Schicksalspartitur - Markus Saxer - E-Book

Schicksalspartitur E-Book

Markus Saxer

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Beschreibung

Der junge Krankenpfleger Matthias Rentz verursacht nachts angetrunken einen Autounfall, bei dem der Fahrer des entgegenkommenden Wagens ums Leben kommt. Geschockt steigt er aus und inspiziert das Unfallfahrzeug. Dabei macht er eine unglaubliche Entdeckung, die sein Leben komplett aus den Fugen geraten lässt und es nachhaltig verändert. EIN UNKONVENTIONELLER KRIMI ÜBER SCHICKSAL, SCHULD UND SÜHNE.

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Seitenzahl: 125

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Markus Saxer

SCHICKSALSPARTITUR

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2017

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei

erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder

verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Titelfoto »attractive lady on the piano«

© Grischa Georgiew (FOTOLIA)

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Alte Sünden werfen lange Schatten

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Zitat

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

1. Kapitel

Dass es dann doch noch ein so langer Abend werden würde, hätte Matthias Rentz nicht gedacht. Auch nicht, dass sich in dieser Vollmondnacht etwas ereignen sollte, das sein Leben in ein Vorher und ein Nachher spalten würde, und dass hernach nichts je wieder so sein würde wie bisher.

Der heutige Tag in der Rehaklinik war purer Stress gewesen, er hatte sogar auf seine Mittagspause verzichten müssen. Wie hatte es ihn nur in die Schweiz verschlagen können? Klar, das Geld, man verdiente hier einfach besser als in Deutschland. Er hatte nicht sehr weit hinter der Grenze in Weinfelden Arbeit als Krankenpfleger gefunden und war jetzt seit knapp zwei Jahren hier. Von der Reha Samaria aus, die am Südhang des 680 Meter hohen Ottenbergs erbaut worden war, hatte man freie Sicht auf den idyllisch gelegenen Bodensee, es war nicht weit entfernt von der Heimat und doch so fern. Er kam hier nur mühsam zurecht, legten die Schweizer deutschen Einwanderern gegenüber doch ein eher reserviertes Verhalten an den Tag. Erst gestern hatte ihn seine ortsansässige Kollegin Anna Meier ziemlich herablassend behandelt. Mit ihrer dünnen hohen Kommandostimme, die sich immer so anhörte, als würde sie jeden Moment bersten und wie eine geplatzte Glühbirne in tausend Scherben zerspringen, hatte sie etwas auf Schweizerdeutsch gesagt, und als Matthias nicht gleich verstand, hatte sie das Gesicht mit den gepiercten Lippen und Nasenflügeln verzogen, ungehalten reagiert und eine abschätzige Bemerkung gemacht … Zudem lag ihm die morgige Teambesprechung mit dem Chefarzt Dr. Berger, einem Choleriker vor dem Herrn, schwer im Magen. Egal, er musste durchhalten, wenngleich es alles andere als einfach war.

Als ihn sein Kollege Eric heute gefragt hatte, ob er Lust habe, mit ihm und zwei jungen deutschen Krankenschwestern aus der Orthopädie nach Feierabend noch ins Bridge, eine Kneipe unweit der Klinik, zu gehen, hatte er eingewilligt, obwohl er eigentlich sterbensmüde war. Eine Stunde ist noch drin, hatte er sich gesagt. Mit Eric war er inzwischen dick befreundet, beide hatten vor einem Jahr am selben Ort ihren Job angetreten; Eric war ebenfalls Krankenpfleger und kam aus Berlin, Matthias aus Hamburg.

Sie setzten sich an einen gemütlichen Vierertisch, die beiden Frauen den Männern gegenüber, bestellten ihre Drinks und machten Small Talk. Nach etwa einer halben Stunde tuschelten die Frauen einen Moment lang, lächelten ihre Begleiter danach liebreizend an und verzogen sich mit ihren knallbunten Handtaschen ans stille Örtchen, und als sie wiederkamen, nahm jeder der Männer eine von ihnen in Beschlag, wie sie es soeben abgesprochen hatten.

Und dann war es plötzlich fast Mitternacht. Eine der beiden Krankenschwestern, Julia, war ganz offensichtlich in Eric verliebt, denn sie wich ihm nicht von der Seite und ihr Blick und ihre leuchtenden Augen sprachen Bände. Sie wirkte ziemlich aufgebrezelt (rotes Schlauchkleid, grelle Gesichtsschminke und ein Paar nadelspitze hochhackige Schuhe) und schien sich für alles, was er sagte, zu interessieren, hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt und ihr Gesicht mit den Händen umrahmt, während sie gebannt an seinen Lippen hing. Eric schien dies durchaus zu genießen und spielte ihr gegenüber seinen ganzen Charme aus. Einmal zwinkerte er Matthias kurz zu und zeigte dabei sein typisches Draufgängergrinsen. Er war im Umgarnungsmodus und damit in seinem Element, der Schürzenjäger.

Die andere, Petra, eine kleine Elfe mit Bobfrisur, erwies sich als recht schüchtern und sprach zunächst nur wenig. Matthias und sie tauschten die eine oder andere Patientenanekdote aus, dann erzählte er ihr von seinem letzten Besuch in Hamburg, von der Elbphilharmonie, die gerade eröffnet worden war, schwärmte von der kühnen Extravaganz der Gebäudearchitektur, die ihn und seine Schwester Eva stark beeindruckt hatte. Zu seiner Überraschung entpuppte sich Petra als echter Klassikfan, vor allem Bartók liebe sie, auch spiele sie Klavier, seit ihrer Kindheit schon. Ob sie ihm einmal etwas vorspielen könne, fragte er sie, und sie nickte verlegen und berührte mit den Fingerspitzen ihr Haar, lächelte aber. Ihre Augen sahen aus wie zwei große bernsteinfarbene Puppenaugen.

In der Restaurantküche klapperten Besteck und Geschirr, wenig später fiel klirrend ein Serviertablett mit Gläsern zu Boden.

Als sie schließlich alle miteinander aufbrachen, merkte Matthias, dass er nicht mehr ganz sicher auf den Beinen war. Was hatte er an diesem Abend alles getrunken? Egal, er war zu müde, um weiter darüber nachzudenken, es war auch müßig. Tatsache war, dass es ein bisschen zu viel gewesen war, jedenfalls zu viel, um sich jetzt noch ins Auto zu setzen. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig, der letzte Bus war längst abgefahren.

Sie verabschiedeten sich mit Wangenküsschen voneinander (»Mach’s gut, Petra, ich freu mich auf dein Klavierkonzert!«), und als Matthias in seinem alten VW Golf saß, den Zündschlüssel drehte, zum Abschied noch einmal kurz hupte und dann die Scheibe ein wenig herunterließ, weil ihm die frische Luft guttat und ihn wachhielt, wusste er noch nicht, dass ihm eine Fahrt bevorstand, die er niemals vergessen sollte.

Gähnend schaltete er das Radio ein und gab Gas. Ein knackiger Rocksong von Linkin Park dröhnte blechern aus den Lautsprechern in den Vordertüren. Nach ein paar Kilometern Fahrt begriff er, dass er zu weit links fuhr. Ein Auto kam ihm entgegen, der Fahrer blendete auf und hupte laut. Im letzten Augenblick wich Matthias nach rechts aus und bremste ab.

O Mist! Ich muss besser aufpassen …

Er versuchte sich zusammenzureißen, weil dieser Streckenabschnitt besonders kurvenreich war. Aber dann fielen ihm irgendwann fast die Augen zu vor Müdigkeit, und als ihm in einer unübersichtlichen Kurve urplötzlich eine Mercedes-Limousine mit überhöhter Geschwindigkeit entgegenkam und ihn blendete, geriet er mit seinem Wagen auf die Gegenfahrbahn. Nur noch wenige Meter trennten die beiden Fahrzeuge, Matthias riss im letzten Moment das Steuer nach rechts – zu spät für den anderen Verkehrsteilnehmer. Ein Quietschen, ein Bremsen, dann ein gewaltiges Aufschlaggeräusch, das sich wie ein Eispickel in Matthias’ Ohr bohrte. Er sah gerade noch so aus dem Augenwinkel im Rückspiegel, wie der Mercedes gegen einen Baum prallte.

Plötzlich war er stocknüchtern, hatte seinen Wagen zum Glück aber wieder voll unter Kontrolle. Geschockt fuhr er an den Straßenrand und bremste. Er schmeckte Blut, weil er sich auf die Zunge gebissen hatte. Im Rekordtempo schnallte er den Sicherheitsgurt ab, stieg aus und eilte zu der in kurzer Entfernung stehenden schwarzen Limousine, die sichtlich am Baum klebte.

Aus der Nähe erfasste Matthias das ganze Ausmaß des Desasters. Bestürzt sah er den angehobenen Motorblock, verbogenes Blech und zersplittertes Glas. Der Wagen hatte nur noch Schrottwert. Es stank nach auslaufendem Benzin. Zitternd spähte er durch die offen stehende Beifahrertür und gewahrte den Fahrer im dunklen Anzug, der zwischen Fahrersitz und nach hinten verschobenem Lenkrad vornübergebeugt eingeklemmt war. Sein zu einem letzten Schrei geöffneter Mund blieb stumm und verhieß nichts Gutes. Überall war Blut, und selbst der Airbag, der als bloßer Fetzen herabhing und seinen Zweck ganz offensichtlich nicht erfüllt hatte, war damit vollgespritzt. Dieser grausige Anblick und die gespenstische Stille verursachten Matthias ein Schaudern.

Hastig wischte er mit dem Ärmel die Glasscherben vom Beifahrersitz, auf dem auch ein Handy lag, kniete sich auf das Polster und erfühlte den Puls des verunfallten Mannes an dessen Handgelenk. Nichts … Der Fahrer war tot!

»Scheiße, verdammte. Scheiße!«, entfuhr es ihm, während sich seine Augen in Panik weiteten. Der Schock saß tief. Verzweifelt raufte er sich die Haare. Tausend Gedanken schossen ihm gleichzeitig durch den Kopf. Matthias kroch aus dem Wagen, weil ihm zum Kotzen übel wurde. Er sah an sich herunter und bemerkte an seiner Hose Blutflecken, selbst seine Hände waren voller Blut. Ein kurzer Blick zurück in den Wagen, dann übergab er sich am Straßenrand. Er kniete im Dreck und ihm lief der Angstschweiß über den Rücken, der allerdings nicht nur dem toten Fahrer im Auto geschuldet war, sondern auch der Tatsache, dass er keine Ahnung hatte, was er nun tun sollte. Er nestelte nach seinem Handy, fand es aber nicht in seinen Taschen. Wahrscheinlich lag es in seinem Wagen. Aber wen sollte er überhaupt anrufen? Die Ambulanz brauchte hier niemand, und die Bullen würden ihn nur …

Ganz allmählich begann Mattias wieder klarer zu denken, sein Herz schlug nicht mehr so heftig wie noch vor einigen Minuten und der Promillewert in seinen Adern schien nach diesem Ereignis auf null gesunken zu sein. So beschloss er, sich in dem Auto gründlicher umzusehen, vielleicht fand er ja einen Hinweis auf die Herkunft des Fahrers. Aber dazu kam es nicht. Seine rechte Hand berührte plötzlich Stoff – den glatten plastikartigen Stoff einer prall gefüllten Sporttasche auf dem Boden des Beifahrersitzes. Er stieg aus dem Wagen, blickte sich um, und mit einer gewissen Erleichterung bemerkte er, dass es keine Zeugen gab. Die Landstraße war zu dieser Nachtzeit öde und verlassen.

Mit einer gewissen Vorahnung hob er die Tasche auf den Sitz und öffnete den Reißverschluss, und als er den Stoff auseinanderschob, fiel sein Blick auf weiß schimmernde Banknoten. Er nahm die Sporttasche aus dem Wagen und untersuchte ihren Inhalt genauer. Tatsächlich war sie vollgestopft mit dicken Banknotenbündeln. Hatte sein Herz schon vorher wie verrückt geklopft, so raste es nun geradezu. Eine riesige Geldsumme befand sich in dieser Tasche, und er konnte kaum glauben, was er sah, fast vergaß er zu atmen. Als er über sich ein leises Rauschen vernahm, hob er den Blick zu den Baumkronen, die von der dünnen Milch des Mondes übergossen waren, und sein Gesicht nahm eine papierblasse Farbe an. Der Wind strich durch die Blätter und brachte das Laubwerk zum Rascheln. In der Ferne bellte ein Hund.

Und dann hatte Matthias eine Idee, eine teuflische, und die Muskeln um seinen Mund spannten sich an …

Sollte er das Geld einfach an sich nehmen? Dem Fahrer würde es ohnehin nichts mehr nützen, er war ja eh tot. Ihm kam in den Sinn, dass er mit der Wohnungsmiete im Rückstand war, weshalb ihn die Immobilienverwaltung erst neulich schriftlich abgemahnt hatte. Ganz zu schweigen von seinen Steuerschulden …

Weshalb kurvte dieser Kerl überhaupt mitten in der Nacht mit einem solch immensen Vermögen in der Gegend herum? Wahrscheinlich war er ein Krimineller. Ein Drogendealer oder ein Bankräuber. Oder möglicherweise ein Geldwäscher.

Vielleicht hatte Matthias der Gesellschaft sogar einen Gefallen getan, indem er ihn …

Nein, so etwas durfte er nicht mal denken, das stand ihm aus Respekt gegenüber dem Toten nicht zu, er wusste ja gar nichts über ihn. Inzwischen war er, die Tasche unter dem Arm, mit mechanischen Bewegungen zu seinem Wagen zurückgekehrt. Sein Rücken war schweißnass und in seinem Kopf hämmerte es. Er deponierte das Geld im Kofferraum, startete den Wagen, legte krachend den Gang ein, und mit der Schuld, die er auf sich geladen hatte, und seiner Beute hinter sich fuhr er so rasant nach Hause, als säßen ihm die Furien im Nacken.

Um zwei Uhr morgens parkte er den Golf auf dem angemieteten Parkplatz in der Tiefgarage.

In seiner Küche machte er sich einen doppelten Espresso und ging dann ins Bad, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und zog sein verschwitztes Hemd aus, das er achtlos auf den hässlichen, mit kinetischen Wirbeln in Rot und Senfgelb gemusterten Linoleumboden fallen ließ. Zitternd vor Müdigkeit und betäubt von seinem traumatischen Erlebnis leerte er den Inhalt der Sporttasche auf sein Bett, übersäte es mit Dutzenden Bündeln zu fünfzig Fünfhundert-Franken-Scheinen. Erschöpft legte er sich in Embryohaltung neben das Geld und starrte es gedankenverloren an, bis ihm die Augen zufielen.

Nach ein paar Stunden Schlaf stellte Matthias Rentz ungläubig fest, dass er die Nacht mit 1,5 Millionen Franken verbracht hatte.

Verdammte Axt, ich bin Millionär!

Aber er konnte sich über dieses Geld nicht so recht freuen. Erstens gehörte es einem anderen, und zweitens hatte er mit dem Unfall, seiner Fahrerflucht und dem Diebstahl dieses Geldes zu viel Schuld auf sich geladen.

2. Kapitel

Matthias war nicht zur Arbeit gegangen, er hatte angerufen und sich bei der Sekretärin krankgemeldet. Ängstlich fieberte er der Tagesschau am Mittag entgegen, kratzte sich nervös das Kinn mit dem Bartschatten. Für eine Meldung war vermutlich seit dem Unfall zu wenig Zeit verstrichen, und tatsächlich: Der Nachrichtensprecher erwähnte das Ereignis mit keiner Silbe. Nicht dass Matthias dies wesentlich beruhigt hätte, denn es war ja ohnehin bloß eine Frage der Zeit, bis die Medien darüber berichten würden.

Zuerst erwog er, das Geld in einem Schließfach zu deponieren, aber nach reiflicher Überlegung scheute er sich doch davor, mit dieser horrenden Summe das Haus wieder zu verlassen und unterwegs oder am Bahnhof, wo es Überwachungskameras gab, gesehen oder gar gefilmt zu werden.

Nachdem er die sechzig Geldbündel im Wäscheschrank versteckt hatte, ging er unter die Dusche.

Seinem Kater rückte er mit Unmengen von Kaffee und Mineralwasser zu Leibe. Danach verließ er die Wohnung, um Einkäufe zu machen und die Sporttasche, die er in einen grauen Abfallsack gesteckt hatte, zu entsorgen.

Kurz vor 19:30 Uhr hockte er angespannt vor dem Fernseher. Er hatte den Sender SRF 1 eingestellt und trank eine Cola, während er auf die Hauptausgabe der Tagesschau wartete. Und dann war es so weit: Eröffnungssignet und Nachrichtenüberblick. Der erste Beitrag zeigte den orangegesichtigen Donald Trump, der kämpferisch, mit Sturmfrisur und über der Schulter liegenden roten Krawatte in seiner Hybris die Faust höchst unpräsidial in die Kamera reckte, über Obama lästerte, über die Fake-News der Medien schimpfte und der Welt seine alternativen Fakten verkündete.

Zurück im Studio: Die Moderatorin guckte für einen kurzen Moment in die falsche Richtung (das Schweizer Fernsehen ist berüchtigt für seine kleinen Pannen und Patzer), ehe sie ihr attraktives Gesicht mit einem Nachsicht heischenden Lächeln den Zuschauern zuwandte und ihren Oberkörper in der hellblauen gestärkten Bluse reckte, um den nächsten Beitrag anzukündigen.

Matthias rauschte das Blut in den Ohren, als er im nachfolgenden Film das Fahrzeugwrack des verunfallten Mercedes erblickte; der Off-Kommentar – eine sonore, sachliche Männerstimme – drang ihm dabei wie ein Schwert in die Seele: »Bei dem Verunglückten handelt es sich um den Firmenunternehmer Maximilian Steiner, dessen sechzehnjährige Tochter Nicole vor einer Woche entführt wurde. Laut Angaben der Polizei und der Staatsanwaltschaft beabsichtigte Maximilian Steiner vergangene Nacht als Kurierfahrer das Lösegeld für seine Tochter zu überbringen, als er mit dem Wagen aus bisher noch ungeklärten Gründen von der Straße abkam und in einen Baum prallte. Dabei zog er sich tödliche Verletzungen zu.«

Von dem Geld fehle jede Spur, die Entführer des Mädchens hätten sich seither nicht mehr gemeldet, das Schicksal von Nicole Steiner sei immer noch ungewiss. Die Polizei ermittle nach wie vor in alle Richtungen und bitte die Bevölkerung um sachdienliche Hinweise.