Stegnontitis - Emilia Benedict - E-Book

Stegnontitis E-Book

Emilia Benedict

0,0
0,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Vorbesteller 0,99 statt 9,99 Euro

Stegnontitis – Sklaven der Angst ist der 4. Band der Thriller-Reihe: Ermittlung in Jefferson City.
STEGNONTITIS: Die Pest der Neuzeit!
STEGNONTITIS – eine rasant und schwerwiegend verlaufende Krankheit. Ein lautloser Killer, der sich in der Darmwand einnistet und vermehrt. Erste Symptome treten nach 10–20 Stunden auf.
Die Sterberate liegt bei weit über 70 %.
Zu Beginn erwähnten die Medien die Seuche nur am Rande, doch das änderte sich schlagartig, als der 1. Fall die USA erreichte und sich wie ein Lauffeuer ausgebreitet hatte.
Inzwischen gibt es ein Gegenmittel: Stegnontas

Inspector Aidan Carter und sein Partner Ethan Jones werden an einen Tatort gerufen. Eine Studentin wurde erschossen. Der Täter wird gefasst, erinnert sich aber nicht an die Tat.
Wenige Tage darauf geschieht ein weiterer Mord: Gleiche Vorgehensweise, dieselbe Tatwaffe, jedoch ist der Mörder ein anderer.
Zwischen den Tätern gibt es bisher nur eine Gemeinsamkeit, beide leiden an einer Angststörung. Inspector Aidan Carter vermutet zunächst eine Verbindung zum Therapeuten, was sich jedoch als Sackgasse herausstellt.
Loreena Boyd ist Sängerin im HoneyBee. Sie lernt einen Herrn kennen, der höflich und ohne Hintergedanken zu sein scheint – mehr, als sie sich je erträumt hat. Doch dieser Mann birgt ein dunkles Geheimnis und sie erlebt eine böse Überraschung.
Auch Jessica, inzwischen Inspector Aidan Carters Ehefrau, ist erneut mit von der Partie und stellt eigene Recherchen an.

Wieder ein spannender Thriller bis zur letzten Seite.

Du hast getötet. Beweise untermauern deine Tat. Doch du erinnerst dich nicht.
Ein Schuss ins Herz, ein weiterer in den Kopf. Eine Studentin stirbt direkt vor den Augen ihrer Mitbewohnerin.
Wenige Tage darauf wird der Direktor eines Forschungsinstituts tot aufgefunden. Wieder ein Schuss ins Herz, ein zweiter in den Kopf. Dieselbe Waffe, mit der auch die Studentin getötet wurde. Doch der Mörder ist ein anderer.
Inspector Aidan Carter glaubt nicht an Zufälle. Keiner der Täter erinnert sich an sein Handeln. Dazu gibt es eine weitere Gemeinsamkeit – beide leiden unter einer Angststörung. Und obwohl die Beweise unwiderlegbar sind, zweifelt Carter an deren Schuld.
Als sich die Morde häufen, beginnt eine dramatische Hetzjagd gegen die Zeit, bei der Carter alles daran setzt, um das nächste Opfer zu retten …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Stegnontitis

Sklaven der Angst

Thriller

Emilia Benedict

DAS BUCH

Du hast getötet. Beweise untermauern deine Tat. Doch du erinnerst dich nicht.

Ein Schuss ins Herz, ein weiterer in den Kopf. Eine Studentin stirbt direkt vor den Augen ihrer Mitbewohnerin.

Wenige Tage darauf wird der Direktor eines Forschungsinstituts tot aufgefunden. Wieder ein Schuss ins Herz, ein zweiter in den Kopf. Dieselbe Waffe, mit der auch die Studentin getötet wurde. Doch der Mörder ist ein anderer.

Inspector Aidan Carter glaubt nicht an Zufälle. Keiner der Täter erinnert sich an sein Handeln. Dazu gibt es eine weitere Gemeinsamkeit – beide leiden unter einer Angststörung. Und obwohl die Beweise unwiderlegbar sind, zweifelt Carter an deren Schuld.

Als sich die Morde häufen, beginnt eine dramatische Hetzjagd gegen die Zeit, bei der Carter alles daran setzt, um das nächste Opfer zu retten …

DIE AUTORIN

Emilia Benedict ist das Pseudonym der Autorin. Sie ist im Jahre ’69 geboren und verbrachte ihre Kindheit im Land der Blauen Steine. Ihre Sturm- und Drangzeit hat sie später in eine sächsische Großstadt verschlagen, in der sie viele Jahre gelebt hat. Mittlerweile ist sie auf vielen interessanten Schauplätzen unterwegs, immer auf der Suche nach Inspirationen für neue Geschichten.

Wesentliche Basis ihrer Schreibweise sind akkurate Recherchen und Natürlichkeit ihrer Protagonisten.

BISHER ERSCHIENEN

THRILLER

aus der Reihe: Ermittlung in Jefferson City

1. Toxin-Killer

(Kat v. Letters/Emilia Benedict, April 2022)

2. Im Zeichen der Lämmer

(Emilia Benedict, Dezember 2022)

3. Schachmatt, gleich bist du tot

(Emilia Benedict, Oktober 2023)

4. Stegnontitis, Sklaven der Angst

(Emilia Benedict, Dezember 2024)

ROMANE/ERZÄHLUNGEN

aus der Reihe: Always Differently

1. Schatz im Anflug

Buch 1 (Emilia Benedict, März 2024), (auch unter dem Titel: Always Differently: Schwanger – ja, ich will/Kat v. Letters, 2022)

2. Früchtchen an Bord

Buch 2 (Emilia Benedict, März 2024), (auch unter Kat v. Letters, 2022)

1. Auflage 2024

Texte: © 2024 Emilia Benedict

c/o Block Services, Stuttgarter Str. 106, 70736 Fellbach

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Die Verwendung von Text und Bildern – auch teilweise – ist ohne schriftliche Genehmigung der Autorin urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt für die gedruckte Form und insbesondere für die Vervielfältigung oder Verwendung in elektronischen Systemen.

Des Weiteren untersage ich jedem, meine Texte, Bilder bzw. jegliche Inhalte meiner Bücher (in gedruckter/digitaler Form) für Trainingszwecke sowie generelle Nutzung durch KI zu verwenden.

Coverdesign: © 2024 artdesign88

https://artdesign88.org

Kontakt Emilia Benedict:

[email protected]

Newsletter Emilia Benedict:

https://emilia-benedict.artdesign88.org

Webseite Emilia Benedict:

https://emilia-benedict.artdesign88.org

Autorengruppe:

https://wortundgeistreich.net/regal

Lektorat: Steudner

Übersicht wichtigster Personen

Inspector Aidan Carter: Leiter eines Teams im Police Department auf der Monroe Street.

Lieutenant Ethan Jones: gehört zum Team von Aidan Carter, ist sein Partner, Schwager und guter Freund

Jessica Carter: Ehefrau von Aidan Carter und Autorin, immer auf der Suche nach Stoff für einen neuen Roman. Sie arbeitet in einem Buchladen.

Deputy Chief Warren Schroeder: Vorgesetzter von Inspector Aidan Carter und seinem Team

Lieutenant Nick Adams, Lieutenant Lenny Miles, Officer Lionel Dixon, Officer Fred Conelly, IT-Spezialist Chung Taylor: gehören zum Team von Aidan Carter

Dr. Harris: Gerichtsmediziner

Brandon Hunter: Leiter eines CSI-Teams

Sergeant Karen Sanders, Officer Swanson: Mitarbeiter im Police Department

Professor Peter Goldberg: Professor für Psychologie an der Universität in Washington, wird vom Bürgermeister in die Ermittlungen als Berater eingesetzt

Loreena Boyd, Beth Wilson: Sängerinnen in einer Bar

Zeus: Loreena macht seine Bekanntschaft in der Bar HoneyBee

José: Chauffeur und Butler von Zeus

Steve Garson: Besitzer eines Buchladens, bester Freund und Chef von Jessica Carter

Nancy Turner, Wendy Meyers, Jordan Bower, Mike Hope, Eric Glover: Studenten an der Lincoln Universität

Dr. Paul Short, Dr. Oleg Lenkov, Carla Franklin, Wachmann Charles Ray: Mitarbeiter im Forschungsinstitut

Dr. John Hopkins, Dr. Janet Tucker, Dr. Henry Carmichel, Dr. Edward Rosenberg: Therapeuten und Psychiater

Donnie Gallagher, Sophie McGuire, Gino Carbone, Melissa Greenwood: Randfiguren

INHALT

Titelseite

Das Buch

Die Autorin

Bisher Erschienen

Impressum

Personenverzeichnis

Leitgedanke

Prolog

Freitag

Kapitel 1

Samstag

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Sonntag

Kapitel 5

Montag

Kapitel 6

Kapitel 7

Dienstag

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Mittwoch

Kapitel 17

Kapitel 18

Donnerstag

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Freitag

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Samstag

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Montag

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Dienstag

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Mittwoch

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Epilog

Nachtrag

Bisher Erschienen

Leseprobe: Schachmatt, gleich bist du tot

Leseprobe: Schatz im Anflug

Leseprobe: Früchtchen an Bord

Gedanken fliehen durch das Licht.

Verweilen, entschwinden, sind allgegenwärtig.

Die einen sind gut – klein und unschuldig

wie zarte erste Blütenblätter,

die sich durch den letzten Rest

des inzwischen grau gewordenen Schnees

ins Licht kämpfen.

Die anderen sind schlecht – wie eine wilde Bestie

lauern sie im Untergrund,

gefangen im Käfig, tief verborgen.

Mutter sagte immer: Sprich nicht mit Fremden!

Warum nur habe ich nicht auf sie gehört?

Ich habe mit dem Fremden nicht nur gesprochen,

ich habe ihn sogar hereingebeten.

Er war so nett, freundlich.

Dabei hat er bloß gewartet, auf den richtigen Moment,

die Bestie gestreichelt, gefüttert – und dann abgerichtet

entlassen in die Finsternis.

Prolog

Kälte frisst sich durch sein Fleisch, nagt erbarmungslos an seinen Knochen. Doch Larry erfriert nicht – noch nicht. Einmal hatte er gelesen, dass der Tod kommt, wenn die Kälte aufhört.

Der Boden unter ihm ist hart und eisig. Wahrscheinlich nur ein Albtraum – einer von vielen in den letzten Monaten, die ihn immer wieder schweißgebadet aus dem Schlaf gerissen hatten. Dabei verabscheut er es zu träumen, weil er darin gefangen ist. Und er weiß, das Einzige, was dagegen hilft, ist aufwachen.

Dieses Mal ist es anders. Wie ein Fötus liegt er zusammengerollt und zittert am ganzen Leib. Einen Arm um die Knie geschlungen, den anderen über der Brust. Sein Kinn presst er dazwischen, um sich wenigstens einen Hauch an Wärme zu verschaffen.

Die Kälte fühlt sich erschreckend echt an, beinah greifbar, und so gefährlich nah an der Grenze zur Wirklichkeit. Genau wie damals, als er aus dem Waisenhaus abgehauen war, weil ihn Vater, wie sie ihn ansprechen mussten, wieder einmal in sein Zimmer befohlen hatte. Nur war das kein Traum gewesen. Darum war er lieber auf die Straße geflüchtet, als dieses Martyrium noch einmal über sich ergehen zu lassen. In der Nacht, bekleidet mit nur einer dünnen Leinenhose und einem Hemd, hatte er dann sein Vorgehen bitter bereut. Tage hatte er ausgeharrt, war halb erfroren und ausgehungert, bis ihn Beth und Loreena fanden und zu seinem Glück bei sich aufnahmen.

Heute ist er nicht mehr dieser kleine Junge und vermutlich einfach nur aus dem Bett gefallen. Sicher liegt er gerade ohne Decke auf dem Boden. Das wäre zumindest eine Erklärung dafür, dass er so elend friert.

Er muss also nur die Augen öffnen, zurück ins Bett krabbeln und unter die warme Decke schlüpfen. Aber das ist leichter gesagt als getan. Dennoch versucht er es. Er strengt sich an, gibt sich alle Mühe, die Lider zu heben.

Stopp! Hier stimmt etwas nicht.

Dieser Gedanke lässt ihn die Kälte für einen Moment vergessen. Er stemmt sich vom Boden hoch, setzt sich auf und tastet sein Gesicht ab. Die Hände sind klamm. Trotz allem fühlt er sie – seine Augen. Sie sind längst offen. Im Schlaf? Wie ist das möglich?

Er kann nichts sehen, es ist stockdunkel. Seine Augen hetzen umher und in welche Richtung er seinen Kopf auch dreht, ist da weder Mondlicht noch ein Stern, nicht mal ein Schatten, sondern nur pechschwarze Nacht.

In dem Moment kriecht eine altbekannte Angst durch seine Eingeweide. Er hat völlig vergessen, dass er kurz davorsteht, aus der Wohngemeinschaft zu fliegen. Dieses Mal will Beth Ernst machen, das hat sie ihm klipp und klar angedroht. Er schuldet ihr inzwischen zwei Monatsmieten, und wenn er die nicht zurückzahlt, fliegt er raus. Nur weiß er nicht, wie er das anstellen soll – wie auch ohne Job. Doch das hat er Beth und Loreena bisher verschwiegen.

O mein Gott, schießt es ihm durch den Kopf.

Bei dem Gedanken wird ihm ganz übel und er umschlingt seine Knie noch fester, zieht die Beine noch näher an seinen Körper heran. Dabei wippt er beinah rhythmisch vor und zurück. Beth hat ihre Drohung wahr gemacht und ihn rausgeschmissen. Jetzt ist er obdachlos, haust wie damals auf der Straße.

Aber warum erinnert er sich nicht daran? Womöglich will ihn sein Verstand vor den seelischen Qualen schützen und hat deshalb die letzten Stunden oder gar Tage ausgeblendet.

Nein, das ist Unsinn.

Wenn ihn sein Verstand schützen wollte, dann hätte er ihm einen genialen Einfall gegeben, der Geld einbringen und ihn vor der Obdachlosigkeit bewahren würde.

»Zsss.«

Aus dem Nichts leuchten zwei gelbe Augen vor ihm auf – kalt und unheimlich, nicht menschlich. Eine Katze? Ein Streuner vielleicht, wie sie oft in den Straßen herumschleichen? Er lauscht. Diese Geräusche, das Zischen. Nein, das kann keine Katze sein. Das ist … eine Schlange!

Der Schreck schießt wie ein Pfeil durch seinen Magen, während sein Herz bis rauf in den Hals hämmert. Verzweifelt kämpft er gegen die Panik an, doch die eiserne Klaue klammert sich um ihn wie ein Schraubstock.

Seine Atemzüge werden immer schneller, immer flacher. Gleich wird er hyperventilieren, er ist nahe dran, das Bewusstsein zu verlieren. Den Druck im Kopf hält er kaum aus. Wie ein Sturm rauscht das Blut in seinen Ohren – das Einzige, das er in diesem Moment noch wahrnimmt.

Wird er allmählich wahnsinnig, verliert er den Verstand oder ist das alles real?

O bitte, lass es einfach nur einen Scheißalbtraum sein, fleht er still.Ich rühre auch nie wieder einen Tropfen Alkohol und Drogen an. Versprochen!

Die Schlange, trotz Dunkelheit, er erkennt ihre Silhouette ganz deutlich. In einer Welle gleitet sie über den Boden, kommt näher, den vorderen Teil ihres Körpers aufgerichtet. Ihre gelben Augen sind direkt auf seiner Gesichtshöhe, fixieren ihn, bohren sich in seinen Blick. Sie faucht ihn an, als wollte sie sich jede Sekunde auf ihn stürzen.

Wo ist er hier bloß hingeraten und vor allem, wie?

In der Stadt gibt es kein Tier dieser Art. Demnach kann er nur im Wald sein, umgeben von dichten Baumkronen. Ja, so muss es sein. Nachts dringt kein Lichtschein zwischen dem Blätterdach hindurch. Der Grund, warum er von totaler Finsternis umhüllt ist.

»Zsss.«

Wieder blitzt ein Augenpaar vor ihm auf, nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Er will zurückweichen, kann sich jedoch nicht von der Stelle rühren. Seine Glieder sind inzwischen völlig steif gefroren.

Im Wahn reißt er seinen Kopf herum. Er keucht. Spürt kaum, dass die Luft wie Nadeln in seine Kehle sticht. Hektisch schaut er in alle Richtungen. Kalter Schweiß perlt über seine Schläfe in das rechte Auge und trübt seinen Blick. Noch mehr Punkte leuchten auf und verschmelzen zu gelben Schlieren.

Schlangen, überall. Sie haben ihn umzingelt.

Da!

Er hört ein Röcheln, ganz in seiner Nähe.

Gott sei Dank.

Erleichterung strömt durch seinen Körper. Er weint vor Glück, denn er ist nicht allein.

Wer ist da, will er rufen. Er muss sich beeilen und dringend bemerkbar machen. Derjenige wird ihm helfen, hoffentlich, aber seine Stimme gehorcht ihm nicht, so sehr er sich auch anstrengt. Nicht mal ein Flüstern bringt er über seine Lippen, außer …

Die Erkenntnis trifft ihn mit voller Wucht. Ihm wird ganz schwindelig. Das Röcheln, er selbst ist derjenige.

Das Zischen der Schlangen wird lauter.

»Zsss.«

Hört auf, seid endlich still!

Sie rücken näher. Jetzt spürt er ihre kleinen gespaltenen Zungen – direkt an seinem Ohr. Rasch presst er beide Hände darauf, die einzige Chance, die er hat.

Er wimmert. Geht weg!

Wie damals als kleiner Junge kneift er seine Lider fest zu, schlägt um sich und strampelt mit den Beinen. Aber auch das vertreibt die Biester nicht. Er hält es nicht mehr aus, jemand muss doch in der Nähe sein und ihn von den Viechern befreien. Ihm helfen!

Angst jagt seine Kehle hinauf, der Schrei vibriert bereits auf seinen Stimmbändern. Er öffnet den Mund – und verstummt im selben Atemzug.

Die wütenden Kreaturen springen auf ihn zu, eine nach der anderen. Sie kriechen in seinen Schlund, schlängeln sich durch seine Eingeweide, durch seine Blutgefäße, zerfetzen mit ihren Giftzähnen seine Adern.

Das Fieber hat ihn fest im Griff. Ihm wird heiß und er sehnt sich nach Abkühlung. Schweiß dringt aus seinen Poren, rinnt über die Haut, sein Blut kocht und er droht innerlich zu verbrennen.

Unaufhaltsam versprühen die Bestien ihr Gift. Sie wollen ihn töten, das weiß er jetzt. Doch er will nicht sterben, nicht auf diese Art. Er wünschte, Beth und Loreena würden seine Hand halten, er hat nur die beiden, aber sie sind nicht hier. Er ist mutterseelenallein.

Sein Magen und Darm krampfen, ihm ist schlecht und gleich muss er sich übergeben. Er kippt zur Seite, krümmt sich. Sein Schädel droht jeden Moment zu platzen und sein eben noch trockener Gaumen wird feucht. Flüssigkeit bildet sich in seiner Mundhöhle. Der Schrei steckt noch immer in seiner Kehle und bahnt sich endlich den Weg nach oben.

Er nimmt all seine Kräfte zusammen und schreit seine Angst, Verzweiflung und Hoffnung hinaus, so laut er kann. Das Einzige, das jedoch zu hören ist, ist ein klägliches Gurgeln.

Blut quillt dick zwischen den Zähnen hervor und tropft in schmierigen Fäden aus seinem Mund. Seine Venen, Organe, der Schädel explodieren förmlich. Tausende Sterne, die aufleuchten und wieder verlöschen.

Erschöpft liegt er auf dem harten, eisigen Boden. Der Schmerz lässt endlich nach, und Ruhe – eine seltsame, trügerische Ruhe – breitet sich in seinem Körper aus. Und mit einem Mal ist er sich einer Sache ganz sicher: Das alles ist kein Traum, es ist real.

Das letzte Licht verlischt, der letzte Stern, und er gleitet hinüber in völlige Dunkelheit.

Freitag

1

Wendy Meyers krallte ihre Finger in die Decke und zog sie noch enger um ihren Körper. Wie ein Häufchen Elend hockte sie am Küchentisch. Nur schleppend, mit brüchiger Stimme brachte sie die Worte über ihre zitternden Lippen. Inspector Aidan Carter und sein Partner Lieutenant Ethan Jones saßen ihr gegenüber und warteten, bis sie sich wieder einigermaßen im Griff hatte.

Wendy Meyers hatte noch immer diesen grauenhaften Moment vor Augen, ihr ganzes restliches Leben würde sie ihn nicht wieder vergessen.

Noch vor wenigen Minuten hatte sie draußen vor der Tür zum Gebäude gestanden. Ein Schuss war gefallen, kurz darauf ein zweiter. Und dann fiepte plötzlich dieser hohe Ton in ihren Ohren und machte sie ganz wirr im Kopf.

Sie war kaum in der Lage gewesen, klar zu denken. Wie durch einen Nebelschleier hatte sie die Stimme in ihrem Kopf schreien gehört: Tu etwas!

Bloß was? Ihr Gehirn war in dem Augenblick wie gelähmt gewesen.

Keine Ahnung, wie lange sie so dagestanden und einfach nur auf den Boden gestarrt hatte. Auf das Blut, das wie ein wucherndes Geflecht langsam, aber stetig unter dem reglosen Körper ihrer Freundin hervorkroch und sich ausbreitete. Auf Nancy, die reglos vor ihr lag, als würde sie mitten auf dem Gehweg zum Wohnheim ein Nickerchen machen, abgesehen von dem Loch in ihrem Kopf.

Wie in Trance hatte Wendy schließlich ihr Telefon aus der hinteren Hosentasche gezogen und den Notruf gewählt.

Kurz darauf wimmelte der ganze Hof von Einsatzfahrzeugen mit hektisch blinkenden Blaulichtern auf ihren Wagendächern. Türen wurden aufgeschoben und Ermittler sprangen heraus. Zwei von ihnen sperrten sofort den Eingang zum Wohntrakt der Studenten ab. Die anderen verteilten sich weiträumig, bewegten sich aber vorwiegend auf Gassen, die eben angelegt wurden. Ein weiterer nahm Personalien von all denen auf, die sich kurz nach dem Eintreffen der Polizei neugierig angeschlichen hatten und das Schauspiel seitdem interessiert verfolgten. Wendy hatte nicht einmal wahrgenommen, dass ihre Studienkollegen hier reihenweise aufgetaucht waren.

Ein nächstes Fahrzeug rollte an, der Krankenwagen. Jemand in weißem Overall kletterte heraus, vermutlich der Arzt. Einer der Beamten winkte ihm von Weitem zu und gab ihm ein Zeichen. Doch weder erwiderte er den Gruß noch zeigte er irgendeine Reaktion, sondern ging unmittelbar zu Nancy und beugte sich über sie.

Noch immer lag sie reglos auf dem Boden. Kein Stöhnen. Kein schmerzverzerrtes Gesicht. Nicht einmal ihr kleiner Finger zuckte.

Wendy war nicht fähig, sich zu rühren. Gebannt blickte sie auf die Szene, die sich wie ein schauriger Film vor ihr abspielte. Erst als der Sanitäter mit den beiden Polizisten im Schlepptau auf sie zukam, sie sanft vorwärtsschob und in ihr Apartment begleitete, begriff sie das ganze Ausmaß der Situation und brach zusammen.

Inzwischen war der Sanitäter wieder gegangen. Wendy schluchzte nur noch ab und zu auf. Ihre Tränen waren versiegt, hatten jedoch breite Spuren der schwarzen Wimperntusche zurückgelassen, die jetzt wie ein schlechtes Tattoo auf ihren Wangen klebte. Die Augen waren von der Trauer um Nancy geschwollen, ihre Nase gerötet.

Lieutenant Ethan Jones räusperte sich und warf seinem Partner Inspector Aidan Carter einen knappen Blick zu. Das bedeutete, dass er heute die Befragung übernehmen würde, was Aidan mehr als nur recht war. In sensiblen Angelegenheiten war Ethan schon immer der Bessere. Er selbst war eher geradezu und trieb sein Gegenüber bei Befragungen gern in die Ecke.

»Wendy«, setzte Ethan behutsam an. »Fühlen Sie sich in der Lage, uns ein paar Fragen zu beantworten?«

Sie nickte und starrte dabei unentwegt auf ihre Hände. Unbewusst knetete sie ihr nasses Taschentuch, das sich zwischen ihren Fingern nach und nach in kleine Flocken zersetzte.

»Also gut, Wendy.«

Ethans Blick blieb an der Küchenzeile hängen. Auf der Anrichte standen drei Kaffeetassen und mehrere benutzte Teller mit Besteck.

»Wie es aussieht, wohnen Sie hier nicht allein?«, fragte er.

»Nein«, erwiderte sie sehr leise, sodass sich Ethan ein Stück zu ihr über den Tisch beugen musste, um zu verstehen, was sie sagte. »Ich teile mir das Apartment mit zwei anderen Studentinnen. Mit Olivia, die müsste eigentlich jede Minute hier auftauchen. Und mit Nancy.«

Bei dem zweiten Namen hob sie erschrocken den Kopf. Kleine Nadelstiche sausten durch ihren Magen. Unwillkürlich schnappte sie nach Luft, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt und kratzte bei jedem Schlucken. Erneut stachen Tränen in ihre Augen. Sie blinzelte, um den Lieutenant nicht verschwommen zu sehen.

Aidan schnellte ruckartig nach vorn. »Nancy hat hier mit Ihnen gewohnt?«, fragte er schärfer als beabsichtigt und bedachte seinen Partner mit einem erstaunten Blick. Etwas ruhiger fügte er hinzu: »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mich hier ein wenig umschaue?«

»Nein. Natürlich nicht«, sagte Wendy irritiert.

Aidan stand auf und zog ein Paar Handschuhe über. Er konnte es kaum glauben. Sie unterhielten sich mit einer unmittelbaren Zeugin direkt in der Wohnung des Opfers, in der eigentlich nach einem Mord niemand etwas zu suchen hatte außer der Spurenermittlung.

»Demnach kannten Sie Nancy sehr gut«, fuhr Ethan fort.

»Sie war meine beste Freundin.«

»Das tut mir ehrlich leid. Haben Sie eventuell eine Vorstellung, wer ihr das angetan haben könnte? Hatte sie Feinde, vielleicht mit jemandem Streit in der letzten Zeit, vor irgendwem Angst oder hat sie erzählt, dass sie verfolgt wurde? Irgendwas in der Richtung?«

»Nancy ist …, ich meine … war ein absolut liebenswerter Mensch. Feinde hatte sie garantiert keine. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Sie hat mir eigentlich immer alles erzählt. Alles! Aber diesen Mann habe ich vorher noch nie gesehen.«

Wendy schaute wieder nach unten, erst jetzt bemerkte sie das ausgefranste Taschentuch in ihren Händen. Gleichgültig ließ sie es neben sich in den Papierkorb fallen.

»Dieser Mann. Wann war das, als Sie ihn gesehen haben? Können Sie ihn beschreiben und würden Sie ihn wiedererkennen?«

»Ja, ganz bestimmt. Er stand nur ein paar Schritte von mir entfernt.«

»Und wann war das?«

Wendy sah auf und blickte Ethan verständnislos an. »Na, ich schätze vor einer halben Stunde. Er hat Nancy einfach so erschossen«, flüsterte sie.

Aidan fuhr herum und setzte an, etwas zu sagen, doch Ethan warf ihm einen warnenden Blick entgegen und schüttelte unmerklich den Kopf. Er hatte recht und Aidan hielt sich zurück. Die junge Frau war völlig durcheinander. Sie stand enorm unter emotionalem Druck und den Schock über die Tat hatte sie noch lange nicht überwunden. In solch einem Fall war Aidan definitiv der Falsche, der die Zeugin weiter befragen sollte. Er hatte nicht das richtige Gespür für derartige Situationen.

»Wendy«, sprach Ethan weiter, so ruhig, wie es ihm nur möglich war. »Habe ich Sie richtig verstanden, Sie haben gesehen, wer Nancy erschossen hat?«

Wieder nickte sie bloß.

Aidan atmete tief durch. Am liebsten hätte er die Antwort aus ihr herausgeschüttelt, aber er beherrschte sich und überließ Ethan weiterhin das Feld.

»Beschreiben Sie doch mal, wie das Ganze abgelaufen ist.«

Wendy schloss für einen Moment die Augen, sammelte sich, dann setzte sie an, verstummte jedoch wieder. Beim dritten Anlauf begann sie zu erzählen. »Wir haben uns auf den Weg zur Vorlesung gemacht«, begann sie. »Es war die letzte für heute Nachmittag. Da fiel mir auf, dass ich meine Tasche vergessen hatte. Sie war noch in der Wohnung und darum lief ich rasch zurück. Als ich dann durch die Tür nach draußen trat, war da dieser Mann.«

Wendy starrte ins Leere. Ein Schauer lief über ihren Körper. Schützend schlang sie die Arme um sich und wippte leicht vor und zurück, dann fuhr sie fort.

»Er ging auf Nancy zu, zog eine Waffe aus der Jacke und schoss. Ohne etwas zu sagen. Nicht ein Wort, einfach so.« Sie wippte nun stärker. »Nancy lag auf dem Boden. Er ging zu ihr und beugte sich über sie. Dann drückte er die Waffe direkt auf ihre Stirn und schoss ihr in den Kopf. Alles ging so schnell. Ich habe geschrien und war mir sicher, dass ich als Nächste dran sein würde. Ich konnte es nicht steuern.«

Zitternd holte sie tief Luft. Sie wollte nicht schon wieder weinen, sondern ein wenig Abstand gewinnen von dieser schrecklichen Tat, doch es gelang ihr nicht. Tränen rollten über ihre Wangen und sammelten sich am Kinn. Sie schniefte, zog den Ärmel ihres Pullis über die Hand und wischte damit über ihr Gesicht.

Aidan schnappte sich aus dem Regal eine Box mit Taschentüchern und reichte sie ihr. Dankbar zupfte sie eines heraus.

»Vielleicht haben Sie intuitiv genau das Richtige getan«, sagte Ethan. »Vermutlich war ihm klar, dass ihr Geschrei jeden Augenblick andere Studenten anlocken würde. Er hat Panik bekommen und ist abgehauen.«

»Nein.« Wendy tupfte ihre Augen. »Er war nicht panisch, sondern völlig gelassen. Er hat mich nur kurz angesehen oder vielmehr durch mich hindurch, dann hat er sich umgedreht, ist in seinen Wagen gestiegen und weggefahren.«

Ethan wechselte ein paar Worte mit Brandon Hunter, der vor einiger Zeit zum Leiter des CSI aufgestiegen war. Umgehend winkte dieser drei seiner Leute heran und schickte sie in das Apartment des Opfers.

Aidan blieb für den Moment im Hausflur stehen. Mit zwei Fingern griff er in die Hosentasche und zog sein Handy hervor. Hier war er einigermaßen ungestört bis auf die Ermittler, die an ihm vorbeihuschten, und hin und wieder einen Studenten, der hier wohnte.

Er holte im Verzeichnis Kontakte den Ordner Team aufs Display und tippte den Namen Chung Taylor an. Taylor war unter seinen Kollegen der Spezialist für alles, was mehr als nur ein wenig Köpfchen brauchte.

Drei Wimpernschläge und schon meldete er sich am anderen Ende.

»Aidan? Was gibt es?«

»Hey, Chung. Du bist noch im Büro?«

Taylor gluckste leise. »Es ist gerade mal Nachmittag, wo sollte ich sonst sein?«

Nachmittag. Aidan grinste über Taylors Auslegung, den Feierabend zu verbringen. Es war jetzt kurz vor sieben, Taylor blieb meistens bis neun Uhr im Büro. Anschließend ging er bei Ben im Jefferson Pub auf ein, zwei Bier vorbei, alkoholfrei natürlich. Den Rest des Abends hing er zu Hause mit seinem Partner ab, und das war Bruce Lee. So nannte er seinen Computer, weil er extrem schnell war wie Bruce, der Kampfsportkönig.

»Ja, wo sonst solltest du sein«, erwiderte Aidan. »Sag mal, Chung, würdest du mir einen Gefallen tun?«

Eine Pause, zwei Atemzüge, ehe Taylor antwortete. Für gewöhnlich strich er sich in dieser Zeit mit der flachen Hand behutsam über sein stoppeliges schwarzes Haar mit den roten, gelben, grünen und blauen Spitzen. Aidan hatte ihn deutlich vor Augen.

»Klar, was brauchst du«, sagte er schließlich.

»Also einfach ausgedrückt den Halter eines Fahrzeugs.«

»Okay«, sagte Taylor gedehnt. »Ist theoretisch nicht schwierig, aber so wie ich dich kenne, machst du eine Schnitzeljagd daraus, habe ich recht?«

»Sorry, Chung. Damit triffst du ziemlich genau ins Schwarze. Hör zu, das Kennzeichen des Wagens beginnt mit DE8, Wagenfarbe dunkelblau oder grau.«

»Dir ist aber schon klar, dass es Schilder mit so kurzen Nummern nicht gibt.«

»Würde ich damit sonst zu dir kommen?«

»Hm, vermutlich nicht. Marke?«

»Keine Ahnung.«

»Bis wann?«

»Morgen früh neun Uhr, kurze Besprechung mit dem Team.«

Taylor antwortete darauf nicht. Für ihn war das Gespräch damit beendet. Aidan hörte, wie er auf seiner Tastatur rumhämmerte, und drückte auf den roten Hörer des Displays. Er schob das Telefon zurück in seine Hosentasche und trat aus dem Haus.

Nancy Turners Leichnam lag inzwischen auf einer Bahre und wurde in den Wagen geschoben.

»Bobby, was für Dinger sind das hier?«, schnauzte der kleine Mann im weißen Overall den anderen an und stupste dabei gegen seine Schuhe.«

»Ähm. Ich verstehe nicht, Dr. Harris. Das sind … meine Füße?«

»Aha«, knurrte der Doktor. »Weißt du auch, wie du die Dinger benutzen musst?«

Bobby war irritiert. Worauf wollte der Doktor hinaus? Oder war das nur mal wieder ein Seitenhieb? »Ja?«, erwiderte er vorsichtig.

Dr. Harris schlug theatralisch die Hände zusammen. Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. »Prima, mein Lieber«, rief er. »Dann darfst du sie auch gern vorwärtsbewegen.«

Bobby stand noch immer da und glotzte verständnislos.

»Mein Gott, Junge. Das bedeutet, scher dich endlich in den Wagen. Ich will hier nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag herumstehen.«

»Na, na, na, Dr. Harris. Mal wieder in Eile?« Aidan ging auf den kleinen Mann zu, der noch immer in dem weißen Overall steckte und vermutlich auch nicht vorhatte, ihn abzulegen.

Der Doktor ließ den Griff der Wagentür los und drehte sich um. »Inspector Carter, auch der noch«, grummelte er leise vor sich hin. »Könnte mir kaum einen angenehmeren Gesprächspartner für den Freitagnachmittag vorstellen.«

»Tja, mit Mr. Beethoven und dem guten Kopke kann ich leider nicht mithalten.«

»Strapaziert nicht nur meine Nerven, Fledermausohren hat er auch noch. Nun gut, Inspector Carter. Sie gönnen mir ja doch keine Ruhe. Also, reden Sie schon!«

»Charmant wie immer der gute Doktor. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob Sie bei der Toten irgendwelche Hinweise gefunden haben.«

»Falls Sie davon sprechen, sie könnte mit Blut den Namen ihres Mörders auf den Boden geschrieben haben, muss ich Sie enttäuschen, Inspector Carter. Was ich Ihnen aber sagen kann, sie wurde erschossen. Ob sie jedoch an einer der beiden Schussverletzungen verstorben ist, weiß ich erst nach der Obduktion.«

»Laut der Zeugin wurde Nancy Turner direkt vor ihren Augen niedergeschossen.«

Dr. Harris lächelte süffisant. »Inspector Carter«, sagte er. »Sie haben Ihre Zeugin, gut und schön. Vielleicht stimmt es, was sie sagt, vielleicht auch nicht. Doch mit solch einem Herumgeeiere kann ich nichts anfangen, deshalb höre ich nur darauf, was mir die Toten erzählen. Und das sind Fakten. So, wenn Sie mich nun nicht weiter abhalten und meine Zeit verschwenden würden. Näheres wie immer nach der Obduktion.«

Dr. Harris drehte sich um und stieg zu seinem Assistenten Bobby in den Wagen. Dieser hatte es nach dem Anpfiff seines Chefs inzwischen geschafft, sich hinters Steuer zu klemmen, und sogar den Motor gestartet. Jetzt nahm er den Fuß wieder vom Gaspedal, denn der Doktor hielt ihn an, noch einen Augenblick zu warten.

Aidan war im Begriff zu gehen, da bemerkte er im letzten Moment, dass der Doktor das Seitenfenster herunterließ. Ein Versehen? Frische Luft hatte er bis eben jedenfalls genug getankt. Wollte er vielleicht noch was loswerden oder war das nur mal wieder eines seiner Spielchen? Dr. Harris schaute nach vorn durch die Windschutzscheibe und bedachte Aidan nicht eines Blickes.

»Hören Sie, Carter«, brummte er und starrte dabei weiter geradeaus.

Na, sieh einer an, dachte Aidan, ein Wunder geschieht. Harris gibt mal von sich aus etwas preis.

»Wenn der Täter nicht gerade einen Schutzoverall getragen hat«, fuhr der Doktor fort, »dann sind auf seiner Kleidung ganz sicher jede Menge Partikel von Blut und Gewebe. Er hat die Waffe direkt gegen die Stirn seines Opfers gedrückt.«

Ehe Aidan irgendetwas erwidern konnte, drückte Dr. Harris den Knopf und die Seitenscheibe fuhr nach oben. Der Wagen rollte davon.

Samstag

2

Aidan rollte mit seinem Mustang auf den Hof des Departments. Kurz vor neun Uhr, normalerweise zu früh, um an einem Wochenende schon auf den Beinen zu sein. Aber was war schon normal. Der Grund, warum er heute hier war, war es jedenfalls nicht.

Er hatte den Mord an einer Studentin aufzuklären – eine Tat, für die bisher keinerlei Motiv erkennbar war. Doch es gab immer eins und sofern sich der Täter sein Opfer nicht willkürlich ausgesucht hatte, würde er es herausfinden und den Schuldigen hinter Gitter bringen.

Er stieg aus und gab der Wagentür einen Schubs. Geräuschvoll schickte sie ihm ihre Antwort hinterher, während er schon die Stufen zum Eingang hinaufsprang.

Was für ein Samstag, dachte er, als sein Blick die Uhr an der Wand streifte. Karen war nirgends zu sehen, auch das noch. Wahrscheinlich hatte sie heute frei.

Sergeant Karen Sanders war in all den Jahren zu einer guten Freundin geworden. Auf sie konnte er zählen, sie stand ihm mit ihrem mütterlichen Rat immer zur Seite.

Aidan zog gerade in Erwägung, seinen Kaffee selbst zu machen, überlegte es sich aber schließlich wieder anders. Er wollte nicht schon wieder Zoff mit der Bulldogge, obwohl der Chief seine Drohung, er würde Aidan beim nächsten Verstoß zum Streifendienst verdonnern, momentan eh nicht wahr machen konnte. Zumindest brauchte er ihn so lange, bis der Fall abgeschlossen war.

Deputy Chief Warren Schroeder blickte grimmig auf, als Aidan den Besprechungsraum betrat. Sein schwabbeliger Hals, der konturlos in den Kopf überging, schwoll sofort an und sein Gesicht mit den Hängebacken bekam rote Flecke. Der Hemdkragen wirkte bedrohlich eng, allein schon der Anblick löste bei Aidan beinah Atemnot aus.

Chief Schroeder holte tief Luft. Vermutlich würde er jede Sekunde losbrüllen.

»Guten Morgen, allerseits«, rief Aidan, um ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen. Nicht übertrieben gut gelaunt, aber auch nicht unfreundlich. »Ruhig Blut, Chief, ich bin heute gerade mal sechs Minuten zu spät.« Einerseits wollte er Schroeder damit milde stimmen, andererseits hoffte er, dass sein dicker Kopf nicht platzen würde. »Akademisches Viertel, seh’n Sie’s mir nach. Außerdem ist heute Samstag und ich leide an Koffeinmangel.«

Aidan ging um den Tisch herum und setzte sich neben Ethan.

Chief Schroeder fletschte die Zähne, atmete aber nur schnaufend aus. Er verabscheute die Art von diesem Kerl, jedoch kam er nicht umhin, ihn für seinen Spürsinn zu bewundern, den er zweifellos im Blut hatte. Und obwohl Carter permanent zu spät kam und ihn damit jedes Mal auf die Palme brachte, mochte er ihn irgendwie. Natürlich würde er ihn das niemals wissen lassen, denn offiziell herrschte zwischen beiden eine Art respektvolle Abneigung.

»Gut«, knurrte Schroeder nun, »da Inspector Carter wie immer alle hat warten lassen, aber doch noch die Güte besitzt, hier aufzutauchen, können wir jetzt endlich anfangen. Lieutenant Jones«, sagte er zu Ethan und ignorierte damit Aidan bewusst. »Nennen Sie uns bitte die Fakten, damit wir alle auf dem gleichen Stand sind.«

Ethan beugte sich ein Stück nach vorn und blickte auf seine Notizen. »Das Opfer heißt Nancy Turner«, begann er, zog ein paar Fotos heraus und schob sie über den Tisch. »Das sind die Bilder vom Tatort. Ein Schuss in die Herzgegend, einer in den Kopf. Vermutlich wollte ihr Mörder sichergehen, dass sie auch wirklich tot ist. Sie war Studentin an der Lincoln Universität. Laut ihrer Freundin Wendy Meyers hatte sie keine Feinde.«

»Einen muss sie wohl gehabt haben«, grummelte Lenny Miles vor sich hin.

»Richtig, Lenny, und genau den hat Wendy Meyers gesehen. Sie ist unmittelbare Augenzeugin der Tat, stand quasi daneben. Der Täter ist mittleren Alters, hat dunkles, spärliches Haar, ist etwa eins siebzig groß, untersetzt und trägt eine Brille mit großen runden Gläsern. Das Ganze dürfte nicht allzu schwierig werden. In wenigen Stunden haben wir ihn, davon gehe ich zumindest aus.«

»Sie haben schon Namen und Adresse«, fragte Schroeder perplex. »Gute Arbeit, Jones.«

»Nicht ganz, Chief. Die Zeugin kommt heute gegen Mittag hierher und wird den Täter hoffentlich identifizieren.«

»Und den Täter nimmst du genau woher?«, warf Miles skeptisch ein.

Aidan lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich war gestern Abend noch hier im Büro. Chung hat für mich ein halbes Kennzeichen überprüft, an das sich Wendy Meyers erinnert.«

Taylor nickte und strich mit der flachen Hand über sein stachliges Haar. Vor ihm lagen ordentlich sortiert mehrere Post-its. Eines davon fischte er gezielt heraus.

»Für die Wagenfarbe dunkelblau bis grau mit besagtem halben Kennzeichen kommen genau 128 Fahrzeuge infrage. Davon wiederum leben drei der Fahrzeughalter in Jefferson City.«

»Ich habe ein paar Kollegen losgeschickt«, übernahm Aidan wieder das Wort. »Sie bringen die drei für eine Gegenüberstellung her.

»Ha.« Schroeder schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Carter, nie und nimmer hätte ich gedacht, dass mir das je über die Lippen kommen würde, aber so lob ich mir Ihre Arbeit. Präzise, knackig, Fall erledigt.«

Ein Lob, und das aus dem Munde des Chiefs, so was gab es tatsächlich noch nie. Aidan wartete darauf, dass er weitersprach, denn dass Schroeder nicht noch einen Fußtritt hinterherschob, konnte er sich schwer vorstellen.

»Sobald Sie ihn haben, will ich umgehend informiert werden. Verstanden? Vielleicht kann ich noch heute eine Presseerklärung abgeben. Und vergessen Sie mir nicht den Bericht. Vollständig auf meinem Schreibtisch. So und nun ran an die Arbeit, meine Herren, ich habe auch noch Verpflichtungen.«

Aber klar, Verpflichtungen, ganz sicher hatte der Chief die. Vermutlich war es jetzt an der Zeit, Harriet zum Shopping zu chauffieren.

Das Bild von Schroeders Frau schob sich vor sein geistiges Auge, wie sie mit der Bratpfanne hinter der Tür stand, die sie ihm über seinen dicken Schädel zog, sollte er sich wagen, zu spät zu kommen. Zu Hause hatte sie die Hosen an. Aidan biss sich auf die Zunge und verkniff sich einen Kommentar. Bis auf den leisen Gaukser.

Schroeders Blick blieb an ihm hängen. »Gibt es noch was, Carter?«

»Ganz und gar nicht, ich stimme Ihnen nur zu.«

Gefolgt von Ethan betrat Aidan das Vernehmungszimmer. Ein zweckmäßiger Raum, mehr nicht. Auf Schönheit wurde hier kein Wert gelegt, wozu auch. Je unwohler sich die zu befragende Person fühlte, umso schneller brach sie zusammen und begann zu erzählen. So jedenfalls die Theorie.

Wendy Meyers saß an dem kleinen weißen Tisch, eingepfercht zwischen kahlen grauen Wänden, bis auf den übergroßen Spiegel, hinter dem normalerweise jemand stand und beobachtete. Doch nicht in diesem Augenblick. Wendy Meyers war keine Verdächtige, sondern Zeugin.

Sie fühlte sich sichtlich erbärmlich, hatte die Arme um ihren Körper geschlungen und wippte mit dem Fuß auf und ab.

»Danke für Ihr Kommen, Miss Meyers«, sagte Aidan und setzte sich an die Stirnseite des Tisches.

Wie schon gestern überließ er auch jetzt wieder Ethan das Gespräch mit der Studentin.

»Wie geht es Ihnen, Wendy?«, fragte Ethan, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, und reichte ihr die Hand.

»Nicht so gut, aber besser als gestern.«

»Ich hoffe, Sie mussten jetzt nicht allzu lange auf uns warten.«

»Das ist schon in Ordnung. Ich wurde in der Zeit gut versorgt.« Sie lächelte zaghaft und nestelte am Henkel ihrer Kaffeetasse.

»Sehr gut. Sie sagten gestern, Sie hätten den Täter gesehen. Ist das richtig?«

Sie nickte. »Ja.«

»Glauben Sie, dass Sie ihn wiedererkennen würden?«

»Sein Gesicht und diesen Blick würde ich unter Tausenden herausfinden.«

Okay, Wendy, dann kommen Sie bitte mit. Wir bringen Sie jetzt in einen anderen Raum und werden Ihnen dort ein paar Männer gegenüberstellen. In Ordnung?«

Wendy war besorgt und blickte ängstlich von Ethan zu Aidan.

»Zwischen Ihnen und den Männern ist ein Spiegel«, sagte Aidan, um ihr Sicherheit zu geben. »Durch den können nur Sie schauen. Es wird Sie also keiner von denen auf der Gegenseite sehen.«

»Also gut.« Sie atmete durch und erhob sich.

Der andere Raum war abgedunkelt. Außer einem kleinen Schreibtisch und zwei Stühlen gab es hier nichts. Wendy stand vor dem einseitigen Spiegel und starrte in den Bereich dahinter. Bisher kannte sie das nur aus Filmen. Sie wollte schon immer mal Beobachter sein und auf die andere Seite schauen. Ein aufregendes, spannendes Erlebnis, doch das war es in der Realität ganz und gar nicht. Die momentane Situation bescherte ihr trotz des Strickpullovers eine Gänsehaut. Unbewusst rieb sie mit beiden Handflächen ihre fröstelnden Arme.

»Beruhigen Sie sich, Wendy«, sagte Ethan. »Schauen Sie ganz in Ruhe hin, lassen Sie sich Zeit. Es ist möglich, dass der Mann, den Sie gesehen haben, gar nicht dabei ist. Versuchen Sie es einfach. Und falls Sie sich nicht sicher sind, ist das auch kein Problem.«

Wendy entspannte sich etwas und krallte die Finger nicht mehr ganz so fest in ihre Haut. »In Ordnung«, flüsterte sie.

Aidan wartete auf Ethans Zeichen und presste dann einen Finger auf die Sprechtaste.

»Die Nummer eins kann den Raum jetzt betreten.«

Der Mann war groß, hager mit Halbglatze – Wendy schüttelte sofort den Kopf.

»Nein, der ist es nicht, auf keinen Fall. Da muss ich nicht überlegen.«

Aidan drückte erneut auf den Knopf. Kurz darauf verließ Nummer eins den Raum und Nummer zwei trat ein.

Wendy sog hörbar die Luft ein und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Ethan sah alarmiert zu Aidan. Auch er hatte ihre Reaktion auf den mittelgroßen, untersetzten Mann bemerkt.

Nummer zwei wirkte nervös, eher schüchtern und nicht wie ein kaltblütiger Mörder. Doch wem stand das schon auf der Stirn geschrieben. Aidan wusste nur zu gut, dass selbst in dem netten Nachbarn von nebenan dieses Killergen schlummerte. Und nicht nur in ihm, in jedem. Bestimmte Umstände und Einflüsse erweckten es zum Leben. Aber zum Glück gewann bei nur wenigen das Monster die Oberhand.

»Dieser Mann hat Nancy erschossen«, sagte Wendy.

Ihre Stimme zitterte, ihr Puls schoss nach oben. Wieder hatte sie das Bild der toten Nancy vor Augen, sah all das Blut, das sich wie ein Krake auf dem Boden ausbreitete. Der Schuss, noch immer hallte er in ihren Ohren nach. Das Loch in Nancys Kopf. Wendy schlug die Hände vors Gesicht.

»Er ist es, da bin ich absolut sicher«, keuchte sie erstickt und griff nach einem der beiden Stühle. Sie musste sich dringend setzen, bevor ihre Knie nachgaben.

Ethan gab ihr einen Moment, bevor er sie überzeugte, sich auch die übrigen Kandidaten anzuschauen. Unter den fünf Männern, zwei davon Kollegen, waren immerhin drei aus Jefferson City, die für das Kennzeichen samt Wagenfarbe infrage kamen. Doch sie blieb dabei, beharrte felsenfest auf Nummer zwei, Donnie Gallagher.

»Danke, Wendy«, sagte Ethan abschließend. »Das haben Sie sehr gut gemacht. Officer Swanson wird Sie hinausbegleiten.«

Ethan hockte sich auf die Kante des kleinen Schreibtisches, an dem Aidan saß.

»Was meinst du dazu?«

»Ich denke, wir haben ihn«, erwiderte Aidan.

Wendys Körpersprache, als der Typ mit der Nummer zwei den Raum betreten hatte, und die Sicherheit, mit der sie ihn identifizierte, all das gab ihm diese Gewissheit. Donnie Gallagher stand ab sofort unter Verdacht.

»Aber wir brauchen Beweise.«

»Richtig, sagte Ethan. »Wendys Aussage allein reicht nicht für einen Haftbefehl. Ich besorge den Durchsuchungsbeschluss. wenn er es tatsächlich war, finden wir auch was.«

»Gut. Und gib Hunter Bescheid. Sobald du den Beschluss hast, soll er seine Männer zu Gallaghers Haus schicken. Sie sollen sich vor allem seinen Wagen vornehmen. Mit ein wenig Glück finden wir sogar die Waffe, falls er sie nicht gerade in den Missouri River geworfen hat. Ich rede mit dem Kerl, wollen doch mal sehen, was er zu sagen hat.«

»Alles klar. Ich komme dann nach.«

Aidan ging an den Büros vorbei bis vor zum Tresen an der Eingangstür. Er näherte sich nur langsam, um den Mann unauffällig mustern zu können.

Donnie Gallagher saß auf einem der Besucherstühle im Wartebereich. Mit schwitzigen Fingern zupfte er unentwegt an seiner Strickmütze, schaute immer wieder auf und ließ seinen Blick hektisch durch den Raum schweifen. Er hatte Angst. Angst davor entlarvt zu werden. Nach außen hin wirkte er wie der brave, unbescholtene Bürger. Der dicke Junge, der auf dem Schulhof von den anderen verprügelt wurde. Ein Außenseiter, der sich nicht wehrte, keiner Fliege etwas zuleide tat. Doch der Schein trügte. Donnie Gallagher war sehr wahrscheinlich ein eiskalter Killer.

»Mr. Gallagher, ich bin Inspector Aidan Carter. Bevor Sie gehen, hätte ich noch ein paar Fragen an Sie.«

Aidan wollte ihn in Sicherheit wiegen. Zumindest für den Moment. Er gaukelte Gallagher bewusst die Illusion vor, er könne das Department im Anschluss verlassen.

Irritiert starrte er Aidan an. Nickte zögernd. »Ja, natürlich. Worum geht es denn, Inspector?«

»Das besprechen wir gleich. Nicht hier.«

Aidan winkte Officer Swanson zu sich. »Bringen Sie Mr. Gallagher bitte ins Zimmer drei und geben Sie ihm Kaffee oder was immer er auch will.«

3

Loreena saß vor dem Spiegel in ihrem Umkleideraum. Erschöpft war kaum der passende Ausdruck dafür, so wie sie sich fühlte. Doch das war normal für einen Samstag.

Der effektivste Tag der Woche, aber auch der anstrengendste. Vor einiger Zeit hatte sie Geburtstag gefeiert, ihren vierundfünfzigsten. Was für eine grauenvolle Zahl. Schlimmer war jedoch, dass sie in ihrem Alter noch immer Abend für Abend auf der Bühne dieser lausigen Bar stand. Dabei durfte sie sich an Tagen wie heute, an denen der Laden gerammelt voll war, kaum eine Pause gönnen. Und immerhin, sie sang nicht einmal schlecht, nur interessierte das keinen. Niemand, der ihr auch nur bei einem Song zuhörte, registrierte, welche Leistung sie da oben vollbrachte. Denen kam ja nicht einmal in den Sinn, dass sie es war, Loreena, die den Großteil dazu beitrug, damit sich hier jeder Gast wohlfühlte. Sie rackerte sich ab, während sich diese Penner die Birne mit Alkohol zudröhnten. Im Prinzip war sie unsichtbar für all diese Säufer. Aber es war ihr Job und sie hatte das Geld dringend nötig.

Loreena hatte es satt. So sehr satt. Sie war einfach zu alt für diese Scheiße. Deprimiert blickte sie der Frau ins Gesicht, die ihr gegenüber aus dem Spiegel zurückstarrte. Das jugendliche Feuer war längst erloschen und ihre einst großen Augen im Laufe der Jahre glanzlos und müde geworden. Inzwischen hingen die Lider schwer auf dem Ansatz ihrer Wimpern. Sanft berührte sie mit der Hand ihre bleiche Haut und zeichnete mit den Fingerspitzen erste sichtbare Fältchen nach. Mit jedem Tag würden sie sich tiefer in ihr Gesicht graben. Aus Fältchen würden Furchen, die sich vermehrten wie die Ratten der Kanalisation. Die Zeit, sie war ihr gefährlichster Gegenspieler.

»Also los, Loreena«, sagte sie bestimmt zu ihrem Spiegelbild. »Es ist Samstag, die Bar gut besucht und somit deine Chance.«

Sie griff nach der Wasserflasche und trank ein paar große Schlucke. Aber nur, weil sie wusste, dass Wasser die Haut aufpolsterte und zu wenig Flüssigkeit sie in eine vertrocknete schrullige Schachtel verwandeln würde. Noch ein wenig frische Farbe und sie sah locker mal fünf Jahre jünger aus. Mehr war einfach nicht drin. Noch ein letzter Blick, dann schnappte sie ihre Handtasche und verließ die Umkleide.

Es war erst kurz nach Mitternacht und der Abend noch jung. So hätte sie das jedenfalls noch vor zwanzig Jahren empfunden. Doch heute, mit Mitte fünfzig, läge sie um diese Uhrzeit eigentlich lieber im Bett. Nur konnte sie sich diesen Luxus nicht leisten, sie musste an ihre Zukunft denken.

Die Plätze am Tresen waren voll besetzt, dennoch ergatterte sie einen freien Hocker.

»Hey, Dave«, rief sie dem Barmann zu. »Mach mir bitte eine einfache Weinschorle, ja?«

Neben den lauten Gesprächen und dem Gebrüll der Gäste drang Musik an ihr Ohr. Beth stand jetzt auf der Bühne und sang für diese Trunkenbolde, die auch ihr keine Beachtung geschenkt hatten.

Sie beide waren etwa im gleichen Alter und gemeinsam mit Larry teilten sich die zwei ein Apartment. So war die Miete wenigstens einigermaßen erschwinglich.

»Oh, verzeihen Sie bitte, meine Dame.«

Der Typ neben ihr hatte sie gerade angerempelt. Bei dem Gedränge hier an der Bar war das nicht weiter verwunderlich.

»Schon gut, nichts passiert.« Sie machte eine wegwerfende Geste und nickte ihm kurz zu.

»Deine Weinschorle, Loreena. Cheers.«

Dave setzte das bestellte Getränk vor ihrer Nase ab und wandte sich dann umgehend dem nächsten Gast zu. Für kurze Plaudereien wie an anderen Tagen war heute keine Zeit.

»Loreena, die Siegreiche«, wiederholte der Typ, der sie angerempelt hatte, ihren Namen. »Wie passend für eine wunderschöne und begabte Sängerin.«

Loreena verschluckte sich beinah. Mit derartigem Schmalz hatte sie schon lange keiner mehr rumkriegen wollen. Sie drehte ihren Kopf in seine Richtung und schaute ihn an. Er lächelte. Freundlich und sanft. In seinem Blick lag kein Funke Anzüglichkeit, Lüsternheit oder gar Spott. Er war einfach nur höflich und sah dazu sehr gepflegt aus. Nicht wie die üblichen Säufer hier. Er trank auch kein Bier oder Schnaps, sondern nippte an einem gediegenen Martini.

»Egal, wie ich singe, interessiert hier eh keinen. Was soll’s. Job ist Job.«

»Mich hat es interessiert und es hat mir gefallen.«

Loreena blieb skeptisch. So schnell fiel sie nicht auf irgendwelches Süßholzgeraspel herein. Wenn, dann musste die Sache schon Hand und Fuß haben.

»Darf ich Ihnen einen Drink spendieren? Oh und natürlich ganz ohne Hintergedanken«, setzte er hinzu, als sie ihre Augen abschätzend zusammenkniff.

»In Ordnung«, sagte Loreena schließlich.

Vielleicht war dieser Typ tatsächlich das, was er nach außen hin ausstrahlte, nämlich ein Gentleman. Mit etwas Glück war er sogar auf der Suche nach einer Beziehung und hatte obendrein ordentlich Knete. Also genau der Grund, warum sie hier jeden Abend nach der Arbeit an der Bar hockte, obwohl sie viel lieber in ihrem Bett liegen würde. Sie hoffte auf den Hauptgewinn, der ihr eine sorgenfreie Zukunft garantierte.

Vor ihr stand nun ebenfalls ein feiner Martini mit drei grünen Oliven, die Dave auf einen Zahnstocher gespickt hatte. Sie tranken auf Loreenas Wohl, auf ihre Stimme, auf den Abend. Dabei hielt sie sich zurück und nippte nur an ihrem Getränk. Sie musste einen klaren Kopf behalten, denn sich gewählt und gepflegt auszudrücken, war gar nicht so leicht.

Ganz nach alter Schule stand er auf, als er ihr seinen Namen verriet. Zeus. Etwas eigentümlich, befand Loreena, aber letztlich war ihr das schnuppe und spielte für sie keine Rolle. Solange er nur das war, was sie sich erhoffte, konnte er auch Hermes, Poseidon, sogar Jesus oder sonst wie heißen.

Bis um drei Uhr morgens saß sie mit ihm an der Bar. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt. Oder vielmehr war sie es, die redete. Er dagegen hielt sich eher bedeckt und erzählte kaum etwas über sich. Dafür war er sehr interessiert. An ihr. An ihrer Geschichte, ihrem Leben. So einem Mann war sie ewig nicht mehr begegnet.

Zum Abschluss des Abends brachte er sie nach Hause bis vor die Tür. Ohne Abschiedskuss, einfach so. Und morgen würde er wieder an der Bar auf sie warten.

4

Aidan betrat den Vernehmungsraum. Donnie Gallagher zuckte zusammen, als wäre er bis eben tief in Gedanken gewesen. Aidan stellte seine Kaffeetasse auf dem Tisch ab und ging hinüber zu der Kamera, die auf einem Stativ an der Wand stand, und schaltete sie ein.

»Ich würde unser Gespräch gern dokumentieren, wenn Sie nichts dagegen haben.«

Gallagher zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen«, sagte er und wippte dabei permanent mit dem Oberkörper vor und zurück.

»Mr. Gallagher, alles in Ordnung?«

»Ähm. Was? Ja, ja, ich habe nur sehr starke Kopfschmerzen. Und zugegeben, ich bin etwas nervös, da ich nicht weiß, warum ich hier bin.«

»Ich habe nur ein paar Fragen, die Sie mir hoffentlich beantworten können.«

Aidan setzte sich zu ihm an den Tisch, zog die Tasse zu sich heran und schlürfte leise. Er ließ sich Zeit. Umso nervöser wurde sein Gegenüber. Gut so. Wer nicht konzentriert war, beging Fehler. Falls sich Gallagher eine Strategie zurechtgelegt hatte, würde Aidan sein Kartenhaus zum Einsturz bringen.

Zunächst belehrte er ihn über seine Rechte und stellte ihm einige persönliche Fragen.

»Was machen Sie beruflich?«

»Ich arbeite eigentlich in der Bank.«

»Aha. Und was heißt eigentlich?«

»Jetzt nicht mehr.«

Aidan wartete darauf, dass er weitersprach. Er sah ihm an, wie er mit sich kämpfte, zum Reden ansetzte und dann doch wieder die Lippen aufeinanderpresste.

»Ja?«, half Aidan seiner Entscheidung nach.

»S…, sie haben mich vor ein paar Wochen entlassen.«

»Warum denn das?«

Gallagher heftete den Blick auf seinen Schoß. Beide Hände fest um die Kaffeetasse geklammert. Unterdrückte Wut? Oder versuchte er einfach nur seine Nervosität in den Griff zu bekommen?

»Ich habe manchen Kunden Kredite eingeräumt.« Er wimmerte beinah, während er das sagte. »Ich hätte das nicht gedurft. Mein Chef hat es herausgefunden und mich gefeuert.«

»Und warum haben Sie das getan?«

»Weil ich mir von denen bedroht vorkam.«

»Sie sind von Kunden bedroht worden?«, fragte Aidan ungläubig.

Gallagher zuckte und fiel ein paar Zentimeter in sich zusammen, seine Mundwinkel rutschten in die Breite. Er würde doch hoffentlich nicht losheulen, so laut hatte Aidan ihn gar nicht angesprochen.

»Nein, eigentlich nicht«, sagte er und blinzelte dabei heftig. »Ich leide seit zwei Jahren unter Angststörungen und bilde mir vieles ein, was da nicht ist.«

»Verstehe.« Ein armes Würstchen also. Vielleicht schluckte er aber auch permanent den ganzen Frust herunter und irgendwann, gestern, hatte er Rot gesehen und der angestaute Ärger war detoniert.

»Jetzt, da Sie keinen Job haben, was tun Sie denn so den ganzen Tag? Zum Beispiel gestern, was haben Sie da gemacht?«

Gallagher hob ruckartig den Kopf. Unruhig huschte sein Blick hin und her. Er wirkte wie ein gehetztes Tier. Hatte er Angst davor, ertappt zu werden?

»Gestern? Warum? Ist das wichtig?«

»Beantworten Sie doch bitte meine Frage.«

Auf Gallaghers grauem Hemd bildeten sich hässliche Flecke in der Achselgegend. Seine hohe Stirn glänzte und die spärlichen Strähnen klebten platt an seinem Kopf.

»Ich weiß es nicht«, flüsterte er.

Aidan beugte sich vor und stützte sich auf den Tisch. »Wie, Sie wissen es nicht?« Wollte Gallagher ihn verarschen? »Ich frage Sie nach dem gestrigen Tag und nicht nach einem beliebigen des letzten Jahres. Also kommen Sie schon.«

Gallagher duckte sich noch ein Stück weiter. »Meine Frau Elsa und ich, wir haben gemeinsam gefrühstückt.« Wieder wippte er vor und zurück.

»Das ist doch schon mal ein Anfang«, sagte Aidan nach einer Weile. »Und dann, Mr. Gallagher? Überlegen Sie. Lassen Sie sich Zeit.«

Unbewusst nagte der Mann vor ihm an seinem Fingernagel und stierte dabei sekundenlang ins Leere. Aidan wollte gerade etwas sagen, als er weitersprach.

»Elsa ist dann zum Supermarkt gefahren. Sie arbeitet dort. Ich denke, ich habe im Haus aufgeräumt, als sie weg war. Das mache ich immer. Anschließend habe ich in der Zeitung die Jobanzeigen gelesen, glaube ich jedenfalls. Auch das mache ich immer. Am Nachmittag war ich bei Dr. Hopkins.« Gallagher schüttelte kaum merklich den Kopf. »Ach nein, den Termin habe ich erst morgen.« Für den Moment war er völlig ruhig, fast schon geistig abwesend. »Aber morgen ist Sonntag«, murmelte er monoton mit dünner Stimme. »Da muss ich wohl in meinen Terminkalender schauen. Vermutlich bin ich doch gestern dort gewesen.« Er blickte versonnen vor sich hin und lächelte.

»Sind Sie krank?«

Gallagher erschrak, als hätte Aidan ihn soeben wachgerüttelt. »Ähm, Dr. Hopkins ist mein Therapeut. Wegen meiner Angststörung.«

Die Tür ging auf und Ethan betrat den Raum. Unauffällig nickte er Aidan zu, dann reichte er Gallagher die Hand. »Ich bin Lieutenant Ethan Jones«, sagte er, zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich.

Aidan fuhr mit der Befragung fort. »Würden Sie mir erzählen, warum genau Sie bei Dr. Hopkins in Therapie sind?«

Gallagher kaute auf seiner Lippe und sah zögernd zu Ethan.

»Lieutenant Jones ist mein Partner«, erklärte Aidan. »Sie können getrost vor ihm sprechen.«

Gallagher starrte auf die Tischplatte. »Mein Bruder ist tot«, flüsterte er. »Wir wurden von einer Gang überfallen. Ich kam davon. Ihn haben sie erstochen.«

»Verstehe. Tut mir sehr leid. Nach dem Termin bei Dr. Hopkins, was taten Sie da?«

Eine Pause. Wieder schaukelte er mit dem Oberkörper. Nagte am Fingernagel. Schwitzte.

»Mr. Gallagher?«

Er riss den Kopf hoch und blinzelte Aidan irritiert an. »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Ich kann mich an nichts erinnern. Das Nächste, was mir bewusst ist, ist der Moment, als Ihre Leute heute vor meiner Tür standen.«

Glaubte Gallagher wirklich, mit einer derart lächerlichen Nummer davonzukommen? Aidan war sicher, hier an diesem Tisch ihm gegenüber saß der Mörder von Nancy Turner. Und er würde ihn hinter Gitter bringen. Gallagher war nervös, der Geruch von Angst lag in der Luft. Aidan konnte ihn riechen. Und noch etwas anderes war da. Unterschwellig, kaum vorhanden. Der abklingende Rest einer Alkoholfahne drang hin und wieder in seine Nase.

»Vielleicht haben Sie gestern Abend zu viel getrunken«, konfrontierte er Gallagher damit ganz direkt.

---ENDE DER LESEPROBE---