Schlüsselwerke der Pädagogik - Klaus Prange - E-Book

Schlüsselwerke der Pädagogik E-Book

Klaus Prange

4,5

  • Herausgeber: Kohlhammer
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2008
Beschreibung

Pedagogy, as conscious companion to education, is influenced by cultural context, social constellation und biographical fortune. This consciousness has developed in to various types of expression. They reach from examples and tractates, novelist forms and programmatic essays to the systematic works of the older and current theory of education. The two volumes interpret the great works of pedagogic literature?s contemporary meaning as well as the effects of the key texts for the development of pedagogic thinking.

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Pädagogik, als das Bewusstsein, das Erziehung begleitet, ist eingebettet in kulturelle Kontexte, soziale Konstellationen und biografische Schicksale. Dabei sind ganz unterschiedliche Ausdrucksformen entstanden, in denen sich dieses Bewusstsein artikuliert. Sie reichen über Beispielerzählungen und Traktate, romanhafte Gestaltungen, essayistische Programmschriften bis zu den systematischen Werken der älteren und neueren Erziehungstheorie. Die beiden Bände erschließen in subtiler Interpretation die großen Einzelwerke der pädagogischen Literatur, wobei sowohl die zeitgenössische Bedeutung und Wirkung des Schlüsseltextes als auch seine Impulse für die Entwicklung des pädagogischen Denkens herausgestellt werden.

Prof. Dr. Klaus Prange war Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Pädagogik an der Universität Tübingen.

Grundriss der Pädagogik/ Erziehungswissenschaft

Band 26

Herausgegeben von Werner Helsper, Jochen Kade, Christian Lüders, Frank-Olaf Radtke und Werner Thole

Bereits erschienen:

Band 2 J. Abel/R. Möller/K. P. TreumannEinführung in die Empirische Pädagogik

Band 3 I. Diehm/F.-O. RadtkeErziehung und Migration

Band 11 J. Kade/D. Nittel/W. SeitterEinführung in die Erwachsenenbildung/ Weiterbildung

Band 13 Ulrich HeimlichIntegrative Pädagogik

Band 15 Sigrid NoldaPädagogik und Medien

Band 16 Georg PeezEinführung in die Kunstpädagogik

Band 17 Franz HamburgerEinführung in die Sozialpädagogik

Band 18 Jutta EcariusGeneration, Erziehung und Bildung

Band 19 Friedrich SchweitzerPädagogik und Religion

Band 20 Walter HerzogPädagogik und Psychologie

Band 21 Jörg ZirfasPädagogik und Anthropologie

Band 23 Ingo RichterRecht im Bildungssystem

Band 24 Andreas WernetHermeneutik – Kasuistik – Fallverstehen

Band 25 Klaus PrangeSchlüsselwerke der Pädagogik Band 1: Von Plato bis Hegel

Band 28 Harm KuperEvaluation im Bildungssystem

Band 30 Barbara RendtorffErziehung und Geschlecht

Band 32 K. Prange/G. Strobel-EiseleDie Formen des pädagogischen Handelns

Band 34 Christel AdickVergleichende Erziehungswissenschaft

Klaus Prange

Schlüsselwerke der Pädagogik

Band 2: Von Fröbel bis Luhmann

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Alle Rechte vorbehalten © 2009 W. Kohlhammer GmbH Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

ISBN 978-3-17-019607-0

E-Book-Formate

pdf:

epub:

978-3-17-027708-3

mobi:

978-3-17-027709-0

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Friedrich Fröbel: Die Menschenerziehung

3. Johann Friedrich Herbart: Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet

4. Friedrich Immanuel Niethammer: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unserer Zeit

5. Friedrich Schleiermacher: Pädagogische Vorlesungen aus dem Jahre 1826

6. Adolph Diesterweg: Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer

7. Herbert Spencer: Die Erziehung in intellektueller, moralischer und physischer Hinsicht

8. Otto Willmann: Didaktik als Bildungslehre

9. Wilhelm Dilthey: Über die Möglichkeit einer allgemeingültigen pädagogischen Wissenschaft

10. Emile Durkheim: L’éducation morale – Erziehung, Moral und Gesellschaft

11. Paul Natorp: Allgemeine Pädagogik in Leitsätzen zu akademischen Vorlesungen

12. John Dewey: How we think – Wie wir denken

13. Aloys Fischer: Deskriptive Pädagogik

14. Wilhelm Flitner: Allgemeine Pädagogik

15. Otto Friedrich Bollnow: Die anthropologische Betrachtungsweise in der Pädagogik

16. Siegfried Bernfeld: Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung

17. Wolfgang Brezinka: Metatheorie der Erziehung

18. Klaus Mollenhauer: Theorien zum Erziehungsprozess

19. Harm Paschen: Logik der Erziehungswissenschaft

20. Dietrich Benner: Allgemeine Pädagogik

21. Niklas Luhmann: Das Erziehungs-system der Gesellschaft

Grundriss der Pädagogik/ Erziehungswissenschaft

Die einzelnen Bände der Reihe »Grundriss der Pädagogik/Erziehungswissenschaft « präsentieren jeweils grundlegende, wissenschafts- und berufsorientierte Einführungen in erziehungswissenschaftliche Teilgebiete und Themenfelder. Die Reihe wendet sich insbesondere an Studierende, aber auch an BerufspraktikerInnen in den verschiedenen pädagogischen Handlungsfeldern, an Lehrende in der akademischen Erstausbildung sowie in der Fort- und Weiterbildung. Die Systematik der Reihe ist orientiert an dem gewachsenen Ausdifferenzierungsprozess erziehungswissenschaftlicher Frage- und Problemstellungen. Sie greift die damit verknüpften Herausforderungen auch aus dem Umfeld der pädagogischen Arbeits- und Handlungsfelder systematisch auf und reflektiert die damit korrespondierenden Handlungsprobleme, neuen Unsicherheiten und sich wandelnden Aufgabenstellungen.

Mit den einzelnen Bänden der Reihe »Grundriss der Pädagogik/ Erziehungswissenschaft« soll der Blick für neuere Entwicklungen in den pädagogischen Handlungsfeldern, der erziehungswissenschaftlichen Forschung und der Theoriebildung geöffnet werden. Im Mittelpunkt stehen die pädagogischen Handlungsformen und Methoden im Spannungsfeld von Profession und Disziplin sowie das Verhältnis von Erziehung und Bildung zu wissenschaftlichen Diskursen und gesellschaftlichen Entwicklungen.

Die Autorinnen und Autoren der Reihe sind Erziehungswissenschaftler, die die verschiedenen Fachrichtungen repräsentieren. Damit gewährleisten die einzelnen Bände der Reihe »Grundriss der Pädagogik/Erziehungswissenschaft« einen theoretisch fundierten, berufsfeldorientierten und empirisch abgesicherten Einblick in aktuelle Fragestellungen und Entwicklungen der Erziehungswissenschaft.

Herausgeber Prof. Dr. Werner Helsper (Universität Halle-Wittenberg) Prof. Dr. Jochen Kade (Universität Frankfurt am Main) Dr. Christian Lüders (Deutsches Jugendinstitut München) Prof. Dr. Frank-Olaf Radtke (Universität Frankfurt am Main) Professor Dr. Werner Thole (Universität Kassel)

1. Einleitung

Kein Zweifel: die Pädagogik ist eine Wachstumsindustrie. Die Nachfrage nach allgemeinen und speziellen Erziehungsleistungen nimmt zu, und entsprechend vermehren und verzweigen sich die Angebote der unterschiedlichsten Art. Sie reichen von der Betreuung kleiner Kinder über Schulen aller Grade bis zur Unterweisung und Beratung von Erwachsenen, sozusagen Erziehung von der Wiege bis zur Bahre, auch wenn vielfach der Ausdruck »Erziehung« vermieden und von »Bildung« oder »Coaching«, von Information, Lernangeboten und individuellen Trainingsprogrammen die Rede ist. Woran das liegt, ist nicht schwer zu erkennen. Der Lernbedarf ist geradezu explodiert als Folge dessen, was man zusammenfassend als die Modernisierung so gut wie aller Lebensverhältnisse bezeichnen kann. Sie ist ja auch kein einmaliger, eindeutig datierbarer Vorgang, sondern längst zu einem Dauerzustand geworden. Und das bedeutet: Wir lernen nicht mehr aus.

In der Tat ist das Lernen längst nicht mehr in das Belieben der Einzelnen gestellt. Es gibt weit reichende Lernpflichten und zunehmend unumgängliche Lernerfordernisse, ohne die die durchschnittliche Lebensführung nicht mehr vorstellbar ist. Das hat zur Folge, dass selbst die elementaren Aufgaben des Erziehens nicht mehr den Eltern überlassen bleiben. Vor allem eine Neuerung unterscheidet die alte, vormoderne Erziehung grundlegend von der neuen Erziehung: Alle müssen zur Schule, und es empfiehlt sich, die Schule ernst zu nehmen, um nicht die Anschlusschancen für geeignete und zufrieden stellende Positionen in der Erwachsenenwelt zu verpassen. Die Abnahme dessen, was wir gleichsam natürlich und en passant lernen, nimmt zu.

Also brauchen wir Kindergärtnerinnen und Lehrer, Trainer, Logopäden und Berater, Erwachsenenbildner und Sozialpädagogen, die das Erziehen in irgend einer ihrer Formen zu ihrem Berufsthema machen und dazu mehr wissen und können sollten, als ihnen die durchschnittliche Lebenserfahrung zuspielt. Wie von selbst ergibt sich daraus: auch die Erzieherinnen und Erzieher von Beruf müssen ausgebildet und vorsorglich geprüft werden. Sie brauchen ihrerseits Ausbilder und Fachleute, Lehr- und Studiengänge mit einführenden Anweisungen, Lernprogrammen und Lehrbüchern. Es bedarf keiner besonderen Einsicht, um sich von dem verzweigten Apparat von Ausbildungseinrichtungen zu überzeugen, und auch keines besonderen Scharfblicks, um zu erkennen, dass die Treppe des Lernens und Lehrens immer weiter in die Höhe geführt worden ist, so dass am Ende die Pädagogik sich darstellt wie eine alte Stadt mit traditionsgeprägten Bauwerken, auch mit mancherlei historisch anmutenden Fassaden, hinter denen inzwischen moderne Büros eingezogen sind, und vor allem: mit neuen Anbauten, Umbauten und gänzlich traditionslosen Neubauvierteln.

So unterschiedlich die Nachfrage nach pädagogischen Leistungen und Hilfen, so verschieden sind auch die Angebote und die Texte, die über die Einzelpraxen berichten: Programme und Ankündigungen, Übersichten und Analysen, für jeden Abnehmer etwas und natürlich auch die wissenschaftliche Literatur. Monopole oder Alleinvertretungsansprüche gibt es auf diesem Markt nicht. In den Regalen pädagogischer Fachliteratur findet sich die Handreichung für ratlose Eltern neben der Studie über die moderne Jugendkultur, der Unterrichtsleitfaden für Lehranfänger neben den Ergebnisberichten der Schulforschung, Erbauungs- und Erlebnisschriften ebenso wie die Katastrophenberichte von der Erziehungsfront neben gelehrten Studien zur Geschichte von Bildung und Unterricht. Das Stichwort für diesen Betrieb lautet: Professionalisierung der Erziehung, ein soziologisch matter Ausdruck für die Vielfalt und Lebendigkeit dessen, was sich dahinter alles verbirgt.

Damit nicht genug. Nachdem das Erziehen nun einmal seit gut 200 Jahren zum Beruf geworden ist, hat sich ein entsprechender Apparat zur Ausbildung, Betreuung und Verwaltung des pädagogischen Personals herausgebildet, mit dem Ergebnis, dass Pädagogik sich auch als akademische Disziplin im Wissenschaftsbetrieb etabliert hat. Dabei kann es nicht ausbleiben, dass eben diese neuen Verhältnisse selber wieder zum Thema gemacht und wissenschaftsgerecht untersucht werden. Welches Wissen soll den künftigen Berufserziehern vermittelt werden und wie kann man ihnen beibringen, wie man anderen etwas beibringt? Angesichts der Vielfalt und Verschiedenartigkeit der pädagogischen Praxen und der Ausbildungsgänge von Pädagogen erscheint es inzwischen vielen angebracht, von ihrer eigenen Tätigkeit nicht mehr als Pädagogik, sondern als Erziehungswissenschaft und neuerdings von den Erziehungswissenschaften im Plural zu sprechen. Erziehungswissenschaftler beobachten das Erziehen und teilen ihre Ergebnisse zu freier Nutzung mit, ohne sich selber als pädagogisch in dem Sinne zu verstehen, dass sie bestimmte Erziehungswirkungen erreichen wollen. Insofern ähneln die modernen Erziehungswissenschaftler den Generälen und Managern von heute: Sie ziehen nicht mehr selber in den Krieg und arbeiten auch nicht an der Werkbank, sondern sie dirigieren aus den Führungsetagen das, was andere zu tun haben oder tun sollten.

Vollends die Vertreter der Allgemeinen Pädagogik oder besser gleich: der Systematischen Erziehungswissenschaft sind vor den Unbilden der Erziehung gleich doppelt geschützt. Sie sind nicht nur nicht in pädagogische Handlungen verstrickt, sie beobachten mittlerweile und in vielen Fällen nicht einmal die Erziehung, das geschieht in der Schul- und Sozialpädagogik, in der Berufspädagogik und bei den Erwachsenenbildnern und wird aktuell von der expandierenden, so genannten Bildungsforschung übernommen. Stattdessen beobachten und untersuchen sie, wie diese ihr Erziehungsfeld beobachten. Ob das für die Pädagogik eine günstige Entwicklung ist, lasse ich hier dahingestellt. Auf jeden Fall kann man sehen, dass im Zuge der Modernisierung und Ausdifferenzierung des Erziehungsgeschehens auch ein Revier für wissenschaftstheoretische Exerzitien entstanden ist. Es gibt inzwischen einen eigenen Adressatenkreis für das Nachdenken über das Erziehungsdenken, nicht ohne Folgen für die Themenwahl und den Stil, in dem die Sache der Pädagogik heute artikuliert wird.

In der hier vorgelegten Reihe der Schlüsselwerke findet sich etwas von dem Weg, den das Thema der Erziehung in den letzten zwei Jahrhunderten genommen hat. Die Fragen der unmittelbaren Erziehung sind Zug um Zug hinter allgemeineren Gesichtspunkten zurückgetreten und das Bewusstsein für die disziplinspezifischen Probleme hat zugenommen. Es zeigt sich aber auch, dass bei allen Theorie- und Reflexionsgewinnen es zuletzt eben doch das Verständnis der bleibenden Probleme des Lernens und des Erziehens ist, wodurch ein Werk verdient, als Schlüsselwerk der Pädagogik angesehen zu werden. So schätzenswert ein elaboriertes Reflexionsniveau auch sein mag, was am Ende interessiert, sind die Antworten auf die Frage, welche Unterschiede und welche Gewinne sich daraus für das pädagogische Handeln ergeben. Das ist zumindest ein Gesichtspunkt für die Auswahl der Einzelwerke, die hier vorgestellt werden. Doch wird der kundige Leser manches vermissen, was zum etablierten Bücherschatz des fachbewussten Pädagogen gehört, und sich auch über einiges wundern, was inzwischen in der Brunnentiefe des Vergessens verschwunden schien. Vor allem dürfte als Mangel angesehen werden, dass es vornehmlich Autoren der deutschsprachigen Pädagogik sind, die berücksichtigt werden, und von den nichtdeutschen Autoren eben nur solche, die auch hierzulande rezipiert worden sind. Das passt nicht zur heute erwünschten Internationalität der pädagogischen Forschung, in der sich ja auch eine Tendenz zur globalen Planung und Steuerung von Erziehungsprozessen ausdrückt.

Dieser Mangel ist nicht zu leugnen. Zur Rechtfertigung fällt dem Verfasser, außer dem Eingeständnis seiner eigenen Grenzen, nur ein, dass er sich als Leser nicht die anonyme Schar der Pädagogikinteressenten weltweit vorstellt, auch nicht die international über Kongresse vernetzte scientific community; er denkt vielmehr an diejenigen, die sich mit den Erziehungsfragen in unseren Verhältnissen vertraut machen wollen. Er schreibt nicht für Leser in North Dakota oder New York City, nicht einmal für Kollegen in Italien, der Türkei oder Japan. So interessant und aufschlussreich es wäre, den Kontexten einer globalen Pädagogik nachzugehen, es bleibt daran zu erinnern, dass für die Erziehung gilt, was einmal von Tip O’Neill, dem langjährigen Präsidenten des amerikanischen Repräsentantenhauses, für die Politik treffend formuliert worden ist: All politics is local. Man sollte gewiss auch global denken und sich in der Welt umsehen und umhören, doch wie gelernt und erzogen wird, gehört zuerst und wesentlich zu den nächstliegenden Aufgaben, wie sie sich aus den besonderen kulturellen, sozialen und politischen Umständen ergeben. Auch bleibt zu bedenken, dass eine Erziehungswissenschaft, die das übergeht, was Justus Möser einmal die »Lokalvernunft« genannt hat, und sich rückhaltlos dem Geschäft der Standardisierung zur Verfügung stellt, als ob es lebenswichtig sei, dass die Kinder in Südkorea, auf den Malediven und in Mecklenburg-Vorpommern nach den selben Curricula unterrichtet werden – dass eine solche Erziehungswissenschaft die affektiven Grundlagen schwächt, ohne die die Erziehung selber noch schwieriger wird, als sie ohnehin schon ist.

Was die Gesichtspunkte angeht, unter denen die einzelnen Werke erörtert werden, so ist das Nötige in der Einleitung zum 1. Band gesagt worden und braucht hier nicht wiederholt zu werden. Mit einer Einschränkung vielleicht und einem Unterschied, der sich auf die Entstehungszeit und damit auf die historischen Kontexte bezieht, denen sich die jeweiligen Werke verdanken. In gewisser Weise kann man sagen, dass alle hier vorgestellten Autoren und Werke unserer Gegenwart angehören. Wir können sie wie Zeitgenossen lesen. Sie sprechen unsere Sprache, oder genauer: wir sprechen noch in den Umformulierungen und Neologismen die Sprache, die sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts für die Pädagogik eingebürgert hat. Ihre maßgebenden Themen sind auch unsere Themen, und die Unterschiede, die wir im Einzelnen feststellen, haben weniger mit dem Zeitablauf zu tun als mit den auch heute anzutreffenden Meinungs- und Auffassungsunterschieden, wie sie man bei jedem beliebigen Pädagogentreffen erleben kann. Gewiss, Fröbel und Diesterweg kannten noch keine Autos und nicht die Antibabypille, die industrielle Revolution zeichnete sich erst in Umrissen ab, das »Maschinenwesen«, das den alten Goethe täglich mehr ängstigte, stand erst am Anfang und vieles andere mehr, das heute zum täglichen Umgang und zu den Selbstverständlichkeiten der Lebensführung gehört, wurde noch am Ausgang des 19. Jahrhunderts nicht einmal geahnt. Dennoch: Die Menschen und Autoren des 19. und vollends des 20. Jahrhunderts sind intellektuell und moralisch unsere Zeitgenossen und gehören zu unserer Gegenwart, ungeachtet der Überlegenheitsgefühle, die viele der heute Lebenden gegenüber denen hegen, die sich eben jetzt nicht mehr zu Wort melden können.

Zugegeben, für Fragen der Hirnforschung, der Computertechnologie oder der Rentenfinanzierung dürfte das allerdings nicht zutreffen, wohl aber für Fragen der Erziehung. Da ist es vor allem ein Problem, das in vielen Variationen wiederkehrt und das pädagogische Denken und Handeln unablässig beschäftigt, nämlich die Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft, von Bürger und Staat, von Freiheit und sozialer Abhängigkeit, von selbstbestimmter Identität und verordneter Rolle oder schließlich: die Frage nach dem Verhältnis von personalen und sozialen Systemen. Zur Programmatik der Aufklärung gehört die Autonomie des Subjekts; aber die Erfahrung ihrer Realisierung scheint auch zu zeigen, dass es damit nicht weit her ist. Nicht etwa deshalb oder nur deshalb, weil diesem Autonomieanspruch ungünstige und widerstreitende Kräfte entgegenstehen, sondern weil er selbst in sich schon fragwürdig ist. Noch in den entschiedensten Behauptungen des Selbst lassen sich die Abhängigkeiten aufweisen, von denen es sich emanzipieren möchte.

Es ist sehr die Frage, ob das moderne Freiheitsbewusstsein sich maßgeblich dem bloßen Entschluss verdankt, sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen, wie es Kant in seiner Aufklärungsschrift ausgeführt hat, oder ob nicht vielmehr die soziale Differenzierung oder wie es heute heißt: die Ausdifferenzierung der Gesellschaft dem Einzelnen gar keine andere Wahl lässt, als sich individuell zu organisieren, ob er will oder nicht. Es ist gar nicht ausgemacht, ob die feststellbare Ichbetonung der Grund oder die Folge oder eine Kombination von beidem das ist, womit es die Erziehung programmatisch und faktisch zu tun hat, und das heißt, ob sich die Pädagogik ausdrücklich als Individualpädagogik oder nicht besser als Sozialpädagogik (im Sinne von Otto Willmann und Paul Natorp) oder als eine Bemühung zu verstehen hat, die die sozial vermittelte Identität mit der von den Individuen zu verantwortenden Sozialität in ein Verhältnis zu bringen hat.

Vor diesem Hintergrund kann man die vorgestellten Werke und Autoren auch als Teilnehmer eines gemeinsamen Gesprächs vorstellen; jeder mit seinen besonderen Einsichten und Anliegen und alle bemüht, Begriff und Wirklichkeit der Erziehung richtig zu sehen und nach Möglichkeit auch zu fördern. Dass sie hier allerdings durch einen Moderator sprechen, der auch seine Befangenheiten und Vorlieben hat, ist ein Mangel, der sich nur beheben lässt, wenn der geneigte Leser selber sich die Werke ansieht, die hier vorgestellt werden.

2. Friedrich Fröbel: Die Menschenerziehung

Nicht alles, was erst später in der Zeitreihe erscheint und auf den Markt gebracht wird, ist deshalb schon modern und auf der Höhe der aktuellen Diskussion. Es gibt wie in Familien Nachkömmlinge auch der intellektuellen Produktivität, die noch einmal Themen und Motive aufnehmen, von denen man schon glaubte, sie seien überholt, und dabei an etwas erinnern, was dann wieder Zukunft gewinnt und sich länger hält als die aktuelle Avantgarde. Ein solcher Fall scheint mir mit der zuerst im Jahre 1826 vorgelegten »Menschenerziehung« von Friedrich Fröbel gegeben, und deshalb steht er hier an erster Stelle. In der Tat bewegt er sich in einem Gedankenkreis, der eigentlich nach Kants Vernunftkritik und Herbarts Entwurf einer »Allgemeinen Pädagogik« als Wissenschaft nicht mehr zu erwarten war. Dennoch gehört seine Pädagogik zu den bedeutenden Zeugnissen des Nachdenkens über Erziehung und die »Menschenerziehung« unzweifelhaft zu den Schlüsselwerken der Pädagogik.

Allerdings: die Versuchung ist groß, Fröbel ganz und gar historisch-hermeneutisch zu erfassen, das heißt allein im Blick auf sein Leben und seine pädagogische Praxis, um von daher seine Gedanken zu verstehen und zu beurteilen. In der Tat kann man ihn nicht verstehen, ohne auf seine Praxis einzugehen, und das Werk nicht, ohne einige Aufmerksamkeit seiner Lebensgeschichte zu widmen. Aber in der Hauptsache muss es doch um seine Auffassung von Erziehung gehen. Für seinen Grundgedanken hat er einen griffigen, dann oft aufgegriffenen Titel gefunden: das sphärische Gesetz. Das wird zu erklären sein, so gut es geht. Vorgreifend will ich das sphärische Gesetz so kennzeichnen: Alles hängt mit allem in guter Ordnung zusammen; das Menschliche, die Welt als Inbegriff des Äußeren, das uns umgibt, und das Göttliche, das gleichfalls außer uns, aber auch in uns ist. Das mag genügen, den großen Bogen des Erziehungsdenkens Fröbels anzudeuten; er gehört ganz und gar nicht zu den akademischen Pädagogen, zu den Erziehungswissenschaftlern, wie sie im 19. Jahrhundert wirksam werden und wie sie heute da sind: kein simpler Empiriker, der prüft, ob Rechtshänder mit Plattfüßen genauso lernen wie Linkshänder aus zerrütteten Familien. Überhaupt ist er kein Theoretiker und Schreibtischpädagoge, der empirisches Wissen und Spekulation verbindet, sondern eine singuläre Gestalt mit einem pädagogischen Schicksal.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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