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Ein Hof in Flammen. Ein Junge auf der Flucht. Und eine Welt, in der Erinnerungen gefährlicher sind als Schwerter. Wolf erwacht im Dunkel des Waldes – verwundet, allein, ohne Ahnung, was geschehen ist. Nur das Heulen der Wölfe hallt durch die Nacht, als Zeichen, dass er noch lebt. In der Stadt Leipa findet er Unterschlupf – doch keine Ruhe. Während sich seine Vergangenheit wie Nebel vor ihm lichtet, wächst der Verdacht: Seine Familie fiel keinem Zufall zum Opfer. Je tiefer Wolf in die Geheimnisse von Leipa, dem Handel der Adligen und den Schatten seiner Herkunft eintaucht, desto klarer wird: Er muss kämpfen – für sich, für die Wahrheit, für etwas, das größer ist als er selbst. Ein atmosphärisches Mittelalter-Abenteuer zwischen Feuer, Erinnerung und Widerstand – für Leser und Spieler von Kingdom Come: Deliverance, Der Name des Windes und Das Lied der Dunkelheit.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Das Heulen der Wölfe
Erwache
Die Jagd
Markttag
Nachtwanderung
Das Lager
Der Himmel brennt
Das Loch
Ruhe vor dem Sturm
Heinrich von Berka
Impressum
Der Himmel brannte.
Wolf spürte die Hitze auf seiner Haut, obwohl er längst nicht mehr am Hof war. Die Flammen leckten an den Balken des Haupthauses, warfen lange Schatten über den Hof. Der Brunnen dampfte, das Wasser darin nutzlos gegen das lodernde Inferno. Die Tiere schrien, Pferde wieherten in Panik, bevor ihre Schreie in einem dumpfen Krachen erstickten. Jemand lachte – ein heiseres, grausames Lachen, das von den Mauern der Scheune widerhallte.
Wolf konnte nicht atmen. Er wollte hinrennen, die Männer aufhalten, seinen Vater befreien – doch seine Beine gehorchten nicht.
„Lauf!“ Die Stimme seiner Mutter schnitt durch das Chaos wie ein Peitschenhieb.
Sein Körper riss ihn mit sich, bevor sein Kopf verstand, was geschah. Er rannte. Rannte über das Feld, barfuß durch das vertrocknete Gras, spürte nicht einmal die Dornen, die sich in seine Haut bohrten. Die Stimmen hinter ihm vermischten sich mit dem Knistern der Flammen, bis sie eins wurden mit dem Dröhnen seines Herzschlags.
Und dann – nichts.
Plötzlich war die Welt still.
Der Wald schluckte jedes Geräusch, als hätte er ihn verschlungen. Die Stämme ragten schwarz in den Himmel, unbeweglich wie Säulen einer uralten Halle. Kein Windhauch regte sich in den Ästen. Selbst die Eulen, die sonst immer in der Nacht riefen, schwiegen.
Wolf taumelte vorwärts, ließ sich schließlich gegen einen Baum sinken. Sein Atem ging flach, zitternd. Seine Hände brannten, als hätte er selbst Feuer gefangen, doch als er die Finger spreizte, war dort nur Schmutz und Blut von einem Schnitt, den er sich nicht erinnern konnte, erlitten zu haben.
Er zog die Knie an die Brust, presste die Stirn gegen seine Arme.
So still.
Er hatte sich oft über den Wolfslärm geärgert, wenn er spätabends durch die Felder geschlichen war – wenn das Heulen in den Hügeln zu hören war, das Knacken von Ästen, das Rascheln im Unterholz. Damals hatte er das Gefühl gehasst, dass sie überall waren, dass sie ihn sehen konnten, während er blind war in der Dunkelheit.
Jetzt wünschte er sich, dass sie da wären.
Denn wenn die Wölfe schwiegen, dann bedeutete das, dass etwas Schlimmeres unterwegs war.
Sein Atem wurde langsamer. Die Kälte kroch in seine Glieder, die Anspannung ließ nach, aber nicht weil er sich entspannte – sondern weil sein Körper aufgab.
Er merkte es kaum. Seine Finger entglitten ihm wie fremde Dinge, seine Lider wurden schwer. Sein Kopf sackte nach vorne, doch er hatte keine Kraft mehr, sich aufzurichten. Das Dröhnen in seinen Ohren verstummte.
Nur noch Dunkelheit.
Und dann war Wolf fort.
Etwas zog ihn aus der Dunkelheit zurück.
Es war kein plötzlicher Schock, kein kaltes Wasser oder eine schallende Ohrfeige, sondern ein Laut, der sich langsam in sein Bewusstsein fraß. Erst war es nur ein Zittern in der Ferne, ein leises Klagen im Wind. Dann wurde es klarer, drängender. Ein langgezogenes Heulen, das durch die Bäume hallte, als würde der Wald selbst seine Stimme erheben.
Wolf riss die Augen auf.
Sein Körper fühlte sich schwer an, seine Glieder wie Blei. Er lag auf der Seite, das Gesicht im feuchten Laub vergraben. Kälte kroch in seinen Nacken, ein stechender Schmerz zog sich von seiner rechten Schläfe bis hinab zur Wange. Wie lange war er bewusstlos gewesen?
Das Heulen kam wieder, diesmal näher. Eine Antwort folgte aus der Tiefe des Waldes, ein zweiter Laut, dann ein dritter.
Wölfe.
Wolf blinzelte, zwang seine Muskeln zum Gehorsam. Seine Finger krallten sich ins Erdreich, als er sich mühsam aufsetzte. Die Luft war eisig, sein Atem hing in weißen Schwaden vor ihm. Und doch fühlte er sich mit einem Mal sicherer.
Er hätte Angst haben sollen. Aber stattdessen war da nur Erleichterung.
Die Stille war gebrochen.
Langsam hob er den Kopf und lauschte. Das Heulen zog weiter, ein Gespräch zwischen Schatten in der Nacht. Sie waren nicht wegen ihm hier. Noch nicht. Aber sie waren da. Und solange die Wölfe riefen, war nichts anderes in der Dunkelheit unterwegs.
Er musste aufstehen.
Mit zitternden Beinen stemmte er sich hoch, lehnte sich gegen die raue Rinde des Baumes hinter ihm. Sein Magen zog sich zusammen – Hunger, Erschöpfung, Angst, alles auf einmal. Aber er konnte nicht hierbleiben.
Die Wölfe waren ein Zeichen.
Er lebte noch.
Und solange er lebte, konnte er kämpfen.
Wolf stolperte. Seine Füße fanden keinen Halt auf dem feuchten Waldboden, sein Körper fühlte sich taub an, als gehöre er nicht mehr ihm. Er wusste nicht, wohin er ging, wusste nicht einmal genau, warum er ging. Aber das Heulen war da. Und es war das Einzige, das noch Sinn ergab.
Seine Gedanken waren zersplittert, wie Glasscherben, die sich nicht mehr zusammensetzen ließen. Er erinnerte sich an Feuer. An Stimmen. An den rauen Griff einer Hand, die ihn fortgestoßen hatte. Doch jedes Mal, wenn er versuchte, den Bildern eine Bedeutung zu geben, glitten sie ihm durch die Finger wie Wasser.
Also ließ er sie los.
Der Wald nahm ihn auf, das Unterholz raschelte unter seinen taumelnden Schritten. Er spürte den rauen Wind auf der Haut, die feuchte Kälte, die sich durch sein zerrissenes Hemd fraß. Aber es war nicht die Kälte, die ihn zermürbte. Es war die Leere.
Seine Brust hob und senkte sich schwer. Wie lange war er schon unterwegs? Minuten? Stunden? Die Zeit hatte keine Bedeutung mehr.
Das Heulen kam wieder. Ein einzelner Ruf, dann zwei, dann drei. Sie bewegten sich. Und er bewegte sich mit ihnen.
Er stolperte über eine Wurzel, fiel auf die Knie. Schmerz schoss durch seine Beine, aber er fühlte ihn kaum. Seine Hände vergruben sich im nassen Laub, seine Finger zitterten.
Was tat er hier?
Er schloss die Augen, presste die Stirn auf den kalten Boden.
Die Wölfe riefen.
Und er war allein.
Langsam zog er sich wieder hoch. Er konnte nicht stehen bleiben.
Also ging er weiter.
Wolfs Füße schleppten sich weiter, ohne dass er darüber nachdachte. Sein Körper war längst zu einem Schatten seiner selbst geworden – ein mechanisches Konstrukt aus Schmerzen, Kälte und Erschöpfung. Die Welt um ihn herum verschwamm zu einem endlosen Grau aus Baumstämmen und Nebel.
Dann spürte er es.
Seine Schritte klangen anders. Kein dumpfes Rascheln von Blättern mehr, kein feuchtes Einsinken in den Matsch. Stattdessen ein hartes, unnachgiebiges Geräusch, als seine Füße auf Stein trafen.
Wolf blieb stehen.
Sein Blick fiel auf den Boden, auf das unregelmäßige Muster aus nassen Steinen, die sich unter ihm ausbreiteten. Eine Straße. Eine echte Straße.
Nicht der ausgetretene Pfad eines Jägers oder ein schmaler Trampelweg zwischen Feldern, sondern eine Straße aus Kopfsteinpflaster. Die Art, die von Karren befahren wurde, die Händler und Reisende verband, die durch das Land führte und zu Orten, die in Wolfs Vorstellung nur verschwommene Namen waren.