SchmetterlingsSalsa - Iris Mariposa - E-Book

SchmetterlingsSalsa E-Book

Iris Mariposa

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Beschreibung

Für Marie-Louise Maus ist eine Welt zusammengebrochen. Der Mann ihrer Träume hat sie kurz vor der Hochzeit betrogen. Der Schmerz sitzt tief. Weil Alkohol auf Dauer keine Lösung ist, soll ein Kurzurlaub sie auf andere Gedanken bringen. Und tatsächlich lernt sie schon am Flughafen jemanden kennen, der ihr Leben komplett aus der Bahn wirft. Sie verliebt sich Hals über Kopf. Wieder daheim, stellt sie jedoch entsetzt fest, dass sie den Zettel mit seiner Adresse samt Telefonnummer verschusselt hat. Damit gehen die Katastrophen erst richtig los! Dies ist die amüsante Geschichte einer jungen Frau, die auf der Suche nach ihrem Lebensglück durch Pech und Pannen stolpert und dabei kein Fettnäpfchen auslässt. Aber irgendwann muss auch der größte Pechvogel einmal Glück haben …

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Iris Mariposa

Schmetterlings Salsa

Romanze

comediantes

Verlag für Lyrik und Belletristik des 21. Jahrhunderts

1. Auflage

E-Book EPUB

Cover: Sabine EckeLektorat: Uta & Wolfram Christ

Printed in Germany

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buchessind frei erfunden.Ähnlichkeiten mit lebenden Personensind zufällig und nicht beabsichtigt.

eISBN 978-3-946691-27-3

© 2021 comediantes

Inhaltsverzeichnis

1. Pleiten, Unglück und – leider auch alleine

2. Wie ich meinen Herzensbrecher kennenlernte

3. Übergib dich nie auf einen Go-Go

4. Tatsächliches Alter: 25 – gefühltes Alter: 125!!!

5. Warum mir?

6. Kurzschlussreaktion mit Folgen

7. STOPP! Was halten Sie von einer Tasse Tee?

8. Up and Down

9. Die Latino-Bombe

10. Was tun, wenn der Ex wieder auf der Matte steht?

11. Man(n) sieht sich immer zweimal im Leben

12. Mädelsabend, Schoki und Liebesfilme

13. Baby on board

14. Urlaub, ich komme

15. Bähm – dann stand er vor mir

16. Sommerfeeling

17. Schmetterlinge im Landeanflug

18. Wenn Schmetterlinge Salsa tanzen

19. Aus der Traum

20. Die Konsequenz eines Tollpatschs

21. Volldepp – oder doch die große Liebe?

22. Ablenkmanöver!

23. Ein Unglück kommt selten allein

24. Flott mit Krückstock

25. Nach der Bergfahrt kommt die Talfahrt

26. Sie haben Post

27. Tiefe Zuneigung mit fünf Buchstaben

28. Danke – Ein Nachwort

Liebe?Was ist das schon?Spöttelt das Schicksal,Feilscht mit Hohn.Liebe kämpftDagegen.Machtspielchen.Liebe und SchicksalKonkurrieren,Rivalisieren,Brauchen Frieden.Werden sich lieben?Vielleicht.

1. Pleiten, Unglück und – leider auch alleine

Seele weintKörper funktioniertZeit heilt alle WundenOder nicht?

Klack, klack, klack, … machte der Sekundenzeiger der Wanduhr. Er näherte sich der gefürchteten Zwölf. Bald würde es soweit sein. An jenem Abend war ich immer noch 24 Jahre alt und konnte es überhaupt nicht fassen, dass ich in weniger als einer Stunde die Hürde überschreiten würde: Ein Vierteljahrhundert. Oh, mein Gott! Was für ein Alter! Wer hätte das gedacht? Ich jedenfalls nicht. Die Kneipe roch regelrecht nach meinem bevorstehenden Alterungsprozess.

Für gewöhnlich mochte ich dieses dunkle Kneipen-Flair. Bilder an den Wänden zeigten Menschen aus einer anderen Zeit. Es waren schwarz-weiß Fotos von Leuten, die in die Kamera lächelten. Ob sie glücklich gewesen waren? So glücklich, wie ihr Lächeln auf den Fotos vermuten ließ? Ich brauchte unbedingt noch so ein tolles süffiges Getränk. Einen „Touchdown“.

Kennen Sie den? Das ist ein Cocktail mit Maracuja- und Zitronensaft, diversen anderen Leckereien und vor allem ziemlich vielen Prozenten. Apropos kennen: Mein Name ist Marie-Louise Maus und nach einigen Touchdowns kann ich ziemlich down sein, ehrlich! Dann muss ich auf allen Vieren nach Hause krabbeln.

An dem Tag krabbelte ich allerdings nicht, ich wurde nach Hause getaxelt. Der Fahrer war ganz nett und geduldig, nachdem er mich ungefähr zehnmal gefragt hatte, wohin es denn gehen solle. Dann hatte er es endlich kapiert: Nach dem Bahnhof und dem Supermarkt links, am großen Lindenbaum vorbei und bei der blinkenden Dönerbude rechts abbiegen. Ist doch alles ziemlich einfach. Nürnberg ist nun wirklich keine echte Großstadt. Gut, aber das passierte erst später. Wo war ich? Genau.

Jedenfalls wartete ich in dieser urigen Kneipe mit meinen zwei besten Freundinnen und meinen Touchdowns. Ich wartete und wartete vergebens auf den einen Menschen, von dem ich glaubte, in ihm meine große Liebe gefunden zu haben.

Irrtum, Schwachsinn! So etwas wie die große Liebe gibt es nicht! Höchstens im Film, nicht bei einem Normalo wie mir. Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Konnte das wohl an den Touchies liegen, hm …?

„Denk positiv!“ sagte ich mir. Bestimmt hatte er eine Panne oder wurde von Außerirdischen entführt und versuchte gerade, sich irgendwie zu befreien, um auf die Erde und natürlich, am allerwichtigsten, pünktlich zu meinem Geburtstag zu kommen, damit er mir nach Mitternacht gratulieren konnte. Vielleicht lag er auch blutend in einer gottverlassenen Gegend, weil er überfallen worden war und kein Smartphone griffbereit hatte, um wenigstens anzurufen und mir zu gratulieren. Möglichkeit Nummer vier bestand darin, dass er bei einer seiner anderen Weiber auf dem Sofa saß, sich die Eier kraulen ließ, ein Bier trank und lautstark rülpste.

Okay, ich würde ihn mit bloßen Händen erwürgen, wenn er meinen Geburtstag vergessen hatte. Das wäre schon schlimm. Ich müsste mich wieder einmal grundlos besaufen. Falsch, dieses Mal hätte ich einen Grund. Haha.

Der Barkeeper schaute mich komisch an, weil ich zu laut lachte. Es konnte gut möglich sein, dass er mich für durchgeknallt hielt. Mir doch egal. Ich bin wie ich bin und gerade eben nun einmal kurz vorm Betrunkensein.

Wieso sind Männer immer so unzuverlässig? Sie saufen, rülpsen, furzen, zeigen ihre nackten Hintern in der Öffentlichkeit und pinkeln an jede Hausecke. Sie rauchen und schauen nach einer durchzechten Nacht morgens trotzdem besser aus als wir Frauen. So etwas nenne ich Ungerechtigkeit. Warum bin ich kein Mann geworden? Aber das Beste kommt noch: Sie können sich je nach Bedarf am Sack kratzen, um ihr „bestes Stück“ wieder in die richtige Stellung oder Position zu schieben, wo auch immer die sein soll. Das Phänomen Mann wird mir immer ein Rätsel bleiben.

Eine Frau hingegen muss, wenn es sie auch mal juckt, wie eine Bekloppte laufen, ohne mit den Händen einzugreifen, um dieses Gefühl beim Bewegen loszuwerden. Im nächsten Leben werde ich, falls ich Glück haben sollte und als Mann geboren werde, Eros heißen und meinem Lulu Freigang gewähren, wann immer mir der Schuh drückt. Klingt das logisch? Nein. Na und? Wer hat gesagt, ich müsse logisch argumentieren, wenn ich frustriert bin? Eben.

MÄNNER! Ich frage mich oft, warum der liebe Gott so etwas Hässliches erschuf. Der männliche Körper ist nun wirklich nichts Besonderes: zwei Litschis, eine Mini-Zucchini und überall Haare! Furchtbar! Nein, Rolle rückwärts, ich könnte kein Mann sein, denn ich würde mich definitiv hässlich finden. Vor allem, wenn ich da an diese komischen Früchte aus China denke: Litschi … uh … Die schauen eklig aus, wenn der Same keimt. Schon mal gesehen? Gekeimter Litschi-Samen schaut aus wie Sperma. Was natürlich nichts Gutes bedeuten kann. … Kneipengedanken.

Nach einer gefühlten weiteren Stunde bestellte ich mir den nächsten Touchdown. Nummer drei. Zwei mehr von der Sorte und mein Geburtstag wäre gelaufen. Er hatte noch eine Stunde, bevor ich dem Vierteljahrhundert hallo sagen würde. Ich wünschte, er wäre hier, und ich könnte mit ihm in meinen Geburtstag hineinfeiern. Ich wünschte es mir so sehr, dass es schon wehtat.

Meine besten Freundinnen unternahmen alle Anstrengungen, um mich abzulenken und scherzten wie wild. Aber alle Kichereien und Ablenkungsmanöver fruchteten nicht, mich von dem einen Gedanken loszureißen und die geglaubte Liebe meines Lebens aus meiner Welt zu löschen. Es gab leider keine Delete-Taste, die die schlimme Zeit, die tausend geweinten Tränen und die desaströsen Situationen ungeschehen machen konnte, die diese Trennung mit sich gebracht hatte. „Entfernen“ drücken, zack und weg. Das wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn sowas ginge. Nein, niemand konnte mich aufbauen, weder meine Freunde noch meine Familie.

Manchmal wünschte ich trotz allem, meine Verwandtschaft würde nicht am Anus der Welt wohnen. Okay, es war nicht schlimm, dass ich in Nürnberg lebte und einen gewissen Sicherheitsabstand zu meinen Eltern genoss. Als Teenager fand ich ihre ständigen Liebespraktiken so nervig, dass ich mit siebzehn beschloss, auszuziehen. Da kam der damalige Aushilfsjob gerade recht und ließ mich nach Nürnberg flüchten. So gelangte ich aus dem tiefsten Oberfranken ins gutsituierte „Nörnberch“. Leichtsinn? Vielleicht.

Zu meiner Verteidigung: Für Teenager ist alleine schon der körperliche Umbau furchtbar, aber wenn dann noch liebeshungrige Eltern jede Nacht aufs Neue mit ihrem Metallbett an die Wand krachen, dass das ganze Haus vibriert, dann ist das kein Spaß mehr. Mit Liebespraktiken meine ich alle erdenklichen Übungen und Stellungen, die man sich nur ausdenken kann, vermutete ich jedenfalls aufgrund der Geräusche. Mir blieb also nichts anderes übrig, als das Weite zu suchen. Abgehakt.

Das Schlimmste im Moment war die Einsicht, dass er nicht kam. Ich musste es mir nun endlich eingestehen: Er würde nicht auf einem Schimmel angeritten kommen, elegant absteigen, mit einer Rose in der Hand. So etwas gab es wirklich nur im Film. Er würde mich nicht tausendmal um Verzeihung bitten und zu mir zurückkommen. Nein, denn er war es gewesen, der unserer Beziehung ein Ende gesetzt hatte. Er und nicht ich, was alles noch viel schmerzlicher machte.

Jeder redet vom männlichen Ego, aber was ist mit uns Frauen? Hallo? Wir haben auch so etwas wie Stolz! Und mein Stolz und meine Würde waren mächtig angekratzt, weil er mich wegen einer Go-Go-Tänzerin sitzengelassen hatte. Das sind die, die sich um eine Stange schlängeln, halbnackt herumlaufen und Männern ihre genialen, superdurchtrainierten Gerippe hinhalten, damit sie dann von den notgeilen Säcken Euroscheine sonst wohin gesteckt bekommen.

Das Allerbeste oder besser gesagt das Allerfieseste daran war, dass er mich einen Monat vor unserer Hochzeit betrogen und sitzengelassen hatte. Und zwar mit der Begründung, dass der Sex mit ihr viel besser sei, und er bemerkt hätte, dass er sich mit seinen 29 Jahren noch nicht fest binden könne, weil ja so viel Frischfleisch herumlaufe.

Dass der Markt groß ist, begriff ich, aber dass der Sex mit ihr besser sein sollte? Nein, nein, nein, damit konnte ich mich nicht abfinden! Vor allem deshalb nicht, weil ich mir ein Jahr zuvor mehrere supergeniale Kamasutra-Bücher gekauft und diese mit ihm von vorne bis hinten ausprobiert hatte.

Klar, mein Ex hatte schon was von einem Schnitzel. Sehen und reinbeißen. Wobei, Schnitzel stimmt auch nur begrenzt. Der Mann verursachte bei mir den sogenannten „Denk-an-eine-Zitrone-Effekt“: Kaum denkst du an eine saftige, fleischige Zitrone, sabberst du schon wie wild los. Über diesen Punkt waren sich auch andere Mädels im Klaren. Nicht über den Zitrone-Effekt, sondern über den „Friss-mich-jetzt-gleich-Effekt“. Als ich ihn kennenlernte, war ich total verblüfft, dass er ausgerechnet mich ansprach.

2. Wie ich meinen Herzensbrecher kennenlernte

ErinnerungVerlorenes GlückHerz schlägt schnellerKein zurück?

Es hatte alles vor einer Disko in Nürnberg begonnen, zu der ich mit meinen beiden besten Freundinnen unterwegs war. Fabienne und Lena hatten mich damals überredet, den Schuppen mal näher unter die Lupe zu nehmen. Kurz vor der Disko: eine riesige Schlange. Mir verging die ohnehin kaum vorhandene Lust. … Bis ich ihn sah. Er stand nur zwei Meter von uns entfernt und ich bemerkte sofort, wie mein Herz schneller zu schlagen begann. Mit seinem sexy Outfit und der Lederjacke hatte er schon einen Pluspunkt bei mir.

Oberflächlich? Ich? Niemals! Die dunkelblauen Jeans lagen gut an, sein Knackarsch sprach Bände und man konnte einfach sagen, dass er zum Anbeißen gut ausschaute. Ein glattes Schnitzel eben, durch und durch! Hatte ich schon die tollen blauen Augen erwähnt und seine kurzen schwarzen Haare? Sein Körper wirkte gut trainiert. Mit 1,90 hatte er genau die richtige Größe, um sich von ihm küssen zu lassen. Ich küsse lieber nach oben, als nach unten.

Sein Lächeln war verschmitzt und seine strahlend weißen Zähne fielen mir sofort auf, nachdem ich Po und Gesicht gecheckt hatte. Traumhafte Zähne, schlichtweg bilderbuchreif. Keine gelben Raucherzähne, keine schwarzen Zähne und auch keine Goldzähne. Ich schmolz regelrecht dahin.

Zähne spielen in meinem Liebesleben eine besonders große Rolle. Wenn ein Mann keine gepflegten Zähne hat, dann kann er noch so ein Topmodel sein. Allein die Vorstellung, jemanden mit hässlichen, gelben, von Zahnbelag und Karies befallenen Zähnen zu küssen, löst bei mir schon „Rückwärtsessen“ aus. Aber in diesem Fall passte optisch alles.

Und dann geschah etwas, das nur höhere Fügung sein konnte: Durch eine ungeschickte Bewegung fiel sein Portemonnaie runter. Er bückte sich, um es aufzuheben, und da sah ich ihn deutlicher, seinen Hintern. Hammer! Das dachte sich Lena damals auch und kniff ohne zu zögern rein. Die nächsten Sekunden hielt ich die Luft an: Oh mein Gott, das gibt Ärger!

Aber der Supermann drehte sich nur um und schaute mir tief in die Augen. Mir blieb die Spucke weg. Ich konnte mich kaum bewegen. Als ob mich der Blitz getroffen hätte. Ich verliebte mich sofort in seine blauen Augen. Gott sei Dank rettete mich Lena und lächelte den Typen angriffslustig an.

„Netter Hintern, aber noch ausbaufähig“, meinte sie.

Er lachte und setzte gekonnt einen drauf:

„Du hast den Rest noch nicht gesehen. Darf ich eure Hintern auch mal anfassen? Dann können wir einen Po-Contest starten.“ Er lachte und grinste so schelmisch, dass ich sofort rettungslos verloren war.

„Na freilich, da lässt sich drüber reden …, bei einem Drink.“ Mit diesen Worten schaute Lena in unsere Richtung. Fabienne, der immer alles peinlich ist, drehte sich sofort weg und ich, der mir nie etwas peinlich war, lief rot an und lächelte wie ein kleines Mädchen, das soeben eingeschult wurde. Ich muss dazu sagen, dass ich immer in den Mauerblümchenmodus verfalle, wenn mir ein Mann gefällt. Aus der munteren und vor allem schlagfertigen Marie-Louise wird dann ein unscheinbares „Sprich-mich-bloß-nicht-an“ Prinzesschen.

Jedenfalls gab er uns allen etwas aus, was ich damals einfach nur genial fand. Gleich am ersten Abend war es um mich geschehen. Wobei ich vielleicht erwähnen sollte, dass das bei mir immer recht schnell geht. Schnell verliebt, schnell entliebt! Nicht aber in seinem Fall.

3. Übergib dich nie auf einen Go-Go!

Seine Grenzen zu kennen ist goldwertBevor sich der Magen umkehrtAber wie lernt man sowas?

Mein Herzensbrecher hieß Nick, er war 29 Jahre alt und hatte mich wegen eines Go-Go-Häschens verlassen. Nach fünfjähriger, glücklicher und Kamasutra geprüfter Beziehung war er der Meinung, dass er seine Freiheit brauche. Männer!

„Ich will ihn wiederhaben“, dachte ich, und dann wieder: „Nein, ich will ihn nicht wiederhaben. Doch! Ich will ihn …“ Anstatt mit Lena und Fabienne in der Kneipe zu sitzen, hätte ich in diesem Moment mit ihm am Strand liegen sollen, um durch ständiges Auf- und Abwippen fleißig für Nachwuchs zu sorgen. Oh Mann, ich verstand die Welt nicht mehr, und wie aus weiter Ferne hörte ich mich sagen:

„Gebt mir noch einen!“ Die Mädels schauten sich nur an, aber als Lena etwas einwenden wollte, hielt Fabienne sie zurück. Kaum ausgesprochen, stand Touchdown Nummer vier vor mir. Ich nahm einen Schluck und schaute auf die Uhr. Es fühlte sich an, als ob die Welt bald nicht mehr dieselbe sein würde. Eine halbe Stunde vor Mitternacht! Auf diesen Schock hin zog ich energisch mit meiner ganzen noch vorhandenen 24jährigen Kraft am Strohhalm und trank das kühle Getränk in großen Schlucken. Die Eiswürfel im Glas klirrten. Ob es Aschenputtel auch so gegangen war, kurz bevor sich der Zeiger der Zwölf näherte? Gedankenverloren schaute ich zu den Bildern mit den lachenden Menschen an der Wand.

„Marie-Louise, nimm es nicht so schwer, wir sind doch hier. Du schaffst das“, versuchte Lena mich aufzubauen. Sie nahm mich in den Arm. Natürlich hatte sie recht.

„Schluss mit dem Selbstmitleid und Bedauern“, schwor ich mir deshalb, „dadurch kommt er auch nicht zurück. Ich werde jetzt ein neues Leben anfangen und mir aus Rache auch einen Go-Go-Tänzer angeln.“

So kam es, dass wir schließlich vor der „La Bomba Azul“ endeten, einem Striplokal nur für Frauen. Laut Zeitungsberichten sollte da immer die Post abgehen. Als wir vor Arnie standen, dem riesengroßen Türsteher, fehlte nur ein kleiner Satz, um mich wieder zu entmutigen:

„Du kommst hier fei net nei.“ Aber er war ein netter Türsteher. Er sagte nichts dergleichen. Kaum drin, zog mich ein Tänzer auf die Bühne. Ich bekam eine kostenlose Tanzeinlage. Wahrscheinlich sah man mir meine Verlassenheit und Verzweiflung an.

Das Ambiente des Lokals war sehr auf nackte Tatsachen ausgerichtet. Die Form der Holzstühle glich gespreizten Frauenbeinen. Das Licht? Maximal gedimmt, um nur das Nötigste zu erhellen. Die runden Tische standen auf farbigen Ständern. Auf penisförmigen Ständern, wohlgemerkt. Was in den nächsten Minuten geschah, erinnerte eher an einen Junggesellinnenabschied: Ich bekam meine eigene Stripeinlage. Wegen meines Alkoholpegels an diesem Abend fehlen mir zwar ein paar Details, aber ich erinnere mich, dass noch ein zweiter Typ dazu kam, der mich festhielt, während der andere mich zum gemeinschaftlichen fröhlichen „Happy Birthday“-Gesang meiner Freundinnen mit Erdbeerlimes abfüllte.

Oh ja, und die außergewöhnlichen Tanzbewegungen sind auf der Festplatte gespeichert. Ich erinnere mich sogar noch daran, wie einer der Beiden sich auf meinen Schoß setzte und der andere ein Tuch um ihn hielt, damit nur ich allein die Früchte seiner männlichen Schönheit bewundern konnte. Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters und hat mit der individuellen Wahrnehmung zu tun. Zu meiner Ehrenrettung: Meine Wahrnehmung entsprach um die Zeit nur noch ungefähr der eines Maulwurfs.

Einer der Stripper forderte mich auf, Erdbeerlimes von seinem Körper zu schlecken. Im nüchternen Zustand hätte ich das nie und nimmer getan! Laut Fabienne und Lena kam es allerdings nicht zum Äußersten. Nein, es kam schlimmer. Dadurch, dass ich von ihm ruckartig nach oben gezogen wurde, um ihn abzulecken, musste eine chemische Reaktion in meinem Magen in Gang gesetzt worden sein, die wohl letztendlich auf meine vier oder fünf Touchdowns in Kombination mit dem Erdbeerlimes zurückzuführen war. Der bis dahin lächelnde Mann verwandelte sich laut Lena in einen wütenden Rambo. Und zwar infolge der Tatsache, dass ich mein Wiener Schnitzel in halbverdauter Form inklusive Touchdowns auf seinem durchtrainierten Körper verteilte.

Tja, letztlich hatte ich meine Go-Go-Rache bekommen. Ich hatte bewiesen, auch ich war in der Lage, eines dieser Stangentiere zu bändigen. Und die Moral von der Geschicht‘? Übergib dich niemals auf einen Go-Go, denn du wirst lebenslanges Hausverbot bekommen, und Arnie wird dich auf eher unsanfte Art und Weise hinausbefördern! Zudem landet noch ein Briefchen in deinem Postkasten, in dem steht, dass du eine Reinigungsrechnung in Höhe von 100 Euro zahlen musst. Für was genau ich bezahlen musste, weiß ich bis heute bedauerlicherweise nicht, es lag keine Auflistung bei. Vermutlich mussten sie Klein-Rambo ein Wellness-Wochenende ausgeben, damit er sich von meinem Rückwärtsessen erholen konnte. Leider werde ich das wohl nie erfahren. Ich bezahlte, ohne zu fragen.

4. Tatsächliches Alter: 25 – gefühltes Alter: 125!!!

Cellulite!Dynamite!Besenreiser!Dafür weiser

Am darauffolgenden Tag fühlte ich mich nicht wie ein Vierteljahrhundert, sondern mindestens wie das Fünffache davon. Eher mehr. Erst einmal ein Bad einlaufen lassen und entspannen, entschied ich. Danach geht’s mir für gewöhnlich besser. Während das Badewasser lief, schaute ich kurz, ob sich noch jemand bei mir gemeldet hatte. Und tatsächlich: drei Anrufe in Abwesenheit und eine SMS. Ich ging auf Öffnen und wünschte, ich hätte es nicht getan! Nick hatte geschrieben. Ob er mir nur gratulieren oder sich entschuldigen wollte?

Hey Marie-Louise, ich wünsch dir alles Gute zu Deinem 25. Du machst das schon. Halt die Ohren steif, altes Mädchen.

Mit einem Smiley hatte er es geschrieben. Den hätte er sich sonstwohin stecken können, und der letzte Satz hätte erst recht nicht sein müssen. Männer wissen doch genau, dass wir solche Sachen nicht hören wollen und stapfen trotzdem regelmäßig ins Fettnäpfchen. Absicht?

„Vollidiot, Blödmann, Dumpfbacke …“ Ich überlegte angestrengt, was ich antworten könnte. Leider fielen mir mal wieder nur böse Sachen ein, die mir hinterher sicher leidtun würden. Schlussendlich schrieb ich dann doch etwas Nettes, in der Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden könnte:

Danke. Wollen wir nicht noch einmal reden? Dein altes Mädchen.

Nachdem ich die Nachricht abgeschickt hatte, meldete sich ein „Oh-Mann-ich-bin-jetzt-alt-und-wurde-auch-noch-verlassen“ Heulkrampf bei mir an. Ich will mich nicht selbst bemitleiden, aber manchmal darf man das doch, oder? Prompt kamen die immer gleichen Fragen wieder in mir hoch:

Warum ist mein Leben nur so, wie es ist? Wieso kann ich nicht verheiratet sein, glücklich mit zwei Kindern und mit anderen Müttern über Babykost um die Wette klugscheißern? Im Moment habe ich gar keine Energie mehr. Die Uhr tickt und die Zeit läuft mir davon! Heute ist der 28. März, ich bin 25 Jahre alt und nicht verheiratet. Mein sehnlichster Wunsch ist es, einfach nur zu schlafen und wieder in meinem alten Leben aufzuwachen. Kann mir jemand diesen Wunsch erfüllen?

Letzten September hatten wir heiraten wollen. Im August hatte er mir gebeichtet, dass er eine Affäre hätte und sich nicht sicher sei. Ich verzieh ihm und wollte ihn immer noch. Die Hochzeit sagten wir vorsichtshalber ab. Wir wollten sie verschieben, bis sich die Situation beruhigt hätte und mit uns wieder alles im Lot wäre. Zwei Tage vor der ursprünglich geplanten Hochzeit betrog er mich dann allerdings erneut. Wir führten in der Folge ein sehr emotionales Gespräch. Nick meinte, er könne und wolle sich einfach nicht binden. Er wolle mich aber auch nicht verlieren und mich trotz dieser ganzen unglaublichen Sache heiraten. Bleibt einem da nicht die Spucke weg?

Natürlich sah er nicht ein, warum ich auf Rückzug ging. Angeblich bedeutete ihm die Affäre nichts. Das Wort „Entschuldigung“ gehörte nicht zu seinem Repertoire, was mich noch wütender machte. Unser Hochzeitstermin hätte der 5. September sein sollen. Fast ein Jahr lang hatten wir Vorbereitungen getroffen. Weil ich die Feier wenigstens einen Monat vorher absagte, erließen mir diverse Ämter und das Restaurant einen erheblichen Betrag dessen, was ich beziehungsweise wir hätten zahlen müssen. Geplant war, dass die Kosten durch vier geteilt würden: die Hälfte hätten Nick und ich gezahlt, die andere Hälfte unsere Eltern. Leider hatte ich meine Kreditkarte als Zahlungssicherheit angegeben und somit buchten alle möglichen Leute mächtig von meinem Konto ab. Hinterher hatte ich rund 3500 Euro eingebüßt und 1500 Euro Schulden bei der Bank, was meinen Dispokredit sprengte. Meinen Eltern wollte ich es nicht zumuten, für etwas zu bezahlen, das nie stattgefunden hatte. Obwohl ich mich auf sie hätte verlassen können, wollte ich da alleine durch. Nick hatte sich zurückgezogen und eine Zeitlang nicht mehr gemeldet. Er ließ mich auf meinem Schuldenberg sitzen.

Nun, ein gutes halbes Jahr später, hockte ich in einer halbleeren Wohnung. Verlassen, verkatert und verschuldet. Weil wir hier immer recht glücklich gewesen waren, machte mich der Anblick jetzt doppelt traurig. Eine Altbauwohnung in der Innenstadt von Nürnberg, drei Zimmer mit kleinem Balkon. Die ehemals liebevoll eingerichteten Räume wirkten nun trist und grau, obwohl sie bei Tageslicht in bunten und lebensfrohen Farben strahlten. Wenn ich mein Fenster öffnete, konnte ich runter zum Hauptmarkt schauen und zum „Schönen Brunnen“. So heißt der wirklich und der Name ist sehr passend. Ich liebte den Ausblick. Jetzt ließen sogar meine fünfzehn Orchideen ihre Köpfe hängen, als wollten sie mit mir weinen.

Ich hatte nur zwei Möglichkeiten, der Finanzmisere zu entkommen: Entweder suchte ich mir einen Nebenjob oder ich fing an, Lotto zu spielen. Gut, ich könnte mich auch in einen Millionär verlieben oder betteln gehen oder, was noch viel besser wäre, ich könnte höchstpersönlich zur Go-Go-Tänzerin mutieren. Das ergab jetzt schon fünf Möglichkeiten. Na ja, Mathematik war noch nie meine Stärke. Go-Go-Tänzerin zu werden, stand allerdings nicht direkt als Nahziel auf meiner Agenda.

Nee, lieber nicht, entschloss ich mich. Ich bin nämlich ein kleiner Klemmi, wenn es darum geht, meinen makellosen Körper in der Öffentlichkeit zu zeigen. Schon als ich damals mit meinem ersten Freund zusammen war …, oder sollte ich besser sagen: Mit meiner ersten Pfeife? … konnte ich das nicht. Obwohl ich damals noch keine Zellulitis-Ansätze hatte und auch keine Besenreiser oder Krampfadern, konnte ich mich nicht als Frischfleisch in der Sauna präsentieren. Er hatte immer in die Sauna gewollt. Ich war nur einmal mitgegangen, aber erst nach stundenlangem Betteln. Mit einem riesengroßen Handtuch hatte ich mich auf die Holzbänke gesetzt.

Saunabesuche haben für mich gar nichts Reizvolles an sich. Bei manchen Männern konnte man nicht einmal sehen, ob es sich wirklich um einen Mann handelte, da die fetten Bäuche alles verdeckten. Und zum Thema Rasur? Da könnte man auch ein ganzes Buch schreiben. Pfui! Ein bisschen Rasen mähen wäre meines Erachtens manchmal schon angebracht, bevor man eine öffentliche Anlage betritt.

Meine erste Pleite hieß Marcel. Ich war damals 17 und er fünf Jahre älter als ich. Besser gesagt, war er fünf Jahre dümmer. Löwe trifft Widder. Und zwar mich, was die Konstellation nicht gerade einfacher machte. Zuvor hatte ich in diversen Büchern gelesen, dass Widder und Löwen gut zusammenpassen würden. Dass ich nicht lache! Mir fällt, wenn ich daran denke, immer ein Spruch unseres Lehrers ein:

„Mädels, wenn ihr einen reifen Burschen wollt, dann sucht euch einen, der mindestens sieben Jahre älter ist als ihr, denn erst dann ist er auf eurem geistigen Niveau.“

Das Fazit: Wäre Marcel noch zwei Jahre älter gewesen, hätte es funktionieren können. Aber ich hätte auch dann wohl nur als Zweitfrau neben seinem Auto bestehen können, und das wollte ich nicht. Ich weiß bis heute nicht, warum er lieber unter seinem blöden Auto lag als unter mir. Nicht, dass ich etwas gegen Autos hätte. Vielleicht war für ihn Sex mit seinem Auto einfach besser?

Eins hätte ich trotzdem gerne behalten von Marcel: seine Eltern. Die waren einfach nur toll! Seine Mama war die beste Köchin weit und breit und sein Papa war mir schlichtweg sympathisch. Er hatte Marcel damals verklickert, dass der ein riesiges Problem mit ihm bekommen würde, wenn er mit mir Schluss machen würde. Hans und Gabi hatten mich auf Anhieb gemocht und ich sie auch. Was aus Marcel geworden ist, weiß ich nicht, aber ich hoffe, dass sein Dad ihm gehörig die Leviten gelesen hat. Leider nützt es einem nichts, wenn man mit den Schwiegereltern gut kann, aber der Hauptdarsteller nicht mitspielt. Sollte mir das zu denken geben? Nö!

Ich bin cool, intelligent, zumindest manchmal habe ich gute Einfälle, und die kommen ja letztendlich auch von einem kleinen Genie, oder? Klingt das eitel? Selbstbewusst! Ich halte mich für witzig, aufgeschlossen, unternehmungslustig und bin 1,70 m groß. Ich habe blaugraue Augen, die sich im Sommer in verführerische grünblaue Augen verwandeln, und im Übrigen braune, schulterlange Locken.

Damals hätte ich sie wegen Marcel beinahe blond gefärbt. Allerdings stand für mich fest, dass ich nicht wie eine unechte Blondine aussehen wollte. Deshalb hatte sich dieses Thema schnell erledigt. Damit passte ich nicht in sein „Blondie-Schema“, womit sich die Geschichte mit uns schnell erledigte.

Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, mein Aussehen: Ich bin kein Topmodel aber ich kann schon behaupten, dass ich, wenn ich mich style und ausgeschlafen bin, durchaus Vorzeigepotenzial besitze. Die Waage zeigt momentan 58 kg an, und ich habe Körbchengröße „undefinierbar klein“. Ich nehme an, dass es damit höchstwahrscheinlich „A“ sein muss, aber ich hoffe darauf, dank meines kleinen Freundes, des Brustsaugers, bald Körbchengröße „B“ zu haben. Der Brustsauger ist ein Gerät, das kleine Brüste massiert. Zumindest hat mir das mal ein Verkäufer in einem Sex-Shop erzählt. Was sich letztendlich als falsch herausstellte. Der Sauger leistete lediglich zum Liebesakt seinen Beitrag.

Auch wenn meine Omi immer der Meinung war, dass eine Handvoll gerade richtig wäre und alles, was drüber ist, „gemein“ sei, stimmte mich diese Aussage nicht unbedingt optimistisch. Sag das mal einem Kerl, dessen Tagträume von vollen Brüsten bestimmt werden, und du darfst die nächste Zeit alleine Party feiern. Männer brauchen immer Brüste. Oder, um ihre vulgäre Sprache zu gebrauchen: Titten.

5. Warum mir?

Sagte ich nicht laut genug NEIN?Anscheinend nicht!Aus andrer SichtMist!

Egal in welchen Schwierigkeiten ich stecke, eine heiße Badewanne ist bei mir immer die Lösung für alle Probleme! Okay, fast immer. Sternzeichentechnisch hätte ich da eher ein Fisch oder eine Jungfrau werden sollen. Letztendlich kam Widder mit Aszendent Wasserratte heraus. Wasser ist definitiv mein Element.

Die Wanne war schon fast voll, da klingelte das Telefon. Es war meine Mom. Sie gratulierte mir zu meinem Vierteljahrhundert und lud mich zum Essen ein. Da mir die Touchdowns immer noch schwer zu schaffen machten, sagte ich ab. Seit Nick Schluss gemacht hatte, rief sie mindestens gefühlte zehnmal am Tag an und fragte, wie es mir gehe. Na, super ging es mir! Wie sollte es mir denn nach einer Trennung gehen? Ich war wieder frei, relativ jung und konnte mein Leben wieder genießen. Ha!

Um das Wellness-Flair beim Baden noch zu vervollständigen, benötigte ich ein paar Kerzen und Musik. Ich ging in unser Schlafzimmer und schnappte mir das Radio. Auf dem Rückweg zum Badezimmer stolperte ich über seine Gitarre und dabei fiel mir das Radio aus der Hand.

„Mist, heute ist einfach nicht mein Tag!“ schimpfte ich. Die Antenne hing jetzt wie abgestorben am Radio. „Blöd, blöd, blöd!“ schrie ich aus vollem Halse. Anscheinend so laut, dass mein Lieblingsnachbar beschloss, mit dem Besen „nachzuschreien“. Gut, dann mussten eben die Lavendelkerzen reichen. Schnell zog ich mich aus und ließ mich in die Wanne gleiten. Tief sog ich den Duft des Badewassers ein.

Lavendel ist für mich immer wohltuend und erfüllend und erinnert mich an die Zeit, als ich noch ein Kind war. Damals legte meine Mom immer ein Lavendelsäcklein zwischen meine Unterhosen in den Schrank.

Kurzzeitig schwelgte ich in Kindheitserinnerungen. Der Schaum knisterte und ich beobachtete die Vereinigung mit dem Wasser. Meine Hände griffen den Schaum, führten ihn zum Mund. Im nächsten Moment wirbelte er wie Schneeflocken durch die Luft. Schön!

Allerdings vergingen nicht mal fünf Minuten, da erregte ein Geräusch meine Aufmerksamkeit. Ein Geräusch, das sich wie eine zufallende Tür anhörte. Ja. Es war tatsächlich eine Tür ins Schloss gefallen! Mein Herz fing an, schneller zu schlagen. Außer mir hatte nur einer den Schlüssel zu unserer Wohnung, und das war Nick. Meine Gedanken überschlugen sich:

„Er kommt wieder zu mir zurück! Oder will er nur seine Sachen abholen? Vielleicht denkt er, dass ich nicht da bin, weil ich nach meinen Touchdowns das Auto in der Stadt stehen gelassen habe.“ Plötzlich hörte ich ein lautes

„Hallo?“ Es war Nick. Oh Mann, wie ich mich freute! Gleich würde er mir einen Blumenstrauß schenken, und wir würden doch noch heiraten.

Aber was war das? Ich hörte eine zweite Stimme, eine weibliche. Es dauerte ein paar Sekunden bis ich begriff, was hier los war. Das durfte nicht wahr sein! Der Kerl besaß echt die Frechheit, jemanden in unsere Wohnung zu bringen. Eine fremde Frau. Ein halbes Jahr nach unserer Trennung, in unsere Wohnung! Nein, ich fasste es nicht. Vor Schreck konnte ich gar nichts sagen. Langsam kehrte die Wut zurück. Jetzt hörte ich diese „sie“ lachen. Na die konnten was erleben. Die Schlafzimmertür wurde geöffnet und eine CD eingelegt. Unglaublich!

Sollten jetzt unsere „Love Songs“ ertönen, dann wusste ich, dass die sich nicht nur unterhalten würden. Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen, dass er es schon wieder tun würde. Und noch dazu in unserem Schlafzimmer, mit einer anderen, an meinem Geburtstag! Es war schlimm genug, dass er mich vor der Hochzeit betrogen hatte. Und jetzt das!

„Was für ein Riesenrindvieh!“ schimpfte ich leise. „So ein elendiger Schweinehund!“ Dann ermahnte ich mich: „Marie-Louise, bewahre einen kühlen Kopf!“ Erst einmal musste ich sicher gehen, dass er wirklich jemanden im Schlafzimmer hatte, denn nur dann dürfte ich mich rächen. Ich versuchte, möglichst ohne Geräusche, aus der Wanne zu steigen. Blitzschnell trocknete ich mich ab, zog meine alten Klamotten wieder an und schlich Richtung Schlafzimmer.

Er hörte wirklich unsere Lieblings-CD. Die bekannten Love Songs gaben mir den Rest. Die Tür hatten sie im Eifer des Gefechtes nicht geschlossen, deshalb war es mir möglich, mit einem Auge hineinzuschauen. Was ich dort sehen musste, bescherte mir fast einen Herzinfarkt: Oh, mein Gott! Was machten die da? Beide splitternackt und in einer Position, die bestimmt nicht einmal in meinem Kamasutra-Buch aufgelistet war! Durch ihren tollkühnen Liebeskampf bekamen sie nichts von ihrer Umgebung mit, und das war auch gut so. Ein Gefühl des Ekels und des Würgens stieg meine Kehle hoch. Eng umschlungen und laut stöhnend machten sie Amore in meinem Schlafzimmer.

„Marie-Louise, du musst dich jetzt zusammenreißen!“ sagte ich mir. Ich fühlte mich verletzt, gedemütigt und konnte es kaum glauben, was sich da in meiner Wohnung abspielte. War hier irgendwo eine versteckte Kamera? Leider kam niemand, um mich fröhlich zu überraschen.

Also Rache! Ich dachte nach: Was würde ich als Erstes zerstören? Auto, Gitarre oder Klamotten? Das Auto lieber nicht und die arme kleine Gitarre konnte auch nichts dafür. Aber die Klamotten wären eine gute Gelegenheit, um meine Aggression positiv auszuleben und sie nicht direkt an Menschen auszulassen. Gehörte ich jetzt schon zu den Psychos? Klar. Warum nicht? In welchem Film sind Klamotten zerschnippelt und aus dem Fenster geworfen worden? Egal, ich drehte jetzt meinen eigenen Film! Hauptdarstellerin war ich selbst, Marie-Louise Maus, betrogen, belogen und sitzen gelassen. Das gab gleich mehrere gute Gründe, um mein Vorhaben zu rechtfertigen. Das Opfer in diesem Fall: Nick Falkenstern. 29 Jahre. Leider immer noch sehr gutaussehend! Ich frohlockte.

„Mal schauen, ob sein Stern heute untergeht und er dann nur noch Falke heißt, wenn er fertig gevögelt hat. … Wo ist die Schere? In der Küche, zweites Fach rechts.“

Das Tatwerkzeug lag zum Einsatz bereit, jetzt fehlten nur noch seine Sachen. Da ich schon vor Monaten vorgesorgt und fast alles in Säcke verpackt hatte, war es ganz einfach. Ich schnappte mir die Säcke, die ich in den Flur gestellt hatte und wollte gerade mit dem Schneiden anfangen, da hörte ich die Tür vom Schlafzimmer. Panik: Oh Shit, wo konnte ich mich jetzt schnell verstecken? Flink wie ein Wiesel schlüpfte ich hinter den Garderobenschrank, da lief sie auch schon an mir vorbei.

„Hallo?!“ schoss es mir durch den Kopf. „Bitte noch einmal zurückspulen! War das nicht die Kellnerin von unserem Lieblingslokal?“ Als ich Nick getroffen hatte, sind wir in der Kennenlernphase oft dorthin gegangen. Das Mädel wurde unsere Lieblingskellnerin, weil sie sich manchmal zu unseren Gunsten verzählte. In mir keimte ein Verdacht: Wenn sie nicht tatsächlich grottenschlecht in Mathe war, hatte sie nun genau das erreicht, was sie wahrscheinlich von Anfang an wollte: Sich einen supergutaussehenden Mann angeln! Meinen Mann!

Sie ging ins Badezimmer; wahrscheinlich, um sich frisch zu machen. Oh nein! Mir fielen die Kerzen und das Wasser in der Wanne ein. Hoffentlich flog ich nicht auf.

„Nick“, kreischte sie. Ich hörte schnelle Schritte.

„Was ist denn?“ fragte er. Wahrscheinlich nahm er sie gerade schützend in den Arm. Dieses Arschloch!

„Sie ist noch in der Wohnung!“ keifte das besorgte Etwas. Ich hätte ihr eine langen können! Meine Wut wurde immer unbändiger. Ich hasste sie, ich hasste Nick, ich hasste diese ganze absurde Situation.

„Nein, dann wäre sie längst aufgetaucht. Ich nehme an, dass sie es einfach vergessen hat. Sie kann froh sein, dass wir es bemerkt haben. Brennende Kerzen in einer leeren Wohnung! Sie ist ziemlich vergesslich“, erklärte Nick, blies die Kerzen aus und ließ im gleichen Atemzug das Wasser aus der Wanne.

„Na warte!“ grollte ich. Oh, wie es in mir brodelte! Nachdem sie sich erneut ins Schlafzimmer begeben hatten, kroch ich wieder aus meinem Versteck. Jetzt erst recht! Kein Pardon! Leise schnappte ich mir die schwarzen Plastiksäcke und schleppte sie in die Küche. „So, lieber Nick“, triumphierte ich innerlich, „verabschiede dich von deinen Lieblings-Boxershorts und deinen schwarzen Lederhosen.“ Schnipp-schnapp, war das ein gutes und erleichterndes Gefühl! Die Boxershorts ließen sich wesentlich einfacher zerschneiden, weil sie aus feinstem Satin bestanden, die Lederhosen hingegen bereiteten einige Mühe. Es folgten T-Shirts und Unterhosen und Sack Nummer eins war fertig. Auf zu Nummer zwei! Der beinhaltete Hosen und Hemden, die Nick für seine Arbeit als angehender Rechtsanwalt brauchte, was bedeutete, dass hier der wesentliche und gewichtigere Anteil an Kohle drinsteckte. Es war in diesem Moment wie eine Therapie für mich. Das Schneiden wirkte befreiend und verlangte nach mehr.

Dann war es endlich vollbracht. Unsere Küche hatte sich in einen Flohmarkt für Designerfetzen verwandelt. Ehemals teure italienische Designeranzüge, jetzt Putzlappen. Eigentlich schade, Herr Nick, dachte ich und hoffte, er würde mich nicht verklagen. Da er seine Prüfungen als Bester bestanden hatte, kannte er sich mit solchen Dingen ja sehr gut aus. Egal, da musste er jetzt durch! Außerdem: Wenn er die Sachen ein halbes Jahr nicht gebraucht hatte …?

Fenster auf und raus mit dem Plunder! Lustigerweise landete alles vor seinem Auto und teilweise auf seiner Motorhaube. Es flogen im wahrsten Sinne die Fetzen. Oh, mein Gott, das fühlte sich echt gut an! Das hatte der dreiste Kerl verdient. Monatelang nicht wirklich ausziehen und dann sogar die Ex in deren Wohnung betrügen! Wie dumm und naiv war ich gewesen? Oder besser gesagt, welches Pech verfolgte mich gerade? Hoffentlich vermisste er seine Klamotten wenigstens dann, wenn er sie in zerkleinerter Form auf der Straße liegen sah. Ich überlegte, ob ich mit meinem Rachefeldzug fortfahren sollte. Es blieben noch die Gitarre und das Auto. Ich entschied mich dagegen. Aber mit den Kleidern, die sie in ihrer Ektase im Flur fallengelassen hatten, ließe sich noch etwas anfangen. Mir kam eine Idee: Juckpulver! Wir hatten vom letzten Fasching noch Juckpulver übrig! Ich wünschte den beiden Turteltauben von ganzem Herzen und tiefster Seele einen langanhaltenden Intimausschlag. Während ich suchte, hörte ich ihr Stöhnen bis in die Küche. Ich hätte einfach nur kotzen können. Das Pulver war in unserem Arzneischränkchen in der Küche.

„Wie gut, dass ich all die wichtigen Sachen immer in der Küche aufbewahre“, schmunzelte ich in mich hinein. Ich nahm einen gelben Spülhandschuh und begab mich in den Flur. Langsam hob ich ihre Hemden auf und verteilte alles sehr sorgsam. Danach kamen die Unterhosen dran. Ich rubbelte mit aller Gewalt das Pulver hinein und versuchte, die Sachen wieder so hinzulegen, wie sie gefallen waren. Vorher begutachtete ich natürlich ihren Slip. Ich hielt einen dunkelroten Tanga hoch, der eher an einen dünnen Nähfaden erinnerte, als an eine Unterhose. Am liebsten hätte ich reingespuckt aber ich zügelte meine angestaute Wut und richtete meine ganze Aufmerksamkeit auf meine Mission: Rache.

Ich muss schon sagen, dass ich manchmal wirklich tolle Einfälle habe! Obwohl diese Aktion eher ein Kinderstreich war, freute ich mich diebisch. Auf dass ihre Ärsche brennen sollten!

Schnell zog ich mir noch die Schuhe an und rannte aus der Wohnung. Vorher brachte ich einen Zettel mit einem riesigen Smiley an der Wohnungstür an. Genauso einen, wie ihn mir Nick zum Geburtstag per SMS geschickt hatte.

„So, mein lieber Nick“, dachte ich zufrieden, „heute war definitiv dein persönlicher pay day. Zahltag! Du kannst ja den Verlust deiner Klamotten von ihrem Trinkgeld abziehen.“ Ich musste kichern. Als ich die Tür ins Schloss fallen ließ, hörte ich kurz Stimmen. Einen leisen Aufschrei der Dame. Leider konnte ich ihre Gesichter nicht sehen. Ein wonniges Gefühl breitete sich in meinem Körper aus. Dies war definitiv ein faires Pendant zu ihrem Orgasmus. Glückshormone!

6. Kurzschlussreaktion mit Folgen

Verrückt in die WeltOhne Verstand, ohne GeldÜberleben mit GlückMit Dusel zurück?