Scharfe Sachen - Cristina Moles Kaupp - E-Book

Scharfe Sachen E-Book

Cristina Moles Kaupp

3,0

Beschreibung

Die Suche nach Möglichkeiten, die geschlechtliche Lust zu mehren, ist keine Erfindung moderner Zeiten. Schon immer haben Menschen Mittel und Wege gefunden, das sexuelle Verlangen anzuregen und zu steigern. Die enge Verbindung zwischen Sinnlichkeit und Ernährung ist augenscheinlich. Nicht zufällig empfand Giacomo Casanova nach einem Liebesmahl die körperliche Vereinigung mit seiner Tischpartnerin als natürliches Recht. Das Diner à deux, das Abendessen zu zweit, ist auch heute noch, was Essen immer schon war: eine lustvolle Verführung. In Europa besteht traditionell eine enge Verbindung von aromatisierten Speisen, Gerüchen und heftiger Begierde - mal gewollt, mal verpönt. In Asien verschmelzen sexuelle und kulinarische Sinnlichkeit im Tantra, dem buddhistisch-hinduistischen Kult, alle Kräfte des Seins sinnlich erfahrbar zu machen. »Scharfe Sachen« erzählt vom Reich der Sinne, der Inszenierung der Lust, der Erfüllung der Gier und dem Schwelgen im Genuss. Aphrodisiaka und ihre Wirkungen werden beschrieben und luststeigernde Rezepte aus der »Küche der Venus« vorgestellt.

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Über dieses Buch

Die Suche nach Möglichkeiten, die geschlechtliche Lust zu mehren, ist keine Erfindung moderner Zeiten. Schon immer haben Menschen Mittel und Wege gefunden, das sexuelle Verlangen anzuregen und zu steigern. Die enge Verbindung zwischen Sinnlichkeit und Ernährung ist augenscheinlich. Nicht zufällig empfand Giacomo Casanova nach einem Liebesmahl die körperliche Vereinigung mit seiner Tischpartnerin als natürliches Recht. Das Diner à deux, das Abendessen zu zweit, ist auch heute noch, was Essen immer schon war: eine lustvolle Verführung. In Europa besteht traditionell eine enge Verbindung von aromatisierten Speisen, Gerüchen und heftiger Begierde – mal gewollt, mal verpönt. In Asien verschmelzen sexuelle und kulinarische Sinnlichkeit im Tantra, dem buddhistisch-hinduistischen Kult, alle Kräfte des Seins sinnlich erfahrbar zu machen. »Scharfe Sachen« erzählt vom Reich der Sinne, der Inszenierung der Lust, der Erfüllung der Gier und dem Schwelgen im Genuss. Aphrodisiaka und ihre Wirkungen werden beschrieben und luststeigernde Rezepte aus der »Küche der Venus« vorgestellt.

Die Autorin

Cristina Moles Kaupp studierte Germanistik, Politische Wissenschaften und Publizistik. Sie arbeitet seit den neunziger Jahren als Journalistin, unter anderem für das Berliner Stadtmagazin »Tip«, den Sender Freies Berlin und »Spiegel Online«. Aus ihrer Feder stammen auch die Kochbücher »Teufels Küche. Höllisch scharfe Sachen« und »Schweizerisch kochen«.

Cristina Moles KauppScharfe Sachen

Ein erotisches Kochbuch

Edition diá

Inhalt

Liebe geht durch den Magen

Die Therapierung eines »verrückten« Zustandes

Der Sympathieglaube

Das Kamasutra

Von Begierde zu Genuss

Aphrodisiaka

Alraune

Ananas

Anis

Aubergine

Avocado

Basilikum

Betelnuss

Bilsenkraut

Brennnessel

Chili

Dattelpalme

Engelstrompete

Feige

Fenchel

Ginseng

Granatapfel

Guarana

Hanf

Honig

Ingwer

Kaffee

Kakao

Kalmus

Kardamom

Knabenkraut

Knoblauch

Koka

Kokospalme

Koriander

Kresse

Kürbis

Liebstöckel

Meerrettich

Meerträubel

Mohn

Mohrrübe

Morcheln

Muira Puama

Muskatellersalbei

Muskatnuss

Nelke

Petersilie

Pfeffer

Piment

Rosmarin

Safran

Sellerie

Senf

Sonnenblume

Spargel

Süßholz

Tee

Tollkirsche

Trüffel

Vanille

Wein

Wermut

Zimt

Zwiebel

Rezepte

Vorspiel · Vorspeisen

Frühlingssalat

Ausgebackene Zucchiniblüten

Gefüllte Champignons

Wachteln auf Artischocken

Blattsalat mit Kaninchenfilet

Spargel-Filet-Salat

Austern auf Blattspinat mit Champagnersauce

Muscheln in Rieslingsud

Geräucherte Gänsebrust mit Melone und frischem Ingwer

Avocados mit Jakobsmuscheln und Kaviar

Selleriesalat

Salat mit Entenleber und Granatapfel-Vinaigrette

Schinken mit Melone und Feigen

Griechische Zwiebeln

Ceylonesische Hochzeitskugeln

Sündige Suppen · Suppen

Spargelsuppe

Morchelsuppe

Zwiebelsuppe

Fischsuppe mit Safran

Sojakeime in süßsaurer Fischsuppe

Geisha-Suppe

Krabbensuppe

Zitronensuppe

Mulligatawny-Rindfleischsuppe

Kürbissuppe

Nori-Suppe mit Ei

Zucchinisuppe – kalt oder heiß

Des Meeres und der Liebe Wellen · Fisch und Meeresfrüchte

Gedünsteter Fisch mit Safran

Gedämpfte Wallersteaks

Gedämpfter Lachs auf Champagner-Sabayon

Barsch auf Apfelsinensauce

Garnelenspieß

Felchen mit Salbei und Kapern

Tintenfische mit Gemüse

Gefüllte Tintenfische

Gedämpftes Fischfilet auf grüner Sauce

Tagliatelle mit Lachs

Saibling mit Weinsud

Von Vögeln · Geflügel

Entenbrust mit Blutorangenbutter

Hähnchen in Kokossauce

Hähnchenbrust in Limettensauce

Spanisches Safranhähnchen

Hähnchenschenkel in Kurkumasauce

Crêpes mit Geflügel

Fleischeslust · Fleisch

Hammelkoteletts mit Cognac

Zitronenschnitzel mit Frühlingsgemüse

Gefüllte Schweineröllchen

Schweineschnitzel mit Pfirsichen

Entrecôtes in Rotweinsauce

Gefüllte Filetsteaks mit Birne

Saltimbocca

Kalbsbraten mit Kräutersauce für heiße Tage

Rinderbraten

Gegrillte Spareribs

Chili con carne

Fleisch-Curry

Wild macht wild · Wild

Hasenrücken mit Calvados

Wildschwein mit Perlzwiebeln

Rehschnitzel mit Sellerie

Rehrücken mit Feigen und Trauben

Hirschrückensteaks

Rehschnitzel an Rahmsauce

Im Schatten der Nacht · Fleischlose Gerichte und Beilagen

Spinatgnocchi mit Ricotta

Gnocchi mit Salbeibutter

Papardelle mit schwarzen Trüffeln

Parmigiana di Melanzane

Klassisches Spargelgericht

Möhrensalat auf marokkanische Art

Fenchel mit wildem Reis

Gebackener Staudensellerie

Rettich-Curry

Ratatouille

Kartoffel-Zucchini-Gratin

Nuss-Rübchen

Kohlrabi in saurer Sahne

Wie süß · Süßspeisen

Erdbeeren mit Weinschaumhaube

Pochierte Birnen

Zitrusfrüchte auf Sahne-Gelee

Flan mit Bananen

Pfirsiche in Weißwein

Geeister Espressoschaum

Hagebuttencreme mit Fruchtsalat

Vanilleeis mit Zabaione

Tiramisu

Grapefruit heiß-kalt

Kokoscreme mit Mango

Minzgelee mit Melonenbällchen

Gebackene Bananen

Liebesquell · Getränke

Adonis

Südseetraum

Rotes Feuer

Himbeer-Prosecco

Angel’s Delight

Devil

Knockout

Leave it to me

Fallen Leaves

Holunderblütensorbet mit Champagner

Persischer Liebestrank

Kaffee extra

Selleriebowle

Ingwerbier

Bananenwein

Gewürzter Rotwein

Ginsengwein

Tequila special

Bee’s Kiss

Between the Sheets

Green Leaves

Coconut Lips

Latin Lover

Pick me up

Piña Colada

Frischer, anregender Tee

Chinesischer Ingwertee

Ginsengtee

Vietnamesischer Süßholzraspeltee

Marokkanischer Pfefferminztee

Ananas-Tee-Getränk

Eistee mit Ingwer

Kardamom-Kaffee

Mexikanischer Kakao

Anti-Stress-Kakao

Guaranatrank

Honigwasser

Selleriewasser

Krishnas Trank

Objekte der Begierde · Menüs

Frühlingsgefühle

Spargelsalat

Steinbutt in Riesling-Sahne-Sauce

Rhabarbergrütze mit Erdbeeren

Sommerhitze

Gazpacho

Gefüllte Tauben

Herzoginkartoffeln

Vanilleeis mit flambierter Himbeersauce

Herbstverlangen

Schnecken mit Kräutersauce

Steinpilzconsommé

Hirschmedaillons

Selleriepüree

Wintersturm

Marinierte Riesengarnelen

Rinderfilet mit Leber und Rosinen

Apfel-Kartoffel-Gratin

Bratapfel mit Vanillesauce

Exotisches Liebesmenü

Glücksrollen

Avocado-Suppe

Vietnamesischer Reis in Kokosmilch

Burmesisches Hühner-Curry

Obstsalat

Impressum

Liebe geht durch den Magen

Der Mann liebt Weiß. Hemd, Weste, Hose, sogar der Hut sind blütenweiß. Ein Dandy, wie er im Buche steht. Ein Lebemann mit viel Geschmack. Das Luxusweib an seiner Seite passt zu ihm: jung, schön, grazil, verspielt und immer lächelnd. Jetzt liegt sie nackt im Hotelbett, halb bedeckt vom hellen Laken. Beobachtet, wie er, noch angezogen, mitten im Zimmer steht, Champagner einschenkt in ein hohes Glas, nachdenklich irgendwie.

Es klopft. Der Hotelboy bringt Nachschub, starrt verlegen auf die nackte Brust der Frau. Noch mehr Champagner, Krustentiere und andere Leckereien? Der Mann hebt sein Glas, sie winkt ihm, komm doch endlich, her zu mir. Ein Kuss. Zartes Knabbern am Ohrläppchen. Seine Zunge leckt über ihre rasierte Achselhöhle, er greift zum Salzstreuer. Lässt langsam Salz auf ihre Knospe rieseln, langt nach der halben Zitrone, die ihn von der Obstschale aus anlacht. Quetscht sie über ihrem Busen aus. Lutscht gierig, Salz, Zitrone, Kerne. Sie quietscht und windet sich, krabbelt über ihn, zum Sahnetopf, taucht die Brust hinein und wieder zurück zu ihm. Stopft seinen Rachen voll mit warmem Fleisch und weichem Weiß. Legt sich neben ihn, die Finger vor den Mund. Ist das Honig, was plötzlich langsam da heruntertropft? Wird einfach weggelutscht. Jetzt ein Schluck Rotwein. Er gießt ihn in eine kleine Glasschüssel, schnappt sich eine schlanke, noch lebende Garnele, wirft sie dazu und stülpt seiner Schönen rasch die Schüssel auf den Bauch. Ein Krabbeltier in Panik, kitzelt ihren schönen Unterleib im Todeskampf.

Szene aus dem japanischen Film »Tampopo oder das Geheimnis der Nudelsuppe« von Juzo Itami

Der Dandy steht am Meer und beobachtet, wie eine jugendliche Austernfischerin aus den Fluten taucht. Ihr helles Kleid klebt an ihrer zarten Figur. Tropfend steht sie vor ihm.

»Was hast du aus dem Meer geholt?«, fragt er.

Sie zeigt ihm ihren Korb mit Austern.

»Kann ich eine haben?«

Sie nickt, öffnet eine und hält ihm die schimmernde Schale entgegen. Er nimmt sie, presst sie ungestüm an den Mund. Zuckt zurück – die Lippe blutet. Bedauernd lässt er die raue Schale sinken und starrt das Mädchen an.

»Kann ich Ihnen helfen?« Sie greift sich die Schale, schneidet das Fleisch heraus, es gleitet in ihre nasse Hand. Forschende Blicke, ein Tropfen Blut fällt auf das glänzende Muschelfleisch. Hastig schlingt er es hinunter. Bleibt sinnend stehen, wartet auf den Nachgeschmack. So schön in Weiß, mit wirrem schwarzem Haar, dem frischen Rot an seiner Lippe. Sie kann nicht widerstehen. Reckt sich empor zu ihm und leckt lüstern sein Blut.

Szene aus dem japanischen Film »Tampopo oder das Geheimnis der Nudelsuppe« von Juzo Itami

So manch begründete Theorie geht davon aus, dass vor der Lust, sich zu paaren, und dem Bedürfnis, sich fortzupflanzen, die Suche nach Essbarem steht, dass die Natur den Hunger vor die Sexualität gesetzt hat. Das Verfahren, den Sexualpartner zu verspeisen – bei Einzellern durchaus üblich und mit dem schönen (Neben-)Effekt der Fortpflanzung behaftet –, liegt für viele Menschen am düsteren Ende ihrer moralischen Skala und steht doch möglicherweise am Anfang der Sexualität.

Nicht nur wissenschaftliche Theorie und der unersättliche Volksmund (»zum Fressen gern haben«) wissen vom engen Zusammenhang von Nahrungsaufnahme und Erotik, auch viele Religionen thematisieren ihn. Die christliche Transsubstantiationslehre greift mit Christi Aufforderung »nehmet, esset, das ist mein Leib … trinket, das ist mein Blut« nicht nur auf den uralten Brauch des Menschenopfers zurück, sondern auch auf den Glauben, über die Substanz des Verzehrten die in ihm wohnenden Kräfte in sich aufzunehmen und ihm möglichst »nahezukommen«. Wer zweifelt, dass hier die Erotik gemeint ist, denn was ist sie anderes oder mehr als das ekstatische Verlangen nach Vereinigung, so oder so? Die europäische Kunstgeschichte kennt denn auch nur wenige unerotische Abbildungen des Heilands – das Auge isst eben doch mit.

Auch Artemisia zerpulverte nach dem Dahinscheiden ihres Gatten dessen Knochen und trank sie mit Duftstoffen, in Wasser aufgelöst. Nirgendwo sonst erschien ihr der Geliebte besser aufgehoben als in ihrem Körper. Von der engen Verknüpfung zwischen Fressen, vor allem in seiner besonderen Form des Kannibalismus, und Erotik strotzen Märchen und Mythen, aber auch zahlreiche Werke der Weltliteratur wie »Penthesilea« von Heinrich von Kleist, »Ulysses« von James Joyce oder »120 Tage von Sodom« des Marquis de Sade.

Die Therapierung eines »verrückten« Zustandes

Letztlich aber muss die Menschheit sich wohl der Erkenntnis beugen, dass die Pforte zum Sinnenparadies verriegelt und der Versuch, sie mithilfe von Drogen, Kräutern, Tränken, Steinen, toten Menschen, Blut und Sperma sprengen zu wollen, zum Scheitern verurteilt ist. Sie ermöglichen allenfalls einen kurzen Blick durchs Schlüsselloch.

Eva und Adam haben mit ihrem verbotenen Griff zum Apfel die Erotik begründet und den Blick auf ihr innerstes Wesen – Neugier und Verbotsüberschreitung – freigelegt. Sie haben die endgültige Trennung von Tisch und Bett provoziert und so das Verlangen nach dem Einswerden mit dem anderen, nach der Vereinigung, in unser Herz gesenkt. Dass Erotik und Essen das Bett miteinander teilen, dass der Hunger nicht nur Nahrung, sondern auch Geschlecht meint, all das ist seitdem allgemein bekannt – und tragisch gestört.

Der Weg zu einer erfüllten Erotik ist eigentlich die Therapierung eines »verrückten« Zustandes. Salben, Amulette, Zaubersprüche – kaum ein Kraut oder Tier, das nicht zur Steigerung der Liebeslust in geheimnisvolle Mixturen eingerührt, dessen Kraft sich nicht »einverleibt« wurde. Gerade die Lebenstechniken von Tieren erscheinen dem Menschen überlegen. Sie sind kräftiger, mutiger, schneller und fruchtbarer. Tiere können schwimmen, tauchen, fliegen, bauen kunstvolle Nester, wechseln die Farbe ihrer Haut, haben schärfere Sinne. Zudem besitzen sie furchtbare und wirkungsvolle Waffen: Hörner, Krallen, giftige Stacheln und Zähne. Sie teilen elektrische Schläge aus und schützen sich mit Panzern und Gestank. Und dann die Häufigkeit ihrer Paarung und die Größe ihrer Geschlechtsorgane! Beeindruckt sieht die Menschheit in ihnen Träger urwüchsiger Macht. In manchen vermutete man Tauschgestalten für Götter oder Übermenschen: Zeus kam als Stier auf die Erde, die Germanen zitterten vor Werwölfen, im Kongo lebt die Sage von den Leopardenmenschen.

Obwohl sich pharmakologisch keine liebessteigernde Wirkung bei tierischen Aphrodisiaka nachweisen lässt – ein dickes Steak füllt allenfalls die Kraftreservoirs –, sind für ein Quäntchen mehr Potenz besonders Hörner und Hoden hochbegehrt. Wer ein solches Amulett trägt, wer Hirschgeweihe, das Horn des Stieres und des Rhinozeros in seine Liebestränke raspelt oder getrocknete Hoden und Phallen zu sich nimmt, hofft, dass sich Brunst und Kraft des jeweiligen Geschöpfes auch auf ihn übertragen, dass die Macht des Tieres auf ihn übergeht. Biberschwänze an Autoantennen künden ebenso davon …

So ist ein kleiner Ölkäfer, im Altertum Cantharis genannt, unter dem irreführenden Namen »spanische Fliege« eines der populärsten Aphrodisiaka. Er enthält die giftige Substanz Kantharidin und »garantiert« pulverisiert und in kleiner Dosierung ein Maximum an Lustgewinn. Trotz seiner gefährlichen Nebenwirkungen – Entzündungen und Verätzungen, bereits 30 Milligramm wirken tödlich – landete der grüne Käfer in unzähligen Liebestränken und Salben, und noch immer werden in moderne Aphrodisiaka minimale Spuren Kantharidin gemixt.

Auch in Pflanzen müssen fantastische Kräfte wohnen – weshalb sind sie sonst so überreich an Farben, Formen und Düften, ganz zu schweigen von der Wirksamkeit zahlreicher Pflanzengifte? Besonders in mächtigen Bäumen und Sträuchern vermutete man den Wohnsitz einflussreicher Götter: Zeus wurde die Eiche, Athene der Ölbaum, Pan der Efeu, Wotan die Esche und der ägyptischen Göttermutter Hathor der Feigenbaum als Wohnsitz zugewiesen. Stamm und Rinde, Blätter, Früchte und Samen waren von göttlicher Kraft durchdrungen. Die Wurzeln, die sich bis ins tiefe, dunkle Erdreich bohren, begriffen die Menschen stets als Heilsspeicher, durch die göttliche Kräfte der Erde in die Pflanze dringen und sie beseelen.

Auch in Duft und Aroma ist die Essenz der Pflanzen enthalten. Dampf und Rauch sollen die Seele vom Körper befreien und telepathischen Streifzügen dienen, die Rauchende und Götter einander näherbringen. Schon von den alten Ägyptern ist der Gebrauch spezieller Duftkapseln überliefert. In Indien gehörten betörendes Räucherwerk und das Verspritzen aphrodisischer Essenzen wie Sandel- und Zimtöl oder Moschus zum Paar-Ritual der Tantriker. Heute haben als Riechstoff zum Bezirzen des Partners Parfüms die Macht übernommen. Hier sind die Grenzen zwischen Tier- und Pflanzenreich fließend: Bibergeil, Bisam, Zibet und Moschus sind tierische Drüsensekrete, die diese während der stark geruchsorientierten Brunst verspritzen – für den Menschen zumeist schlicht atemberaubend. Sogar die Darmausscheidungen des Pottwals kamen als betörendes Ambra in den Handel.

In den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts halfen Räucherstäbchen vielen Pubertierenden bei ersten erotischen Erlebnissen, heute sorgt die zunehmend populärer werdende Aromatherapie mit ihren ätherischen Ölen auch bei den mittlerweile Erwachsenen für sinnliche Duftnuancen und anregende Jugenderinnerungen.

Der Sympathieglaube

Die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies war endgültig. Auf seinem Weg zur Krone der Schöpfung verlagerte sich das Körperzentrum vom Unterleib in den Kopf. In dem Maße, wie das intuitive Wissen verloren ging, wurde die Frage, was nützlich, was schädlich sei, mehr und mehr rational denn unbewusst beantwortet. Ein Zurück war nicht mehr möglich.

Immerhin gab die Natur selbst hilfreiche Fingerzeige, die der Mensch verstehen lernen musste. Hinter ihrem Reichtum an Substanzen, Farben, Formen und Gerüchen vermutete er Chiffren. Gelang es ihm, sie zu entschlüsseln, musste dies doch zur Offenbarung der mythischen Verwandtschaft zwischen Steinen, Pflanzen, Tieren und Menschen führen. Diese Ansicht vertrat der Universalgelehrte und Arzt Philippus Aureolus Theophrastus von Hohenheim, bekannt unter dem Namen Paracelsus, und begründete damit im 16. Jahrhundert eine neue Medizin, die sich von den antiken Vorbildern löste und das ärztliche Wissen ganz aus der Beobachtung der Natur ableitete: »Der Corpus und sein Amt ist ein Ding.« Jeder Stern, jeder Körper, jedes Material, Element und Organ verfügt über spezifische Eigenschaften, die sich anziehen oder abstoßen. Sympathie oder Antipathie, Verwandtschaft oder Feindschaft – die Zeichen der Natur und der Gestirne wollten gedeutet sein. Dieser Sympathieglaube spielte im Mittelalter nicht nur bei der Erklärung der Welt eine große Rolle, sondern auch bei der Zubereitung von Medizinen und Aphrodisiaka.

Damals herrschte in Europa eine relativ freie Sexualität, gegen die die Kirche anfänglich recht erfolglos kämpfte. Sie förderte sie sogar, wenn auch ungewollt, denn die Kreuzzüge zum Beispiel brachten die Einrichtung der öffentlichen Badehäuser nach Mitteleuropa, aus denen später die Bordelle hervorgingen. In den Badehäusern tat man alles, um die erotische Atmosphäre zu steigern, verbrannte Samen und Blätter des Bilsenkrauts, servierte anregende Speisen und Tränke.

Doch im Kampf gegen die Freizügigkeit gewann die Kirche an Boden, indem sie ihren Druck erhöhte. Ihre Erlasse verboten alles, was unkeusch schien und nicht in edler Zeugungsabsicht unternommen wurde. Scharf gewürzte Speisen und gebratenes Fleisch landeten auf dem Index. Als Diät gegen Geilheit kamen Speisen auf den Tisch, »die den Körper feucht und kalt machen, als da sind Kürbisse, Melonen, Portulak, essigsaure und bittere Speisen, gekochte und mit Essig gewürzte Linsen …« (Franceso Rappi: Neues Schatzkästlein der drei Keuschheiten. In: Piero Camporesi: Geheimnisse der Venus) Das Höchstmaß an erlaubter Unterstützung sexueller Ausschweifung gipfelte in einer milchig geratenen Gemüsesuppe mit frischem Brot und halb garen Eiweißen, sie sollte die männliche Potenz steigern und das Eheglück sichern.

Aber selbst der ehelichen Sexualität wurden Zwänge auferlegt: Der Geschlechtsakt durfte nur noch in einer bestimmten Stellung vollzogen werden, auf indizierte Varianten standen bis zu sieben Jahre Haft. An bestimmten Tagen war der Koitus gänzlich verboten: jeden Sonntag, Mittwoch und Freitag, je vierzig Tage vor Ostern und Weihnachten, bis vierzig Tage nach der Geburt und drei Tage vor der Kommunion – an der eine regelmäßige Teilnahme erwünscht war, bot doch die vorherige Beichte ein hervorragendes Kontrollinstrument.

Doch der Koitus von Fressen und Sex vollzog sich weiterhin. Nicht zufällig verlegte das Mittelalter das erotische Liebesmahl in die dem Schlafzimmer benachbarte Badestube. Und nicht nur Giacomo Casanova empfand nach diesem die körperliche Vereinigung mit seiner Tischpartnerin als natürliches Recht, wie er in seiner »Geschichte meines Lebens« zu berichten weiß. Um im »Krieg der Geschlechter« zu bestehen, holte sich manch einer Rat und Beistand bei weisen Frauen, »Hexen«, Alchimisten und Ärzten. Diese verließen sich bei ihren Rezepturen ironischerweise auf ihre göttliche Eingebung und den Sympathieglauben. Pflanzen, die menschlichen Geschlechtsorganen ähnelten oder deren Säfte nach Sperma oder Vaginalsekreten rochen, stimulierten demnach das Liebesleben. Spargel, Rüben, Gurken, Morcheln und bestimmte Wurzeln mussten für das männliche Glied einfach gut sein; was in seiner Gestalt an eine Scheide erinnerte – Aprikose, Pflaume, Pfirsich –, konnte doch nur die Glut einer Frau entfachen.

Die Suche nach wirksamen Kräutern und Liebesrezepturen ging weiter – Teufels- und Hexenkunst für die einen, Himmelsgaben für die anderen. Aber die Kirche schlief nicht. Mönche waren angehalten, nach Kräutern zu forschen, die den Sexualtrieb dämpfen oder gar ersterben lassen sollten. Der Keuschlammstrauch, die Teichrose und der sogenannte Mönchspfeffer standen in dem Ruf, Begierden einzudämmen, führten aber glücklicherweise nicht zu dem gewünschten Resultat.