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Schachmatt, gleich bist du tot – ist der dritte Band der Thriller-Reihe: Ermittlung in Jefferson City.
Inspector Aidan Carter erhält einen Bekennerbrief, unterzeichnet von den Richtern. Darin klagen sie seinen Nachbarn an, gegen die Gesetze der Scharia verstoßen zu haben. Zudem verlangen sie einen öffentlichen Bericht sowohl in den Fox News als auch in der Jefferson Tribune samt beiliegendem Foto. Bei Zuwiderhandlung droht Konsequenz.
Aidan geht dem nach und findet seinen Nachbarn aufgehängt und verstümmelt an der Zimmerdecke.
Es dauert nicht lange und Aidan erhält während einer dienstlichen Besprechung einen weiteren Bekennerbrief. Es geht um eine alte Bekannte. Auch sie wird beschuldigt, gegen die Gesetze der Scharia verstoßen zu haben. Er stürmt los und hofft, nicht zu spät zu kommen.
Es gibt weitere Opfer, doch welche Rolle spielt dabei die Scharia? Und warum finden die Ermittler an jedem Tatort eine Schachfigur?
Das Netz um Inspector Carter zieht sich immer enger und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Zudem steht seine Hochzeit mit Jessica auf dem Plan. Wird er den Fall bis dahin lösen können und ist womöglich seine Familie in Gefahr?
Während Aidan ermittelt, kümmern sich Jessica und Aidans Schwester Gracie um die bevorstehende Hochzeit. Beim Tagesausklang in den Pub treffen sie auf einen bärtigen Unbekannten, der plötzlich verschwindet, als Aidan und sein Partner Ethan den Pub betreten. Zwei Tage später trifft Jessica ein weiteres Mal auf diesen Mann und bekommt es mit der Angst zu tun, denn er macht ihr gegenüber unheimliche Andeutungen. Sie alarmiert umgehend Aidan.
Der Thriller überrascht mit Wendungen und bleibt spannend bis zum Schluss.
Klappentext:
Wenn der Richter dein Henker ist
Ein Bekennerbrief wird Inspector Aidan Carter persönlich zugestellt und führt ihn direkt zum Tatort. Er kennt das Opfer. Es ist sein unmittelbarer Nachbar Scott Davis. Und er wurde nicht einfach nur ermordet, sondern regelrecht hingerichtet.
Obwohl Aidan Carter Hinweise zum Täter erhält, tappen er und sein Team im Dunkeln. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Denn schon bald erhält Aidan erneut einen Brief. Scott Davis bleibt nicht das einzige Opfer.
Wer wird der Nächste sein?
Schwebt Aidans Familie in Gefahr?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
SCHACHMATT
gleich bist du tot
Die Strafe der Richter
Thriller
Emilia Benedict
DAS BUCH
Wenn der Richter dein Henker ist
Ein Bekennerbrief wird Inspector Aidan Carter persönlich zugestellt und führt ihn direkt zum Tatort. Er kennt das Opfer. Es ist sein unmittelbarer Nachbar Scott Davis. Und er wurde nicht einfach nur ermordet, sondern regelrecht hingerichtet.
Obwohl Aidan Carter Hinweise auf den Täter erhält, tappen er und sein Team im Dunkeln. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Denn schon bald erhält Aidan erneut einen Brief. Scott Davis bleibt nicht das einzige Opfer.
Wer wird der Nächste sein?
Schwebt Aidans Familie in Gefahr?
DIE AUTORIN
Emilia Benedict ist das Pseudonym der Autorin. Sie wurde im Jahre ’69 geboren und verbrachte ihre Kindheit im Land der Blauen Steine. Ihre Sturm- und Drangzeit hat sie später in eine sächsische Großstadt verschlagen, in der sie viele Jahre gelebt hat. Mittlerweile ist sie auf vielen interessanten Schauplätzen unterwegs.
Wesentliche Basis ihrer Schreibweise sind akkurate Recherchen und Natürlichkeit ihrer Protagonisten.
BISHER ERSCHIENEN
THRILLER
aus der Reihe: Ermittlung in Jefferson City
1. Toxin-Killer
(Emilia Benedict, April 2022)
2. Im Zeichen der Lämmer
(Emilia Benedict, Dezember 2022)
3. Schachmatt, gleich bist du tot
(Emilia Benedict, Oktober 2023)
ROMANE/ERZÄHLUNGEN
1. Schatz im Anflug
Buch 1 (Emilia Benedict, März 2024), (auch unter dem Titel: Always Differently: Schwanger – ja, ich will/Kat v. Letters, 2022)
2. Früchtchen an Bord
Buch 2 (Emilia Benedict, März 2024), (auch unter Kat v. Letters, 2022)
1. Auflage 2023
Texte: ©2023 Emilia Benedict
c/o Block Services, Stuttgarter Str. 106, 70736 Fellbach
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Die Verwendung von Text und Bildern – auch teilweise – ist ohne schriftliche Genehmigung der Autorin urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt für die gedruckte Form und insbesondere für die Vervielfältigung oder Verwendung in elektronischen Systemen. Des Weiteren untersage ich jedem, meine Texte, Bilder bzw. jegliche Inhalte meiner Bücher (in gedruckter/digitaler Form) für Trainingszwecke sowie generelle Nutzung durch KI zu verwenden.
Coverdesign: © 2023 artdesign88
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Webseite Emilia Benedict:
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Autorengruppe:
https://wortundgeistreich.net/regal
Lektorat: Steudner
INHALT
Prolog
Freitag
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Samstag
Kapitel 6
Sonntag
Kapitel 7
Montag
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Dienstag
Kapitel 12
Mittwoch
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Donnerstag
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Freitag
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Samstag
Kapitel 37
Sonntag
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Epilog
Nachtrag
Bisher Erschienen
Leseprobe: Im Zeichen der Lämmer
Prolog
Erbarmungslos prasselte die sengende Glut der Sonne auf das Kopfsteinpflaster nieder. Noch vor wenigen Minuten war der Platz vollkommen leer gewesen. Genau hier hatte er mit seinen Freunden gespielt und war umhergerannt. Jetzt stand er still. Er rührte sich nicht, wie viele andere auch. Die hauchdünnen Sohlen seiner Schuhe konnten die glühende Hitze der Pflastersteine kaum zurückhalten. Seine Füße brannten schmerzhaft. Am liebsten wäre er von einem Bein auf das andere gehüpft. Doch das durfte er nicht. In wenigen Augenblicken begann die Zeremonie.
Es war Freitag, der Tag, um den Gläubigen die Richtung zu weisen und die Abtrünnigen zurück auf den rechten Weg zu führen. Die Gebete zur Mittagsstunde waren beendet und die Bewohner der Stadt versammelt. In der Ferne durchbrach das Gebell eines Hundes die Stille. Einem Jungen auf der anderen Seite fiel es vermutlich ebenso schwer wie ihm, ruhig dazustehen. Dabei ließ er versehentlich seinen Ball fallen, der nun über den Platz rollte. Sein Vater packte ihn hart an der Schulter und strafte ihn mit strengem Blick. Der Junge wusste sofort, dass ihm für dieses Missgeschick noch heute einige Peitschenhiebe drohten.
Wie versteinert schaute die Menge, als jetzt vier vermummte Gestalten in bodenlangen weißen Gewändern den Marktplatz betraten. Ihre Augen waren hinter dunklen Sonnenbrillen versteckt. Kopf, Mund und Nase verhüllte ein Kufija-Tuch. Alle vier besaßen eine angsteinflößende Aura, ganz besonders der Vorderste. Er war der ausführende Arm des Gesetzes – der Scharia. Er trug eine blank polierte, glänzende Klinge mit sich. Die beiden dahinter führten in ihrer Mitte den Gefangenen, die Nachhut bildete der Vierte.
Der Junge rührte sich noch immer nicht, und obwohl er das Brennen seiner Füße kaum mehr ertragen konnte, stand er still. Seine Mutter presste ihn von hinten an sich, sodass ihm auch gar nichts anderes übrig blieb.
Neugierig wanderten seine Augen von einem Gesicht zum nächsten. Einige der Umstehenden starrten unverhohlen zu ihm und seiner Mutter. Manch einer grinste sogar höhnisch. Warum, das war dem Jungen in diesem Moment noch nicht klar. Er achtete auch gar nicht weiter darauf. Sein Interesse galt eher dem Funkeln über den Dächern der Häuser. Etwas, das dort hin und wieder weiß aufblitzte. Er kniff die Augen zusammen, um zu erspähen, worum es sich dabei handelte. Sofort wusste er, das waren eindeutig Gewehre da oben. Er hatte schon oft welche gesehen. Viele der Jungen, die er kannte, hatten Umgang damit. Ihre Eltern brachten ihnen sogar bei, wie man damit schoss.
Sein Vater war da ganz anders. Er hatte ihm verboten, jemals eine Waffe anzufassen, und überdies Prügel angedroht, sollte er ihn je damit erwischen.
Die Männer mit den Gewehren zielten direkt auf den Marktplatz. Und er war sich sicher, sie würden ihr Ziel garantiert nicht verfehlen. Vermutlich standen hier deshalb alle so steif da und sagten kein Wort.
Die vermummten Gestalten in ihren langen weißen Gewändern waren nun in der Mitte des Platzes angekommen. Der Gefangene noch immer zwischen ihnen. Seine Hände waren auf den Rücken geknotet. Einer der vier Männer holte eine Schriftrolle hervor und zog sie auseinander.
»Ich verlese nun den Tatvorwurf samt Urteil des Gefangenen.«
Seine Stimme war düster. Er sprach nicht allzu laut. Das musste er auch nicht. In dieser erdrückenden Stille drang jedes einzelne Wort sogar bis zum Hintersten in der Menge.
Dann wurde der schwarze Sack vom Kopf des Gefangenen gezogen.
Der Junge erschrak. Er wollte auf seinen Vater zu rennen, ihn aus den Klauen dieser Gestalten befreien. Doch seine Mutter hatte ihn fest im Griff und legte ihm ihre Hand über den Mund. Dabei schloss sie die Augen und betete still für ihren geliebten Ehemann.
»Sünder und Straftäter Kamal Haddad hat verstoßen gegen die Gesetze der Scharia. Er hat unseren Glauben verraten. Er wollte dem Islam entsagen und unserem geliebten Land entfliehen. Daraus ergeht folgendes Urteil. Für das größte Verbrechen gegen die göttliche Ordnung wird Kamal Haddad mit dem Tode durch Enthauptung bestraft. Das Urteil muss unverzüglich vollstreckt werden.«
Der Mann hatte die Verkündung beendet und rollte das Papier wieder zusammen. Anschließend nickte er den beiden knapp zu, die den Gefangenen in ihrer Mitte inzwischen stützen mussten. Obwohl er wusste, was ihn erwarten würde, hatten seine Knie nach der Verlesung des Urteils nachgegeben.
Die zwei Gestalten in ihren langen weißen Gewändern führten ihn nun zu einem Korb, über den ein großes rotes Stück Stoff ausgebreitet war. Daraus entnahm einer der Männer ein breites Tuch. Noch ein letzter Blick auf seinen Sohn und seine Ehefrau, in dem Verzweiflung, Angst und bedingungslose Liebe standen, dann wurde es dunkel. Das Tuch wurde über seine Augen gelegt und hinter dem Kopf verknotet. Darauf spürte er, wie sich die Finger der beiden Männer zu seiner Linken und Rechten fest in seine Schultern gruben. Sie kannten keine Gnade und zwangen ihn grob auf die Knie. Eine Hand packte ihn im Genick und drückte seinen Kopf nach unten. Der Kragen seines Hemdes wurde nach hinten gezerrt. Sein Hals lag jetzt frei.
Im selben Moment blitzte blank polierter Stahl im Sonnenlicht auf. Ruckartig riss der Junge den Blick von seinem Vater los und starrte nun entsetzt auf die Gestalt mit der Klinge in der Hand. Er war ganz bleich geworden, wagte kaum zu atmen, die Augen vor Angst weit aufgerissen. Schon unzählige Male hatte er solch einer Zeremonie beigewohnt. Dabei hätte er sich nicht einmal ansatzweise vorstellen können, dass ihm dieses Schicksal je selbst zum Verhängnis werden würde.
Der verhüllte Mann trat jetzt hinter seinen Vater und musterte für einen Augenblick den Nacken seines Verurteilten. Dann stellte er sich seitlich neben ihn. Mit beiden Händen hielt er den Griff der messerscharfen Klinge fest umklammert. Der Henker konzentrierte sich, hob leicht die Arme und beugte sich dabei über sein kniendes Opfer.
Der Junge wollte, musste seinem Vater helfen. Als sein Sohn war es seine Pflicht. Er hatte doch nichts getan. Nichts, wofür er den Tod verdient hätte. Der Junge wehrte sich heftig, wollte sich losreißen, aber seine Mutter hielt ihn eisern an sich gepresst. Sie wusste, sie konnten nichts für Kamal tun. Die Scharia war mächtig und die umstehende Menge gegen sie. Das Einzige, was sie damit erreichen würden, war, dass sie ebenfalls vor die Richter treten mussten. Als abschreckendes Beispiel würden folglich auch sie und ihr Sohn bestraft werden. Man stellte sich nicht gegen die Scharia.
Es war totenstill auf dem Marktplatz. Die Menge hielt gespannt die Luft an. Jeder starrte auf den krummen Säbel in den Händen des Henkers, in Erwartung auf das Ende des Schauspiels.
Plötzlich jagte ein Zischen durch die Luft. Die Klinge des Scharfrichters sauste auf den freigelegten Nacken herab. Bruchteile von Sekunden und der Kopf des Verurteilten fiel mit einem dumpfen Plumpsen in den Korb. Sofort schoss Blut unkontrolliert und in einem riesigen Schwall aus den durchtrennten Gefäßen.
»Nein!«, brüllte der Junge mit einem Mal. Er hatte die Hand der Mutter, die über seinen Lippen lag, heruntergerissen. Tränen strömten über seine Wangen. »Ihr verfluchten Mörder«, schrie er weiter.
Nur kurz hatte die Mutter den Griff um ihren Sohn gelockert. Der Moment, in dem die scharfe Klinge des Henkers ihren geliebten Kamal mit einem Schlag für immer von ihr genommen hatte.
Jetzt blieb ihr vor Schreck beinah das Herz stehen. Du liebe Güte, dachte sie. Allah steh uns bei. Was rief ihr Sohn denn da? Sie vermochte ihn kaum zu bändigen. Er sträubte sich heftig gegen ihre Umklammerung, dennoch schaffte sie es irgendwie, ihn zum Schweigen zu bringen.
Sie zitterte vor Angst. Die Augen der Umstehenden ruhten feindselig auf ihr und dem Jungen, der offensichtlich das Urteil infrage stellte und somit seine Zweifel an den Gesetzen der Scharia kundtat. Der Scharfrichter hob den Kopf und richtete seinen drohenden Blick jetzt ebenfalls auf sie und ihren Sohn.
Das war nicht gut, gar nicht gut. Sie musste etwas tun, und zwar schnell. Nicht um ihretwillen, sondern um das Leben ihres Jungen zu schützen.
Schritt für Schritt wich sie rückwärts durch die Menge und zog ihn mit sich. Keinesfalls durfte sie locker lassen. Wenn ihr Kind noch ein einziges Wort von sich geben würde, wäre das ihr beider Todesurteil.
Sie konnte sich kaum erinnern, wie sie den Weg bis in ihr Haus geschafft hatte. Sie war einfach gelaufen, ohne stehen zu bleiben. Dabei hielt sie ihren Jungen die ganze Zeit fest im Griff und nicht eine Sekunde lockerte sie ihre Hand über seinen Lippen. Zu Hause machte sie ihm klar, was er damit möglicherweise angerichtet hatte.
Noch in derselben Nacht flohen beide aus dem Land.
Freitag
1
Scott Davis hatte seine Schicht beendet. Die letzte für diese Woche. Ein Kollege setzte ihn vor seinem Haus ab, drückte zum Gruß kurz auf die Hupe und fuhr dann weiter.
Scott arbeitete schon ewig bei der Müllabfuhr und war seit vier Uhr heute Morgen auf den Beinen. So lief das Tag für Tag.
Früher machte ihm das nichts aus. Damals war er jung und voller Visionen. Gleich nach dem Schulabschluss hatte er diesen Job angenommen. Erst einmal musste er Geld verdienen, um seine Träume überhaupt finanzieren zu können. Doch im Laufe der Zeit rückten sie immer weiter in den Hintergrund, bis sie letzten Endes gänzlich aus seiner Erinnerung verschwanden. Inzwischen waren viele Jahre vergangen und er ackerte noch immer in diesem Laden.
Im Moment fühlte er sich ausgelaugt und müde. Aber zum Glück war Freitag, endlich Wochenende. Und das bedeutete, er würde Nolan wiedersehen.
Am Abend wollte er sich mit ihm treffen. Nolan war zwar nicht ganz sein Typ, aber schließlich kam es auf die inneren Werte an. Er hatte eine weiche, liebevolle Art, war sanft wie eine Feder und dabei unglaublich zärtlich. Genau das, wonach sich Scott immer gesehnt hatte. Nur äußerlich war Nolan eher der Typ Wikinger. Groß, kräftig, Vollbart, Pferdeschwanz. Doch daran hatte sich Scott längst gewöhnt. Er freute sich auf heute Abend. Denn es sah ganz danach aus, als könnte mehr aus ihrer derzeitigen Beziehung werden.
Scott lächelte vor sich hin und schaute dem Fahrzeug noch eine Weile hinterher. Dann ging er ins Haus.
Als Erstes entledigte er sich seiner Dienstkleidung und stopfte sie in die Waschmaschine. Er hasste diesen Geruch nach vergammeltem Abfall, der am Ende der Schicht unweigerlich an seiner Haut und den Klamotten klebte. Er wollte ihn so schnell wie möglich loswerden, erst dann konnte er entspannt das Wochenende angehen.
Es war jetzt ein Uhr Mittag. Nolan würde erst gegen acht zu ihm kommen. Scott hatte demnach noch genügend Zeit, um sich für ein Weilchen aufs Ohr zu hauen.
Während die Maschine leise vor sich hin rumpelte, stellte sich Scott unter die Dusche. Ganze zehn Minuten ließ er den heißen Wasserstrahl über seinen Körper fließen. Das tat unglaublich gut und er fühlte sich gleich viel wohler.
Er drehte den Hahn zu, schob den Vorhang zur Seite und trat auf den flauschigen Duschvorleger. Der Dunst hatte den ganzen Raum vernebelt. Sein Badezimmer glich beinah schon einer Dampfsauna und verlangte dringend nach frischer Luft. Scott angelte nach seinem Handtuch und wickelte sich darin ein. Dann schlüpfte er in seine Frotteeschlappen und huschte zum Fenster.
»Das würde ich an deiner Stelle sein lassen«, sagte plötzlich jemand hinter ihm, ruhig, aber bestimmt. »Andernfalls wird es das Letzte sein, was du in deinem erbärmlichen Leben getan hast.«
Scott drehte sich entsetzt um. Ihm wurde übel vor Schreck. Da stand eine Gestalt im Türrahmen, der Stimme nach zweifelsfrei ein Mann. Er war in ein weißes Gewand gehüllt, die Augen verborgen hinter einer dunklen Sonnenbrille. Kopf, Mund und Nase bedeckt von einem Kufija-Tuch. Mit der Hand umklammerte er ein Jagdmesser.
Scott war kaum fähig zu atmen. Der Schreck lähmte seine Glieder, die Angst schnürte ihm die Kehle zu. Der Begriff Taliban schoss ihm durch den Kopf. O mein Gott, genau danach sah dieser Mann in seiner vermummten Verkleidung aus. Was wollte dieser Typ? Er hatte weder Geld noch war er in irgendwelche politischen Machenschaften verwickelt. Das konnte doch nur ein großer Irrtum sein, eine Verwechslung.
»Hören Sie«, stotterte er. »Ich bin nicht der, den Sie suchen. Sie irren sich.«
Scott hatte Mühe, die Worte über seine Lippen zu bringen. Seine Stimme zitterte. Er konnte kaum schlucken. Seine Kehle war mit einem Mal staubtrocken und die Zunge klebte am Gaumen fest. Hatte er vielleicht zu leise gesprochen? Hatte der Mann womöglich nicht gehört, was er gerade versuchte, ihm klarzumachen? Ohne darauf zu reagieren, stand der Eindringling einfach nur da, das Messer in der Hand. Scott spürte förmlich, wie ihn sein eiskalter Blick hinter den schwarzen Gläsern der Sonnenbrille durchbohrte.
Zähe Sekunden später sagte der Talibantyp: »Wie kannst du es wagen, zu behaupten, ich würde mich irren. Hältst du mich denn für dämlich?« Sein Tonfall war noch immer ruhig und bestimmt.
»Nein. Nein, auf keinen Fall. Bitte. Das habe ich damit nicht ausdrücken wollen. Es tut mir leid«, stammelte Scott.
»Nein? Dann bin ich hier demnach doch richtig.«
»Bitte. Sagen Sie mir, zu wem Sie wollen. Ich habe kein Geld und im Ausland, in Ihrem Land war ich noch nie in meinem Leben. Mit Politik habe ich nichts zu tun.«
»Schluss jetzt, mitkommen!«
»Kann ich mir etwas anziehen?«
Wortlos stand der Fremde in der Tür und wartete. Scotts Blick rutschte auf das Messer und er zitterte nur noch heftiger. Dieser Typ wusste ganz sicher damit umzugehen. Scott hingegen hatte schon beim Dosenöffnen so seine Schwierigkeiten, geschweige denn, dass er je Mann gegen Mann kämpfen könnte. Er war völlig unsportlich. Nolan wüsste bestimmt, was zu tun wäre. Wenn er doch bloß hier wäre und ihm helfen könnte.
Das Handtuch um seine Hüften vibrierte vom Zucken der Muskeln in seinen Beinen. Er war kaum in der Lage, einen Fuß zu heben. Mit wackligen Knien schlich er ängstlich auf den verhüllten Mann zu. Dieser packte seinen Arm, zerrte ihn aus dem Badezimmer und stieß ihn grob vor sich her ins Wohnzimmer.
Scott stolperte vorwärts. Das Badetuch lockerte sich und rutschte zu Boden, noch ehe er es festhalten konnte.
»Liegen lassen!«
O Gott, kam es Scott in den Sinn, dieser Typ … hatte er sich nur als Taliban verkleidet? Scott war vollkommen nackt, er wollte ihn doch nicht etwa …
»Leg dir das um den Hals«, befahl der Fremde und zeigte mit dem Messer in eine Richtung.
Scott drehte zögernd seinen Kopf. Ein Seil. Wie kam das mitten in sein Wohnzimmer? Sein Verstand setzte aus und er begriff vorerst gar nicht, was er da sah. Er verfolgte es mit den Augen bis zur Decke. Es war um einen Balken geschlungen.
Nein! Was für ein krankes Spielchen hat dieser Irre vor? Die Übelkeit in seinem Magen verstärkte sich. Kalter Schweiß überzog seinen Körper. Er kannte so einige Männer, die auf Fesselspiele und Sadismus beim Sex standen.
»Das kann ich nicht«, flüsterte er.
Der Mann machte einen Schritt auf ihn zu. Ein leises Zischen durchschnitt die Luft, dann raste ein scharfes Brennen über Scotts Haut. Er brüllte auf vor Schmerz. Ohne Vorwarnung hatte sein Peiniger die flache Seite der Klinge auf seine Brust geschlagen.
»Ich werde dich kein zweites Mal darum bitten.«
Scotts Glieder waren plötzlich schwer wie Blei. Es kostete ihn unendlich viel Kraft, auch nur einen Arm zu heben. Beinah in Zeitlupe griff er mit seinen schweißnassen Fingern nach der Schlinge und legte sie um seinen Hals. Er keuchte und atmete stoßweise und wimmernd aus.
»Bitte«, jammerte er. »Tun Sie das nicht. Ich habe Ihnen nichts getan. Ich bin doch nur ein einfacher Müllmann.«
»Das hast du ganz richtig erkannt. Müll, genau das bist du.«
»Was wollen Sie von mir?«
»Dreh dich um und leg die Hände auf den Rücken.«
Scott tat, was dieser Mann von ihm verlangte. Und er würde noch mehr tun, denn er wusste, irgendwann hatte dieser Spuk ein Ende. Er war noch nie vergewaltigt worden, doch auch das ging vorbei. Er würde das Ganze einfach hinter sich lassen, nicht mehr daran denken und schlicht vergessen, was geschehen war, sein neues Leben beginnen. Ein Leben mit Nolan.
2
Aidan Carter stand vor der Haustür und starrte grübelnd auf den Brief in seiner Hand. Jimmi hatte vor wenigen Augenblicken bei ihm Sturm geklingelt und ihm diesen wortlos überreicht. Nun raste er wie vom Blitz getroffen davon. Dieser kleine Rotzlöffel. Wahrscheinlich mal wieder einer seiner Streiche. Wäre schließlich nicht das erste Mal.
Kürzlich hatte er seinen zehnten Geburtstag, wusste aber schon jetzt ganz genau, was er wollte. Nämlich Polizist werden genau wie Aidan. Und um seinem großen Vorbild ein paar Tricks zu entlocken, legte er für ihn ab und an mal eine fingierte Fährte und beobachtete dann, wie ein echter Inspector vorging.
Aidan hatte den kleinen Strolch längst durchschaut, aber er spielte das Spielchen mit, um den Kleinen nicht zu enttäuschen. Doch dieser Brief, den er jetzt in der Hand hielt, war definitiv nicht das Werk eines Zehnjährigen. Oder doch?
Aidan schob Lou, seinen Rottweiler, zurück ins Haus und zog entschlossen die Tür hinter sich ins Schloss. Es war eher sein Instinkt, der ihm sagte, mit diesem Brief ist etwas faul. Und wenn nicht, was er inständig hoffte, dann hätte er seinem Nachbarn wenigstens einmal wieder Hallo gesagt.
Er steckte den Brief in seine Gesäßtasche und lief zum Nachbarhaus. Von außen wirkte alles normal und ruhig, wieso auch nicht. Er drückte auf den Klingelknopf.
Was sollte er Scott sagen, warum er hier war? Auf ein Bier? Nein. Aidan war gerade erst vom Dienst nach Hause gekommen, als Jimmi bei ihm geklingelt hatte. Eigentlich wollte er duschen und sich anschließend für eine Stunde langmachen. Weder Bier noch ein langes Gespräch mit Scott, für beides hatte er heute keinen Nerv.
Scott, ich wollte einfach nur mal nach dem Rechten sehen. Jimmi, der kleine Rotzlöffel, hat mal wieder eine Fährte für mich gelegt, und die führt dieses Mal geradewegs zu dir. Gute Idee, genau das würde er zu Scott sagen.
Nach dem zweiten Klingeln öffnete er noch immer nicht. Scott war wohl nicht zu Hause, was sonst. Aidan beschloss, noch einen schnellen Blick durch das Fenster zu werfen, bevor er endlich duschen und sich danach ausruhen konnte.
Er schirmte die Augen mit der Hand ab, dennoch sah er nicht viel. Drinnen war es relativ dunkel, aber wie es schien, war alles normal wie immer.
Na dann, ab nach Hause. Also war der Brief doch von Jimmi. Du kleiner Strolch, wenn ich dich erwische, dann mach dich auf was gefasst.
Er wollte gerade gehen, als er die Lehne eines Stuhles bemerkte, der umgekippt auf dem Boden lag. Mehr konnte er nicht erkennen. Jeder andere würde das mit einem Schulterzucken abtun. Nicht Aidan Carter, ihm genügte das, um der Sache auf den Grund zu gehen. Warum auch sollte Scott das Haus verlassen und einen Stuhl nicht aufheben? Da stimmte etwas nicht. Vielleicht war hier jemand eingebrochen.
Aidan tastete den Türsturz ab und untersuchte jeden einzelnen Blumentopf. Nichts. Scott, verdammt, wo hast du deine Ersatzschlüssel? Er hatte keinen begründeten Verdacht, also konnte er die Tür auch nicht einfach so aufbrechen. Mehr zum Spaß hob er die Fußmatte an. Das ist jetzt nicht dein Ernst, dachte er. Unter der Fußmatte. Jeder Einbrecher schaut dort als Erstes nach, du vertrauensseliger Narr. Aidan schüttelte den Kopf. Nicht zu fassen. Er sollte Scott wirklich mal die Zahlen der Einbrüche des letzten Jahres vor Augen halten.
Er bückte sich nach dem Schlüssel und verschaffte sich damit Zugang ins Haus. Im Wohnbereich fand er sämtliche Türen offen stehend vor. Das musste nicht zwangsläufig etwas bedeuten. Vielleicht war das von Scott nur so eine Angewohnheit. Warum auch nicht. In Aidans Haus gab es nicht einmal Türen in allen Zimmern.
Vom Korridor aus sah er den Stuhl auf dem Boden liegen, den er schon beim Blick durchs Fenster entdeckt hatte. Leise setzte er einen Fuß ins Wohnzimmer, machte sich auf alles gefasst. Für derartige Situationen war er einst ausgebildet worden, sowohl während seiner Zeit bei den Marine Corps als auch auf der Polizeischule.
Aidan kam nicht weit, er prallte zurück und presste sich mit dem Rücken flach gegen die Wand. Er war auf vieles vorbereitet, aber nicht darauf.
Adrenalin jagte durch seine Adern und schärfte seine Sinne. Mit einer Hand tastete er nach seiner Glock und zog sie aus dem Holster. Dabei huschte sein Blick wachsam von einem offenen Raum zum nächsten. Er musste seinen Atem beruhigen. Sein Herz donnerte so laut gegen seinen Brustkorb, dass er nichts anderes wahrnahm.
Nach einer Weile hielt er die Luft an und lauschte angespannt. Nicht das kleinste Geräusch war zu hören, alles blieb still. Möglicherweise war der Täter längst weg, doch Aidan war Profi genug, um nicht leichtfertig davon auszugehen. Erst brauchte er Gewissheit. Dafür sollte er eigentlich dringend Verstärkung rufen oder zumindest Ethan, seinen Partner, nur ließ das seine momentane Situation nicht zu. Er war auf sich allein gestellt.
Er war jetzt vollkommen ruhig und konzentriert. Langsam schlich er durch das Haus und bewegte sich Schritt für Schritt vorwärts. Er durfte sich keinen Fehler erlauben, zumal er keine Rückendeckung hatte. Er kontrollierte einen Raum nach dem anderen, dann steckte er seine Waffe zurück ins Holster. Das Haus war leer bis auf Scott Davis.
Nun war es an der Zeit für das Team vom CSI. Er zog sein Telefon hervor und tippte die Nummer vom Revier ein. Anschließend ging er zurück in das Wohnzimmer zu Scott Davis, um sich zumindest einen ersten Eindruck zu verschaffen.
Was war hier bloß vorgefallen? Aidan hatte Mühe, seinen Nachbarn anzusehen. Sein Blick glitt an dem Strick entlang nach oben. Die Schlinge um Scott Davis’ Hals war am anderen Ende um den Deckenbalken gewickelt. Ein Suizid war ganz klar ausgeschlossen. Dafür brauchte Aidan nicht erst die Bestätigung von Dr. Harris. Der Tote war nackt. Über seine Augen war ein breites graues Tuch geknotet. Die Hände hinter seinem Rücken gefesselt. Unweigerlich schaute Aidan auf den blutverkrusteten Fleck an dem Leichnam, der ihn an die durchgedrehte Masse eines Fleischwolfs erinnerte.
Plötzlich kollabierte sein Magen. Mit einem Satz rannte er nach draußen und übergab sich in die Büsche.
Der Anblick von Leichen behagte Aidan grundsätzlich nicht, doch dass es manchmal so ausartete wie eben, darauf hatte er keinen Einfluss. Sein Magen handelte nach eigenem Ermessen. Und das hier war eindeutig zu viel für ihn.
Der Täter hatte Scott Davis entmannt. Sein Glied samt Hoden einfach abgehackt und eine klaffende Wunde zurückgelassen. Davis’ Beine und der Boden zu seinen Füßen waren voller Blut, das inzwischen fast schon eine schwarze Farbe angenommen hatte. Die abgetrennten Genitalien lagen mitten in der Lache, direkt unter der Leiche.
Das Bild von der zerfetzten Fleischmasse schwebte Aidan noch immer deutlich vor Augen. Zum Glück hatte sich sein Magen aber mittlerweile damit abgefunden, denn Ethan Jones, sein Partner, fuhr soeben vor und keine zehn Sekunden später mit mehreren Einsatzwagen das Team vom CSI. Keiner von ihnen sollte mitbekommen, dass er sich eben in die Büsche übergeben hatte. Für dämliche Bemerkungen hatte er im Augenblick keinen Bedarf.
»Hey. Wie sieht’s aus?«, fragte Ethan beim Näherkommen.
Ebenso Brandon Hunter, der sich vor Kurzem zum Leiter eines CSI-Teams hochgearbeitet hatte, trat auf Aidan zu, bevor seine Männer den mutmaßlichen Tatort in Augenschein nahmen.
»Der Tote hängt an der Decke im Wohnzimmer«, schilderte Aidan knapp. »Meine Fingerabdrücke und die meiner Schuhe werdet ihr im ganzen Haus finden. Konnte ja nicht ahnen, was mich da drin erwartet.«
»Schon gut«, antwortete Hunter. »Dann mal los, Jungs. Ab an die Arbeit.«
Ethan fiel sofort auf, dass seinem Partner jegliche Farbe im Gesicht fehlte und er noch dazu einen penetrant säuerlichen Geruch verströmte. Doch das überging er großzügig. Aidan schlugen Leichen schon immer etwas auf den Magen.
»Was wolltest du überhaupt hier«, fragte Ethan jetzt, als er mit ihm allein war. »Tratsch mit der Nachbarschaft ist doch sonst nicht dein Ding.«
»Jimmi, der Junge von gegenüber, hat vorhin bei mir geklingelt und mir einen Brief in die Hand gedrückt. Warte.«
Aidan griff in seine Gesäßtasche und zog ein gefaltetes Blatt Papier hervor. Dabei stieg ihm ein seltsam vertrauter Duft nach feuchtem Waldboden in die Nase.
»Hier, sieh dir das mal an«, sagte er zu Ethan und hielt ihm den Brief vors Gesicht. »Ich dachte erst, der Bursche spielt mir mal wieder einen Streich. Andererseits entspringt so etwas kaum dem Hirn eines Zehnjährigen.«
»Heilige Scheiße«, flüsterte Ethan, als er den Brief las.
Wir, die Richter, erwarten folgenden Bericht in den heutigen Fox News sowie auf der Titelseite der Jefferson Tribune:
Sünder und Straftäter Nr. 1: Scott Davis, homosexuell, hat verstoßen gegen die Gesetze der Scharia.
Er wurde bestraft für das größte Verbrechen gegen die göttliche Ordnung.
Beiliegendes Foto muss veröffentlicht werden.
Zuwiderhandlung wird Konsequenzen haben.
Die Richter
»Was ist mit dem Foto, von dem in dem Brief die Rede ist?«
»Lag keins dabei. Vielleicht bei der Leiche. Ich habe mich nicht genau umgesehen. Als ich Scott Davis tot in seinem Wohnzimmer sah, wollte ich den Tatort nicht noch mehr kontaminieren und bin nach draußen.«
»Sobald die Spurengasse fertig ist, gehen …«
Ethan brach mitten im Satz ab und drehte sich nach dem Rascheln hinter sich um. Ein kleiner runder Mann in weißem Schutzoverall näherte sich gefolgt von einem jungen, sportlichen Typ, der beidseitig je einen Koffer mit sich schleppte und darum bemüht war, mit dem anderen Schritt zu halten.
»Guten Tag, Dr. Harris«, rief Ethan dem kleinen Mann zu. Auch Aidan grüßte.
»Tag reicht vollkommen. Ich wüsste nicht, was an diesem Tag gut sein sollte«, grummelte er mehr zu sich selbst und schüttelte den Kopf über derart unangebrachten Optimismus. Ohne ein weiteres Wort zu verplempern, verschwand er im Haus.
»Tut mir leid«, sagte Bobby, der schwer bepackt hinterherkam. »Der Doktor ist gerade nicht so gut drauf. Er war schon bereit für das Wochenende, als uns der Anruf hierher zum Tatort erreichte. Nun musste er sein Date mit Beethoven und dem Kopke verschieben. Was das heißt, muss ich wohl nicht näher erläutern.«
»Oha, darum die nette Begrüßung«, sagte Aidan. »In deiner Haut möchte ich jetzt nicht stecken und dem Doktor assistieren müssen.«
»Glauben Sie mir, Inspector Carter, ich auch nicht.«
»Bobby, bist du eingeschlafen da draußen«, rief Dr. Harris von drinnen.
Bobby hob entschuldigend die Schultern und ging hinein.
Ethan blies die Backen auf und sah mit gerunzelter Stirn zu Aidan.
»Na ja«, meinte dieser, »vielleicht nicht unbedingt Beethoven, aber wenn mir so ein guter Tropfen entginge wie ein Kopke, wäre ich auch nicht gerade begeistert.«
»Kann es sein, dass der Doktor und du in letzter Zeit einen besseren Draht zueinander habt?«
»Ich gebe mir Mühe, das stimmt, aber der Doktor pfeift drauf.«
»Na, das tut mir jetzt aber schrecklich leid.« Ethan grinste und schlug Aidan auf die Schulter. »Los komm, lass uns reingehen. Ich denke, die Spurengasse dürfte fertig sein.«
»Himmelherrgott noch mal«, rief Ethan erschüttert, als er das Wohnzimmer betrat. »Eine Vorwarnung war wohl nicht drin«, knurrte er Aidan zu.
»Hab doch gesagt, er hängt an der Decke.«
Ethan brummte ein paar unverständliche Worte und wandte sich dann wieder dem Toten zu. Ohne es zu wollen, starrte er auf die abgehackten Reste, wo eigentlich Genitalien hätten sein sollen. Wie gestört musste man sein, um so etwas zu tun, fragte er sich. Angewidert blickte er auf die Szene.
Dr. Harris war dabei, den Toten zu untersuchen. Er hatte damit kein Problem. Ihm waren schon ganz andere Leichen untergekommen. Im Gegensatz dazu waren ein paar zerstückelte, abgehackte Genitalien ein Klacks. Sein Assistent Bobby schoss währenddessen ein Foto nach dem anderen. Erst danach konnte das Opfer aus seiner demütigenden Stellung befreit werden.
Ethan schüttelte sich innerlich, dann riss er sich von dem Schauspiel los und betrachtete eingehend die Wand. Wie ein Mahnmal leuchtete dort in großen roten Buchstaben das Wort: HARAM.
»Ist das mit Blut geschrieben?«, fragte er an Hunter gerichtet und zeigte mit einer Kopfbewegung zu der Stelle.
»Ja, und ziemlich sicher hat der Täter dafür das abgetrennte Glied als Stift benutzt.«
»Mein Gott. Glaube hin oder her, das war definitiv das Werk einer Gruppe Psychopathen.«
»Du spielst auf das Wort Haram an?«, fragte Hunter.
»Erstens das und zweitens hat Aidan einen Brief bekommen.«
»Kann ich mal sehen?«
»Ja, klar«, sagte Aidan, »aber ich will zunächst, dass davon niemand Wind bekommt, weder dein Team und die Presse schon gar nicht. Wir müssen erst mit Chief Schroeder besprechen, wie wir vorgehen.«
»Natürlich.« Beim Lesen schüttelte Brandon Hunter immer wieder den Kopf und fragte schließlich: »War dein Nachbar ein Muslim?«
»Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, aber ich denke nicht. Habt ihr ein Foto gefunden?«
Hunter nickte und drehte sich dann kurz weg. »Joe«, rief er, »bring mir mal bitte das Foto!«
Dieser griff nach einer Kiste, zog eine der vielen markierten Tütchen heraus und brachte sie seinem Chef.
»Ein Polaroid«, sagte Hunter und reichte Aidan die Tüte mit dem Foto. »Keine Fingerabdrücke, war allerdings zu erwarten.«
»Ich brauche einen Abzug davon.«
»Geht klar, hast du bis morgen auf dem Tisch.«
3
Er verbarg sich im Schatten einer riesigen Eiche und verfolgte durch die Hecke, hinter der er sich vor den Blicken neugieriger Passanten schützte, ob dieser kleine Strolch den Brief auch tatsächlich ablieferte.
Er hatte ihn auf der Straße angesprochen und um diesen winzigen Gefallen gebeten. Doch dieser Bengel hatte das nur im Gegenzug für einen Fünfdollarschein tun wollen. Was sollte man auch anderes von einer verkommenen Gesellschaft wie der heutigen erwarten. Die meisten kannten weder Moral noch Anstand und deren Nachwuchs bestand aus nichts weiter als einem Haufen verweichlichter Nichtsnutze, die den Begriff harte Arbeit nur noch über Geschichtsbücher definieren konnten. Von denen würde sich nicht ein Einziger freiwillig bereit erklären, für sein Vaterland zu kämpfen und sich zu opfern, außer vielleicht in einem Videospiel.
Er selbst war noch aus einem ganz anderen Holz geschnitzt und stand ein für das, wofür er kämpfte. Sein Leben hätte er gegeben, um dafür der Gosse zu entkommen. Doch sein Einsatz und sein Wille waren für die nichts wert. Er wurde verraten und mit Füßen getreten. Aber nicht mit ihm.
Geduldig hatte er gewartet und sich Stück für Stück einen Plan zurechtgelegt. Und jetzt war der Zeitpunkt gekommen, seine Zeit der Vergeltung.
Wenigstens überbrachte der kleine Strolch den Brief wie vereinbart. Für die unverschämte Bezahlung von satten fünf Dollar konnte er das auch erwarten. Der Bengel klingelte bei Carter und rannte dann umgehend davon.
Gut so, dachte er bei sich.
Für einen Moment stand Inspector Aidan Carter einfach nur da und schaute ohne eine Reaktion auf den Brief.
»Was soll das, Carter, nun mach schon, du verblödeter Bulle«, fluchte er leise vor sich hin und spürte, wie die Wut allmählich wieder in ihm hochkochte.
Na endlich, Carter setzte sich in Bewegung. Nach einer Weile ging er sogar ins Haus. Genau das hatte er mit dem Brief bezweckt, alles lief nach Plan. Er musste auch gar nicht lange warten, da kam Carter nach draußen gestürmt und kotzte in die Hecke. Bei dem Anblick grinste er und flüsterte: »Hat dir der Anblick der Schwuchtel etwa nicht gefallen? Du bist längst nicht mehr der harte Kerl von früher, das war einmal.«
4
Dicht gefolgt von Ethan bahnte sich Aidan einen Weg nach draußen. Hier war die Luft um einiges besser. Was für eine Wohltat. Im Wohnzimmer von Scott Davis hatte jeder Atemzug nach Eisen und Chemikalien geschmeckt. Aidan atmete erst einmal tief durch und wählte dann über sein Handy Deputy Chief Warren Schroeders Nummer.
Ethan ging weiter Richtung Einfahrt zu seinem Wagen. Von dort aus rief er seine Frau Gracie an und teilte ihr mit, dass es noch ein paar Minuten dauern würde, bis er nach Hause käme.
»Hi, Karen«, meldete sich Aidan bei Sergeant Sanders. »Ich muss dringend den Chief sprechen. Er ist doch hoffentlich noch da?«
»Klar doch, wo denkst du hin. Bei ihm zu Hause gibt Harriet den Ton an und zeigt dem Depchi«, so nannte Karen den Deputy Chief, »wo der Hase langläuft. Da tobt er sich doch viel lieber noch ein Weilchen bei seinen Untergebenen aus. Warte, mein Lieber, ich leg dich auf seinen Apparat.«
Na, immerhin eine erfreuliche Nachricht in den letzten Stunden. Aidan wollte nicht schon wieder eine so wichtige Entscheidung von womöglich enormer Tragweite eigenmächtig treffen und somit erneut seine Kompetenzen überschreiten. Für derartiges Handeln war er kürzlich schon beinah zum Streifendienst verdonnert worden und nur haarscharf mit einem blauen Auge davongekommen. Wenigstens für die nächsten paar Wochen hatte er sich vorgenommen, ordnungsgemäß den Dienstweg einzuhalten.
»Carter«, meldete sich Schroeder, »Sie sind vor Ort?«
»Ähm, ja«, sagte Aidan vorsichtig und fragte sich, woher diese Bulldogge schon wieder von dem Fall wusste.
»Mir ist zu Ohren gekommen, Ihr Nachbar hat sich erhängt. Das tut mir leid.«
Der Chief zeigte Mitleid? Was war denn in den gefahren? »Danke.«
»Sagen Sie, Carter, wie nah standen Sie sich eigentlich? Sie wohnten ja quasi Tür an Tür.«
Aha, daher wehte der Wind also. »Wir waren Nachbarn, mehr nicht. Kein Tratsch miteinander, keine gemeinsamen Grillpartys, nicht mal ein Bierchen haben wir zusammen getrunken. Wir kannten uns eher vom Sehen und Grüßen. Sie müssen mich demnach nicht von diesem Fall entbinden, ich bin ganz sicher nicht persönlich involviert.«
»Sehr gut. Nur …, ich meine …, haben wir denn überhaupt einen Fall oder denken Sie, es wäre auch ein Suizid möglich?«
Aidan glaubte sich verhört zu haben. Versuchte hier der Chief allen Ernstes, den Fall abzuwiegeln, um vor dem Bürgermeister nicht in Ungnade zu fallen? Gereizt fauchte er eine passende Antwort in den Hörer.
»Wenn Suizid bedeutet, sich selbst die Genitalien abzuhacken, um dann mit dem blutigen Penis eine Botschaft an die Wand zu schreiben, weil gerade kein Stift greifbar ist, sich anschließend die Augen zu verbinden, die Hände hinter dem Rücken mit Kabelbinder zu fesseln und sich dann noch selbst zu erhängen, ja, ich glaube, dann könnte man wohl von einem Suizid ausgehen.«
»Was reden Sie denn da, Carter«, bellte Schroeder entsetzt.
»Weil ich meinen Nachbarn Scott Davis genau so vorgefunden habe.«
»Herrgott noch mal, warum sagen Sie das nicht gleich! Von den Details wusste ich bis eben nichts. Jetzt kommen Sie mal wieder runter.«
»Okay, tut mir leid. Ich bin noch immer schockiert, was dem Mann angetan wurde.«
»Warum wollten Sie mich eigentlich sprechen, Carter?«
»Richtig. Ich brauche eine Entscheidung von Ihnen.«
»Oha, sieh einer an, es geschehen noch Zeichen und Wunder.«
Aidan ignorierte den Sarkasmus seines Chiefs. »Bevor ich heute zum Haus von Scott Davis rübergegangen bin, erhielt ich einen Brief zusammengesetzt teils aus einzelnen Buchstaben, teils ganzen Wörtern diverser Zeitschriften. Darin steht, eine Gruppe, die sich Die Richter nennt, hätte Davis bestraft wegen Verstoßes gegen die Gesetze der Scharia und verlangt die Veröffentlichung eines Berichts in den heutigen Fox News. Zusätzlich wird noch ein Platz auf der Titelseite der Jefferson Tribune gewünscht. Tun wir das nicht, dürften wir mit Konsequenzen rechnen. Doch wenn wir auf die Forderung eingehen, fällt ganz Jefferson City über uns her und die Telefone werden nicht mehr stillstehen.«
Schroeder am anderen Ende der Leitung antwortete nicht. Gerade wollte Aidan fragen, ob er noch am Apparat sei, als er sagte:
»Ich habe das Gefühl, da rollt was auf uns zu. Vorerst bin ich Ihrer Meinung, wir dürfen einer Erpressung nicht nachgeben. Ich werde mich jetzt gleich mit dem Commissioner und dem Bürgermeister in Verbindung setzen. Aber ich denke nicht, dass die beiden das anders sehen.«
»Für die Fox News ist es jetzt eh zu spät«, stellte Aidan fest, als er soeben einen Blick auf seine Uhr warf.
»Hm«, brummte Schroeder. »Ach, und Carter, ich brauche eine Kopie von dem Brief.«
»Sollte längst in Ihrem Postfach sein. Das Original habe ich samt Umschlag Brandon Hunter zur Untersuchung gegeben. Außer ihm wissen nur Sie, Jones und ich über den Inhalt des Briefes Bescheid.«
»Gut, Carter. Sorgen Sie dafür, dass das auch so bleibt. Und halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Schroeder hatte aufgelegt, bevor Aidan irgendetwas erwidern konnte. Doch das war nicht weiter schlimm. Er hatte dem Chief eh nichts mehr zu sagen.
Aidan steckte das Handy zurück in seine Hosentasche und blickte Richtung Gehweg. Ethan stand dort mit ein paar Leuten von der Presse. Vermutlich versuchte er sie abzuwimmeln. Vergeblich, wie es aussah. Die beiden Polizisten Dixon und West, die die abgesperrte Zone im Auge behielten, kamen ihm zu Hilfe und machten dem Ganzen rigoros ein Ende. Was auch immer sie den Presseleuten androhten, es wirkte.
»Schlimmer als Schmeißfliegen«, klagte Ethan, als er näher kam, »aber die Jungs haben mich gerettet.«
»Fangen beide am Montag in unserem Team an.«
»Ich weiß, gute Entscheidung. Was sagt der Chief?«
»Füße stillhalten und keine Presse. Er holt sich gerade Rückendeckung von der obersten Instanz.«
Aidan blickte auf und sah erneut Richtung Gehweg. Auch Ethan bekam einige lautstarke Wortfetzen mit und drehte sich um. Die beiden Officers, Dixon und der Neuling Lucas West, hatten alle Mühe, einen kräftigen Wikingertyp davon abzuhalten, auf das Haus von Scott Davis zuzustürmen.
»Ich denke, da sollten wir uns einmischen. Der Typ scheint Davis gekannt zu haben«, sagte Aidan und lief auf die Officers zu, die dem Wikinger bereits ihre Schlagstöcke unter die Nase hielten. »Augenblick mal«, rief er und wandte sich dann an den Wikinger. »Sie wollen zu Mr. Davis, nehme ich an.«
»Ja, wir sind verabredet.« Mit jedem Wort wurde seine Stimme lauter. »Warum ist die Polizei hier, was ist hier los?«
Er schrie nun regelrecht und wollte sich an Dixon und West vorbeidrängen. Beide reagierten sofort, packten kurzerhand zu und hielten ihn fest im Griff. Der Wikinger wurde hochrot im Gesicht, sein Hals schwoll an und er brüllte:
»Warum lassen Sie mich nicht zu ihm?«
»Kommen Sie, gehen wir dort rüber zu dem Wagen«, sagte Aidan und zeigte auf eines der Einsatzfahrzeuge. »Sie beruhigen sich jetzt erst mal etwas, dann erzähle ich Ihnen alles.«
In dem Schreiben der Richter stand, Davis sei schwul gewesen und wenn dem so war, dann erklärte die Szene hier einiges. Denn so wie sich dieser tobende Berserker aufführte, musste er Davis sehr gut gekannt haben. Vielleicht war er sein Liebhaber.
Der Wikinger und Ethan gingen voran, stiegen in das Einsatzfahrzeug und setzten sich. Aidan folgte ihnen und zog die Tür hinter sich zu. Er wusste, Davis’ Leichnam konnte jederzeit abtransportiert werden. Doch das sollte der Wikinger nicht unbedingt mitbekommen.
»Wie ist Ihr Name und dürfte ich bitte Ihren Ausweis sehen?«, startete Ethan mit der indirekten Befragung. »Ich muss das fragen, reine Routine«, sagte er und hob entschuldigend die Schultern, als sein Gegenüber ihn distanziert anstarrte. »Sie wissen doch, Bürokratie kennt keine Grenzen.«
Er lächelte den Wikinger an. Darauf entspannte sich dieser etwas und kramte seinen Ausweis aus der Brieftasche.
»Ich heiße Nolan Blake. Würden Sie mir nun endlich sagen …«
»Natürlich, sofort«, erwiderte Ethan und signalisierte ihm mit einer Geste, sich zu beruhigen. »Nur noch schnell die Formalitäten.«
Während Ethan die Personalien notierte, fragte Aidan: »Wie stehen Sie zu Scott Davis? Was wollten Sie bei ihm?«
»Wir waren heute Abend acht Uhr verabredet und schon vorhin, als mich Ihre Kollegen nicht durchlassen wollten, war ich spät dran. Was ist jetzt mit Scott?«
Aidan warf Ethan einen Blick zu und sagte dann: »Scott ist überfallen worden.«
»O mein Gott«, rief Blake, sprang vom Sitz hoch und war drauf und dran aus dem Wagen zu stürmen. »Ist ihm etwas zugestoßen, kann ich zu ihm?«
»Leider nein. Setzen Sie sich bitte. Bitte! Mr. Blake«, betonte Aidan noch einmal und wartete, bis er ihm wieder gegenüber auf dem Platz saß. Dann sagte er: »Scott lebt nicht mehr, tut mir sehr leid, Ihnen das sagen zu müssen.«
Er wollte sehen, wie Blake auf diese Nachricht reagierte. Meist kamen der oder die Täter aus dem nächsten Umfeld und sollte der Wikinger bereits von Davis’ Tod Kenntnis haben, konnte er sich in diesem Moment verraten. Doch das, was Nolan Blake daraufhin abzog, war mehr als nur ein Schauspiel.
Er wurde plötzlich kreidebleich im Gesicht, kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Seine Hände zitterten, sein Kinn, der ganze Körper vibrierte mit einem Mal. Mit starrem Blick fixierte er Aidan.
»Geht es Ihnen gut, Mr. Blake?«, fragte Ethan besorgt.
Blake antwortete nicht. Er keuchte, griff sich an die Kehle und versuchte gierig einzuatmen. Nur schien die Luft seine Lungen nicht zu erreichen.
Ethan stieß Aidan den Ellbogen in die Seite. »Der Mann braucht einen Arzt. Mach schon!«
Aidan sprang auf. Mit einem Ruck zerrte er die Schiebetür zurück, dann rannte er los.
Ethan kümmerte sich in der Zwischenzeit, so gut es ging, um Nolan Blake. Er hoffte inständig, dass ihm diese Nachricht keinen Infarkt beschert hatte. Und das nicht nur wegen der Presse, die sie dafür ganz sicher in der Luft zerfetzen würde.
Hastig riss er einen Plastikbecher aus der Verpackung, griff nach einer Wasserflasche und füllte den Becher damit bis zum Rand.
»Hier, trinken Sie das.«
Ohne recht zu wissen, was er tat, nahm Nolan Blake den Becher in die Hand. Doch er zitterte stark, sogar noch mehr als vorhin. So schien es Ethan jedenfalls.
»Kommen Sie, ich helfe Ihnen«, sagte er, nahm ihm das Getränk wieder ab und führte es für ihn an den Mund. »Trinken Sie, Mr. Blake, dann geht es Ihnen gleich besser.«
Er nippte daran und trank einen Schluck nach dem anderen.
»Sehr gut machen Sie das.« Ethan nahm ihm den leeren Becher ab und stellte ihn zur Seite. »Und nun legen Sie sich kurz auf die Sitze, damit Sie mir nicht noch umkippen.«
Willenlos tat Nolan Blake, was von ihm verlangt wurde. Ethan sprach immer wieder beruhigend auf ihn ein. Dabei hielt er die ganze Zeit seine Füße nach oben.
Eine gefühlte Ewigkeit, so kam es Ethan vor, als Aidan endlich mit einem Arzt zurückkehrte. Er stieg aus dem Wagen und fuhr sich durch die Haare. Er sah völlig fertig aus. Einer der seltenen Augenblicke, in denen Aidan ihn so zu Gesicht bekam. Für gewöhnlich wirkte Ethan wie aus dem Ei gepellt.
»Also wenn die Reaktion auf deine Nachricht ein Fake war«, sagte Ethan und streckte stöhnend den Rücken durch, »dann würde ich sagen, dieser Mann hat ein Debüt in Hollywood verdient.«
»Da muss ich dir ausnahmslos recht geben«, gab Aidan darauf zur Antwort. »Ich befürchte nur, die Befragung können wir für heute vergessen. Wenn er morgen soweit stabil ist, soll er aufs Revier kommen und seine Aussage machen.«
Er ging hinüber zu Officer Dixon und bat ihn, dies später Nolan Blake zu übermitteln.
5
Brandon Hunter erschien vor dem Haus. Erleichtert schob er die Kapuze des Schutzanzuges vom Kopf und öffnete die oberen Knöpfe, um sich des lästigen Overalls zu entledigen. Er war nicht der Einzige, der diese Dinger nicht ausstehen konnte. Dennoch gehörten sie zu den wichtigsten Utensilien zum Schutz des Tatorts vor Kontamination.
»Wir sind hier fertig«, sagte er zu Aidan und machte Platz für die Mitarbeiter, die soeben den Leichnam abtransportierten. »Ihr könnt jederzeit rein und euch umsehen. Ich denke morgen, spätestens Sonntag habe ich die ersten Auswertungen.«
»Alles klar. Danke, Brandon, wir seh’n uns.«
Nach und nach verließen die Ermittler das Haus. Auch Dr. Harris. Er trug noch immer den weißen Overall und machte auch keine Anstalten, das zu ändern. Vermutlich gehörte er zu den wenigen, die sich darin zumindest nicht unwohl fühlten. Auf Höhe von Aidan und Ethan blieb er stehen.
»Haben Sie nicht was vergessen, Mr. Carter?«, fragte er. Dabei zog er seine Brauen leicht in die Höhe und blickte ihm herausfordernd in die Augen. »Mich nicht zu nerven, gehört doch sonst nicht zu Ihren Tugenden.«
So, so, dachte sich Aidan, wenn man ihn in Ruhe ließ, war das dem alten Zausel demnach auch nicht recht.