normalerweise sitze ich ja lieber alleine, "Small-Talk" ist nicht meines, ich lausche lieber, anstatt mich für die Sorgen meiner Mittrinker zu begeistern, aber alle anderen Tische waren belegt gewesen. Das Bier langte schäumend an, ich nahm einen angemessenen Schluck und seufzte wohlig.
Die dringend gebrauchten Elektrolyte breiteten sich in meinem Körper aus und die notwendige Beruhigung meiner Nerven setzte langsam ein: "Hey Joe, hier bist du daheim", flüsterte es in mir.
"Bist du von dieser vergangenen Nacht übrig geblieben, oder hat dich der scheinheilige Sonntag in die offenen Arme dieser Lokalität getrieben ?"
Ich zuckte nur mit der Schulter: "Wahrscheinlich hatte ich dasselbe Problem wie du, oder?"
Er sah mir lange in die Augen, bevor er mir antwortete und die Antwort hatte es in sich, ich begann ihn mit etwas mehr Neugierde zu betrachten.
"Weißt du… oft ist alles ganz anders, als man meint, oft ist es alles ganz anders, als es scheint – der Vorhang hebt sich nicht gleich und auch nicht ganz."
"Zwei große Calmus bitte“, rief ich der Wirtin hinter der Theke zu.
"Ich lade dich ein," sagte Ernst, in vollem Ernst. "Du bist ein ganz sympathischer Bursche, redest wenigstens keinen Schwachsinn, das gefällt mir.
Wir prosteten einander zu, seine Augen lächelten etwas schräg zu mir herüber, ich grinste zurück und ahnte, dass dies wohl noch ein launiger Tag würde.
Als hätte er meine Gedanken erraten meinte er:
“Haben sie die heutige Schlagzeile in der Runenzeitung gelesen?“.
Ich erstarrte: “Nein, solchen Schrott lese ich prinzipiell nicht, die Moritaten-News - und Sie lesen das hoffentlich auch nur unter dem Motto: Unterhaltung.“
"Leider lesen die Leute diesen gedruckten Unsinn, als ob es sich um die Verkündung der Wahrheit handelt – glauben darf man denen nichts…"
Ich nickte zustimmend, wir gossen den Inhalt der Gläser in unsere Kehlen, lächelten einander zu.
“Noch zwei Calmus bitte!“ Ich bestellte quasi aus Verlegenheit. "Diesmal zahle ich !" Die Gläser kamen und wir ließen den Inhalt hinutergbrennen, ein „ahh“ entwich gleichzeitig unseren Kehlen.
“Wie streunen sie durch ihr Leben, junger Freund?“, torkelte es aus seinem Mund, der Nachschub an Alkohol machte sich bemerkbar.
“Ich streune nicht, ich bin nur etwas…ach, ich weiß nicht, was ich eigentlich bin. Ich arbeite… ich meine, ich hab' einen Job."
Ernst verzog sein Gesicht, nickte leise, trank den Rest aus dem Glas, nickte wieder.
"Ja, wir sind alle nur Gefangene unserer Umstände, der sogenannten 'Gegebenheiten', die uns begleiten, eingekerkert wie in eine Zwangsjacke !"
Ich sah ihn erstaunt an. Das war kein "normaler" Betrunkener.
"Was machst denn du… so früh hier in der Kneipe ?"
Der Kellner stellte neuerlich zwei Calmus auf den kleinen Tisch. Robert, unter meinem Sessel bekam wieder ein "Leckerli", wie Marcello es nannte, so wurden wir alle ruhiggestellt - Fressen und Saufen.
“Ich mache alles oder auch nichts und denke nach, was ich machen könnte, wenn ich was machen wollte… ich bin ja in Pension, ich muss gar nix mehr“.
“Erträgst du die Welt im nüchternen Zustand, als Versuch und Irrtum?“ fragte ich. (Klugscheissen konnte schließlich auch ich - ich hoffte es war Kant Emmanuel, mit dem "Versuch und Irrtum", ich wollte mich ja nicht blamieren!)
“Meine Nüchternheit ist nicht mit Alkohol zu besänftigen. Das Schaukelpferd der uns zu lenken Versuchenden und zum Galoppieren zwingenden macht mich schwindeln.
Wie zur Bestätigung schaukelte sein Kopf nach links und dann nach rechts und retour.
"Außerdem ist die Wirklichkeit eine Illusion, hervorgerufen durch Mangel an Alkohol! Irisches Sprichwort", er grinste ein schiefes Grinsen.
“Ich verrate dir ein Geheimnis, das jeder kennt, so gerne in Anspruch nimmt, und so oft schiefgeht; es gibt nur die Liebe, die das Leben erträglich macht!
Er zündete sich wieder eine Zigarette an.
Wenn er gerade nicht rauchte, klopften seine Finger leise irgendwelche Rhythmen auf die Tischplatte. War er nur nervös, oder war es gar ein Leiden das ihn plagte ?
"Und was hast du gemacht, als du noch arbeiten musstest – oder bist du… reich, hast du geerbt oder…was ?
Er redete weiter, als ob er meine Frage nicht gehört hätte.
“Männer können mit Liebe nicht umgehen. Frauen haben sie im Patriarchat zu Helden erziehen müssen. Und Helden sind vorprogrammierte Verlierer.
In der Waagschale zwischen Liebe und Hass pendeln sie zu Letzterem. Das Patriarchat hat leider noch nicht ausgedient. Sonst lebten wir wahrscheinlich in einer friedlicheren Welt“.
"Zwei Calmus bitte!“ schrie ich. Das würden die letzten zwei sein, ich war jetzt bereits ziemlich erheitert.
Ich schaute seinen Rauchschwaden zu und dachte über diesen Schwachsinn nach:
“Was ist denn für dich Liebe?“, fragte ich vorwitzig und begann zu bereuen, dass ich nichts gefrühstückt hatte.
“Liebe ist nur ein Wort, lieber Joe. Deine Antwort wirst du irgendwann selbst finden. Meine wäre: Sex ist das Karussell, das dich am Anfang schwindeln lässt. Aber irgendwann steigst du aus. Im Schwindel des Ausstiegs taumelst du, hältst eine Hand, die dich den Boden unter den Füßen wiederfinden lässt. Und du entdeckst die Zärtlichkeit, den Feind der Gier.
Du wirfst deinen Egoismus über die Reling deines überfüllten Seelenschiffes und näherst dich dem Menschen, der in dir wohnt.
Dem richtigen Menschen, dem, von dem du meinst, dass er wahrhaftig sein könnte, you know?“.
Das wortballastige Geschwätz begann mich zu nerven. Fuck you. Was wollte dieser alte Sack? Mir, der ich soviel erlebt hatte, die Welt erklären?
“Noch eine Runde, die Herren?“, Marcello fragte eher nur rein rhetorisch, er sah auch, dass die beiden Gäste bereits genug intus hatten.
“Zeitig betrunken ist man den ganzen Tag voran“, meinte der alte Herr und ich, in meinem aufgewärmten Dusel, konnte ihm nur mehr zustimmen, ich nickte lächelnd:
“Täglich betrunken ist auch ein geregeltes Leben!“.
“Na junger Mann, du kennst wohl auch den Almanach der Trinksprüche aus dem 18.Jahrhundert!“.
Er lachte wohlwollend und bestellte ohne mit der Wimper zu zucken noch zwei Biere: "Zum Schwemmen und Spülen, für die Nieren, die mögen das…geht auf mich!"
“Du liest wohl viel“, fragte ich etwas verschämt und blickte in seine blassblauen müden Augen.
“Ja, ich habe viel gelesen. Lesen kann dich in den Himmel des Erlebens donnern oder auch dein restliches Leben blitzartig zerstören."
Langsam wurde er mir ein bisschen zuviel, zuviel der Schwafelei, auch der abgehobenen Weisheit, die er zur Schau trug. Ich hatte auch schon wirklich genügend Alkohol im übernachtigen Kopf, es wurde genug.
"Ich glaube ich muss nach Hause, meine Frau wartet sicher auch schon mit dem Essen auf mich und wenn ich zu spät komme, gibt’s Haue !"
Ein kurzer Augenblick aufkommender Ernsthaftigkeit.
Er grinste etwas resignierend, deutete auf eine dicke Aktentasche, die neben ihm auf der kleinen Bank lag.
"Ja, das kenne ich alles, ich hatte ja auch mal ein… nein, ich hatte kein 'normales Leben' – das war jetzt ein akuter Irrtum."
Er nahm die abgewetzte Aktentasche zur Hand und entnahm ihr, wichtig darin kramend, ein Bündel Papiere, offensichtlich ein Manuskript.
"Liest du auch manchmal Bücher oder schaust du nur in die Glotze, wenn du abends nach Hause kommst ?"
Ich bejahte heftig, früher hatte ich viel gelesen, die russischen Schriftsteller genauso wie die deutschen Klassiker, auch italienische Literatur, aber in letzter Zeit war das Lesen etwas ins Hintertreffen geraten.
"Nimm das und und lies, junger Freund… lies diesen Scheiss, das ist mein Leben in Worte gefasst… mein Leben, und es wurde schon wieder abgelehnt… von der Intelligentia, der Verlagsmafia.
Er machte eine kleine Pause, sah mich prüfend an, ob ich denn nach seinem Angebot noch würdig genug aus den Augen schaute… Ganz traute er mir wohl doch noch immer nicht über den Weg.
"Das sind die Fuß- und Fingerabdrücke meines Lebens - wenn wir einander wiedersehen sollten, wirst du mich mit anderen Augen sehen! Falls wir einander wiedersehen – ich werde demnächst erst mal auf eine Reise gehen.“
Ich wusste, ehrlich gesagt nicht, was ich an dieser Stelle noch hätte sagen sollen. Etwas beschämt nahm ich den Stoß Papiere entgegen, lächelte ihn mit gemischten Gefühlen an. Ja, es war durchaus eine Ehre, wenn einem jemand "sein Leben" in Buchform in die Hände legt. Ich wusste nur nicht, was ich letztendlich damit machen sollte…
"Ich komme ja eigentlich doch recht häufig hierher, weil halt auch viele Freunde da sind… aber dich habe ich hier noch nie gesehen…"
"ich bin hier auch nur eher zufällig hereingeschneit, auf dem Weg meine Frustration zu besaufen, aber es wollte mir beim besten Willen nicht gelingen – Du hast mir da jetzt erheblich weitergeholfen !"
Ich lächelte, was hätte ich auch sonst tun können.
Robert ließ ein freudiges "Wuff" hören, als er kapierte, dass Herrchen sich nun endlich wieder auf den Rückweg machen wollte.
Ernst beugte sich zu Robert, kraulte ihn hinter den Ohren, Robert schnurrte fast wie eine Katze.
“Danke für das Vertrauen und bis bald mal, hoffentlich“, sagte ich noch höflich, lächelte freundlich, zahlte, winkte den restlichen Gästen zu, man kannte einander ja, zumindest vom Sehen.
Es war Robert, der mich schnurstracks und in erhöhtem Tempo nach Hause führte oder besser, er zog mich hinter sich her.
Nach dem großartigen Essen, das "Blunz`ngröstl schmiegte sich zärtlich und wohlwollend in meinen Magen, legte ich mich dann auch endlich auf ein Schläfchen hin.
Als ich am frühen Abend wieder erwachte, saß meine Frau vorm Fernseher, Robert schlief in seinem Körbchen, alles war in Ordnung, alles in der Reihe, alles wieder ganz "normal", so wie es sich an einem Sonntagabend gehörte.
Und so nahm ich denn, neugierig wie ich eben bin, den Stoß Papiere zur Hand, trank einen steifen Kaffee, zündete mir eine Zigarette an und begann etwas gelangweilt, dann aber doch nicht ohne Neugierde, Ernsts Manuskript zu lesen. Mal sehen, was dieser Verrückte zu sagen hatte.
III
                                  SARAH ODER DER WENDEKREIS DER JUNGFRAU 
stand da als Überschrift.
Ernst BerlingRoman
"When I was young 
I never needed anyone 
and making love was just for fun. 
Those days are gone"
All by Myself/ Eric Carmen
Henry, 1970
Damals, als ich noch Henry Miller war , du weißt schon, der Schreiberling aus Amerika. Wenn du gefragt werden solltest: “Was gibt es in Amerika?“ 
Lautet deine Antwort einfach: " Alles!". Amerika ist ja nicht nur New York und Broadway, ist auch Tombstone, Wyatt Earp, Nebraska, John Wayne, Monroe, Californian Girls, Nashwille,  Hot Dogs, Burgers, Kukuxklan, Black Power, CIA und FBI, Jerry Cotton, Charlie Parker, Wes Montgomery, Soul und Blues, Hustler  und so on....  
Also dieser Schriftsteller mit Halbglatze, Hornbrille und Hut, Sexus, Nexus, Plexus, Wendekreis des Krebses und einst wegen angeblich pornographischen Texten verboten
Heute kann man darüber nur mehr schmunzeln, die "Pornographie“ ist alltäglich geworden und deshalb so langweilig.
Jeder Zwölfjährige weiß heute über Sado-Maso Praktiken Bescheid, weil er die Pornoseiten im Internet besuchen kann ohne gestört zu werden.
“Erinnerung ist der Talisman des Schlafwandlers auf dem Boden der Ewigkeit“, 
schrieb er und das schluckte ich wie Muttermilch.
Ewigkeit, die nach dem Scheiterhaufen des Krematoriums auf mich und alle anderen wartete.
Es galt zu Leben.
Jetzt! 
Einzutauchen in Sumpf oder in kristallklares Wasser. 
Die innere Hitze zu kühlen, egal wie , nur 
kühlen 
kosten
konsumieren
“Nichts ist so, wie es einmal war 
und es kommt immer anders als man denkt“, banal aber ziemlich wahr,
das spürte und dachte ich.
“Nimm Anlauf und köpfle ins Unbekannte.
Wiederholung lähmt das Empfinden.
Wiederholung formt dich zum Museumsstück in deiner persönlichen Ausstellung.
Vergiss sie.
Verlass sie!
Erinnerung ist keine Fotografie, die erzählt nur Oberflächen.
Erinnerung kann man vielleicht malen, Striche ziehen, Farben spritzen. 
Picasso
Chagal
Klimt
Rubens
Dali
Michelangelo
Miro
whuschhhhh...
Gefühle, die manchmal wieder auftauchen wie das Glitzern auf Meereswellen, die immer schäumend überschwappen wenn du es am wenigsten erwartest.
Das ist vielleicht Erinnerung“.
Natürlich war ich nicht wirklich Henry Miller, aber ich bin ihm nach seiner Lektüre ziemlich ähnlich geworden. Lesen ist ja immer auch ein Suchen. Sich selbst in anderer Menschen Träumen wiederzufinden. Im Vergleich zu wachsen versuchen.
Ich habe meinen "Pint“ mit anderen Augen angesehen. 
Mit anderen Händen angefasst. 
Frauen kennengelernt ohne sie wirklich kennenzulernen.
Ich hab auch eine June kennengelernt. Die June mit den hochgesteckten blonden Haaren?
Blond 
jung 
gefährlich 
verführerisch 
geheimnisvoll...
Seine geliebte June, die ihn beinahe in den Wahnsinn trieb? 
Weil der Trieb stärker ist als jede Vernunft. Intellekt ertrinkt in langen Beinen und großen Brüsten.  In blond, brünett, schwarz und rot.
Nein, nicht seine June, die Meine!
Sie hieß eigentlich nicht June, sondern Josefine, aber ich nannte sie Josi, klang nicht ganz so provinziell, und wenn ich etwas hasste, dann war es Provinzialität. 
Fort von kleinlichem Nachbargeschwätz, raus aus der engen zwei Zimmerwohnung mit dem geklebten braunen Linoleumboden, dem Kaltwasserhahn, dem Sparherd, der nach Kohlen schrie, die man ängstlich des nächtens dem Kellerloch entreißen musste, dem weißen Lohnsäckchen, das der Vater am Monatsersten der Mutter in die abgearbeiteten Hände drückte, 
ihre enttäuschten Blicke erhaschend, 
ihrer beider Sprachlosigkeit lauschend, 
ihre mangelnde Zärtlichkeit füreinander aus den Augenwinkeln zu ertappen, 
die Zeugen Jehovas von der Türschwelle zu scheuchen,
die hölzernen Treppenhausstiegen wöchentlich kehren zu helfen, 
das ewige Jammern der Großmutter zu ertragen und trotzdem das Stück Glück mitgenommen zu haben um das weitere Leben in Angriff nehmen zu können.
Auf geht’s. 
Voran, immer voran!
Schließlich kam ich ja von da und ging nach dort, in eine Großstadt, die nicht wirklich groß war, aber größer als alles, was ich bis dahin gekannt hatte. 
Ich will sie hier einfach "Großöd“ nennen, damit du nicht alle Straßen googeln musst, die ich erwähnen werde, bedank dich nicht bei mir. 
Ja, google mal Großöd!!!
Also: Josi hatte eine zu große Nase. 
Aber das wusste ich noch nicht, als ich um Mitternacht....
nein,nein,nein.........
es war vier Uhr früh, Sommer und warm und das Pflaster der Sportgasse war so nass nach einem Platzregen, dass ich beinahe ausgerutscht wäre, als ich die sanfte Steigung in das "Sportbuffet“, die Lieblingskneipe aller Schlaflosen, hinauftorkelte.
“Wild thing, you make my heart sing, you make everything groovy...wild thing, da da dada“ von den Troggs sang ich launig vor mich hin. 
Ein einsamer dunkelhäutiger Radfahrer hechelte mir entgegen, der die Zeitungen austrug, um die Menschheit nicht ohne wichtige Informationen zu hinterlassen.
“Guten Morgen, mein Lieber, lass die Zeitungen nicht nass werden, gute Nachrichten können nicht schwimmen und schlechte leider nicht untergehen, hahaha“, schrie ich ihm sinnloserweise nach. „Geh scheissen, Saufkopf“, war seine charmante Erwiderung, und er trat kräftig in die Pedale.“Ja, 
sie lernen schnell Deutsch, diese intelligenten Einwanderer“, dachte ich noch.
Die Luft legte sanft ein feuchtes Handtuch um meinen Körper.
Ja, ich hatte ein bisschen getrunken, oder vielleicht auch ein bisschen zu viel. 
Egal.
Ich war Musiker und kam gerade aus dem "Stadl", dem Lokal, in dem ich wie jeden Abend gespielt hatte.
Tanzmusik für Lebenslustige von acht Uhr abends bis drei Uhr früh. 
Ein seltsames Unterhaltungsetablissement: Am Eingang eine Vitrine mit im Kernöl ersäuften Salaten. 
Der Chef grillte Cevapcici, Plescavica, gespickte Leber und und andere Feinheiten. Es roch nach Süden und ranzigem Fett. Ein paar Schritte nach vor dann die langgestreckte Theke.
Danach links und rechts kleine, aus Holz geschnitzte Logen und dazwischen die Tanzfläche. 
Der auf sich bewegende Füße wartende Vergnügungsschlauch.
Der Schweißgeruch der Tänzer für Ewigkeiten eingesogen von den hölzernen Stehern zwischen den Logen.
Such dir eine Loge aus, es ist gemütlich!
Die Weinauswahl: Bedenklich! 
"Stierblut" aus Ungarn in dunkelrot mit Kopfwehgarantie oder "Hemd in Arsch“ ziehender Weißwein.
Alles in Allem: Spaßfaktor, denn sonst wären die Bude und ihre Gäste nicht täglich voll gewesen.
Aber zurück auf meinen Weg, der mich täglich nach getaner "Arbeit“ ins Elysium führte.
Im "Sportbuffet“ um vier Uhr früh roch es nämlich ähnlich. Der Chef des "Stadls“ war auch der Besitzer dieses "Beisels“, in hochdeutsch auch "Kneipe“ genannt, oder in hochsteirisch auch "Wind`n“, ein sehr blumiger Ausdruck, der vielleicht meinte, dass man nach einigen feuchtfröhlichen Stunden darin ahnte, wohin der Wind weht...... 
Er war privat ein amtlicher Zauberer mit bezahlten Aufführungen, obwohl oder weil er aussah wie ein verschreckter Kauz, Sommeranzug in türkisch Armani und passende Kravatte in grell. Basedow Augen, braungetönt, dünn gescheiteltes Blondhaar und ein zerknautschter Schnurrbart, der schüchtern die Oberlippe bedeckte....klein, zierlich und behende.
Beim Lächeln habe ich ihn nie ertappt. 
Trotzdem er zwei Sommer mein Chef war, hat er mit mir nie mehr gesprochen als: 
"Was willst Du trinken? Was willst du essen?“ mit seiner hohen dünnen Stimme und glupschte mich an.
Aber im Sportbuffet trank und aß ich auf Hauspreis. Immerhin ein kleines Zeichen von Respekt.
Ich war noch sehr jung, aber das wusste ich damals natürlich nicht. 
Henry war schließlich über vierzig und cool. Einen Hut wie er hatte ich auch nicht auf. 
Die Haare hingen mir über das regenfeuchte Gesicht und das machte mich eine Spur unsicher, eitel wie ich war. „You`re so vain, you`re probably think the song is about you...“ von Carly Simon ging mir noch durch den Kopf.
Trotzdem zielsicher und forschen Schrittes trat ich ein.
Ich setzte mich in eine Ecke mit dem Gesicht zur Türe ("Setz dich nie mit dem Rücken zum Eingang“, besagt eine alte Bauernregel) und bestellte mir ein Bier: 
“Ein Bunkerl bitte!“ rief ich dem herumschwirrenden Ober nach.
Nach kurzer Überlegung winkte ich mir noch einen großen Schnaps dazu, schließlich war es vier Uhr früh vorbei und "genug kann nie genügen“, sang einst ein begnadeter Barde. Rings um mich lautes Gemurmel,
hektische Ober
Luft zum Schneiden
und ein wunderbarer Geruch nach Bier und frischem Gulasch
Ich betrachtete die Ringe, die das nasse Bierglas am Tisch hinterließ.
Im Hintergrund säuselte es leise aus dem Lautsprecher: 
"Geh nicht vorbei, als wär nichts gescheh`n, es ist zu spät um zu lüüügen“ von Christian Anders, eine durchaus erträgliche Schnulze.
Ich dachte über mein Leben nach.
Bilder tänzeln
Farben flackern
Worte stolpern
Von einem, der von Kleinöd nach Großöd gezogen war und sich plötzlich so weltmännisch vorkam.
Ich hatte Geld im Sack, Taschengeld, das ich mir selber auszahlen konnte. Reich wie ein Scheich, nur ohne Gefolge.
Der ganze Kleinstadtmief lag hinter mir und konnte mich am Arsch lecken.
"Auf Nimmerwiedersehen! Nevermore, nevermore !“
Ich glaube, auch du kennst dieses Gefühl: 
"Nicht mehr von den Eltern abhängig zu sein, die Gedanken aussprechen zu dürfen, die du einst heimlich in ein Tagebuch geschrieben hättest, das du aber nie geführt hast.
Den lästigen Wehrdienst hinter dir, 
das Maturazeugnis als Führerschein in ein besseres Leben vor Nässe und Diebstahl sicher gelagert, 
ein Studium wartete, um den Glasscherbenviertelepigonen in eine bessere Zukunft zu geleiten…....“
Plötzlich ging am Tisch gegenüber ein Streit los. 
Tschinderibummmm...
Geschrei 
Getaumel 
Gefuchtel
“Nimm die Finger von meiner Alten, du Bauernschädel!“ 
"Behalt dir den schlampigen Fetzn, sowas greif ich nicht mit Handschuhen an!“
"Meine Frau beleidigst du nicht, du Nudelaug!“(Eine wienerische Bezeichnung für einen neugierig erigierten Penis).
Ein Bierkrug wurde zweckentfremdet und dem Kontrahenten über den Schädel gestülpt. Ihm rann das Blut über das Gesicht. Stumm staunend lag er am Boden hingestreckt.
Ein Aufruhr, wie wenn du einen toten Heuschreck in einen Ameisenhaufen wirfst! 
Das Mädchen, das mit an deren Tisch gesessen hatte, flüchtete wortlos und hektisch zu mir, setzte sich unaufgefordert und trank blitzartig meinen Schnaps aus.
Gluck und zisch
Durchaus verständlich 
(Ich schupfe meine bunte Glasmurmel ins Loch.
Meine Mitmurmelspieler schreien neiderfüllt: “Du betrügst!“. 
Ich hatte alle ihre Murmeln gewonnen.
Ich sack sie ein und lächle stolz:
"Gefühl ist alles!“)
Sie hatte eine etwas zu große Nase, du weißt schon....
"Das Leben ist hart und der Kopf hat eine weiche Schale“, begann ich zu philosophieren und schmunzelte in ihre Augen. 
Ihre Haare waren kurz und schwarz, nicht so blond und lang und aufgesteckt wie bei Henry´s June, aber hübsch irgendwie und man kann ja ruhig einmal der gelesenen Wirklichkeit entfliehen.
Walnussfarbene Augen und vornehme Blässe. Außerdem war sie ausgesprochen gut gebaut und der Minirock ließ meine Herzfrequenz steigen.. 
Also lüpfte ich meinen imaginären Hut und stellte mich vor: "Gestatten, der Schnaps geht auf meine Rechnung“. "Herzlichen Dank, deine Josefine!“ war ihre Antwort.
Während die Rettungsmänner den blutenden Bauernschädel (oder auch das  Soziologieprofessorköpfchen) hustend und stöhnend durch das rauchgeschwängerte Lokal auf einer Bahre ins Freie schleppten meinte sie: 
"Eifersucht ist ein rechtes Mittel, dem Leben Würze zu verleihen“. 
Ich darauf: "Blut ist ein ganz besonderer Saft“ (schließlich hatte ich Goethe vor Miller gelesen). 
So kamen wir locker ins Gespräch. 
Hin und wieder tasteten sich unsere Blicke durch das vollgefüllte Lokal und wir wagten nicht, einander allzuwissend anzublicken, denn überspringende Funken kannte man noch aus dem Physikunterricht.
Dass sich meine Hand inzwischen vorsichtig unter ihren Minirock zu ihrem Höschen vortastete, ist zu dieser Uhrzeit und in meinem verklärten Zustand durchaus verständlich.
Streichel, streichel, streichel.... 
Außerdem wusste ein Mann von Welt, dass man sein Ziel immer direkt ansteuern muss. “Wenn du es eilig hast, mach einen Umweg“, heißt ein chinesisches Sprichwort. Ich hatte es nicht eilig.
Sie zuckte mit keiner Wimper, aber mit ihren Schenkeln. Henry bekam einen Steifen und June schmunzelte: „Na hallo, was machst du so sonst noch“, fragte sie. 
"Ich bin Musiker“ sagte ich. 
"Ah ja“, antwortete sie, "das merkt man an deinen flinken Fingern....“ 
Meine Antwort:" Draußen trocken und innen feucht, das Elixier des Lebens, was?"
Ja, so banal schwätzten wir vor uns hin, während der Kellner mit der Schnapsbestellung kaum nachkam.
“Es fährt ein Zug nach nirgendwo...“ , summte ich leise.
Rings um uns grummelten die Morgengespräche vor sich hin  wie Regentropfen auf ein Zeltdach, es war eine beruhigende Atmosphäre angebrochen.
Wovon schwätzen Menschen, wenn sie in der Früh nicht zur Arbeit gehen müssen? 
Manche sind professionelle Trinker, die der Einsamkeit und Schlaflosigkeit zuhause entfliehen müssen, andere wieder verlängern die seltene Geburtstagsfeier, den Tanzkurs, das Geschäftsmeeting, das gelungene "Blind Date“, einige ertränken die Hoffnungslosigkeit einer Zukunft, die sie nicht mehr ertragen mögen.
Es war für mich immer wieder erstaunlich, wie viele solcher "Ge-strandläufer“ jeden Morgen vor der Tür warteten bis das Lokal öffnete. Dann wurde hineingestürmt, als ob es keinen Abend gäbe!
Die wunderschönen alten Bierkrüge, "Bunkerl“ genannt, warteten auf durstige Münder, 
die Teller öffneten ihr Auge nach dem phantastischen Gulasch, 
die Aschenbecher sehnten sich nach dem Giftstaub der abgedämpften Zigarettenstummel. Der Kellner schwirrte schweissbedeckten Gesichtes von Tisch zu Tisch, immer einen kleinen Scherz auf den Lippen. Gutes Trinkgeld ist Schwarzgeld: "Noch einen Wunsch das hübsche Pärchen?" "Nein danke, zahlen bitte".
Josi und ich schwiegen schließlich ein wenig betreten.
Geschwätzt hatten wir genug. 
Ihre Muschi war nass, meine Finger rochen nach Meer , in meiner Hose klemmte es, viel mehr ging hier nicht.
Über unsere ineinandergefalteten Hände tastete sich langsam das Morgenlicht durch den Raum und es wurde hell. 
"Was hast du für wunderschöne Augen“, flüsterte ich, auf ihren Busen starrend.
"Ich muss zur Arbeit“ meinte Josefine, ähhh... Josi.
"Ich komme mit“, sagte ich, "denn Neugierde war schon immer meine Stärke“. 
"Wie du meinst, du tapferer junger Held“, und sie lächelte mich an. Auch ich lächelte.
Also tappten wir Hand in Hand durch die Stadt, zarte Morgenröte legte sich über den Stadthimmel wie ein rosa Betttuch, die Würstelstände am Hauptplatz wurden lärmend aufgeklappt, der Duft frischen Gebäcks drang in unsere Nasen, als würde alles bis in die Ewigkeit so weiterlaufen, schien es mir. Gewisse Ereignisse vertragen keine Veränderungen. So gelangten wir fröhlich ineinander verschlungen  in ein eher verrufenes Viertel: “Hereinspaziert und hineingeworfen in den Korb der süssen Früchte“,  lachte Josi und wir betraten die Lokalität.
Rotlicht hat was Verführendes...
Josi verschwand gleich hinter der Bühne und ich setzte mich in die erste Reihe in der "Triumphbar“.
Ein Nachtlokal der eher gehobenen Sorte. Portier am Eingang und hochnäsige Kellner im Frack.
Schaurig 
schummrig 
schweißtreibend
Rot und schwarz die vorherrschenden Farben. 
Bunt höchstens die anwesenden Gesellen der Lusterwartung.
Was das Wort "Triumph“ mit dem nachfolgenden Verlust jeder Siegerinsignien zu tun haben sollte, erschließt sich mir bis heute nicht.
Voll konstruiertes  Pseudoerleben, Versprechen vortäuschend, das nie eingelöst werden würde.(Heute würde man das als Cyberspace bezeichnen...).
Ich kann nicht bestreiten, ich fühlte mich nur halbwohl.
Draußen Morgensonne die das öffentliche Leben betrachtete, drinnen schummriges Dunkel, das geheime Leben erforschend.
Henry trank seinen Whisky, der ihm goldbraun aus dem Glas anlächelte, rauchte eine Zigarette nach der anderen, einsam an einem Tisch vor der Bühne sitzend, über das überteuerte Getränk nachsinnend und vorsichtig um sich lugend, wer da wohl noch um diese Zeit Zeit hatte. 
Hauptsächlich Männer. Männer sind immer einsam. Männer sind wie fliehende Pferde die man nicht aufhalten kann. Immer vom Testeron gepeitscht. Immer Schaum vor den Lippen.
Frauen haben andere Sorgen. Immer mit beiden Beinen im wahren  Leben. In der gehassten Küche oder im Kinderzimmmer. "Was soll ich heute kochen?", fragte mich meine Mutter immer verzweifelt. "Mamaaaa, du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen...." oder so, sang Heintje und alle Mütter weinten. "Mach Spaghetti, Mama, das wird immer wieder gern genommen!" "Danke, mein Liebling, das hilft mir weiter!" antwortete sie und stellte den großen Nudeltopf auf den Herd und sang dazu: "Cannelloni, penne righe e spaghetti, trallalala....." nach einer Opernarie.
Ich fühlte mich schön langsam ganz wohl.
Ein Mann von Welt. 
„Ein Mann von Welt!“ flüsterte ich halblaut vor mich hin, Selbstsicherheit vortäuschend.
Sechs Uhr früh, niemand wartete auf mich, niemand befahl mir irgendetwas, niemand quälte mich mit Lappalien, die Zukunft eine Sternschnuppe, mir war alles schnuppe.
Da ertönte lautstark: 
„In a gadda da vida, honey
Don't you know that I'm lovin' you
In a gadda da vida, baby
Don't you know that I'll always be true“ 
von "Iron Butterfly" aus den Lautsprechern,
mit diesem unsinnigen Text, falls du das noch kennst, 
und Henry verbrannte sich den Finger an seiner Zigarette, als June auf der Bühne auftauchte und tanzte. Und wie sie tanzte!
Das hatte er nicht erwartet! 
Du glaubst es nicht!
Aus dem Dunkel ins Licht!
Die Scheinwerferstrahlen tasteten sich zärtlich ihren alabasterweißen Körper entlang.
Verharrten kurz auf ihrer unrasierten Muschi und wanderten wieder nach oben zu ihren formvollendeten Brüsten.
“In a gadda da vida honey“, sang ich leise mit.
"Rhythmisch perfekt“, konstatierte ich kleinlich als Musiker. Vorsichtshalber bestellte ich noch einen Whisky, denn mein Mund wurde so trocken als hätte ich ein Papiertaschentuch verschluckt. 
Dieser Körper... diese Bewegungen.. die Brust größer als ihre zauberhafte Nase. 
Honey, honey...
Der banale Song war mir herzlich wurscht, als sie begnadet nackt vor mir stand. 
Welch mühsamer weiter Weg von dem rosa Fischbeinmieder meiner Großmutter, das so antörnte wie ein veganes Wienerschnitzel, zu diesem epochalen Ereignis.
Es kam mir vor, als hätte sie nur für mich getanzt. 
Das leise Stöhnen hinter mir belehrte mich eines Besseren. Unglaublich.
“Noch einen Whisky, Herr Ober!“ rief ich und wischte mir die Schweißperlen von der Stirn. 
Nachdem sie von der Bühne verschwunden war, fühlte ich mich wie vor einem leeren Blatt Papier. 
Das musste ich einfach beschreiben...“Komm mit zu mir“, sagte sie angezogen zurückkehrend aber nicht anzüglich und ich sträubte mich nicht.
Man kann auch tagsüber mit jemandem schlafen ohne sich seiner Weissheit zu schämen. Ich schämte mich noch immer nicht, als es längst Abend geworden war und ich jeden Zentimeter ihres Körpers erkundet hatte.
Noch heute weiß ich, wie sich ihre Haut angefühlt hat. Ich hatte Josi nackt auf der Bühne gesehen. 
Aber im Bett war sie noch viel nackter.
“Ich muss weg“, flüsterte ich in ihre Müdigkeit.
Komm wieder, wenn du magst. 
"Komm wieder, wenn du magst“, kam es schläfrig zurück.
Ich küsste sie und strich ihr über die kurzen Haare.
Ausgesprochen relaxed wanderte ich zur "Arbeit“ in den Stadl. 
"Im goin`home, my Baby, I´m goin`home, my Baby...“ von Ten years after sang ich fröhlich vor mich hin.
Ich schlenderte vorbei am ranzigen Fettgeruch des Buffets, vorbei an den leeren Logen, grüßte fröhlich die Putzfrau, zurück zur Bühne und zu meinem Schlagzeug und trommelte mir das soeben Erlebte zu einem Poem:
“Wipe out“, die 68er Hymne der Althippies. Ein Pflichttrommelsolo für jeden jungen Schlagzeuger.
Das leere Lokal war inspirierend. Nur ich, Holz, und der Duft nach Kernöl und ungewisser Zukunft.
Natürlich war sie nicht June gewesen. Aber ich war Henry und da musste ich durch....
Hut auf, die Ray Ban geputzt!
IV
Blues, 1964
Die Finger schmerzten höllisch. Jeder gegriffene Akkord ließ die Finger spastisch erscheinen. Es dauert lange, bis Hornhaut an den Fingerspitzen wächst! Bis Finger lang genug werden um einen Barre Akkord zu greifen.
“Verdammte Scheisse, du widerspenstiger Gaul, wie soll ich dich jemals zähmen!“ fluchte ich.
“Dumm dumm da da dumm....!“
Die Gitarre war einfach zu billig. Ein lang ersehntes Weihnachtsgeschenk mit dem schönen Namen: "Egmont“. 
Egal, der gute Wille meiner nicht mit überflüssigem Geld gesegneten Eltern zählte.
Was die Klassik mit diesem Brett mit sechs Schnüren zu tun hatte, darüber rätsle ich noch heute. 
Wahrscheinlich war das Stück von Goethe und ein Drama. Der Saitenabstand mörderisch zu hoch für meine zarten ungeprüften Finger. 
Was soll`s: Wer „Satisfaction“ gehört hatte, musste irgendwie mit. Wer von seiner erzkatholischen italienischen Großmutter beim Wichsen erwischt wurde, der wusste, was dieser Text bedeuten könnte:
Runtergeschlüpft in den Kohlenkeller
zitternd
heimlich
aufgeregt 
Im Keller war es höllisch kalt gewesen. 
Zwischen modrigem Geruch, leeren Pappschachteln, Werkzeug und anderem Gerümpel zog ich mir die Hose runter.
Ich zitterte nicht nur vor Kälte.
In der Runenzeitung gab es ein Bild des ersten "Monokinis“ und ich war halbnackt schwer am Rubbeln, das geile Bild betrachtend, als meine Nonna mich dabei ertappte und schrie: 
"Dio ti benedica!“ 
und vorbei mit "satisfaction“. 
Hose rauf, roter Kopf und zurück in die Wohnung. Gebückt geschlürft zum Arbeitstisch. Peinlichkeit ist mehr als nur ein roter Kopf. Sowas rumort noch Jahre im Gedärm.
Aber ohne diese tägliche Befriedigung war die Lösung der Mathematikaufgabe einfach nicht zu schaffen.
"Verdammte geile Scheisse!“ 
Zu sehr war die Libido in ununterbrochener Aufruhr: „Testosteron ist Heroin fürs Männervolk!“ 
Die Miniröcke der Mary Quant taten ihr übriges die Unruhe in ein ewiges Vibrieren zu versetzen. 
Furchtbar, diese ewige Gier und Geilheit, die man nur durch Selbstbefriedigung zu erlösen imstande war. 
Und schlimm die Gewissensbisse.
Weshalb?
Warum?
Wozu?
Bei der wöchentlichen Bibelrunde, der man schwer auskam in der Nachkriegszeit, wurde ja damals ernsthaft erklärt: 
"Selbstbefriedigung macht einen Buckel und schwächt das Sehvermögen .
Vorehelicher Geschlechtsverkehr führt zu ewiger Verdammnis“,
sprach salbungsvoll der Oberhirte in schlank machendem Schwarz mit weissem Krägelchen.
Ein Heiligenschein schwebte plötzlich leicht torkelnd über seinem glatzköpfigen Haupt.
"Ein Wunder, ein Wunder“, dachte ich, 
und bekam einen roten Kopf.
“Betet zu Gott und der heiligen Jungfrau Maria.
Sie werden euch helfen eure sündigen Hände im Zaum zu halten.
Nur die Reinheit kann euch zu ewigem Leben verhelfen!“
Kleine putzige Engel schwirrten schließlich auch noch um sein Haupt wie Kolibris, nur ganz in weiß.
Entzückend! Seine schwarze Soutane verfärbte sich in purpurrot. Schwer verwirrt senkte ich meinen Kopf. Auch keiner der anderen Eleven hatte es gewagt, dem Gegenüber in die Augen zu blicken.
“Gott sieht alles und Jesus und der heilige Geist sind immer bei Euch!“
Er segnete uns.
Ich ging heim und holte mir einen runter.
Ich war ganz bei mir. 
Mit einem Buckel und Sehschwäche würde ich leben können.
Mit ewigem Leben konnte ich sowieso nichts anfangen.
Diese verlogenen Arschlöcher von Pfaffen, 
die die kleinen Mädchen am Schoß hielten und die Buben streichelten, was mich damals schon, ohne Genaueres zu wissen, sehr verwunderte.
Tz, tz, tz.... 
Außerdem hatte ich in diesem besagten Keller unseres Wohnhauses mit vier Jahren eine frühlibidinöse Erfahrung. Ich kann mich seltsamerweise genau erinnern!
Die älteren Jungen der Nachbarschaft schleiften mich und meine gleichaltrige vierjährige entzückende und ahnungslose Nachbarin in den Keller. 
Wir mussten uns nackt ausziehen und sie befahlen mir, meinen kleinen „Spatzi“ in ihren nackten Spalt zu stecken.
“Vorwärts Kleiner, trau dich!“ riefen sie und johlten. 
Ich habe vergessen ob es mir gelungen ist. 
Aber an das angenehme Gefühl kann ich mich noch erinnern und auch wieder an meine Nonna, die uns dabei erwischte. Die Nachbarjungen entflohen schreiend und lachend: “Reinstecken, reinstecken!“.
Ich blieb cool 
(das Wort gab es damals noch nicht), 
aber meine katholische Nonna trug wohl wieder einen Schock davon: 
"Ma che fai, maledetto!“,
schrie sie und zerrte mich zurück hinauf in die Wohnung.
Ich hatte keineswegs das Gefühl, unartig gewesen zu sein.
Brauchte ich auch nicht, kann man bei Wilhelm Reich nachlesen.....
Die wirkliche „Unart“ wohnte woanders:
Im Gymnasium stolzierten Jahre später noch die ehemaligen Nazis als fesche neuerstandene "Erzieher“ und "Führer“ in eine bessere Zukunft mit Reiterstiefeln durch die Pausenhalle und schickten mich zum Friseur, weil meine Haare fast die Ohren berührten. 
"Morgen sehe ich sie mit einem anständigen Haarschnitt im Konferenzzimmer“, brüllte der gelackte Wicht.
“Jawoll, Herr Professor“, die devote Antwort. "Natürrlech, Herr Föhrrer", hätte ich sagen müssen!
Keine Gnade für den Aufbruch in eine neue Zeit! 
Einfach widerlich, diese schleimigen Vertreter der Verlogenheit einer vergangenen Verlogenheit, die sie wieder heraufbeschwören wollten.
Auch mein Vater hatte mich zum Friseur geschickt, weil meine Haare schon die Ohren berührten. 
Beim Mittagessen, während er die Suppe schlürfte, starrte er mich verächtlich an:
“Du warst beim Friseur?“ brodelte es aus seinem Mund. "Selbstverständlich“, war meine Antwort. "Selbstverständlich gehst du noch einmal hin und kommst mit einem anständigen Haarschnitt zurück!“ 
lautete der Befehl, der meine Zähne knirschen ließ.
Schon sah ich am Abend aus wie auf den Fotos der gequälten Hitlerjungen.
Was macht so ein Haarschnitt aus einem Menschen, der eine andere Zukunft vor sich sieht? 
Du siehst aus wie ein Arschloch und fühlst dich auch so. Der "Rock and Roll“ kriecht dir die Ohren hoch und versucht diese peinliche Lücke zu füllen.
“Kann ich bitte ein Maggi haben“, flüsterte ich meiner Mutter zu, um mir wenigstens in die Suppe ein wenig übriggebliebenes Eigenes zu schütten.
Ich war ob solcher "Beschneidung“ schwer verletzt. So also ging "Satisfaction?“
Heute,
in Zeichen von sinnlosen Tattoos 
glänzenden Glatzen 
metallbeschwerten Körperteilen 
plastikgefüllten Brüsten und Hintern 
erscheint das lächerlich.
Jeglicher Wiederstand gehört heute in jedes Kinderzimmer. Hubschraubereltern und antiautöritäre Erziehung haben aus Jugendlichen emphatielose Zombies gebastelt (Verzeihung, ich wollte nicht politisch werden....).
Aber die sich abzeichnende gesellschaftliche Veränderung erforderte zumindest damals in der Haartracht ein gewisses Einverständnis für die Veränderungen die da kommen mussten.
Da musste man durch. 
Irgendwie. 
Eine Lösung finden. 
Ein Schlupfloch, das in die brodelnde Wirklichkeit hineinführt, die damals wahrlich unglaublich verlockend schien. 
Wie "Mecki“, der Bärenjunge im Bilderbuch, sich durch die Mauer aus Pudding frisst, um ins Schlaraffenland zu gelangen.
Ein Sonnenstrahl der durch den regenfeuchten Birkenwald glänzt. 
Wolken, die die Form von Gitarren annehmen.
Das unendliche sanfte oder drohende Rauschen der Meeresbrandung. 
Eine andere Art von Ewigkeit, die sich langsam am Horizont des Überlebens abzeichnet.
Flut die der Ebbe folgt.
Ebbe die der Flut folgt. 
Der Bäcker bäckt sein Brot um vier Uhr früh. Ist selbst berauscht von dem verlockenden Duft.
V
Torberg 1962
Natürlich war ich nicht der Schüler Gerber. Obwohl die Angst vor dem Kommenden mir leichte Selbstmordgedanken einflüsterten.
Friedrich würde es schütteln! Und wie es auch mich schüttelte, von gerührt keine Spur.
Zwei Jahre lang hatte ich gemütlich in der alten Knabenhauptschule verbracht.
Kein Stress, ich schwamm gemütlich im Mittelfeld des Bildungssees. 
Ein altes, nach geöltem Boden duftendes Klassenzimmer.
Dunkel, dunkel, dunkel.
Ein Kanonenofen, der in der Ecke von Wärme brummte. Die Tafel schwarz und vom muffigen Geruch des alten Schwammes getränkt.
Freunde, an die mich nicht mehr erinnere. 
Lehrer, die unauffällig blieben wie auch ich. 
Kein einziger Name weder von Lehrern noch von Mitschülern taucht in meinem Gedächtnis auf, so unauffällig waren die Tagesabläufe und Wissenserlebnisse.
Die Zeit verging ohne dass sie selbst es merkte.
Mein Zeugnis war bestückt mit mittelmäßigen Noten.
Die lähmende Langeweile, die sich täglich ausbreitete, Interesselosigkeit der Lehrer, schläfrige 
Aufmerksamkeitsbereitschaft der ungeforderten Eleven hatten auch mich in den Bann der Teilnahmslosigkeit gezogen.
Aber meine ehrgeizige Mutter gerbte mir gehörig das Fell, weil ich nicht die Aufnahmsprüfung in das Gymnasium machen wollte, in das sie mich unbedingt stecken musste:
"Du bist zu gut für die Hauptschule, glaube mir“,
sagte sie und schleppte mich förmlich in das gegenüberliegende Gymnasium:
"Komm, komm, komm.....“
„Bitte nicht, Mama. Was soll ich denn dort. Ich bin doch viel zu blöd. Schau dir mein Zeugnis an!“
Ich hatte keine Chance gegen sie, ihren Ehrgeiz, ihrem mütterlichem Pflichtgefühl  und mußte  zur Prüfung antreten.
Ich bestand sie nur bedingt und durfte eine Klasse wiederholen.
Denn dass "Akkusativ“ den vierten Vall bezeichnete, daß Tcharles Tarwin schuld an meiner Blödheit war, daß x plus x plus x nicht die Unterschrift eines Analphabeten bedeutete, daß Ta Vintschi das berühmte Porträt einer angeblich hübschen Nutte mit Flaum auf der Oberlippe gemalt hatte, daß Maria Theresa schuld war, daß ich hier hungrig nach Weisheit schwitzen und sitzen mußte, wusste ich natürlich nicht und das hat mich ein Jahr meines schönen Lebens gekostet.
Verzweifelt war ich vor den Fragebogen gesessen, in einem einsamen Kämmerchen, aus dem Fenster in eine andere Freiheit lugend, schweißgebadet ob meines Unwissens, die Welt, meine Blödheit und meine ehrgeizige Mutter verfluchend: "Mama, ma che fai!"
Und also kam ich trotzdem widerwillig ins Gymnasium, das meiner alten Hauptschule gegenüber lag.
Wie gelähmt und traurig blickte ich zurück, als ich die neue, hell strahlende Schule betrat.
Parkettböden und große in die Zukunft lachende Fenster.
Licht, Licht, Licht!
Gut bekleidete junge Menschen, die bedächtig und gelassen durch die Pausenhalle schlenderten. Intelligente Gespräche murmelten  über die polierten Fußböden.
Eine wohltemperierte Atmosphäre der gutbetuchten Biederkeit.
Schüchtern und gramgebäugt schlurfte ich hinter dem respekteinflößenden Professor über das gebohnerte Parkett.
"Professor!“, allein das Wort war furchteinflößend!
“Herr Fachlehrer“, war die Bezeichnung meiner ehemaligen Lehrer gewesen.
Die Türe munter aufgeschlagen:
"Hier ist euer neuer Klassenkamerad“, stellte mich der Klassenvorstand vor, „er kommt aus der Hauptschule gegenüber  und beginnt hier sein neues Leben. Gebt auf ihn acht!“
Dreiundzwanzig Augenpaare waren auf mich gerichtet. Erschwerend kam noch dazu, dass sechs davon von Mädchen stammten.
(In der Hauptschule gab es nur pickelbeladene Knaben).
Ich fühlte mich wie der pfeildurchbohrte Johannes der Täufer und wünschte mir Flügel, um aus dem offenen Fenster in den Himmel flattern zu können.
Hoch hinauf in das blendende Azur.
Sich in die Wolken betten.
“Dear Prudence, won`t you come out to play...dear prudence, it`s a brandnew day...“
Leicht gebückt und mit geröteter Gesichtshaut schlurfte ich in die letzte Bankreihe, in der noch ein Platz frei war.
Ich verfluchte meine Mutter. Ich verfluchte mein nachgiebiges Ich.
Wie konnte sie mir das antun!I
Ich hatte das Frühstück trotz Nußkipferl und Kakao nicht hinuntergebracht und war mit Bauchweh und Durchfall am Klo gesessen.
Und jetzt saß ich da, als Frankfurter Würstel unter steakgewohnten Mitsitzern. 
Da hatte ich den Salat! Das Pult vor mir hochglanzpoliert. Keine Vertiefung mehr für das einst gebrauchte Tintenfäßchen in der alten Schule. Die Tafel vor mir grün, nicht schwarz, und dreigeteilt wie ein Tryptichon. 
Ehrfurcht, Ehrfurcht, Ehrfurcht! 
"Der werde ich wohl bald mein mangelndes Wissen ankreiden müssen", dachte ich verzweifelt. 
"Ich bin Arthur“, sagte meine neuer Banknachbar und reichte mir die Hand. 
"Servus, ähh... Ernsti“, antwortete ich und fühlte mich gleich besser und nahm Platz.
Verlegen stopfte ich meine Utensilien ins Bankfach.
Hin und wieder drehten sich Mitschüler um, mich kritisch betrachtend.
Meine Mutter hatte mich "festlich“ gekleidet und das fiel etwas auf. Hose mit pfeilgerader Bügelfalte, weißes Hemd ohne Kravatte, Schuhe mit „Erdal“ Creme  zum Glänzen gebracht.
Arthur belächelte meine Nervosität, aber ohne Zynismus.
Arthur war ein cooler Typ, älter als ich, denn er wiederholte die Klasse und schien mir ziemlich abgeklärt. Braungebrannt, die Haare nach hinten gegelt, ein lockeres Schmunzeln um die vollen Lippen.
“Mach dir keine Sorgen, das wird schon, du hast eine nette Ausstrahlung“, flüsterte er mir zu.
Er hat mir über die ersten Hürden sehr geholfen, denn die Schule und der Erfolg waren ihm wurscht.
Er würde das Teppichhaus seines wohlhabenden Vaters übernehmen und auch ohne Matura einen Porsche fahren.
Er lud mich später auch zu sich nach Hause ein und gab mir Boxstunden.