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Böhmen, Anfang des 15. Jahrhunderts: Die Zeiten sind unruhig. Adelshäuser ringen im Schatten um Macht, während die einfachen Leute unter den Lasten der Herrschenden leiden. Inmitten dieser Wirren stolpert der junge Schreiber Jakub ungewollt in ein uraltes Geheimnis: einen Ring, der einst das Anrecht auf den Thron besiegelte – und dessen Existenz alles verändern könnte. Gejagt von skrupellosen Feinden und verstrickt in eine Verschwörung, die tief in die Strukturen des Landes reicht, muss Jakub eine Entscheidung treffen: Wird er den Ring zerstören, um den Frieden zu wahren? Oder wird er ihn einsetzen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen – und dabei das ganze Land in Aufruhr stürzen? Begleitet von seinen Freunden – dem unerschütterlichen Matej, der entschlossenen Lenka und dem mutigen Filip – beginnt für Jakub eine gefährliche Reise. In einer Welt, in der Loyalitäten täuschen und Macht wichtiger ist als Recht, zählt am Ende nur eins: der Mut, für das Richtige einzustehen. „Das Erbe des Rings“ ist ein spannungsgeladener historischer Roman, der Leserinnen und Leser in ein düsteres, realistisches Böhmen um 1400 entführt – ohne Magie, dafür mit Schwert, List und Hoffnung. Wer Geschichten über Flucht, Verrat und den Kampf um Gerechtigkeit liebt, wird hier fündig. Für Fans von authentischem Mittelalter-Flair, stillen Helden und großen Entscheidungen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Das Erbe des Rings
Der Lehrling von Prag
Matej
Flucht aus Prag
Verhör
Morgengrauen
Mauern von Sedlec
Reflektionen
Der Rat
Aufbruchsstimmung
Der Widerstand
Der Rat des Widerstandes
Auf der Flucht
Tomasz
Tief im Wald
Südwärts
Kuttenberg
So beginnt es
Die Flamme
Neue Ordnung
Enden
Impressum
Die Nacht lag schwer über Prag wie ein feuchter Mantel aus Tinte. Der Regen fiel in kalten Schleiern vom Himmel, schlug gegen die geschlossenen Fensterläden und sammelte sich in dunklen Pfützen auf dem Kopfsteinpflaster, das wie das Rückgrat eines schlafenden Ungeheuers durch die Altstadt lief. Die Gassen waren leer, nur hin und wieder hallte das Klappern eines Fensterladens durch die feuchte Stille oder das entfernte Bellen eines hungrigen Hundes.
Es roch nach nassem Leder, nach der Süße von faulendem Holz und dem scharfen Metallgeruch, den die Schmieden selbst im Schlaf nicht ganz vergessen konnten. Die Stadt, alt und verschlossen, schien zu lauschen. Als würde sie mehr wissen, als sie zeigen wollte. Als wartete sie auf etwas.
Ein Mann hastete durch die Dunkelheit, den Kragen seines durchnässten Mantels hochgeschlagen, die Schultern angespannt. Seine Stiefel schmatzten bei jedem Schritt, ihre Sohlen schwer von Wasser und Schmutz. In der rechten Hand hielt er eine schmale Holzkassette, fest an die Brust gepresst, als könnte allein seine Umarmung sie vor der Welt retten. Er sah sich nicht um. Er wusste, dass es nichts änderte. Wer ihn suchte, würde ihn finden. Früher oder später.
Die Glocke der Teynkirche schlug Mitternacht, ihr Klang tröpfelte wie Öl durch die feuchte Luft. Bei jedem Schlag zuckte der Mann leicht zusammen, als würde er sich bewusst machen, wie wenig Zeit ihm noch blieb.
Er erreichte das Ufer der Moldau, wo das Wasser schwarz und schwer an den Kai schlug, wie ein schlafender Riese, der im Traum unruhig atmete. Eine Gestalt löste sich aus dem Schatten eines Lagerhauses, zuerst nur eine Bewegung im Nebel, dann ein Umriss, schließlich ein Mensch.
Der Mann blieb stehen, seine Atmung ging stoßweise. "Ihr seid zu spät," sagte er mit rauer Stimme.
Die Gestalt trat ins Licht einer öligen Laterne, die an einem Haken schwang. Ein schmales Gesicht, Wasser tropfte aus dunklem Haar, der Mantel war von besserer Qualität als alles, was der Mann kannte. "Ihr habt etwas für mich," sagte die Gestalt mit ruhiger Stimme.
Der Mann zögerte, seine Finger umklammerten die Kassette fester. "Es ist nicht mehr sicher. Sie wissen Bescheid. Ich wurde verfolgt. Ich glaube, einer von ihnen hat mich gesehen."
"Dann ist keine Zeit zu verlieren," antwortete die Gestalt und trat einen Schritt näher.
Mit zitternden Händen öffnete der Mann die Kassette. In ihrem Inneren lag ein einzelner Ring, schlicht, aber massiv, aus schwerem Silber – oder etwas, das älter war als Silber. Die Oberfläche war glatt, doch auf der Innenseite war ein Zeichen eingraviert, kaum sichtbar bei dem flackernden Licht der Laterne: ein aufgerichteter Löwe mit gespaltenem Schwanz – das alte Wappen der böhmischen Krone.
Der andere beugte sich vor. "Der Ring des Königs," flüsterte er, beinahe ehrfürchtig.
"Er darf nicht in falsche Hände fallen," sagte der Mann. Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch, ein letzter Widerstand gegen die Wahrheit, die sich wie kalter Nebel in seine Knochen geschlichen hatte.
Ein leises Klirren, metallisch, kurz. Dann war es still. Der Mann sackte in sich zusammen, ein Dolch tief in seiner Seite. Kein Schrei, kein Widerstand – nur der nasse Aufprall eines leblosen Körpers auf Stein.
Die Gestalt beugte sich über ihn, nahm die Kassette an sich. Ihre Finger, ruhig und präzise, strichen über das Siegel des Rings. Für einen Moment schien die Welt stillzustehen, als hielte sie den Atem an. Der Regen prasselte weiter, doch der Klang klang ferner, gedämpft wie durch Wolle.
Dann verschwand die Gestalt im Nebel, als wäre sie nie da gewesen.
Etwas war verloren gegangen in dieser Nacht. Etwas, das vielleicht nie mehr gefunden werden würde.
Die Schreibwerkstatt von Meister Ondřej lag in einer schmalen Gasse unweit der Altstädter Ringmauer, verborgen hinter dem verstaubten Vorhang eines niedrigen Fachwerkhauses mit schiefer Tür. Nur ein kleines Schild mit der verblassten Gravur „Schreiber & Kopist – zuverlässige Hand“ deutete darauf hin, dass sich hinter der rußgeschwärzten Fassade mehr verbarg als nur die Erinnerung an bessere Zeiten. Die meisten, die vorbeigingen, warfen dem Haus keinen zweiten Blick zu. Es war eines jener Gebäude, die selbst dem Wind zu entgehen schienen, alt und eigensinnig, mit Dachziegeln, die nie ganz trocken wurden.
Jakub saß auf einem Schemel am Fenster, den Rücken gekrümmt, das Pergament unter seiner Hand bebend, während die Feder über die Seite glitt. Die Buchstaben wuchsen langsam in gleichmäßigen Reihen, schwarze Spuren auf grauem Grund. Seine Finger waren kalt, das Tintenfass halb leer, und das Licht des späten Nachmittags reichte kaum noch aus, um die Linien gerade zu halten. Eine Kerze flackerte auf dem kleinen Tisch, aber ihre Flamme war zu schwach, um gegen das Dämmerlicht zu bestehen. Doch er schrieb weiter. Immer weiter. Solange Meister Ondřej schlief, war das der einzige Moment, in dem die Werkstatt still genug war, um mit sich selbst allein zu sein. Die Feder kratzte leise, ein Rhythmus, der beruhigte, fast wie ein Gebet.
Draußen zogen schwere Wolken über die Dächer, und der Geruch von Kohle und Pferdemist mischte sich mit dem nassen Stein der Gassen. Der Herbst hielt Einzug in Prag, und mit ihm eine Kälte, die weniger vom Wetter kam als vom Wandel, der in der Luft lag. Jakub spürte ihn, auch wenn er ihn nicht benennen konnte. Es war, als ob die Stadt innehielt, als ob sie den Atem anhielt vor etwas, das kommen sollte. Die Leute sprachen leiser in diesen Tagen, sahen sich häufiger um. Ein neues Flüstern war in der Stadt unterwegs – von Unruhen, vom König, von Dingen, die besser ungesagt blieben.
Ein Windstoß ließ das Fenster klirren, und Jakub schrak auf. Er presste die Hand auf das Pergament, damit es nicht verrutschte, und blickte hinaus. Nichts als Dächer, nasses Holz und ein Schwarm Krähen, der wie zerfetzter Stoff über die Stadt zog.
Der Husten des Meisters, der durch die Tür in die Stube drang, war rau und feucht. Jakub hielt inne, legte die Feder beiseite und stand auf. Die Bohlen unter seinen Füßen ächzten, als er zur Schlafkammer hinüberging, und ein kalter Luftzug zog durch den schmalen Flur. Er blieb kurz stehen, lauschte. Nur das Husten, dann ein leises Wimmern.
Meister Ondřej lag auf seinem Strohlager, das Gesicht bleich, die Haut von Adern durchzogen, die sich wie feine Risse durch Porzellan zogen. Sein Bart war ungepflegt, die Lippen spröde, und die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Er atmete flach, aber seine Augen waren offen, und sie ruhten auf Jakub, als hätte er gewusst, dass er kommen würde.
„Wie spät ist es?“, krächzte der Alte.
„Fast Abend, Meister. Die Glocke der Minoriten hat geläutet."
Ondřej blinzelte langsam. „Und du schreibst noch? Deine Schrift war einst schneller. Entweder wirst du müde oder gewissenhafter.“
„Ich versuche, nichts falsch zu machen."
Ein leises Schnauben, das ein Lächeln andeuten wollte, aber zu schwach war. „Falsch machen wir alle etwas. Es kommt nur darauf an, ob es jemand merkt.“
Jakub wollte etwas sagen, doch der Alte hob eine knochige Hand. „Hör zu. Es gibt etwas, das du wissen musst. Aber nicht jetzt. Morgen. Wenn mein Kopf wieder klarer ist.“
„Natürlich, Meister."
„Bring mir Wasser. Und leg noch etwas Torf ins Feuer. Ich will diese Nacht nicht frieren. Wer weiß, wie viele ich noch habe.“
Jakub nickte stumm und machte sich an die Arbeit. In der kleinen Küche füllte er den Tonkrug, während der Wind gegen die Läden rüttelte. Die Dunkelheit schlich sich in die Ritzen des Hauses, als wollte sie prüfen, ob es schon aufgegeben hatte. Er holte einen Torfziegel aus dem Korb neben dem Herd und legte ihn behutsam ins Feuer. Die Glut leckte dankbar an dem neuen Futter und warf tanzende Schatten an die Wand.
Draußen begann es zu regnen, ein leises, stetiges Trommeln, das wie ein fernes Wispern klang – als würde die Stadt selbst ihre Geheimnisse erzählen wollen, wenn man nur genau genug hinhörte.
Der Regen hatte in der Nacht nicht aufgehört. Noch immer perlten Tropfen an den Fensterscheiben herab, und das bleiche Licht des Morgens tastete sich zaghaft durch die schweren Wolken, die tief über den Dächern der Stadt hingen. Das Rinnsal an der Traufe des Nachbarhauses sang ein monotones Lied, das mit jeder Stunde leiser zu werden schien, als verlöre selbst das Wetter langsam seine Stimme.
In der Werkstatt war es still, so still, dass man das leise Knistern der erkaltenden Glut im Herd hören konnte. Der Geruch von kalter Asche und getrockneter Tinte lag in der Luft, durchzogen von einer Ahnung feuchter Stoffe und altem Holz. Jakub saß am kleinen Tisch nahe der Feuerstelle, die Hände um eine Schale dünnen Haferschleims gelegt, der kaum noch warm war. Er hatte nicht geschlafen. Die Nacht war vergangen wie ein einziger, flacher Atemzug.
Die Worte seines Meisters vom Vorabend hallten in ihm nach. "Es gibt etwas, das du wissen musst." Eine einfache Aussage, doch in Ondřejs Stimme hatte etwas gelegen, das Jakub nicht kannte – ein Ernst, der tiefer ging als seine gewohnte Strenge. Etwas hatte sich verändert. Nicht nur in dem alten Mann, sondern auch in der Welt um sie herum.
Jakub stellte die Schale beiseite und trat leise an die Tür der Schlafkammer. Er klopfte nicht, sondern öffnete sie langsam. Das Holz knarrte kaum hörbar, als wolle selbst die Tür Rücksicht nehmen auf den Zustand des alten Mannes. Der Raum war kühl, das Feuer längst erloschen. Der schwache Lichtschein vom Fenster tastete sich über die Ränder des Strohlagers.
Ondřej lag da, wie zuvor, aber sein Blick war klarer als in der Nacht. Seine Augen, grau wie gewaschene Steine, hatten etwas Festes in sich, etwas, das sich nicht mehr aufschieben ließ. Er bewegte den Kopf, so schwach, dass es kaum auffiel.
„Du bist noch da“, murmelte er mit spröder Stimme, kaum mehr als ein Hauch.
„Natürlich bin ich das.“
Ondřej deutete mit einem Finger auf die kleine Truhe neben dem Bett. „Hol sie. Und schließ die Tür.“
Jakub tat, wie ihm geheißen. Die Truhe war nicht groß, aber schwer. Der Deckel aus dickem Eichenholz war mit Eisenbeschlägen versehen, abgenutzt von Jahren des Stillstands. Er stellte sie auf den Boden neben dem Bett und setzte sich auf den Hocker. Der Regen trommelte gleichmäßig gegen die Fensterläden, draußen rief eine einzelne Krähe irgendwo zwischen den Giebeln.
„Du hast mir gut gedient“, sagte Ondřej, jeder Atemzug ein Kampf. „Mehr, als ich je verdient habe. Ich war ein harter Lehrmeister.“
Jakub wollte widersprechen, doch der Alte hob erneut die knochige Hand – nicht zum Schweigen, sondern zum Erinnern.
„Ich habe vieles gesehen. Mehr, als gut war. Mehr, als man behalten sollte. Und dennoch...“ Er hustete, und das Geräusch klang wie ein zerbrechender Zweig. „Den Ring habe ich verwahrt, wie man einen Funken im Winter bewahrt. Im Geheimen, im Wissen, dass er eines Tages gebraucht wird.“
Er tastete nach dem Schlüssel, der an einem Lederband um seinen Hals hing, und reichte ihn Jakub. Die Hand des Jungen zitterte leicht, als er den kühlen Schlüssel entgegennahm und das Schloss öffnete. Die Truhe gab ein leises Klicken von sich, dann ein dumpfes Stöhnen, als hätte sie sich an das Schweigen gewöhnt.
Darin lagen mehrere Lagen Stoff, sorgsam gefaltet. Alte Schriftrollen, versiegelte Briefe, und ein kleiner Beutel aus dunklem Leder, der sich kühl und glatt anfühlte. Jakub hob ihn vorsichtig heraus und öffnete ihn.
Ein Ring. Schlicht. Schwer. Aus Silber – oder etwas, das wie Silber aussah, aber dunkler, dichter, fremder. Ein Wappen war eingraviert: ein Löwe mit gespaltenem Schweif, das Zeichen eines alten Hauses, das viele für längst ausgelöscht hielten.
„Du musst ihn fortbringen“, flüsterte Ondřej. „Egal wohin. Nur fort von hier. Nicht, weil ich es will. Sondern weil andere es wollen. Weil sie ihn finden werden. Und dann wird es zu spät sein.“
Jakub starrte auf das Zeichen, die Kälte des Metalls schien in seine Haut zu kriechen.