Schatz, wann lassen wir uns scheiden? - Clare Dowling - E-Book
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Schatz, wann lassen wir uns scheiden? E-Book

Clare Dowling

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Beschreibung

Warum küssen die falschen Männer immer am besten? Der Liebesroman »Schatz, wann lassen wir uns scheiden??« von Clare Dowling als eBook bei dotbooks. Das große Glück zum Greifen nah? Jackie schwebt im siebten Himmel! Ihr kleiner irischer Blumenladen läuft hervorragend, ihr Freund trägt sie auf Händen … und hat ihr nun auch endlich einen Antrag gemacht. Da gibt es nur ein kleines Problem: Als Jackie vor einigen Jahren in England lebte, hat sie dort heimlich, still und leise geheiratet – und Henry dann so überstürzt verlassen, dass für eine Scheidung keine Zeit blieb. Das muss sie nun dringend nachholen, und tatsächlich scheint Henry ihr keine Steine in den Weg legen zu wollen. Komisch eigentlich. Hat sie ihm damals nicht das Herz gebrochen? Warum ist der denn so nett … und sah er immer schon so gut aus? Plötzlich scheint die perfekte Zukunft ohne ihn, die Jackie sich ausgemalt hat, gar nicht mehr so rosig zu sein. Oder führt Henry etwas im Schilde? »Sehr, sehr lustig und erfrischend ehrlich.« Irish World Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die romantische Komödie »Schatz, wann lassen wir uns scheiden??« von Clare Dowling wird die Fans von Marian Keyes und Cecelia Ahern gleichermaßen begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 579

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Über dieses Buch:

Das große Glück zum Greifen nah? Jackie schwebt im siebten Himmel! Ihr kleiner irischer Blumenladen läuft hervorragend, ihr Freund trägt sie auf Händen … und hat ihr nun auch endlich einen Antrag gemacht. Da gibt es nur ein kleines Problem: Als Jackie vor einigen Jahren in England lebte, hat sie dort heimlich, still und leise geheiratet – und Henry dann so überstürzt verlassen, dass für eine Scheidung keine Zeit blieb. Das muss sie nun dringend nachholen, und tatsächlich scheint Henry ihr keine Steine in den Weg legen zu wollen. Komisch eigentlich. Hat sie ihm damals nicht das Herz gebrochen? Warum ist der denn so nett … und sah er immer schon so gut aus? Plötzlich scheint die perfekte Zukunft ohne ihn, die Jackie sich ausgemalt hat, gar nicht mehr so rosig zu sein. Oder führt Henry etwas im Schilde?

»Sehr, sehr lustig und erfrischend ehrlich.« Irish World

Über die Autorin:

Die irische Bestsellerautorin Clare Dowling wurde 1968 in Kilkenny geboren und lebt heute in Dublin. Sie stand als Schauspielerin auf der Theaterbühne und vor der Filmkamera, bevor sie sich dem Schreiben von Theaterstücken, Fernsehserien und Romanen zuwandte.

Bei dotbooks veröffentlichte Clare Dowling bereits ihren Liebesroman »Küss mich jetzt, dann seh’n wir weiter«.

***

eBook-Neuausgabe Dezember 2022

Die englische Originalausgabe dieses Romans erschien 2006 unter dem Titel »My fabulous divorce« bei Headline Review, ein Imprint von Headline Book Publishing, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2007 unter dem Titel »Pralinen für zwischendurch« im Knaur Taschenbuch.

Copyright © der Originalausgabe 2006 by Clare Dowling; published by arrangement with Clare Dowling.

Copyright © 2007 für die deutschsprachige Erstausgabe by Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, München, unter Verwendung von Motiven von Adobe stock/madiwaso, zolotons, ana42f

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-98690-430-2

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Clare Dowling

Schatz, wann lassen wir uns scheiden

Roman

Aus dem Englischen von Georgia Sommerfeld

dotbooks.

Für Mum

Kapitel 1

Jackie würde zu spät zu ihrem Dinner mit Dan kommen. Außerdem hatte sie den Verdacht, dass heute ihr Sechs-Monate-Jubiläum war, und wünschte, sie hätte sich die Zeit genommen, im Kalender nachzuschauen. Aber im Laden war die Hölle los gewesen. Und Lech, der Ausfahrer, hatte wieder mal zwei Aufträge verwechselt und ein Rosenbouquet mit einer fröhlichen »Ich-liebe-Dich«-Karte an die Adresse einer Dame geliefert, die gestern gestorben war, während der Kranz bei einem jungen Paar landete, das, zum dritten Mal verabredet, in einem Restaurant zu Mittag aß. Jackie hatte dem Knaben daraufhin eine Abmahnung erteilt, was ihr zwar widerstrebte, aber was blieb ihr übrig? Flower Power begann gerade erst Gewinn abzuwerfen, und sie konnte sich solche Fehler einfach nicht leisten.

Vor Hektik schwitzend, wedelte sie sich mit der Hand Kühlung zu, während sie dahinhastete, so schnell es die neuen, roten Stiefel erlaubten. Oh, sie wusste, sie hätte sie nicht kaufen sollen. Rot stand ihr überhaupt nicht, und die Absätze waren viel zu hoch – in der Mittagspause hatte sie ein Windstoß beinahe umgeweht –, aber als sie sie im Schaufenster gesehen hatte, dachte sie, das waren genau die Schuhe, die eine tüchtige, sexy Karrierefrau tragen würde. Oder vielleicht auch ein Straßenmädchen.

Zweifelnd schaute sie auf ihre Füße hinunter – doch sie konnte mildernde Umstände geltend machen: Immerhin war sie noch eine Anfängerin, wuchs gerade erst in die Rolle der Unternehmerin hinein. Irgendwann würde ihre Garderobe zu ihr passen, da war sie ganz sicher. Die Kunden schienen sich jedenfalls nicht an ihrer Aufmachung zu stören. Sie wussten, dass sie, wenn sie einen Strauß bei ihr kauften, für sehr viel mehr bezahlten als nur für Blumen, und sie würde sie nicht beleidigen, indem sie sich ihnen in einer marineblauen Kittelschürze und Gesundheitslatschen präsentierte.

Da war Dan! Er saß im Le Bistro an ihrem Lieblingsfenstertisch. Jackie bekam ein komisches Gefühl im Magen. Als Dan sie entdeckte, erhellte sich sein flächiges, gebräuntes Gesicht, und sie war so glücklich darüber, dass es einen Menschen auf der Welt gab, dessen Abend durch ihren bloßen Anblick schöner wurde, dass sie den albernen Drang verspürte loszusingen. The Hills Are Alive With The Sound Of Music, um genau zu sein. Dan kannte die Geschichte nicht, denn sie hatte gelernt, dass es besser war, Männern nicht alles und jedes anzuvertrauen. Schließlich taten sie das auch nicht. Nein, Jackie hatte sich in ihrem Herzen einen kleinen Raum geschaffen, zu dem nur sie allein Zugang hatte.

Sie wartete auf eine Lücke im Verkehrsfluss, bevor sie über die Straße stürzte. Dan schnitt eine Grimasse. Aus irgendeinem Grund hatte er ein Problem damit, ihr zuzusehen, wie sie Straßen überquerte oder im Mixer Frucht-Smoothies zubereitete.

Sie stieß die Tür auf und winkte Fabien zu, dem das Restaurant gehörte.

»Bonsoir!«, begrüßte sie ihn wie immer. »Ça va?«

»Bien, bien«, antwortete Fabien ergeben. Manchmal machte er den Versuch, Englisch mit ihr zu sprechen, doch sie bestand darauf, ihren Beitrag zu den irischfranzösischen Beziehungen zu leisten, und so steckten sie nun schon seit einigen Jahren in diesen beiden Floskeln fest.

Dan stand auf, um sie zu begrüßen, und sie registrierte bestürzt, dass er eleganter angezogen war als sonst – und dass etwas seine Jacketttasche ausbeulte. Wahrscheinlich hatte er ihr ein Geschenk zu ihrem Sechs-Monate-Jubiläum gekauft, weswegen sie sich endgültig schuldig fühlte.

»Hi«, sagte er und beugte sich herunter, um sie zu küssen. Er war eins achtundneunzig groß und muskulös. Aber nicht irre muskulös, fügte sie jedes Mal hastig hinzu, wenn sie ihn Freundinnen beschrieb. (Bisher hatte sie ihn noch keiner von ihnen vorgestellt.) Nein, er war ein sportlicher Typ, hatte Rugby gespielt, bis eine Reihe schwerer Knochenbrüche und ein Bauchspeicheldrüsenriss ihn vom Platz verbannten. »Wann lerne ich ihn kennen?«, wollten alle wissen. »Bald«, versprach Jackie dann, doch sie arrangierte nie ein Treffen.

Heute war er sichtlich angespannt. Er trommelte mit den Fingern auf die Speisekarte und rutschte auf seinem Stuhl herum.

»So!«, sagte er.

Jackie fasste sich ein Herz. »Ich hab’s vergessen, Dan, okay? Es tut mir leid. Die Woche war derart hektisch! Ich mach’s wieder gut. Versprochen. Wie wär’s – wenn wir nächstes Wochenende nach Paris flögen? Nur wir zwei.« Emma würde durchdrehen. Sie war für den Dienstplan zuständig und warf Jackie ständig vor, dass sie »einfach so« abhaute. Das letzte Mal nach einer Siebzig-Stunden-Woche! Aber Emma hatte kein Interesse an Männern: Sie war seit 1998 mit keinem Mann mehr ausgegangen, und sie hatte kein Verständnis für romantische Dinner und lüsterne Wochenendausflüge. Dann fiel Jackie ein, dass sie am nächsten Wochenende gar nicht wegkönnte: Sie waren für eine Hochzeit gebucht, und Emma beharrte darauf, dass sie nicht Jackies Gefühl für Atmosphäre habe.

»Natürlich nur, wenn du nichts anderes vorhast«, sagte sie in der Hoffnung auf eine Absage. Für gewöhnlich trieb er sich an den Wochenenden auf Plätzen herum, wo Bälle mit Händen und Füßen gespielt und Ballträger zu Boden gebracht werden.

»Nicht, dass ich etwas dagegen hätte«, sagte Dan vorsichtig, »aber warum Paris?«

»Um unser Sechs-Monate-Jubiläum zu feiern.«

»Oh.«

Sie sah ihm an, dass sie sich zum Narren gemacht hatte oder dabei war, sich dazu zu machen. Aber da gab es kein Zurück mehr, nur die Flucht nach vorn. »Habe ich das Datum falsch in Erinnerung?«

Er überlegte einen Moment, bevor er sagte: »Genau genommen war es am Mittwoch.«

»Ah. Ich verstehe! Na bitte ...« Damit wäre Paris erledigt. Sie waren am Mittwochabend nicht einmal ausgegangen. Er hatte im Fernsehen einen Dokumentarbericht sehen wollen, über die Wahlen in Kuba – nicht einmal über den Dreh eines Pornofilms oder etwas in der Art.

»Tut mir leid, Jackie.«

»Ist in Ordnung.«

Sie verschanzte sich hinter ihrer Speisekarte. Sie fühlte sich verletzlich. Und vor einer Minute noch hatte sie sich gerühmt, ihre Lektion gelernt zu haben! War so arrogant und selbstgefällig, sich sicher gewesen, dass kein Mann sie je wieder unterkriegen würde. Was war mit den Nächten, in denen sie in ihren Wein geheult hatte, sich all die Fehler vergegenwärtigt, die sie gemacht hatte, und sich geschworen, sie nicht wieder zu machen? Und jetzt war sie genau da, wo sie angefangen hatte! Und sie fragte sich tatsächlich, ob sie sich nicht sogar zurückentwickelte. Der Gedanke deprimierte sie derart, dass sie überlegte, das Brokkoli-Käse-Soufflé zu bestellen und sich nicht um die Kalorien zu scheren.

»Nein, es ist nicht in Ordnung«, Dan klang zerknirscht. Oje, wie der sich bemühte, nach ihrer Hand griff, vor ihr kroch! »Es ist einfach nur schwer zu glauben, dass schon sechs Monate vergangen sind, seit du den Platten hattest.«

Es war nicht gerade die romantischste Form gewesen, eine Beziehung zu beginnen. Sie war mit fünf Dutzend roten Nelken auf dem Rücksitz mitten im tiefsten Winter auf der M50 liegen geblieben, und Dan kam aus der Dunkelheit gejoggt, gleich einem goldhaarigen Ritter in schimmernder Rüstung, schweißglänzend und in den engsten, glänzendsten Shorts, die sie je gesehen hatte, die Art, die schon seit den Achtzigern aus der Mode war. Er hatte ihr erklärt, dass er mit einem Wagenheber umgehen könne, und sie hatte geschwindelt, dass sie das ebenfalls könne, damit er nicht glaubte, dass er ein hilfloses Frauchen vor sich hatte. Dann stellten sie fest, dass sie keinen Reservereifen hatte, und mussten wohl oder übel einen Abschleppdienst anrufen, auf den sie im Auto warteten. Jackie war so nervös, dass sie mit dem Schalthebel spielte – bis sie merkte, dass es sein Knie war.

Er ersparte ihr eine peinliche Erklärung, indem er nieste. Mehrmals. Dann schwollen seine Augen zu, und er fragte mit seltsam erstickter Stimme: »Haben Sie etwa Blumen im Wagen? Ich bin allergisch, wissen Sie.«

In der Notaufnahme – nachdem er eine Adrenalininjektion bekommen hatte und wieder atmen konnte – fragte er sie, ob sie mit ihm ausgehen würde.

»Halten Sie das für klug?«, meinte sie. »Ich bin Floristin.«

»Und ich bin Business Banking Manager«, setzte er unerschrocken dagegen. »Ich schlage bei Besprechungen mit Geschäftskunden auf den Tisch und sage Sachen wie: ›Ihre Rendite ist allein in den letzten sechs Monaten um hundert Prozent gestiegen!‹ Ich wette, jetzt wollen Sie nicht mehr mit mir ausgehen.«

»Warum denn nicht?«, fragte sie, um Zeit zu gewinnen. Das war eine ihrer neuen Regeln: Ausflüchte machen, anstatt sich wie ein halb verhungerter Welpe aufs Futter auf den ersten akzeptablen Mann zu stürzen, der sie um ein Date bat. Manchmal kam sie sich ein wenig verlogen vor, doch dann sagte sie sich, dass es ein notwendiger Abwehrmechanismus sei: das Stählen der Jackie Ball.

»Na ja – ich hab das Gefühl, dass ich Ihnen vielleicht zu langweilig sein könnte.«

»Das habe ich nicht«, erwiderte sie, obwohl sie ihre Zweifel hatte.

»Sie haben keine Vorstellung, wie ich es ausschlachten werde, dass ich nach unserem Kennenlernen mit einer Blumenallergie in der Notaufnahme landete. Die Geschichte werde ich jahrelang erzählen. Da sehen Sie, wie langweilig ich bin.«

Sie hätte nein sagen sollen. Wozu hatte sie die ganze Zeit an ihren Mauern in ihrem Herzen gebaut? Andererseits könnte sie ja mit ihm ausgehen, ohne ihn reinzulassen, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Und offen gestanden hatte sie es satt, brav und anständig und enthaltsam zu leben, und er hatte genau die richtigen, starken Arme für Umarmungen. Also ließ sie – wieder mal – ihr Herz ihren Kopf regieren, warf der jungen Krankenschwester, die sich mit Hoffnung im Blick zentimeterweise näher schob, einen giftigen Blick zu und verkündete: »Ich koche uns was!«

Und hast du nicht gesehen waren sie sechs Monate zusammen – und er hatte es ganz offensichtlich nicht für nötig gehalten, diesen Tag festlich zu begehen! Aber sie hatte ihm jetzt die Chance zum Nachdenken gegeben, und er sagte nun: »Du hast auch nicht daran gedacht. Schließlich kamst du eben hier mit der Entschuldigung rein, dass du es vergessen hättest.«

»Ich habe nicht ...«

»Du hast gesagt, deine Woche sei derart hektisch gewesen. Dass du es wiedergutmachen wolltest. Himmel, du hast versucht, mich mit Paris zu bestechen!«

»Hör auf, alles zu verdrehen!«

»Nicht einmal mit Wien!«, brummte er. »Paris!«

Ihre Wangen glühten. Sie hatten sich noch nie wirklich gestritten. Sie hatten nicht einmal nennenswerte Meinungsverschiedenheiten. Manchmal dachte sie, sie beide könnten gut in einem dieser Werbespots mitspielen, in denen immer ein Paar glücklich strahlte und sich umarmte und ausgelassen in der Brandung tobte. Aber war diese Friedlichkeit nicht eines der Dinge, die sie so anziehend an ihm gefunden hatte? Sie wusste genau, was sie von dieser Beziehung zu erwarten hatte – es würde keine falschen Hoffnungen und keine bitteren Enttäuschungen geben.

Aber heute Abend hatten sie beide nicht die Samthandschuhe an. Vielleicht war das genau das, was sie brauchten. Dass sie ein bisschen wach gerüttelt wurden, einander zeigten, wie sie wirklich waren. Und so schoss sie zurück: »Ich habe zumindest versucht, es wiedergutzumachen. Du hast es nicht für nötig gehalten!«

»Hab ich doch!«, erregte er sich.

»In welcher Form, bitte?«, giftete sie.

»Ich wollte dir einen Heiratsantrag machen.«

Sie hätte sich beinahe umgeschaut, weil sie im ersten Moment dachte, dass Fabien sich einen Spaß mit ihr erlaubte, doch es war tatsächlich Dans Stimme.

»Was?«, fragte sie spitz.

»Ich hatte vor, vor dir niederzuknien, es ganz romantisch und angemessen zu machen«, sagte er verärgert, aber dann räusperte er sich bedeutungsschwer und fragte: »Jackie Ball, würdest du mir die Ehre erweisen, meine Frau zu werden?«

»Nun, äh ... ich ... das kommt ziemlich überraschend, Dan.« Gelinde gesagt. Der Gedanke zu heiraten lag ihr im Moment entschieden fern. Noch ferner als die Idee, eines Tages zum Mond zu fliegen und dort eine Filiale von Flower Power zu eröffnen.

»Ja, wahrscheinlich.« Er fand sich erstaunlich schnell damit ab, dass sie ihm nicht mit einem Freudenschrei um den Hals gefallen war. »Ich weiß genau, was du denkst. Du denkst, es ist noch viel zu früh. Du denkst, ich kenne diesen Typen doch kaum! Er schleppt mich bei strömendem Regen zu Rugbyspielen und glaubt, dass ich den Rest meines Lebens mit ihm verbringen will? Er übergeht unser Sechs-Monate-Jubiläum und erwartet ein Ja? Und seine Füße stinken wie die Pest!« Er hielt kurz inne und sagte dann: »Halt – das entwickelt sich nicht wie vorgesehen.«

»Dan ...«

»Auf der Habenseite steht«, fuhr er fort, »die Rugbysaison dauert nicht das ganze Jahr. Kaum sechs Monate sogar, andere Positiva eingeschlossen«, er zählte sie mit den Fingern auf, »ich habe einen Job, ein Auto, ein Haus, eine Altersversorgung – hab ich dieses Formular zurückgeschickt? –, nach wie vor volles Haar, und ich verspreche, dich zu lieben und zu ehren und dir zu gehorchen, bis dass der Tod uns scheidet. Und dir die Herrschaft über die Fernbedienung zu übertragen. Na – ist das ein Angebot?«

»O Dan.«

»Mir gefällt nicht, wie du das sagst – als wolltest du mir den Laufpass geben.«

»Nein.«

»Nein, du gibst mir nicht den Laufpass, oder nein, du heiratest mich nicht? Nun schlag schon zu – ich vertrag’s. Da hin.« Er deutete auf die Mitte seines breiten, eckigen Kinns.

»O Dan.«

»Du sagst es schon wieder!«

Sie holte tief Luft. »Es ist nur ... eine Heirat ist ein großer Schritt, weißt du?« Noch ein Winkelzug, um Zeit zu gewinnen. Sie war wirklich ein Ekel. Nein, schlimmer! Aber sie war nicht auf die Idee gekommen, dass er ihr einen Antrag machen würde! Sie hatte gedacht ... ja, was hatte sie gedacht? Schon zwei Wochen nach ihrem Kennenlernen war ihr klar gewesen, dass das mehr werden würde als gelegentliche Dinner-Dates. Von seiner Seite, zumindest. Sie war alt genug, um die Zeichen deuten zu können. Sich einen für Männer unzugänglichen Bereich im Herzen zu bewahren war in Ordnung, aber es berechtigte nicht zu Unehrlichkeit.

Dan bemerkte ihr Schuldbewusstsein nicht. »Ich bin jetzt sechsunddreißig, Jackie, und ich möchte sesshaft werden. Ich möchte in der Vorstadt eine Doppelhaushälfte kaufen und das Dach zu einem Spielzimmer ausbauen. Ich möchte meinen BMW gegen eine Familienkutsche tauschen – hör auf zu kichern! – und einen Sohn und eine Tochter haben und, wenn meine Arbeit es erlaubt, vielleicht auch einen Hund. Ich werde ihn Biff nennen – oder Edward.«

»Du weißt den Namen für den Hund schon vor den Namen für die Kinder?«

»Du bist also einverstanden mit Kindern?«

»Ich bin mit gar nichts einverstanden!« Doch so, wie er es ihr darlegte, klang es durchaus vernünftig, reizvoll und komplett durchdacht wie eines dieser »Pakete«, die er für Kunden zusammenstellte. Haus, Kinder, Hund – welche Frau ihres Alters könnte diesem Heile-Welt-Bild widerstehen?

Und doch sagte sie: »Es gibt da etwas, was du nicht über mich weißt, Dan.«

»Davon bin ich überzeugt«, sagte er unbeeindruckt.

»Es gibt auch Dinge, die du über mich nicht weißt. Wir haben alle unsere kleinen, schmutzigen Geheimnisse aus der Vergangenheit.« Mit einem verträumten Ausdruck schaute er über ihren Kopf hinweg in die Ferne.

»Es ist mir ernst, Dan.«

»Monsieur? Mademoiselle?« Plötzlich stand Fabien an ihrem Tisch mit einem Sektkühler. »Darf ich mir als Erster gestatten zu gratulieren?« Die romantische Rolle machte ihn sichtlich verlegen, und er hüstelte.

»Zu früh!«, zischte Dan ihm zu und scheuchte ihn mit einer Handbewegung weg. Fabien zog sich auf der Stelle zurück und bedachte Jackie dabei mit einem Blick, der besagte, dass er sie für verrückt hielt, weil sie nicht sofort zugegriffen hatte. Sogar er wusste, dass ihr nichts Besseres mehr geboten werden würde. Nachdem er sich entfernt hatte, herrschte Schweigen. Als ob die Luft raus war.

Schließlich sagte Dan: »Schau, Jackie – ich weiß, dass du schlechte Erfahrungen gemacht hast. Okay? Man muss kein Genie sein, um darauf zu kommen. So wie du manchmal die Stacheln aufstellst und die Arme auf der Brust verschränkst – da, jetzt tust du es wieder, und das ist okay, weißt du. Menschen werden verletzt. Ich bin auch verletzt worden. Ich wurde im Urlaub sitzen gelassen! Es dauerte Monate, bis ich darüber hinweg war.« Jackie wusste, dass er übertrieb. Er war wirklich lieb. »Aber jetzt sind wir zusammen. Was die Kinder oder das Haus betrifft – wenn du keine Kinder und kein Haus willst, sondern lieber auf einem Boot leben möchtest, können wir darüber reden. Im Moment ist nur eines wichtig: Ich liebe dich. Ich habe noch nie eine Frau wie dich gekannt, und ich glaube, wir könnten ein wirklich schönes Leben haben. Wenn du willst.«

»Ich will ...«

»Ist das ein Ja?«

»Ja, ich denke schon.«

»Du hast gerade ja gesagt.«

»Ich weiß.«

»Es war wirklich ein Ja! Sie hat ja gesagt!«

»Aber, Dan ...«

»Ich will keine Abers mehr hören. Hiermit erkläre ich alle etwaigen Abers offiziell für auf morgen verschoben.« Er beugte sich vor und küsste sie, und Jackie spürte, wie ihre Lebensachse sich eine Spur verschob und dann fest einrastete. O Gott. Sie war drauf und dran, häuslich zu werden. Mit einem Mann namens Dan. Und sie freute sich auch noch darüber! Aufrichtig. Sie hatte genug von unzuverlässigen Männern.

Aus einem Impuls heraus und quasi um die Sache zu besiegeln, erklärte sie laut und deutlich: »Ich liebe dich, Dan Lewis, und das dürfen alle hören.«

Aber niemand hörte es. Nicht wirklich. Die Gäste waren zu beschäftigt mit essen, um die kleine Sensation an dem Fenstertisch zur Kenntnis zu nehmen. Nur Fabien hatte die Entwicklung verfolgt und verschwand schnurstracks, um den Champagner zurückzuholen. »Ich hoffe, er passt.« Dan griff in sein Jackett, präsentierte Jackie einen Ring, und sie hielt die Luft an. Es war ein klassischer Ring, kein origineller oder modischer, fünf große Diamanten, die stolz in einer hohen Fassung saßen. Daneben würde ihr restlicher Schmuck aussehen wie aus einem Glücksbeutel, woher er teilweise auch stammte, doch das störte sie nicht.

»Mach dir jetzt ja keine Gedanken darüber, was er mich gekostet haben muss, okay?«, sagte Dan. »Erstens schmerzt es mich, daran erinnert zu werden, und zweitens bist du mir jeden Cent davon wert.«

Jackie kamen die Tränen. Sie war ein Mensch, der wahre Tränenfluten vergießen konnte (nach Dr. Greens Tod in Emergency Room war sie regelrecht dehydriert gewesen), aber für gewöhnlich nicht aus Freude. Nicht in letzter Zeit, zumindest.

»Um Himmels willen – ich wollte dich doch nicht zum Weinen bringen«, sagte er, aber sie sah ihm an, dass er sich freute wie ein Schneekönig.

Natürlich würde sie die Blumendekoration für die Hochzeit selbst in die Hand nehmen. Rote und weiße Rosen – auch für ihren Strauß. Oder wäre das zu viel? Sie wollte schließlich Leidenschaft suggerieren und kein Blutbad. Doch sie glaubte nicht, dass sie es fertigbrächte, sich auf weiße Rosen zu beschränken oder auf gelbe und rosa Freesien, wie sie es Kunden oft empfahl. »Wenn Sie schlicht bleiben, können Sie nichts falsch machen«, versicherte sie nervösen Bräuten. Aber wann hatte sie schon einmal ihre eigenen Ratschläge befolgt? Plötzlich kam ihr ein Gedanke: Gänseblümchen. Hunderte, Tausende, vielleicht sogar auf den Weg gestreut, den sie gehen würden.

Nein. Dan war allergisch. Verdammt. Sie wäre wahrscheinlich die erste Floristin auf der Welt, die ohne Blumen heiratete. Es würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als welche aus Krepppapier zu machen, wie man sie in Barney-Videos sah.

»Lass uns gleich ein Datum festsetzen«, platzte Dan in ihre Gedanken hinein.

»Ein Datum?«

»Das ist die übliche Vorgehensweise, Jackie.«

»Ja, schon. Ich weiß. Es ist nur ... ich dachte, wir würden erst einmal unseren neuen Status genießen.« Sie kitzelte ihn an der Innenseite seines Handgelenks, womit sie ihn normalerweise zum Kichern brachte.

Er ließ sich nicht ablenken. »Ich möchte aber keine endlose Verlobungszeit.«

»Okay.«

»Eine meiner Tanten war neunzehn Jahre verlobt.« »Also, das ist ja wirklich lächerlich.«

»Dann sagen wir doch heute in drei Monaten«, entschied er.

Jackie rechnete blitzschnell im Kopf. Es wäre völlig unmöglich, doch sie sagte: »Einverstanden!«

Der Zauber des Augenblicks machte sie beide kühn, und sie cancelten das Dinner, sausten aus dem Le Bistro und direkt ins Bett, wo Dan seinen Rekord einstellte und sich danach wie ein glücklicher Welpe auf den Rücken fallen ließ. Sie war beinahe versucht, ihm zu applaudieren.

»Das nächste Mal behältst du deine Nuttenstiefel an«, sagte er schläfrig und kuschelte sich an ihre Schulter. Sie wartete, bis er schnarchte, hob seinen Arm von ihrer Brust und glitt aus dem Bett. Unten machte sie leise die Wohnzimmertür hinter sich zu und ging auf Zehenspitzen zu dem Schreibtisch in der Ecke. Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie die Telefonnummer vergessen hatte. Man stelle sich das vor! Das Telefon sah sie jedoch deutlich vor sich: ein schwarzes, modernes, schnurloses Ding, geformt wie ein langer dicker Willi, mit Hunderten wichtig aussehender Tasten und einem integrierten Anrufbeantworter. Wenn man es nicht mehr brauchte, tat man es zurück in die Mutter, eine formschöne, tiefe Mulde, die bei Kontakt einen kleinen Erregungspiepser von sich gab.

Die Wirkung all dieser testosterongesteuerten Technologie wurde allerdings durch ein ziemlich kitschiges Bild des Sacred Heart ruiniert, das über dem Telefontischchen hing. Es war ihr Haus gewesen. Es war immer noch ihr Haus, zumindest zur Hälfte, obwohl sie schon seit Jahren nicht mehr in die Kirche ging und sich partout nicht an die Telefonnummer erinnern konnte. War das vielleicht ein Trick ihres Unterbewusstseins, mit dem es ihn aus ihrem Gedächtnis löschen wollte? Wohl kaum. Es war unwahrscheinlich, dass ihr Unterbewusstsein einen Sinn für Humor besaß, und außerdem konnte sie sich kaum an ihre eigene derzeitige Telefonnummer erinnern – sollte sie sich dann an eine von vor achtzehn Monaten erinnern?

Und dann fiel sie ihr plötzlich ein: Es waren drei Sechsen darin – die Zahl des Antichristen. Henry hatte damals über ihren Aberglauben gelacht – doch wie sich zeigte, war er berechtigt gewesen. Es graute ihr vor diesem Telefonat, aber sie würde mit ihm sprechen müssen. Und das, wo sie unter Stress kein Wort herausbrachte! Er wiederum war ein Mann, dessen Temperatur nie über den Normalbereich hinausstieg und der für jede Gelegenheit über ein ganzes Arsenal von Sticheleien und Abwertungen verfügte. Wie würde er auf ihre Neuigkeit reagieren? Nachdem er aufgehört hätte zu lachen – wie immer.

Sie hörte es schon jetzt. Höchstwahrscheinlich würde er ihren Entschluss als einen Akt extremer Unüberlegtheit bezeichnen. Oder Impulsivität. Oder was ihm sonst noch einfiele, um sie als unreif abzuqualifizieren. Nun, sie hätte ihm auch einiges zu bieten. Mein Gott – sie flog schon jetzt vor Nervosität! Jackie ermahnte sich, auf keinen Fall zuzulassen, dass er sie zur Weißglut brächte, was ihm stets ein Leichtes war.

Sie dürfte keinen seiner Köder schlucken. Und sie müsste vermeiden, in Schuldzuweisungen zu verfallen. Ungünstigerweise neigte ihre ohnehin ziemlich hohe Stimme im Fall des Falles zum Überschlagen. Wenn sich dann auch noch ihre Haare aus der Spange lösten, was sie fast jedes Mal taten, war die Verwandlung in eine kreischende Hexe komplett. »Beruhige dich, Jackie«, hatte Henry dann in diesem unsäglich provozierenden Ton gesagt, der den Wunsch in ihr weckte, ihm eine Bratpfanne auf den Schädel zu schlagen.

Wenigstens hatte sie heute das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Sie spielte im Geist ein paar Eröffnungen durch. »Hi, Henry! Hier ist Jackie!« Nein. Zu freundlich. Schließlich verabscheute sie ihn. Lieber etwas Ernsteres: »Ich glaube, du weißt, worum es geht – um die unerledigte Angelegenheit.« Nein, das ging auch nicht – er würde sich totlachen.

Am Ende nahm sie einfach den Hörer ab und tippte, so schnell sie konnte, die Nummer ein. Als es zu klingeln begann, sah sie das Haus in London vor sich, das ihr gemeinsames Heim gewesen war. Sie hatte zumindest versucht, es zu einem Heim zu machen mit ihren Teehauben und afrikanischen Kissen und dem wunderschönen Teppich, den sie auf dem Markt gekauft hatte und der Henrys Farbvorstellungen so dramatisch zuwiderlief. Was Henry anging, so hatte er einfach weitergelebt wie immer – abgesehen davon, dass er über ihren »Krempel« und ihre Unordnung meckerte. Sie hatte früh erkannt, dass er in dieser Hinsicht anspruchslos war. Er brauchte keine Dinge – nicht in der Weise wie sie zumindest.

Aber warum sollte er auch Wert auf ein gemütliches Heim legen? Im Kopf war er schließlich immer Junggeselle geblieben.

Sie nahm an, dass er das Haus nach ihrem Weggang sofort in den Urzustand versetzt hatte. Jetzt wäre es wieder männlich, karg und steril. Und stickig. Bestimmt hatte er nie mehr ein Fenster geöffnet, und etwaige Besucher sanken beim Eintreten aufgrund akuten Sauerstoffmangels in Ohnmacht. Der Toilettendeckel hätte wieder seine angestammte Position – die hochgeklappte –, und der Fernseher stünde wieder mitten im Raum. Seine Welt wäre wieder in Ordnung.

»Hallo?« Er meldete sich immer, als erwarte er einen Telefonverkäufer, der ihm Doppelfenster andrehen wollte.

Der Schock, nach achtzehn Monaten zum ersten Mal wieder seine Stimme zu hören, löschte den geprobten Text von ihrer Festplatte. Ihre Zunge war so trocken, dass sie sie buchstäblich vom Gaumen losreißen musste, und dann fühlte sie sich so dick an, dass das »Hi, Henry! Äh, hi, hier ist Jackie« völlig verquetscht herauskam. Um jeden Irrtum auszuschließen – immerhin konnte es ja sein, dass er inzwischen noch eine Jackie kennengelernt hatte –, setzte sie hinzu: »Deine Frau.«

Doch er sprach unbeirrt weiter. »Es tut mir leid, dass ich Ihren Anruf im Moment nicht persönlich entgegennehmen kann, aber wenn Sie mir eine Nachricht hinterlassen, rufe ich zurück.«

Typischerweise endete die Ansage ohne ein Abschiedswort. Das wäre ihm zu höflich, zu normal. Stattdessen wurde der Anrufer übergangslos mit einem schrillen Piepton abgefertigt.

Sie fragte sich, warum es sie überraschte, dass er nicht zu Hause war. Es war Freitagabend, und er arbeitete höchstwahrscheinlich. Oder hing mit Kollegen von der Zeitung bei der Eröffnung einer neuen Schickimicki-Bar herum. Oder lag sogar mit jemandem im Bett und wollte nicht gestört werden. Machte weiter, als wäre nichts passiert. Als wäre Jackie nur eine atmosphärische Störung in seinem Leben gewesen und die Übertragung liefe jetzt wieder reibungslos.

Ohne ein weiteres Wort legte sie behutsam auf.

Kapitel 2

Jackies Meinung nach konnte man so gut wie alles durch Blumen vermitteln. Einige Leute hielten das für ein Klischee. Mit denen machte sie dann einen kleinen Test, indem sie sie bat, sich etwas auszudenken, was sie ausdrücken wollten.

»Also, mal sehen ... ich hätte gern, dass mein Mann den wöchentlichen Großeinkauf im Supermarkt übernimmt. Ich wette, das kann man nicht mit Blumen ausdrücken.«

Worauf Jackie fragte: »Hat Ihr letzter Strauß für ihn funktioniert?«

»Ich habe ihm noch nie einen geschenkt.«

»Das ist ja ein Jammer! Können Sie sich nicht vorstellen, wie er sich darüber freuen würde? Wahrscheinlich würde er den ganzen Weg zum Supermarkt hüpfen wie ein Kind!«

»Vielleicht ...«

Die meisten Kunden jedoch wollten die üblichen Dinge transportieren – Glückwünsche, Beileidsbekundungen oder Valentinstagsgrüße, und so hatte Jackie bei Flower Power eine Auswahl von Blumenarrangements zu speziellen Anlässen entwickelt. Zur Geburt ein »Willkommen, kleiner Liebling!« in Rosa oder Blau und Beileidssträuße zum Tod. Die »Hi-neuer-Nachbar!«-Variante und die »Es-hat-mich-gefreut-Sie-kennenzulernen«-Version liefen ein wenig zäh, und Emma plädierte dafür, sie einzustellen, aber Jackie vertraute als unverbesserliche Optimistin darauf, dass sie bald ein Renner würden.

Manchmal, wenn sie morgens den Laden aufsperrte und sie der Duft frischer Blumen empfing, hatte sie beinahe das Gefühl, dass Floristin sein eine Berufung war. Immerhin war dieser Beruf der einzige, in dem sie gebeten wurde, für einen Blumentribut an Geburten, Todesfälle, Liebesgeschichten, Jahres-, Mutter- und Vatertage und künftige Bräute zu sorgen. Gewissermaßen fand sich jeden Tag das gesamte Spektrum der menschlichen Existenz in ihrem Laden ein und bat um ihre kundige Beratung.

Sie konnte beinahe alles aus Blumen machen: Brautkränze, Girlanden, sogar Mosaiken. Der bisher ausgefallenste Auftrag war eine Blumeneisenbahn gewesen. Jackie hatte die Herausforderung angenommen und aus Knospen Waggons gestaltet – jeden in einer anderen Farbe –, wofür sie grenzenlose Bewunderung erntete. Lech, der Ausfahrer, hatte erklärt, es sei ein Jammer, dass sie keinen Preis für das originellste Blumenarrangement gebe, denn Jackie würde ihn mit links gewinnen. Heute überlegte sie, ob sie eine neue Reihe ins Sortiment aufnehmen sollte: »Es tut mir so leid«. Oder »Hoppla! Ich hab dich angelogen«. Vielleicht sogar »Bitte nimm mich zurück!«.

Sie hatte es Dan heute früh gleich nach dem Aufwachen gebeichtet. Entgegen ihrer Erwartung hatte er sich nicht darüber ausgelassen, sondern kommentarlos seine Laufschuhe und die glänzenden kurzen Jogginghosen angezogen und war zur Haustür hinausgejoggt. Aber das war nicht allzu ungewöhnlich, hatte Jackie sich getröstet: Nach einer schwierigen Vorstandssitzung joggte er oft meilenweit, sogar im tiefsten Winter, tauchte plötzlich zwischen Büschen oder aus Seitenstraßen auf und erschreckte Passanten zu Tode. Aber nach zwei Stunden war er immer noch nicht zurück. Dann rief eine Freundin, die zehn Meilen entfernt im Stoßverkehr steckte, an, um ihr zu sagen, dass Dan sie gerade überholt habe und in Richtung Dubliner Berge laufe. Kurz darauf musste Jackie ins Geschäft.

»Ich glaube nicht, dass er es in seinen Joggingshorts da oben lange aushält«, meinte Emma trocken. »Nachts wird es dort ziemlich kalt. Wahrscheinlich ist er zum Tee wieder zurück.« Aber sie schaute Jackie nicht an, als sie das sagte, sondern arbeitete weiter konzentriert an einem Kranz. Während Jackies Spezialität hippe Brautsträuße waren, verstand Emma sich hervorragend auf Düsternis und Kummer, und sie schaffte es in neun Minuten, einen erstklassigen Kranz zu binden. Sie war so gut darin, dass die beiden Altenheime am Ort fast ausschließlich Flower Power beauftragten.

»Meinst du wirklich?«, fragte Jackie.

»Mit Bestimmtheit kann ich es natürlich nicht sagen, denn ich kenne Dan ja gar nicht.«

»O Emma. Ich war nicht auf die Idee gekommen, dass er mir einen Antrag machen würde, okay? Es kam wie aus heiterem Himmel.«

»Also wie beim letzten Mal.«

Autsch. Jackie konnte nicht fassen, dass Emma noch immer sauer war deswegen. So was von nachtragend! Der Blumenladen war damals noch ein Luftschloss gewesen. Und er hatte noch nicht diesen Namen gehabt. Emma hatte Blooming Marvellous vorgeschlagen. Als dann die Bank einen Businessplan verlangte, hatte Emma, die Vernünftige, sich in eine solche Hektik hineingesteigert, dass sie Herzrhythmusstörungen bekam, und der Arzt meinte, sie sei nicht zur Geschäftsfrau geboren. Aber irgendwie hatte sie Jackie die ganze Schuld am Scheitern des Projekts gegeben, weil sie »ja unbedingt nach London gehen musste, um diesen Kerl zu heiraten«.

Nun ja, das hatte sie getan. Aber das taten Menschen eben, wenn sie verliebt waren! Irgendein Wahnsinn übernahm das Ruder, und das praktische Denken – ohnehin nie Jackies Stärke – flog zum Fenster hinaus. Die Leute taten verrückte, unvorhersehbare Dinge, besonders, wenn einer von ihnen in einem anderen Land lebte und die Wochenenden nicht mehr genügten. Es war nie die Frage gewesen, wer von ihnen beiden sein Leben aufgeben und zu dem anderen ziehen würde: Jackie träumte davon, einen Blumenladen zu eröffnen, und Henry war, nun, Henry Hart.

Wenn sie jetzt darüber nachdachte, konnte sie kaum glauben, mit welcher Naivität sie in das Ganze hineingestolpert war und mit welch erhebendem Gefühl der Selbstaufopferung – und mit welch lächerlicher Vorstellung von einem großen, romantischen Abenteuer, das in London in Glück und Geborgenheit münden würde. In Wirklichkeit hätte Henry eine Fernbeziehung vorgezogen, die nur aus schönen Stunden bestand und nicht durch Alltäglichkeiten und Pflichten beeinträchtigt wurde. Auf die Weise hätte er sie das ganze Wochenende bumsen und dann am Sonntagabend mitsamt ihrer Anhänglichkeit in eine Maschine der Ryanair verfrachten können. Unter diesen Umständen wären sie wahrscheinlich heute noch zusammen.

»Sei nicht böse mit mir, Emma«, bat Jackie.

Emma wandte sich ihr zu und schaute sie mit ihren braunen Augen an. Alles an Emma war braun – von ihrem Bubikopf bis zu ihren bequemen, flachen Schuhen mit den runden Kappen. Und sie war ein Mensch, den man anrufen würde, wenn das Haus in Flammen stand oder man einen Brief vom Finanzamt bekommen hatte. In einem Enid-Blyton-Roman wäre sie diejenige, die den Kindern zum Tee Gingerale und Sandwiches mit eingemachtem Fleisch machte.

»Vielleicht hast du mich ja nie mit Dan bekanntgemacht, weil du dachtest, ich wäre nicht interessant genug für ihn«, sagte sie. »Vielleicht dachtest du, ich könnte nur über Gänseblümchen und Unkrautvertilger reden und wäre nicht auf dem Laufenden, was den NASDAQ angeht oder den Dow Jones oder ... oder ... den Wechselkurs des Euro.« Sie hatte sich eine Schere gegriffen und wedelte damit gefährlich durch die Luft.

»O Emma.«

»Ich bin vielleicht nicht die gebildetste Person auf diesem Planeten, aber ich kann mich durchaus behaupten.« Sogar ihre Kopfhaltung drückte aus, wie gekränkt sie war, und sie traktierte den Kranz derart wild mit der Schere, dass er kahle Stellen bekam.

»Ich wollte dich einfach nicht in die unangenehme Lage bringen, ihn anlügen zu müssen, solange ich ihm nicht gesagt habe, dass ich verheiratet bin.«

Emma schnaubte, aber es war ein Vielleicht-lasse-ich-mich-ja-überzeugen-Schnauben.

»Das ist mein Ernst, Emma. Stell dir vor, wenn ich einen gemütlichen Abend für uns drei arrangiert und dich zum Stillschweigen verdammt hätte?«

»Na ja – so gesehen ...«

»Und seien wir ehrlich – du bist eine katastrophale Lügnerin.«

Früher, als sie sich eine Wohnung teilten, hatte Jackie Emma einmal gebeten, einem Freund vorzumachen, dass sie nicht zu Hause sei. Emma hatte zwar brav behauptet: ›Sie ist nicht da, sie ist wirklich nicht da‹, doch ihre Hand hatte sich selbstständig gemacht – später beschrieb sie es als eine übernatürliche Kraft – und auf die Zimmertür gedeutet, hinter der Jackie kauerte.

»Also, was ist jetzt? Willst du mir nicht gratulieren?«, fragte Jackie in lockerem Ton. »Champagner fließen lassen?«

Aber Emma sah sie nur besorgt an. »Wie ist er denn?«, fragte sie. »Dan? Ich meine, wirklich.«

»Er ist wunderbar, Emma. Warte ab, bis du ihn kennenlernst, du wirst ihn lieben.«

»Es klingt nur gar nicht so, als wäre er dein Typ. Ich meine ... Rugby ...?«

Das war wieder typisch Emma mit ihren festen Vorstellungen: unbeugsam, unnachgiebig, nicht bereit, Alternativen wie Business Banking Manager in Betracht zu ziehen – die in ihren Augen eben nicht so aufregend sein konnten wie Londoner Medientypen wie Henry.

»Seit wann muss man denn bei einem Typ bleiben?«, fragte Jackie lachend und nahm sich vor, dafür zu sorgen, dass Dan, wenn er Emma kennenlernte, nicht eines seiner gestreiften Rugbyhemden trüge oder einen klimpernden Schlüsselbund an seinem Gürtel.

Die Glocke über der Ladentür bimmelte, und Lech kam von einer Auslieferung zurück. »Die Ledersitze in meinem Wagen sind so heiß, dass ich daran festklebe«, berichtete er fröhlich, und sein weißes Unterhemd war tatsächlich durchgeschwitzt. Emma schürzte missbilligend die Lippen. Seinerzeit hatte sie Jackie berichtet, ihn wegen seines Aussehens ausgesucht zu haben. Weil er Italiener war! Dann hat sich herausgestellt, dass er Pole war, kein Tropfen italienisches Blut sich in diesem stämmigen, muskulösen Körper befand. Seine Mutter war eine echte Spanierin, die seinen Vater in der Nähe von Warschau auf der World Potato Grower Convention kennengelernt hatte, und es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie hatten sich nahe der ukrainischen Grenze niedergelassen, Kartoffeln angebaut und Kinder großgezogen. Das Leben an der ukrainischen Grenze bot nicht viele Möglichkeiten für junge Polen, die aussahen wie Italiener und in deren Adern spanisches Blut floss, und da er fand, sich als Europäer bezeichnen zu dürfen, war er nach Irland gekommen. Um viel Geld zu verdienen. Und Frauen kennenzulernen. Einige seiner polnischen Freunde, die vor ihm hierhergekommen waren, hätten ihm bei ihren Besuchen in der Heimat erzählt, dass die irischen Frauen ausgesprochen heiß seien. Er hatte von Jackie zu Emma geschaut, die sich an diesem Punkt des langen Vorstellungsgesprächs an die Armlehnen ihres Stuhls klammerte, und gelacht. »Das war doch nur ein Witz!« Er wurde wieder ernst. »Aber nur das mit den Frauen. Das mit dem Geldverdienen nicht. Ich habe zwei Jobs – als Pizzaausfahrer und Prospektverteiler –, aber ich kann Sie noch einbauen.«

Wenigstens habe er Humor, hatte Jackie anschließend zu Emma gesagt, doch Emma hatte ihn auf den ersten Blick nicht leiden können. Er war ihr zu laut, zu selbstbewusst, zu ehrgeizig und überhaupt. Und diese hautengen, weißen Unterhemden! Hielt er sich für Marlon Brando oder was? Sein Anblick allein genügte, um sie in Rage zu bringen, und sie beharrte darauf, seinen Namen falsch auszusprechen, obwohl er ihr immer wieder erklärte, wie er korrekt ausgesprochen wurde.

»Hey, Jackie«, sagte er jetzt. »Ich habe über den Typen nachgedacht, mit dem Sie verheiratet sind. Wenn Sie wollen, könnte ich ihn beseitigen lassen. Ich kenn da ein paar Leute ... Es würde ungefähr fünftausend Euro kosten.«

Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen. Dann kicherte er übermütig. »Das war ein Witz!«

»Ich habe den Vorschlag auch nicht ernst genommen ...«

»Stimmt nicht! Ich habe es Ihnen angesehen!« Sein Lachen war so fröhlich, dass es ihr schwerfiel, nicht einzustimmen.

»Man weiß nie«, sagte sie. »Vielleicht komme ich ja noch darauf zurück.«

»Dann ist der wohl ein echter Arsch, was?« Jetzt war er voller Mitgefühl. »Sie verdienen einen netten Mann, Jackie. Einen, der Ihr Herz zum Singen bringt. Einen, der Sie hier anspricht.« Er schlug sich mehrmals mit der Faust an die breite, braune Brust.

»Die Bestellungen da müssen raus«, mischte Emma sich ein. »Falls Sie die Zeit erübrigen können.«

Damit war die Party zu Ende. »Klar«, sagte er leichthin, aber seine Schultern wirkten plötzlich verkrampft.

Er sammelte die Bestellungen ein. »Hoffentlich haben Sie die Adressen diesmal leserlicher geschrieben.«

Die Ladentür klappte hinter ihm zu.

»Hast du das gehört?«, fragte Emma indigniert. »Er versucht, mir die Schuld für die Verwechslung zuzuschieben.«

»Deine Schrift ist aber wirklich schrecklich, Emma.«

»Ich habe keinen Fehler gemacht.«

»Schon möglich, aber du solltest netter zu ihm sein. Er tut sein Bestes.«

»Er arbeitet auf Probe hier«, erwiderte Emma, »und ich finde, wir sollten ihn gehen lassen, wenn der Monat um ist.« Als wolle sie alles Unangenehme auf einmal hinter sich bringen, fuhr sie fort: »Und was ist mit Henry? Oder soll ich das Thema lieber nicht anschneiden?«

Jackie war darauf vorbereitet, dass Henry früher oder später zum Gesprächsthema werden würde, und antwortete: »Ich habe nichts dagegen, dass du es anschneidest.« Angesichts ihrer beunruhigenden Reaktion auf seine Stimme auf dem Band letzte Nacht freute sie sich, dass sie jetzt so nonchalant klang, sogar gleichgültig. Die Zeit war tatsächlich ein Wunderding. Heute Morgen konnte sie sich durchaus vorstellen, ihm fröhlich zuzuwinken, wenn sie ihm in der Mittagspause auf der Straße begegnete.

»Du bist immer noch mit ihm verheiratet, Jackie.«

»Das ist richtig, aber ich werde mich jetzt natürlich von ihm scheiden lassen. Auf der Stelle.« Das hatte sie ihm gestern Abend mitteilen wollen. Aber warum sollte sie ihm eigentlich derart entgegenkommen? Er würde von ihrem Anwalt hören. »Und sobald ich frei bin, heirate ich Dan.«

»Das wird sicher ein komisches Gefühl sein, gleich nach der Scheidung wieder zu heiraten«, meinte Emma.

»Henry war ein Fehler«, erklärte Jackie mit Überzeugung. »Und ich werde nicht ewig rumsitzen und meine Wunden lecken. Ich habe den Richtigen gefunden, und es gibt keinen Grund zu warten. Auf keinen Fall Henrys wegen.«

»Hauptsache, ihr seid wirklich fertig miteinander.«

»Ich will einen anderen heiraten, Emma. Wie viel fertiger könnte ich mit Henry sein?«

»Es ist nicht der Weltuntergang, Jackie«, überraschte Dan sie.

»Ist es nicht?« Sie musterte ihn prüfend. Er saß, noch immer in seine Joggingshorts gewandet, auf dem Sofa. In diesem Aufzug konnte er kaum im Büro gewesen sein. Aber sie wollte sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, wie er den Tag verbracht hatte. Er war wieder da, er war zu Hause.

»Es wäre mir natürlich lieb gewesen, ich hätte von Anfang an Bescheid gewusst«, fuhr er fort. »Aber nachdem du es mir jetzt gesagt hast, habe ich einige Fragen.«

»Okay«, sagte sie zerknirscht. »Was willst du wissen?«

»Fangen wir mit diesem Henry an.« Er schlug die nackten Beine übereinander und gab sich souverän.

»Deinem Mann.«

Er war wirklich großartig. Kein bisschen wie Desperate Dan, was, wie sie erfahren hatte, sein Spitzname als Rugbyspieler gewesen war.

»Er ist eigentlich schon mein Exmann – die Scheidung müsste sehr schnell durch sein«, wagte sie eine kühne Behauptung. »Wahrscheinlich innerhalb weniger Wochen.« Schließlich waren keine Interessen von Kindern zu berücksichtigen, und es gab kein nennenswertes gemeinsames Vermögen und keinen Besitz außer dem Haus. Wahrscheinlich erschöpfte sich das Ganze in ein paar Unterschriften und der Rückgabe von Reserveschlüsseln und einigen Dingen.

»Wie lange wart ihr verheiratet?«, wollte Dan wissen.

»Ein Jahr. Nicht der Rede wert.« Sie sprach mit der Stimme, die sie normalerweise bei kleinen Kindern und schwierigen Kunden anwandte.

»Aha.« Er wirkte völlig gelassen.

»Unsere Beziehung war von Anfang an zum Scheitern verurteilt«, erklärte sie. »Ich erkannte das nur damals nicht.« Sie lachte auf. »Henry und ich waren die unkompatibelsten Menschen, die man sich vorstellen kann. Man hätte selbst mit größter Mühe keine zwei unterschiedlicheren Charaktere finden können. Stell dir vor – er hatte nicht einmal Interesse an Schuhen!«

Dan lächelte höflich. »Und – was gibt es sonst noch über ihn zu sagen? Nur, damit ich mir ein Bild von ihm machen kann.«

»Mmm ... er ist Texter.« Das war das am wenigsten Beleidigende, das ihr auf die Schnelle einfiel. »Und er isst gern – und viel. Und er trinkt auch reichlich.« Das stimmte zwar nicht wirklich, aber sei’s drum. »Dan, ich möchte mich entschuldigen, dass ich es dir nicht schon früher erzählt habe. Ich fürchtete mich einfach vor deiner Reaktion. Ich ahnte ja nicht, dass du es so ruhig aufnehmen würdest. Du bist großartig.«

Er wischte ihre Schmeichelei mit einer Handbewegung weg. »Wie sieht er aus?«

»Du willst wissen, wie Henry aussieht?«

Er lachte ein wenig verlegen. »Ich bin eben neugierig. Sieht er aus wie ich?«

Jackie lächelte. Dan war ein Teddybär, Henry ein gefährliches Raubtier, das am besten im Zoo hinter einer dicken Glasscheibe gehalten werden sollte. »Ich kann dir versichern, dass er keinerlei Ähnlichkeit mit dir hat.«

»Wie soll ich das verstehen? Sieht er besser aus als ich?«

Seine Gelassenheit war reines Theater gewesen! Jackie sah seine Kiefermuskeln spielen, wie man es bei schlechten Schauspielern beobachten konnte, die im Film innere Anspannung ausdrücken wollten.

»Nein – einfach ganz anders ...«

»Ich wette, er hat dir besser gefallen.« Jetzt zuckten die Muskeln bis zu den Augen hinauf. Er blinzelte beunruhigt und blaffte: »Vielleicht hatte er aber auch Charisma. Oder ein fettes Bankkonto. Oder einen großen Schwanz.«

»Dan! Hör sofort auf!«

Er ließ sich nach hinten fallen und schlug die Hände vors Gesicht wie ein Kind, das sein wütendes Schluchzen verbergen will. »Tut mir leid«, murmelte er undeutlich.

»Ist schon okay.«

Dan nahm die Hände herunter und setzte sich auf. »Ich wollte wissen, wie er war, dieser Typ, von dessen Existenz ich bis heute Morgen nichts ahnte. Dieser Typ, mit dem du verheiratet bist.« Er rieb sich die Wangen. »Ich dachte, wenn ich mir eine Vorstellung von ihm machen könnte, würde es mir besser gehen. Aber so ist es nicht.«

Sein Kummer tat Jackie in der Seele weh. »Es ist doch völlig unwichtig, wie Henry aussieht oder was mich zu ihm hinzog. Wichtig ist nur, dass es vorbei ist. Und es war schon vorbei, ehe ich dich kennenlernte.«

Doch Dan war nicht so leicht zu trösten. »Ich habe dir von all meinen Verflossenen erzählt!« Es hatte zwei Nächte und mehrere Fotoalben lang gedauert – und zwecks Namensüberprüfungen die Zurateziehung eines kleinen, anschließend vernichteten, schwarzen Adressbüchleins erfordert. »Ich glaube, du hast es mir verschwiegen, weil du noch etwas für ihn empfindest.«

»Das tue ich nicht.«

»Warum dann?«

»Ich hab dir doch erklärt, dass ich Angst hatte ...«

»Komm mir nicht wieder mit diesem Quatsch!«

»Dan!«

»Weißt du, ich spürte gleich, dass etwas nicht stimmte, dass du mit irgendwas hinter dem Berg hieltest. Ich meine, welche Frau schleppt nicht mindestens ein Dutzend Freundinnen an, damit sie den ›Neuen‹ begutachten? Du schienst keine einzige zu haben! Ich wurde auch deiner Familie nicht vorgestellt. Du berichtetest mir minutiös jedes Detail deines Lebens von deinem ersten Schritt an bis vor drei Jahren – und plötzlich war Schluss! Nun, jetzt kenne ich den Grund dafür. Henry.« Er hatte sich so in Rage geredet, dass ihm der Schweiß auf der Stirn stand.

»Vielleicht habe ich es dir ja nicht erzählt, weil ich die Vergangenheit hinter mir lassen wollte«, sagte Jackie. »Ist das so schlimm? Vielleicht wollte ich nach einem katastrophalen Ehejahr neu anfangen und es nicht wieder und wieder durchkauen.« Auch ihr wurde warm. »Hast du eine Ahnung, wie viele Stunden ich damit zugebracht habe, über Henry zu reden? Wie viele Tage meines Lebens ich an ihn verschwendet habe? Wie meine ganze Persönlichkeit von diesem Mann geschluckt wurde, bis ich mich irgendwann fragte, ob ich überhaupt existiert hatte, bevor ich ihn kennenlernte? Aber schließlich war meine Schmerzgrenze erreicht, und ich sagte stopp! Und das war der Moment, in dem ich begann, mich von ihm zu lösen.«

»Jackie ...«

»Ja, ich habe ihn dir verschwiegen, und das war unrecht. Aber ich habe es nicht getan, weil ich dir etwas vormachen wollte, und auch nicht, weil ich noch etwas für ihn empfinde. Als ich dich traf, war ich einfach Jackie Ball, nicht eine Hälfte eines gescheiterten Ehepaares. Es gefiel mir, Dan, und ich werde mich nicht dafür entschuldigen.«

»Ich habe doch nur gefragt«, sagte Dan kleinlaut.

Das brach das Eis. Mit einem leisen »Puh!« ließ Jackie sich neben ihn aufs Sofa fallen. »Ich weiß, ich hätte es dir gleich erzählen sollen – aber Henry ist Geschichte. Ich bin jetzt mit dir zusammen.«

»Ich denke, das ist das Wichtigste«, meinte er. »Ein Glück, dass ich nichts gegen Secondhandware habe.« Einen Moment lang glaubte sie, er meine es ernst. Dann versetzte sie ihm einen gespielten Stoß. »Mistkerl.«

Doch die Luft knisterte noch immer vor Spannung. Er würde eben eine Weile brauchen, um damit fertig zu werden, vermutete sie.

»Die Scheidung wird schnell durch sein«, versicherte sie ihm noch einmal. »Und dann brauchen wir beide keinen Gedanken mehr an Henry zu verschwenden.«

Kapitel 3

»O nein, meine Liebe – Sie müssen sich auf vier Jahre gefasst machen«, erklärte ihr Velma Murphy, ihre Anwältin. »Das ist Gesetz in Irland – und sogar dann sprechen sie eine Scheidung nur höchst ungern aus.«

»Vier Jahre?«, wiederholte Jackie entsetzt. »Das glaube ich Ihnen nicht!«

»Okay«, fuhr Velma sie an, »dann beweise ich es Ihnen eben.« Und sie begann auf ihrem chaotischen Schreibtisch herumzusuchen.

»Lassen Sie nur, Velma«, sagte Jackie. »Ich habe es nicht so gemeint.«

Velma war offenbar eine Mimose – aber auch eine Scheidungsspezialistin. Das hatte zumindest in dem Zeitungsinserat gestanden – unter den Worten Schnell! Diskret! Honorar nach Vereinbarung!

Normalerweise wäre Jackie nicht darauf angesprungen, denn es klang ein wenig unseriös, und Emma hatte sie gedrängt, zu einer der Sozietäten in der Innenstadt zu gehen, die in grauen, seriös wirkenden Gebäuden residierten – doch das zu dem Inserat gestellte Foto hatte Jackie angesprochen. Darauf erschien Velma als eine würdevolle Frau von Ende dreißig oder Anfang vierzig mit streng zurückgekämmtem Haar und einem Ausdruck in den großen Augen, der vermittelte, dass sie aus Erfahrung wusste, wie der Schmerz sich anfühlte. Zwischen all den Anzeigen für Gebrauchtwagen und Spitzenhellsehern stach Velmas Foto mit Integrität und Menschlichkeit hervor.

Als Jackie in dem engen, vollgestopften Büro von einer kleinen, extrem dicken Frau undefinierbaren Alters empfangen wurde, erkannte sie, dass die Anwältin das Foto einer anderen in die Zeitung gesetzt hatte.

»Oh, das ist Susan«, hatte Velma auf ihre Frage hin erklärt. »Sie kommt dreimal in der Woche und erledigt den Schreibkram. Ich wollte etwaige Mandanten nicht abschrecken.« Sie schaute Jackie durchdringend an. »Äußerlichkeiten sind heutzutage ausschlaggebend, stimmt’s?«

Velma hatte endlich gefunden, was sie suchte, und las mit unheilschwangerer Stimme vor: »Nach irischem Gesetz müssen die Parteien vier Jahre von Tisch und Bett getrennt leben, bevor das Scheidungsverfahren eingeleitet werden kann.« Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr Dreifachkinn von einer Seite zur anderen schwang. »Einfach unmenschlich. Ich meine, wir wollen ja keine Zustände wie in Amerika haben, wo man seine Scheidung in einer halben Stunde kriegt, so wie man einen Big Mac bestellt. Das finde ich nicht richtig. Aber vier Jahre?« Aufgebracht wedelte sie mit dem Blatt Papier in ihrer Hand. »Was versprechen sich die Typen da oben davon? Dass die Frau sich im vierten Jahr auf wunderbare Weise wieder in den Arsch verliebt, der mit ihrer besten Freundin geschlafen hat? Oder in den Kotzbrocken, der auf einem zweiwöchigen Thailand-Urlaub mit seinen Kumpels das gemeinsame Sparkonto leer gesoffen hat?«

»Henry hat nicht ...«

»Ich hatte letzte Woche eine Frau hier, deren Mann in einem Büchlein notierte, wann sie das Haus verließ und wann sie zurückkam. Er hielt sogar fest, wie lange sie mit ihren Freundinnen telefonierte!«

»Das ist ja ungeheuerlich«, empörte sich Jackie, die sich sofort in diese arme Person hineinversetzte. Dagegen war ihre Ehe ja das reine Paradies gewesen.

Velma nickte grimmig. »Denken die, dass die sich plötzlich im dritten Jahr wieder glühend in diesen kleinen Schatz verliebt? Dass sie sein Büchlein so sehr vermisst, dass sie ihm unbedingt eine zweite Chance geben will? Blödsinn. Mit ein bisschen Glück liegt sie in Spanien am Strand und feiert mit einem Drink ihre Freiheit!« Sie war laut geworden, und ihre Augen blitzten kriegerisch, doch dann fuhr sie in gemäßigtem Ton fort: »Natürlich können Frauen genauso schlimm sein. Ich hatte auch schon Männer auf dem Stuhl da, auf dem Sie sitzen, die bitterlich weinten, weil ihre Frauen sie beim Frühstück niedergemacht hatten. Das ist typisch weiblich – hier sind Worte die Waffen. Wenn ein Mann fünfundzwanzig Jahre lang täglich gesagt bekommt, dass er ein jämmerlicher, hässlicher Loser sei ...« Ihre Stimme verlor sich, und auf ihrem Gesicht malte sich ein Kummer, als empfinde sie den Schmerz jeder Trennung auf der Welt mit.

Auch Jackie spürte, wie Niedergeschlagenheit von ihr Besitz ergriff. Und dabei war sie mit einem solchen Optimismus hier hereingekommen, überzeugt, dass sie dieses leidige Kapitel in kürzester Zeit hinter sich bringen und ein neues beginnen könnte. Das hatte sie Dan versprochen, der draußen im Auto saß und mit der Durchsicht möglicher Räumlichkeiten für ihren Hochzeitsempfang beschäftigt war.

»Ist es nicht noch ein bisschen früh dafür?«, hatte sie ihn gefragt.

»Man muss sich rechtzeitig kümmern, wenn man das Beste haben will.« Er fuhr mit dem Finger an einer Auflistung von Burgen und Nobelgasthöfen entlang. Sie hatte sich einen intimen Nachmittag in einem kleinen Hotel vorgestellt.

»Die sehen alle so ... groß aus«, meinte sie zögernd.

»Wir werden ja auch ungefähr zweihundert Personen sein.«

»Zweihundert!«

»Die Verwandtschaft aus Übersee nicht mitgezählt!« Er sah sie an. »Ist das okay?«

»Es war mir nicht klar, dass es eine Society-Hochzeit wird.«

Er überging ihren Sarkasmus und sagte: »Ja, sicher wird es das. Schließlich ist Daddy eine Größe in der Pharmaindustrie.«

Vielleicht erklärte das den ständig glasigen Blick seiner Mutter.

»Ich werde nur einmal heiraten, Jackie.« Er wurde rot. »Entschuldige.«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Dan.« Das Thema war noch immer brisant. Als am Abend zuvor in den Fernsehnachrichten das Wort Ehescheidung fiel, hatten sie beide sofort nach der Fernbedienung gegriffen. Es würde wohl ein wenig länger dauern als angenommen, bis er sich an den Gedanken gewöhnte.

»Und wie lange, glaubst du, wird das mit der Scheidung dauern?«, hatte er gefragt.

»Drei Monate«, hatte sie leichthin geantwortet.

»Höchstens vier.«

Und jetzt hieß es vier Jahre! Wie sollte sie das Dan beibringen? Na ja – immerhin bliebe so reichlich Zeit, mit Hello! die Bedingungen für einen Exklusivbericht über die Hochzeit auszuhandeln, dachte sie sarkastisch.

»Was hat er getan?«, holte Velma sie mit freundlicher Stimme aus ihren Gedanken.

»Wie bitte?«

»Was hat Ihr Mann getan? Wenn ich Sie mir so ansehe, tippe ich auf Spielsucht.«

»Nein.«

»Oh.« Sie war sichtlich enttäuscht. »Normalerweise erkenne ich es. Gestern habe ich einen Bigamisten erraten.«

»Nun, getan hat Henry eigentlich nichts«, sagte Jackie.

»Hören Sie – es muss Ihnen nicht peinlich sein. Glauben Sie mir – es gibt nichts, was ich noch nicht gehört hätte. Ich könnte Ihnen Storys erzählen! Aber natürlich ist das alles streng vertraulich.« Sie bedauerte diesen Umstand offenkundig. »Also?«, fragte sie erwartungsvoll.

Jackie fühlte sich genötigt, mit irgendeiner Ungeheuerlichkeit aufzuwarten, die Henry sich hatte zuschulden kommen lassen, mit etwas Dramatischem und möglichst Abstoßendem. Konnte es sein, dass Velma einen Test durchführte und nur Leute mit den grausigsten Geschichten als Mandanten annahm? Und würde es, wenn sie, Jackie, nichts Entsprechendes vorbrächte, nicht so aussehen, als wolle sie Henry schützen? Der Gedanke war so schrecklich, dass sie wünschte, sagen zu können, ihn mit einer Ziege im Bett ertappt zu haben.

Velma entging ihr Zögern nicht. Und sie fragte freundlich:

»Was war es? Hat er Sie betrogen? Kein Grund für Sie, sich zu schämen. Das passiert stets und ständig. Es spricht nicht gegen Sie ...«

»Nein, er hat mich nicht betrogen«, fiel Jackie ihr ins Wort.

»Oh. Okay.«

»Wir passten einfach nicht zusammen«, setzte Jackie hinzu.

»Aha.« Velma nickte. »Das Feuer-und-Wasser-Syndrom. Damit habe ich es auch oft zu tun. Natürlich ziehen Gegensätze sich an, aber es kann auch mit schweren körperlichen Misshandlungen enden. Ehrlich gesagt frage ich mich bei manchen Paaren, wie in aller Welt sie auf die Idee kommen, miteinander glücklich zu werden. Ich spreche von denen, die sich schon nicht über den Rahmen für ihren Hochzeitsempfang einig werden. Können Sie sich das vorstellen?«

»Machen wir bitte weiter?«, warf Jackie ein. »Mein Verlobter sitzt draußen im Auto. Es ist ein heißer Tag, und ich glaube, ich habe kein Fenster für ihn offen gelassen.«

»Tut mir leid«, entschuldigte sich Velma. »Manchmal geht die Bitterkeit einfach mit mir durch.« Geschäftig konsultierte sie ihre Notizen. »Nachdem Sie einen Verlobten erwähnt haben – ganz schön mutig, Mädchen! –, nehme ich stark an, dass Sie nicht vier Jahre auf die Scheidung warten wollen, richtig?«

»Habe ich denn eine Wahl?«

»Es gibt Möglichkeiten. Bisher hat noch keiner meiner Mandanten vier Jahre warten müssen«, antwortete Velma großtuerisch. »Meine schnellste Scheidung wurde nach drei Wochen ausgesprochen.«

»Drei Wochen!«

»Freuen Sie sich nicht zu früh. Es war eine dieser Hippie-Ehen, am Strand von Haiti geschlossen und nicht ordnungsgemäß registriert.« Sie nahm sich einen Fragebogen vor und schaute Jackie hoffnungsvoll an. »Wurde Ihre Eheschließung vielleicht auch nicht ordnungsgemäß registriert?«

»Doch – das war alles legal«, antwortete Jackie mit Bedauern.

Kreuzchen.

»Und keiner von Ihnen beiden war zum Zeitpunkt der Heirat anderweitig gebunden und verschwieg diese Tatsache?«

»Nein.«

Kreuzchen.

Velma räusperte sich. »Und ich gehe davon aus, dass die Ehe vollzogen wurde.«

»Äh, ja. Mehrmals.« Dezent ausgedrückt.

Kreuzchen. »Nur eine Routinefrage – kein Grund, ins Detail zu gehen.« Die Anwältin klopfte sich mit dem Kugelschreiber an die unregelmäßigen Zähne. »Unsere Möglichkeiten verringern sich zusehends. Steht denn fest, dass Ihr Mann am Leben ist?«

»Was?«

»Ich meine, wir hoffen es natürlich – aber es würde die Dinge für Sie ungeheuer vereinfachen, wenn er es nicht wäre.«

»Absolut sicher bin ich natürlich nicht, aber ich habe vor zwei Tagen bei ihm in London angerufen und hatte seinen AB dran.«

»Aha.« Velma schien die Puste auszugehen. Vielleicht dachte sie darüber nach, dass sie das Versprechen Schnell! in ihrem Zeitungsinserat in Jackies Fall wohl nicht würde einlösen können. Sie saß, das Dreifachkinn in eine Hand gestützt, hinter ihrem Schreibtisch und starrte an Jackies Kopf vorbei auf die Wand, als erwarte sie von dort eine Inspiration. Jackie folgte ihrem Blick in der Annahme, dass ein Juradiplom dort hinge, doch es war nur eine Bestätigung, dass Velma an dem örtlichen Lesemarathon teilgenommen hatte. Ein ordentlicher Qualifikationsnachweis war nirgends zu entdecken.

»London!«, sagte Velma plötzlich. »Sie haben ihn in London gesprochen?«

»Nein. Ich hatte seinen Anrufbeantworter dran.«

»Wer war in London? Sie oder sein Anrufbeantworter?«

»Sein Anrufbeantworter. Henry lebt dort. Er ist Engländer.«

»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?« Die Anwältin griff nach einem Notizblock.

»Sie haben mich nicht danach gefragt.«

»Wie lange lebt er schon in England?«

»Seit seiner Geburt. Ich bin zu ihm gezogen, als wir heirateten.«

»Also lebte er auch dort, als Sie ihn vor achtzehn Monaten verließen?« Velma war aufgeregt wie ein Detektiv, der den alles entscheidenden Hinweis bekommen hat.

»Ich habe ihn nicht verlassen. Ich ging, weil ...«

»Ja, ja, keine Wortklaubereien, bitte. Der Punkt ist, dass wir eine Scheidung nach englischem Recht beantragen können!«, erklärte Velma. »Die da drüben sind sehr viel vernünftiger.« Sie beugte sich vor und nahm Jackies Hand in ihre warme, weiche. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich befreie Sie in null Komma nichts von diesem Mistkerl.«

Henry hasste Blind Dates, und doch war er zu einem gegangen – mit einem Mädchen, das Charlie hieß. Normalerweise hätte allein das genügt, um ihn abzuschrecken, und Dave aus der Sportredaktion hatte sie schwärmerisch als einen »frischen Atemzug« beschrieben, was Henry zusätzlich abschreckte, doch er hatte sich breitschlagen lassen. Sie war mit einem Dekolleté erschienen, das sich sehen lassen konnte, doch er wünschte, sie hätte es nicht getan, denn er war nicht mehr an den Anblick von Brüsten gewöhnt und fürchtete, dass er sie immer wieder anstarren oder, noch schlimmer, sich über den Tisch hinweg darauf stürzen würde.

Charlie war in Schweigen verfallen. In einer Minute würde sie verstohlen auf ihre Uhr schauen. Sie hatten bereits über Filme, Bücher, die Familie und, auf ihre Anregung hin, den peinlichsten Augenblick in ihrer beider Leben gesprochen. Im Moment war dieses Date auf dem besten Wege, zu Henrys zu werden.

»Wie schmeckt Ihr Essen?«, fragte er. Oh, brillant!

»Okay, danke.«

Sie rutschte auf ihrem Stuhl herum, und er wusste, dass sie sich hintergangen fühlte. Wahrscheinlich hatte Dave ihn in den Himmel gehoben, und er hatte sich als Flop erwiesen. Als hätte er Dave gebeten, etwas für sein Liebesleben zu tun! Aber natürlich beeinträchtigte es die fröhliche Redaktionsatmosphäre, wenn einer als Trauerkloß herumlief und nicht wie alle anderen zu viel trank und querbeet bumste und so tat, als könne ihm nichts etwas anhaben.