Schmidt liest Proust - Jochen Schmidt - E-Book

Schmidt liest Proust E-Book

Jochen Schmidt

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Beschreibung

Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" gehört zu den großen Werken des 20. Jahrhunderts, die man sich ein Leben lang noch zu lesen vornimmt. Jochen Schmidt hat es getan: "Proust ist kein Aphrodisiakum, sondern ein Führer durch die Höllen der Eifersucht. Zum Glück ist er daneben auch ein völlig unterschätzter Ironiker."

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Jochen Schmidt studierte Informatik, Germanistik und Romanistik an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1999 erhielt er den Open-Mike-Literaturpreis der Literaturwerkstatt Berlin. Im selben Jahr gründete er die Lesebühne »Chaussee der Enthusiasten« mit. 2002 wurde er mit dem Publikumspreis des Steirischen Herbstes ausgezeichnet und 2004 mit dem Förderpreis zum Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor. 2007 wurde er für den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb nominiert. Der Autor von »Triumphgemüse« (C.H.BECK, 2000) und »Müller haut uns raus« (C.H.BECK, 2002) ist auch in der Anthologie »Chaussee der Enthusiasten« (Voland & Quist, 2006) vertreten. 2007 erschien »Meine wichtigsten Körperfunktionen« (C.H.BECK).

Jochen Schmidt

Schmidt liest Proust

Quadratur der Krise

Alle Zitate aus: Proust, Marcel: »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«, Rütten & Loening, Berlin 1974

Beitrag vom 26.10.06 mit freundlicher Genehmigung von Kathrin Passig.

Beitrag vom 24.12.06 mit freundlicher Genehmigung von Annett Gröschner.

Beitrag vom 07.01.07 bereits veröffentlicht in Schmidt, Jochen: »Meine wichtigsten Körperfunktionen«, C.H.BECK, München 2007. Wir danken für die freundliche Genehmigung.

singles 16

Verlag Voland & Quist, Dresden und Leipzig, 2008

© by Verlag Voland & Quist – Greinus und Wolter GbR

ISBN: 978-3-938424-68-1

Lektorat: Stephan Ditschke

Covergestaltung: Tim Jockel

E-Book-Erstellung: nimatypografik

www.voland-quist.de

»Ein Schriftsteller kann sich ohne Furcht an eine lange Arbeit begeben. Der Verstand kann ruhig sein Werk beginnen, auf seinem Wege werden ihm genügend Leiden begegnen, die seine Vollendung bewirken.«

Marcel Proust »Die wiedergefundene Zeit«

»Quidquid bene dictum est ab ullo meum est.«

Seneca

Inhalt

Vorwort

1. Buch

In Swanns Welt

2. Buch

Im Schatten junger Mädchenblüte.

3. Buch

Die Welt der Guermantes

4. Buch

Sodom und Gomorra

5. Buch

Die Gefangene

6. Buch

Die Entflohene

7. Buch

Die wiedergefundene Zeit

Vorwort

Ich hatte geplant, ein halbes Jahr lang jeden Tag zwanzig Seiten Proust zu lesen, ich hatte nicht geplant, ein weiteres halbes Jahr dafür zu opfern, aus meinem Lektüreblog »Schmidt liest Proust« ein Buch zu machen. Die Arbeit war nötig, denn man versteht sein Leben mit zwei Jahren Abstand natürlich viel besser. Man ist ja in der Regel geistig gar nicht auf seinem eigenen Niveau, sondern befangen in der »Stullizität des Unmittelbaren« (Jürgen Kuttner). Zwei Jahre später fällt mir endlich das richtige Wort ein. Außerdem mußte ich nicht mehr so viel Rücksicht nehmen und konnte Zensiertes entschleiern und Verzichtbares kürzen. Am Blog gefiel mir das Spielerische, die Selbstverpflichtung, erbarmungslos jeden Tag zu veröffentlichen, unabhängig von der eigenen Verfassung. Diszipliniert die eigene Disziplinlosigkeit zu dokumentieren, das Nebensächliche aufzuschreiben ohne geschwätzig zu werden. Es gibt Texte, an denen man bis zu seinem Tod feilen sollte, und es gibt Texte, die das kaputtmachen würde. An alten Fotos ist meistens das interessant, was nur zufällig ins Bild geraten ist. Was auf einem Foto zu sehen ist, ändert sich ja mit der Zeit. Auf dem Haus am Alex stand also »Chemie-Erzeugnisse aus der DDR«? Nie hätte ich das bewußt fotografiert, es war mir ja gar nicht aufgefallen, als es noch dort stand. Aber jetzt ist es für mich die Hauptattraktion des Fotos. Solches Material wollte ich für die Zukunft sammeln, Ruinen von morgen, Details, die die Gewohnheit unsichtbar werden läßt. Die Idee schien mir zu Proust zu passen. Im übrigen ist mein Text immer besser geworden, je schlechter es mir ging. Insofern sagt er eigentlich überhaupt nichts über mich aus. Dazu müßte ich ein Buch darüber schreiben, wie ich ein Buch über Proust geschrieben habe. An zwei Tagen mußten mir sogar Kolleginnen aushelfen, weil eine heftige Liebeserkrankung – an der ich Proust die Schuld gebe – mich aus der Bahn zu werfen drohte. Ich danke Kathrin Passig und Annett Gröschner.

Ich habe mir nie angemaßt, etwas Relevantes zu Proust zu sagen zu haben, ich wollte nur meine Begeisterung mitteilen und andere zur Lektüre verführen. Ich habe die »Recherche« bewußt naiv gelesen und mich nicht weitergehend informiert, sie sollte als Buch funktionieren. Im Lauf der Lektüre habe ich ein paar Kategorien eingeführt, um die Materialmasse zu ordnen, sozusagen kleine Stapel, wie es sie in meiner Wohnung gibt. Unter »Unklares Inventar« bilde ich beispielsweise den Stand meines Unwissens ab, in dem Wissen, daß ich mich damit lächerlich mache. Ich wüßte nicht, was »Gallé-Gläser« sind, hat sich meine Familie entsetzt, dabei hatten wir eine Gallé-Vase zu Hause! Dafür kennen sie Bruce Lee nicht … Es gibt eben keinen Bildungskanon mehr. Niemand ist verpflichtet, etwas zu wissen, aber jeder ist verpflichtet, sein Unwissen zu beseitigen.

Es ist eine stolze Lebensleistung, die »Recherche« geschafft zu haben, nicht weil sie so lang ist, sondern weil man, um sie zu lesen, seine Seele stimmen muß wie ein Instrument. Man könnte sagen, daß man nicht sterben sollte, ohne Proust gelesen zu haben. Aber in Wirklichkeit ist man dann noch gar nicht geboren.

Berlin, September 2008

1. Buch

In Swanns Welt

1. Di, 18.7.06, Berlin

Lange Zeit bin ich früh laufen gegangen. Die Sonne scheint, es werden 35 Grad. Ich wiege 75 Kilo und war schon ziemlich lange nicht mehr beim Friseur. Ich würde gerne verreisen, kann mich aber für kein Ziel entscheiden. Außerdem ist am Donnerstag meine Latein-Klausur, auf die ich mich freue, weil ich bei der Gelegenheit mal unter Menschen komme. Wir werden uns zwar nicht unterhalten, aber ich werde die jungen Leute leise atmen hören und mich fühlen, als seien wir eine Familie. Jedenfalls ist der Sommer schon halb vorbei und man hat noch nichts erlebt, was sich später mit ihm verbinden wird, höchstens meine den ganzen Tag zugezogenen IKEA-Vorhänge, die ein Fehlkauf waren, weil das Grau mir nicht gefällt und weil sie auf dem mitgelieferten Draht nicht richtig gleiten. Man kann sie nicht optimistisch auf- oder, befriedigt von den am Tag erbrachten Leistungen, zuziehen, man zerrt nur immer unwürdig daran herum.

Ideale Voraussetzungen, um endlich »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« anzufangen, vorher kann man ja gar nicht mitreden, danach allerdings auch nicht, weil man keinen mehr findet, der einen noch versteht. Man wird dann bei jedem Thema sagen: »Hast du nicht Proust gelesen?« Man hat ja schon manche dicke Bücher geschafft, aber Prousts Roman hat sieben Bände mit mehr als 3 900 Seiten. Wenn ich täglich zwanzig Seiten lese, bin ich in hundertachtzig Tagen durch, also Mitte Januar. Und vielleicht wird am Ende gar nicht verraten, wer der Mörder war. Sind die Stellen, die ich nicht anstreiche, eigentlich überflüssig? Oder braucht man sie als Hintergrund für die bemerkenswerten Sätze? Eigentlich will ich ja nur endlich Becketts Proust-Essay verstehen, an dem ich immer gescheitert bin. Aber selbst, wenn es nicht reicht, Proust zu lesen, um Becketts Proust-Essay zu verstehen, wird man zumindest wissen, was Proust geschrieben hat, sicher das Minimalziel einer Proust-Lektüre.

Ich bin leider zu faul, den Text im Original zu lesen, das würde mindestens drei Jahre dauern. Welche Übersetzung liest man also, die alte von Eva Rechel-Mertens oder eine neue? Man könnte natürlich auch eine eigene machen. Ich habe vor ungefähr fünfzehn Jahren mal einen Zeitungsartikel ausgeschnitten, in dem eine neuere Übersetzung mit der alten verglichen wurde. Aber jetzt, wo ich ihn brauche, finde ich ihn natürlich nicht mehr. Meine Wohnung funktioniert nach dem Prinzip der mémoire involontaire, sie erlaubt mir nur zufällige Wiederentdeckungen.

Die pastellfarbenen Bände der DDR-Ausgabe (Rütten & Loening, Berlin 1974) standen, seit ich denken kann, im Bücherschrank meiner Eltern. Lange dachte ich dabei an einen sowjetischen Kinderfilm aus dem Ferienprogramm, in dem den Menschen die Zeit gestohlen wird. Wie immer ein verstörendes Werk mit unangenehm aufdringlichen Fabelwesen, die sich aus dem Wald in die sozialistische Wirklichkeit vorwagen. Jedenfalls dachte ich, die Bände im Bücherschrank meiner Eltern seien die Vorlage zum Film und wunderte mich, daß es so viele waren. Auch ohne sie gelesen zu haben, sind viele Bücher Teil meines Lebens, weil ich mich aus der Kindheit an die Einbände erinnere. »Bildnis einer Dame« stand immer in Augenhöhe und klang interessant. »Der Idiot«, wie konnte ein Buch so heißen? Man ahnt ja gar nicht, was Kinder alles mitbekommen. Ich hatte nie das Bedürfnis, die Bücher meiner Eltern zu lesen, aber sie gehörten zu unserer Wohnung wie die durchgesessenen Stühle.

In Swanns Welt, S. 1–21

Der Erzähler beschreibt, wie man sich fühlt, wenn man aufwacht, nicht weiß, wo man ist, und das Gehirn zu rekonstruieren versucht, wo man sich befindet und dabei verschiedene Zimmer durchgeht, in denen man einmal gewohnt hat. Am Ende ist er » überzeugt von der Feindseligkeit der violetten Vorhänge und der anmaßenden Gleichgültigkeit der Pendüle, die ganz laut vor sich hin schwatzte, als sei ich gar nicht da «.

2. Mi, 19.7., Berlin

In Swanns Welt, S. 22–43

Schon am zweiten Tag Zweifel am Unternehmen. Der Anachronismus, solche Textmassen zu bewältigen. Draußen 37 Grad, und man kann es sich nicht schönreden, daß man nicht wie die anderen Kinder spielt, statt hier zu hocken und zu lesen, was ein anderer über die Sommer seiner Kindheit schreibt. Außerdem kommt das Ganze schwer in Gang. Tanten und Großtanten beim Mokka-Pistazie-Eis, man weiß noch nicht, ob es sich lohnt, sich ihre Namen zu merken. Die Tanten kommen nicht gut weg: » Ihre innere Anteilnahme an allem, was mehr oder weniger dem Weltleben verhaftet blieb, war so gering, daß ihr Gehörsinn – als er schließlich seine vorübergehende Entbehrlichkeit begriffen hatte, sobald nämlich bei Tisch die Unterhaltung in einen frivolen oder auch nur banalen Ton verfiel, ohne daß es den beiden alten Damen gelungen wäre, sie wieder auf Gegenstände zu lenken, die ihnen am Herzen lagen – seine Aufnahmeorgane abstellte und sie geradezu einer beginnenden Atropie überließ. « Ich werde in Zukunft auch meine Aufnahmeorgane abstellen, wenn das Gespräch am Tisch unter mein Niveau sinkt. Die Frage ist, ob ich das überhaupt beurteilen kann.

Leise sagt der Vater zur Mutter: » Wie heißt doch der Vers, den ich von dir gelernt habe und der mir in solchen Augenblicken immer eine so große Erleichterung verschafft? « Dafür heiratet man, damit einem jemand solche Fragen beantwortet.

Marcel ist » nervös « und beschließt, wach zu bleiben, um seiner Mutter einen Gute-Nacht-Kuß abzutrotzen, die Strafe könnte darin bestehen, vom Vater in ein Internat gesteckt zu werden. Für ihn sicher ein Todesurteil.

3. Do, 20.7., Berlin

In Swanns Welt, S. 44–65

Als Proust sich eine Seite nimmt, um das Aussehen der getrockneten Lindenblüten zu beschreiben, die seine Tante sich zum Tee aufzugießen pflegt, überlege ich zum ersten Mal, ob ich ein paar Zeilen überspringe. Aber das geht nicht, es ist möglicherweise das letzte Mal in meinem Leben, daß ich »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« lese, da muß ich es auch richtig tun. Ich habe auch die drei Seiten über den Klang durchgestanden, den die Stimme seiner Mutter beim Vorlesen hatte. Bei der Tour de France kann man auch nicht einfach ein Teilstück auslassen. Seine Mutter pflegte also Liebesszenen heimlich zu überspringen. Woher weiß er das? Sollte man seine alten Kinderbücher noch einmal lesen, um zu prüfen, ob einem die Eltern beim Vorlesen frivole Stellen unterschlagen haben?

Die dicken, ovalen Sandtörtchen, die man »Petites Madeleines« nennt, haben ihren Auftritt. Mit dem Geschmack des Lindenblütentees sorgen sie dafür, daß Marcel spürt, wie etwas in ihm » in großer Tiefe den Anker gelichtet hat «. Diesem so intensiven wie flüchtigen Erinnerungsschock forscht er in seinem Bewußtsein nach und fördert vermutlich das ganze nächste Kapitel zutage, wenn nicht sogar die restlichen sieben Bände. Wenn die Menschen tot sind, werden » Geruch und Geschmack noch lange wie irrende Seelen ihr Leben weiterführen, sich erinnern, warten, hoffen, auf den Trümmern alles übrigen und in einem beinahe unwirklich winzigen Tröpfchen das unermeßliche Gebäude der Erinnerung unfehlbar in sich tragen «.

Mit der Madeleine ist es allerdings wie mit der Mona Lisa, weil man so viel darüber gehört hat, enttäuscht sie einen fast zwangsläufig.

Erfrischend dagegen die kleinen Taktlosigkeiten, etwa, wenn es von der Tante heißt: » Sie sprach immer nur gedämpft, denn sie glaubte in ihrem Kopf etwas Zerbrochenes und Gelockertes zu verschieben, wenn sie die Stimme zu sehr erhob. «

4. Fr, 21.7., Alt-Lipchen

In Swanns Welt, S. 65–85

» Wie liebte ich diese Kirche und wie deutlich sehe ich sie noch vor mir! « Hätte ich die folgenden zehn Seiten gewissenhaft gelesen, würde ich das vielleicht auch tun. Und das nach der Erfindung der Fotografie! Wenn ich die Energie hätte, würde ich die Konsum-Kaufhalle in Berlin-Buch genauso ausführlich beschreiben, aber ich bezweifle, daß sich dafür ein Verlag fände.

Der Glockenturm von Saint-Hilaire, die zweite Madeleine, überall begegnet er Marcel wieder. Wenn er in einer Provinzstadt oder in Paris nach dem Weg fragt und jemand zur Orientierung auf irgendeinen Turm in der Ferne weist, so wird er » mit Staunen bemerken, wie ich in völligem Vergessen des geplanten Spaziergangs, der dringenden Besorgung stundenlang unbeweglich im Bemühen des Erinnerns vor dem Glockenturm stehe, da ich auf dem tiefsten Grund meines Innern wiedereroberte Gebiete spüre, deren Untergrund schon trocken wird und zum Wiederaufbau bereit; sicherlich suche ich dann, viel eifriger als eben noch, da ich ihn um Auskunft bat, meinen Weg, ich biege in eine Straße ein … aber … in meinem Herzen «.

Die hypochondrische Tante wird mir immer sympathischer. Sie verabscheut zwei Sorten Menschen, die einen, die » die umstürzlerische Meinung vertraten, daß ein kleiner Spaziergang in der Sonne oder ein englisches Beefsteak (wo doch schon zwei armselige Schluck Vichywasser sie vierzehn Stunden lang im Magen drückten) ihr sehr viel besser tun würden als das Liegen im Bett und die Medizin «. Noch schlimmer sind aber die anderen, » die so aussahen, als hielten sie sie für weit ernstlicher krank, als sie selber meinte, nämlich so krank, wie sie zu sein behauptete «. Es ist sicher schwer, es sich mit Hypochondern nicht zu verderben: » Meine Tante verlangte gleichzeitig, daß man ihre Lebensweise guthieß, daß man sie um ihrer Leiden willen beklagte und sie dennoch völlig beruhigt in die Zukunft blicken ließ. « Eine Aufgabe für Mütter.

Man könnte eine Liste von Tätigkeiten anlegen, die der Roman archiviert und die aus der Mode gekommen sind: »Verlorene Praxis«.

– Als Dorf-Faktotum von Zeit zu Zeit die Wäsche des Pfarrers ausbessern.

– Als Kutscher den Kammerdiener die Herrschaft fragen lassen, zu welcher Stunde angespannt werden sollte.

5. Sa, 22.7., Alt-Lipchen

Nach langem Zögern nun doch ein Wochenende aufs Dorf gefahren. Meine heutige Madeleine war der Benzingeruch einer alten MZ. Sofort waren einem wieder die heißen Leiber dieser Fahrzeuge präsent, mit denen Vertreter der Dorfjugend von Zeit zu Zeit auf dem Hügel über der Badestelle erschienen, um wie Indianerhäuptlinge zu prüfen, ob die Fremden dort gelagert hatten, und ohne ein Wort wieder wegzuknattern, ein Mysterium für alle nicht in diesen Kult Eingeweihten. Es war paradox, sie brauchten schnelle Fahrzeuge, weil sie nichts mit sich anzufangen wußten. Um ihre Zeit totzuschlagen, nahmen sie Geschwindigkeit auf.

In Swanns Welt, S. 85–105

Marcel zieht sich zum Lesen von Abenteuerromanen zurück. Der Reiz des Stubenhockens: » Die dunkle Kühle meines Zimmers […] schenkte mir in der Phantasie das volle Schauspiel des Sommers, von dem meine Sinne auf einem Spaziergang zum Beispiel nur jeweils Teilaspekte hätten genießen können; dadurch paßte sie so gut zu meiner Art von Ruhe, die (dank den in meinen Büchern erzählten, mich im Innern bewegenden Abenteuern) wie eine Hand, die man regungslos in fließendes Wasser hält, den tobenden Anprall eines Stromes von lebhafter Handlung aushielt. «

Die verschiedenen Bewußtseinsschichten während der Lektüre, bis hin zum » Behagen, angenehm zu sitzen «. Letztlich wecke Literatur eher als die Wirklichkeit Mitgefühl mit den Menschen.

Bewußtseinserweiterndes Bild:

– Wenn Giottos »Caritas« » Gott ihr Herz in Flammen darbietet, so reicht sie es ihm eigentlich in der Weise heraus, wie eine Köchin einen Korkenzieher aus dem Kellerfenster jemandem hinhält, der, am Parterrefenster stehend, ihn von ihr haben will «.

Verlorene Praxis:

– Als Kokotte » in das rauhe, immer etwas plump gebliebene Leben der Männer etwas wie kostbare Edelsteine einlassen «.

– Jemandem ein » bleu « schicken.

6. So, 23.7., Alt-Lipchen

Heute habe ich einen Brief gelesen, den die erste Besitzerin des Hauses, in dem ich zur Zeit bin, 1917 geschrieben hat (zwei Jahre bevor Band 2 der »Recherche« erscheint). Sie schildert einem Onkel ihre Pläne für den Garten und das Haus, das sie erst noch bauen muß. Sie wolle Arbeit und Leben verbinden, schreibt sie (sie hatte als einziger weiblicher Lehrling in einer Baumschule gelernt). Der Garten unterteilt sich in Nutz-, Muße- und Natursphären. Das Haus ist so geschickt gebaut, daß man immer eine kühle Ecke findet, und jeder Gegenstand steht seit mindestens achtzig Jahren am selben Platz (das ist eigentlich auch der einzige Zweck, den Gegenstände haben). Man müßte hören können, was die Menschen auf den Fotos aus der Zwischenkriegszeit reden, die man hier in den Alben findet. Unmöglich, sich in sie hineinzuversetzen. Von uns wird es in achtzig Jahren unendlich viel Videomaterial geben, was bedeutet das für die Literatur?

In Swanns Welt, S. 105–126

Mehr über Bloch, der einmal, als er regennaß eintrifft, auf die Frage von Marcels Vater, wie das Wetter sei, antwortet: » Ich kann Ihnen absolut nicht sagen, Monsieur, ob es geregnet hat. Ich lebe so entschieden außerhalb all dieser physischen Bedingungen, daß meine Sinne sich nicht mehr die Mühe machen, sie auch nur zu registrieren. « Aber kaum betritt so ein interessanter Mensch den Roman, wird ihm wegen einer kleinen Indiskretion von Marcels Eltern für immer die Tür gewiesen. Man kann froh sein, daß die großen Romane nicht von den Eltern der Autoren geschrieben wurden.

Ein Schriftsteller namens »Bergotte« fasziniert Marcel. Als Marcel hört, daß Monsieur Swanns Tochter mit Bergotte » gemeinsam alte Städte, Kirchen und Schlösser aufsucht «, verliebt er sich in Mademoiselle Swann, ohne sie je gesehen zu haben. » Unser Glaube, daß ein Wesen an einem unbekannten Leben teilhat, in das seine Liebe uns mit hineintragen würde, ist unter allem, was die Liebe zu ihrer Entstehung braucht, das Bedeutungsvollste, dem gegenüber alles andere nur noch wenig ins Gewicht fallen kann. «

Der Pfarrer besucht die Tante und langweilt uns mit seinen Kenntnissen der lokalen Kirchengeschichte. Er erörtert die Vorteile der Aussicht vom Glockenturm von Saint-Hilaire gegenüber dem von Jouy-le-Vicomte und schließt: » Das beste wäre, man könnte gleichzeitig auf dem Turm von Saint-Hilaire und in Jouy-le-Vicomte sein. «

7. Mo, 24.7. Alt-Lipchen

Mit Proust ist es wie mit dem eigenen Leben, es scheint eigentlich nichts los zu sein, aber hinterher gibt es doch mehr aufzuschreiben, als man in der verbleibenden Zeit schaffen kann. Ich muß noch einen Kompromiß finden zwischen der Versuchung, das ganze Buch abzutippen und der Minimallösung, alles in einem Satz zusammenzufassen.

In Swanns Welt, S. 126–146

Monsieur Vinteuil ist so höflich, daß er Angst hat zu langweilen: » Er hatte das Gespräch gerade deshalb auf andere Dinge gelenkt, weil diese ihn weniger interessierten. « Oh, wie oft ist man in dieser Lage! Und noch schlimmer, wenn die anderen ihr Gespräch höflicherweise auf einen Gegenstand lenken, der einen interessiert, aber da man ja weiß, daß er sie nicht interessiert, fühlt man sich schuldig.

Der hypochondrischen Tante Léonie wird ein wahrhaft langer Satz gewidmet, eigentlich ein Absatz. Wenn man so etwas abschreibt, hat man fast das Gefühl, auch ein wenig der Autor zu sein. Ich weiß nicht, ob das der Lehrmeinung entspricht, aber ich finde, Prousts wahres Talent liegt im Komischen: » Sie liebte uns wirklich und wahrhaftig, es hätte ihr Genuß bereitet, uns innig zu beweinen; die etwa in einem Augenblick, da sie sich wohl fühlte und nicht an Schweißausbrüchen litt, eintreffende Nachricht, daß das Haus einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen und die ganze Familie dabei umgekommen sei, daß bald kein Stein mehr davon stehen werde, wobei ihr aber noch Zeit bliebe, sich ohne Eile in Sicherheit zu bringen, wofern sie auf der Stelle aufstände, hat sicher als Möglichkeit in ihren Hoffnungen eine Rolle gespielt, besonders da sich hier zu dem nicht ganz so ins Gewicht fallenden Vorteil, ihre ganze Liebe zu uns in langer Wehmut auszukosten und zum grenzenlosen Staunen des ganzen Dorfes hinter unseren Särgen herzuschreiten – mutig, wenn auch tiefgebeugt, todgeweiht, aber ungebrochen –, noch jener weit verlockendere gesellt hätte, daß sie dann gerade im richtigen Augenblick ohne enervierendes Zaudern den Sommer auf ihrem hübschen Landsitz Mirougrain hätte verbringen können, wo es einen Wasserfall gab. «

Schauspielern empfiehlt der Erzähler, wenn sie für ein Stück das Gebaren des Sonnenkönigs studieren wollten, statt historische Korrespondenzen zu wälzen, die Launen alter Damen in der Provinz zu beobachten. Das ist eine genauso überraschende Einsicht, wie Kapuscinskis Aussage, er würde, um das Verhalten von Diktatoren zu studieren, Bücher zur Kinderpsychologie lesen.

Schließlich ein ausführliches Lob der Farbe des Spargels, dessen zarte Nuancen von Blau jene kostbare Substanz verrieten, die wie in einer Posse aus Shakespeares Feenkomödien » sogar noch mein Nachtgeschirr in ein Duftgefäß umschufen «.

8. Di, 25.7., Berlin

Der Ort, an dem man ein Buch liest, verändert den Eindruck, so wie man an einem Sommerabend auf einer Strandpromenade anders verliebt ist, als eingeklemmt zwischen Mülleimer und schwitzende Fremde in einem Zugabteil auf dem Weg von Oradea nach Copşa mică. Heute stütze ich meine Füße an die von der Sonne noch warme Balkonwand, unten auf dem Platz schreien sich heisere Betrunkene an, am Horizont » entfalten sich des Abends für Augenblicke himmlische Blumengebinde in Rosa und in Blau, die ganz unvergleichlich sind und oft Stunden brauchen, um endlich zu verwelken «. Die Zwangsvorstellung, vom Balkon zu springen. Mal sieht man sich sitzend wie im Schwimmbad von der Kante plumpsen, mal wie beim Hochsprung elegant über die Brüstung rollen.

In Swanns Welt, S. 146–167

Marcel betrachtet sehr konzentriert einen Weißdornbusch. Sein Großvater schenkt ihm » die Freude, die wir empfinden, wenn wir auf ein Werk unseres Lieblingsmalers stoßen, das von den uns bekannten ganz verschieden ist «, indem er ihn auf ein paar rosa Blüten hinweist. Denn es gibt auch in der Natur eine Hierarchie von Erlesenheit, wie bei der Pâtisserie von Camus, wo die mit rosa Guß teurer ist.

Durch die Hecke sieht er ein Mädchen mit einer Gartenschaufel in der Hand, in dessen azurblaue Augen er sich sofort verliebt, gerade weil sie in Wirklichkeit schwarz sind. Aber er versteht es » damals sowenig wie später einen starken Eindruck in seine einzelnen Elemente zu zerlegen «, weshalb er sich die Augenfarbe in der Erinnerung dazudenken muß, und so sind ihre Augen eben in seinen Augen blau.

» Ich fand sie so schön, daß ich gern noch einmal umgekehrt wäre und ihr achselzuckend zugerufen hätte: ›Ich finde dich häßlich, furchtbar komisch, und es graust mir vor dir! ‹«

Erfahrungsgemäß führt solches Raffinement bei den wenigsten Frauen zum Erfolg.

Unklares Inventar:

– Pâtisserie von Camus.

Verlorene Praxis:

– Die Frau beleidigen und ihr Böses zufügen, um ihr die Erinnerung an einen aufzuzwingen.

9. Mi, 26.7., Berlin

Der Tag war heiß. Im Sportzeug zum Kindergarten und dann direkt ins Stadion. 50-Runden-Lauf nach der Hälfte abgebrochen. Bei H&M Schlüpfer und Hemden, ein neues Leben in bunt. Eine echte Levi’s. Beim Friseur lasse ich die ältere Dame machen, und nach fast fünfundzwanzig Jahren fällt mir auf, daß mir etwas längere Haare besser stehen als Façon. Am Nachmittag auf dem Spielplatz. M. kommt uns besuchen, mit Motorrad. Sie hat mit allen Affairen Schluß gemacht, weil sie sechs Scheine machen muß.

Curtius schreibt in seinem Proust-Essay: » Das Leben Marcel Prousts repräsentiert den seltenen Fall einer restlosen Übertragung der Energie von der Praxis in die Poiesis. […] Es ist nicht etwa nur so, daß das Schaffen ihm keine Energie mehr für das Handeln übrigließ; es verhält sich vielmehr so, daß das Handeln und überhaupt das Wollen in der praktischen Sphäre jenes reine Schauen getrübt und eingeengt hätte, das die Voraussetzung seiner Kunst ist. « Mein reines Schauen wurde heute davon getrübt und eingeengt, daß ich einem kleinen Mädchen den Hintern abwischen mußte.

Übermorgen nach Odessa zum Russischkurs. Vor allem, weil der Name so märchenhaft klingt. Nachdem ich geduldig zwanzig Seiten Proust gelesen habe, geht es mir wie Proust: » Mein so lange zur Unbeweglichkeit verurteilter Körper, der sich mit Unruhe und gestautem Bewegungsdrang aufgeladen hatte, empfand das Bedürfnis, wie ein Kreisel, der endlich aufgesetzt wird, nach allen Seiten zu schnurren. « Dann will ich mal zum Reisebüro schnurren.

In Swanns Welt, S. 167–190

Marcel geht allein durch den Wald und erwartet von seinem Schicksal, daß es in jedem Moment ein ländliches Mädchen auftauchen und ihn in die Arme schließen läßt, wobei er betont, daß jene hypothetische Vorübergehende » für mich nicht nur ein beliebiges Exemplar des Gattungsbegriffs ›Frau‹ war, sondern ein notwendiges und natürliches Produkt dieses speziellen Bodens «. In Paris würde ihm dieselbe nämlich fade vorkommen, die Frau muß eine lokale Spezialität sein.

Weil sich aber auch für einen Proust allein durch Willenskraft keine Frau aus der Landschaft hervorzaubern läßt, schlägt er aus Wut auf die Bäume ein.

Unklares Inventar:

– Camaïeumalereien.

Bewußtseinserweiterndes Bild:

– » Manchmal zog durch den Nachmittagshimmel schon der noch nebelweiße, heimliche, glanzlose Mond wie eine Schauspielerin, die erst später auftritt und vom Zuschauerraum aus in Straßentoilette einen Augenblick ihren Kollegen zuschaut in dem Bestreben, selbst im Hintergrund zu bleiben und nicht beachtet zu werden. «

10. Do, 27.7., Berlin

Lächle auf dem Fahrrad, wegen der Sonne und meiner trotz allem guten Situation. Hannah über einen Bauarbeiter: »Der Mann buddelt mit dem Bagger.« Mein Pflaster fällt ihr sofort auf. Packen, Proust, Mails beantworten. Mit den grünen, kurzen Cargo-Hosen zur »Chaussee«. Die Tasche voller Dübel, von wann sind die? Lese was aus dem Proust-Blog vor. Ein Zuschauer meint, man hätte vorher sagen müssen, wer Proust war. Kurz nach Mitternacht auf dem Fahrrad in der lauen Luft nach Hause.

In Swanns Welt, S. 190–211

Soll ich diesen Absatz zitieren, um zu zeigen, was ich hier leiste? Bin ich ein plumper Mensch, weil ich Stunden brauche, um mir das alles vorzustellen?

Wasser mit gewöhnlichem, tiefgrünen Untergrund

ins Violette spielendes Blau

sich erdbeerengleich röten

scharlachrote Herzen

zu reinem Weiß übergehen

bleichere Blüten

das saubere Weiß und Rosa von Sommerlevkojen

blaue, erstarrte Schmetterlingsflügel

Himmel von erlesenerer und eindrucksvollerer Färbung als Blumen

rosenroter Sonnenuntergang

mit beständigeren Farben getönte Blumenblätter

sehr waldige Ufer

Bäume

erdbeerengleiche Nymphäenblüte

dahinter dichter beieinander stehende, bleichere, weniger glatte, körnigere, faltigere, zu anmutigen Gewinden angeordnete Blüten

gelöste Moosrosengirlanden

Sommerlevkojen

wie ein schwimmendes Blumenbeet angeordnete Gartenstiefmütterchen

Seerosen

tiefe Schatten von Bäumen

heitere Abendstunden nach einem gewittrigen Nachmittag

trügerisch durchsichtige Wasserfläche

Verträumtheit von Sonnenuntergang

Am Abend in der Stunde liegendes Tiefstes, Flüchtigstes, Geheimnisvollstes, Unendliches

Im Himmel zu erblühen scheinende Blumenblätter

Ich weiß nicht, ob Proust einen Lektor hatte, aber viel Einfluß scheint er nicht auf ihn gehabt zu haben. Sind solche Satzperioden wirklich auf sein Asthma zurückzuführen, wie Benjamin behauptet?

Marcels Enttäuschung über das Gefühl der Ohnmacht, » von dem ich immer befallen worden war, wenn ich nach einem philosophischen Gegenstand für ein großes literarisches Werk gesucht hatte «. (Vielleicht könnte man für »philosophischer Gegenstand« heute auch »Plot« sagen.) » Aber sobald ich mich danach fragte und versuchte, einen Gegenstand zu finden, dem ich eine allumfassende philosophische Ausdeutung geben könnte, hörte mein Geist zu arbeiten auf, ich fand mich einer Art von Leere gegenüber, ich fühlte, daß ich kein Genie besaß, oder hatte die Vorstellung, daß vielleicht eine Krankheit meins Gehirns es nicht aufkommen ließ. « So geht es mir immer, wenn ich Krimis sehe, angesichts der Frage, wer der Mörder ist und des Aufwands, den der Drehbuchautor unternommen hat, den Erkenntnisprozeß des Kommissars auf neunzig Minuten zu strecken.

Marcel tröstet sich über seine Talentlosigkeit, indem er beliebige Gegenstände so lange und intensiv betrachtet, bis er mit seinem Denken » über das Bild noch hinausgelangt «. Zum ersten Mal erlebt er, wie solche Konzentration auf ein Bild zur Sprache wird, als er vom Wagen aus die Kirchtürme von Martinville sieht. Es wird wohl bedeutungsvoll sein, daß es dazu kommt, während er sich nicht selbst bewegt, sondern gefahren wird, der Körper muß schweben, um Proust nicht beim Proust-Sein zu behindern.

Unklares Inventar:

– Architekten aus der Schule von Viollet-le-Duc.

11. Fr, 28.7.

Wecken um sechs. Kaffee auf dem Balkon, die Stadt schläft noch. Erinnerungen an frühere Forschungsreisen, die sich im Geist ablagern wie Hausmüll am Boden einer Siedlungsstätte. Reisegesten tauchen wieder auf, nur im Flugzeug schüttelt man eine Tüte Coffee-Creamer vor dem Öffnen, um den Inhalt in einer Ecke zu sammeln. Was für ein gewaltiger Apparat nötig ist, um unsere Körper in eine andere Welt zu hieven, wo man sich nur ins Bett legen müßte, um diese Aufgabe dem Geist zu überlassen. Ein Magazin mit den Fotos von einigen der hundert »wichtigsten Köpfe der Zukunft« aus dem Deutschen Historischen Museum, darunter mehrere junge Kollegen, die ich für unwichtiger halte als mich. Hugo Chávez hat Lukaschenko besucht, einen »neuen Freund«. »Die Gebisse des Imperialismus und der Hegemonie schweben über Weißrußland, weshalb beide Länder ihre Hände am Schwert halten müssen.« Artikel über Wagemut von Mäusen. Mit dreißig Jahre altem Wolga in die Innenstadt. Verspiegelte Armatur. Der belgische Mitbewohner ist Polizist. Über die Hinterhöfe hier sagt er: »On dirait Grozny après le pillage des forces russes.« Die breiten Straßen mit Platanen. Nur noch Städte erobern und das mit den Frauen lassen.

In Swanns Welt, S. 211–233

Marcel erlebt nun also auf dem Kutschbock die erlösende Macht der Literatur, weil seine Zeilen über die ihn aus unbekanntem Grund faszinierenden Kirchtürme, » mich so vollkommen von diesen Kirchtürmen und von dem, was sich hinter ihnen verbarg zu befreien vermocht hatten, daß ich, als sei ich selber ein Huhn, das ein Ei gelegt hat, mit schriller Stimme zu singen begann «. Vielleicht kommt später noch zur Sprache, was für ein gefährliches Spiel sich hier andeutet. Denn wenn man sich, indem man über die Dinge schreibt, von ihnen befreit, bleibt am Ende ja nichts mehr, was einen fesselt. Man müßte sich also hüten, über eine Geliebte zu schreiben, auch wenn einen nichts stärker reizt.

Wie funktioniert Marcels Gefühlshaushalt? Er ist abhängig von der Erinnerung, insbesondere an seine Kindheit. » Weil ich an Dinge und Wesen noch geglaubt, während ich jene Gegenden durchschritt, sind die Dinge und Wesen, die ich in ihnen kennenlernte, die einzigen, die ich heute noch ernst nehmen kann und die mir Freude schenken. « Und so ist man eben dazu verurteilt, sich immer wieder mit der DDR zu befassen, wenn man hundert Jahre nach Proust und nicht in Frankreich geboren ist. » Ob nun der schöpferische Glaube in mir versiegt ist oder die Wirklichkeit sich nur aus der Erinnerung formt, jedenfalls kommen mir Blumen, die man mir heute zeigt, nicht mehr wie richtige Blumen vor. « Dabei gab es im Osten ja nur ganz selten Schnittblumen. (Eine womöglich sogar bessere Kopie des Verlorenen würde einen übrigens nicht trösten, es ließe Marcel völlig kalt, wenn » man mich an das Ufer eines Flusses führte, wo es ebenso schöne, ja schönere Seerosen gibt als auf der Vivonne «.)

Durch das Anknüpfen einer Verbindung zu seinem Herzen bekommen die Dinge » eine weitere Dimension «. Es ist ein eigenartiger Effekt, daß viele Häuser in Westberlin wie in Pankow aussehen, trotzdem muß man erst mühsam mit seinem Herzen eine Verbindung anknüpfen. Manchmal reicht es, daß eine Straße nach einer Stadt heißt, in der man schon einmal war, oder ein Restaurant wie eine frühere Freundin. Das genügt für » eine weitere Dimension «. Wobei dieser Zauber » nur für mich spürbar ist «, sagt Marcel, was es schwer macht, ihn mit anderen Menschen zu teilen.

Swann hat eine Schwäche für Frauen mit » gesunden, rosigen Körperteilen «, die gar nicht dem Ideal von Tiefe und Schwermut des Ausdrucks entsprechen, das er an den Werken der Meister schätzt. Er läßt sich gern bei minderwertigen Gesellschaften einladen, wenn ihm die dortige Köchin aufgefallen ist. Frühere Geliebte » kommen zu lassen «, wäre ihm wie eine » feige Flucht vor dem Leben « erschienen. » Er baute nicht Hütten in dem, was er sich an Beziehungen geschaffen hatte, sondern schlug statt dessen lieber überall da, wo eine Frau ihm gefiel, eines jener leicht abzumontierenden Zelte auf, wie die Forschungsreisenden sie mitzuführen pflegen. «

Wie angenehm, so ein » müßiges Dasein «, mit Pokerabenden und wöchentlichen Tischeinladungen, in Gesellschaften, in denen man » ein Gedeck hat «. Bevor Swann dorthin aufbricht, » wählte er eine Blume für sein Knopfloch aus «. Während wir ein T-Shirt suchen, dessen Kragen nicht so ausgeleiert ist.

Manchmal nimmt Swann eine Geliebte in eine der mondänen Gesellschaften mit, die ihn eigentlich langweilen. Aber weil sie ihm für die Bekanntschaft mit diesen Leuten Bewunderung zollt, » fand er von neuem einen Reiz an diesem mondänen Leben, dem er sonst bereits so blasiert gegenüberstand «.

Man könnte das auch anders formulieren: weil er eine Geliebte zu Besuch hatte, fand er von neuem einen Reiz an Berlin, dem er sonst bereits so blasiert gegenüberstand, nun aber erschien ihm die von einer darin spielenden künstlichen Flamme warm und rosig durchschimmerte Substanz jener Stadt wieder schön und kostbar zugleich, da eine neue Liebe mit in sie einbezogen war.

Swann wird sich nun also in Odette verlieben, die » mit einem Genre von Schönheit begabt war, das ihn nicht eigentlich ansprach «. Hütet euch vor den Frauen, die euch nicht eigentlich ansprechen! Vor allem, wenn ihr in einem » illusionslosen « Alter seid, wie Swann, in dem » man sich damit zu bescheiden weiß, selber verliebt zu sein und nicht auf allzuviel Gegenseitigkeit zu rechnen […]. In dieser Epoche des Lebens ist man von der Liebe schon mehrmals angerührt worden; sie rollt nicht mehr aus sich selbst nach ihren eigenen unbekannten und schicksalsbedingten Gesetzen in unserem staunenden und passiv davon betroffenen Herzen ab. Wir helfen nach, wir nehmen durch Hinzuziehen der Erinnerung und durch Suggestion Fälschungen daran vor. Wenn wir eines ihrer Symptome wiedererkennen, erinnern wir uns an andere und erwecken sie selbst zum Leben in uns. Da ihr ganzes Lied in unserem Herzen eingegraben ist, haben wir gar nicht nötig, daß eine Frau uns mehr als die erste Strophe davon rezitiert, damit wir – von der Bewunderung erfüllt, die wir der Schönheit zollen – selbst die Fortsetzung finden «.

Unklares Inventar:

– Jett-Tropfen.

12. Sa, 29.7., Odessa, Uspenskaja 13

Wenn Marcel nachts aufwacht, rekonstruiert er im Geist das Zimmer, in dem er sich befindet, und fühlt sich dabei wie ein Raumausstatter beim Möbelrücken. Beim Lesen befindet man sich auch immer schon in einer Art Zimmer. Man kann die Bedeutung Prousts nicht ignorieren (die ja ein Grund ist, warum man ihn liest), man spekuliert auf das Prestige, so ein Buch geschafft zu haben. Man weiß, daß der Autor als Ästhet gilt und sich besonders nuanciert ausdrückt. Als ich heute zu lesen begonnen habe, hatte ich aber, sicher weil ich in der Ukraine bin, kurzzeitig die Vorstellung, einen russischen Roman zu lesen. Ich hatte mich sozusagen im Zimmer geirrt. Aber es funktioniert, man denkt sich dann sofort andere Möbel zum Buch, sieht die Figuren als »typische Russen« vor sich (wie man sie natürlich auch nur aus typisch russischen Romanen kennt) und bemüht sich zu verstehen, was das alles mit Rußland zu tun hat, bis man »aufwacht«.

In Swanns Welt, S. 233–254

Odette punktet bei Swann mit Aussagen, wie: » Sie haben sicher einmal um eine Frau gelitten, und nun meinen Sie, alle sind so wie sie. Sie hat Sie gewiß nicht verstanden; Sie sind ein so ganz besonderer Mensch. Gerade das habe ich von Anfang an in Ihnen geliebt, ich habe gefühlt, daß Sie nicht sind wie die anderen alle. « So verführt man, Mitgefühl, Trost und Schmeichlei. Möglicherweise hat sie recht, und es sind wirklich nicht alle wie diese bewußte Frau, aber ob er an den anderen überhaupt interessiert ist? Wir hängen doch immer dem Irrtum an, Frauen die uns abweisen, hätten uns durchschaut, und Frauen, die uns wollen, hätten uns mißverstanden.

Swann läßt sich von Odette in den Salon der Verdurins einführen, den Proust ziemlich gnadenlos beschreibt. Ein Doktor, der immer lächelt, um nicht als naiv zu gelten, falls er die Ironie einer Aussage nicht mitbekommen haben sollte, ein Mann, den sein gutes Herz die Achtung gekostet hat, die ihm sein Vermögen eingebracht hatte und dessen Sprachfehler » einen seelischen Vorzug verriet «, denn » alle Konsonanten, die er nicht aussprechen konnte, standen für ebenso viele Härten, zu denen er nicht imstande war «. Und schließlich die Tante des Pianisten: » Da sie keinerlei Bildung besaß und Angst vor Schnitzern hatte, sprach sie absichtlich möglichst undeutlich, in der Hoffnung, daß, wenn sie etwas Falsches sagte, ihre Rede in einem solchen Gemurmel untergehen würde, daß es nicht mehr mit Sicherheit festzustellen sei; dadurch war ihre Sprechweise allmählich zu einem bloßen unklaren Nuscheln geworden, aus dem sich von Zeit zu Zeit eine einzelne Vokabel heraushob, deren sie vollkommen sicher war. « Auch eine Methode beim Fremdsprachenerwerb, Genuschel und ein paar Vokabeln, die man beherrscht.

Die Gastgeberin, Madame Verdurin, hat sich einmal beim Lachen den Kiefer ausgerenkt, seitdem » verzichtete sie auf sehr nachdrückliche Heiterkeitsausbrüche und überließ sich statt dessen lieber einer konventionellen Mimik, die, unanstrengend und gefahrlos zugleich, auszudrücken schien, daß sie Tränen lache. Bei dem geringsten Scherzwort, das ein Getreuer gegen einen ›Langweiler‹ oder einen früheren Getreuen vorbrachte, stieß sie – zur größten Verzweiflung übrigens von Monsieur Verdurin, der lange Zeit den Ehrgeiz gehabt hatte, für ebenso liebenswürdig zu gelten wie seine Frau, der aber, da er ernstlich lachte schnell außer Atem geriet und so durch ihre List einer unaufhörlichen, wenn auch fiktiven Heiterkeit ins Hintertreffen geraten war – einen kleinen Schrei aus, drückte ihre Vogelaugen, die eine leichte Hornhautveränderung zu verschleiern begann, fest zu und barg plötzlich, als habe sie nicht mehr Zeit gefunden, ein unpassendes Schauspiel den Blicken zu entziehen oder einem tödlichen Anfall zu begegnen, das Gesicht in den Händen, so daß es völlig bedeckt und nichts mehr davon zu sehen war; es schien dann, als müsse sie die größten Anstrengungen machen, um einen Lachanfall zu unterdrücken, der, wenn sie sich ihm hemmungslos überlassen hätte, zu einer Ohnmacht geführt haben würde «. Falsches Lachen, um länger durchzuhalten? Und ihr armer Mann gilt als weniger liebenswürdig, weil es ihn anstrengen würde, wegen einer Kleinigkeit zu lachen? Warum gilt es überhaupt als liebenswürdig, über die Bemerkungen seiner Gäste zu lachen?

Ausgerechnet in dieser Gesellschaft hört Swann ein Klavierstück, das ihn einmal tief bewegt hatte, von dem er aber damals den Komponisten nicht ermitteln konnte. » Da er sich im Geiste nicht mehr mit großen Gedanken beschäftigte, hatte er aufgehört, an ihre Realität zu glauben. « Auf diese » seelische Verödung « wirkt die Musik heilsam, wie ein Ortswechsel auf einen chronisch Kranken. Das Essen hier in Odessa kann man sicher als » von der gewohnten abweichende Diät « bezeichnen. Aber ich hoffe, es bewirkt keine » unerklärliche organische Umstellung «. Und ein neues Leben beginnen? Es wäre ja schon ein Fortschritt, wenn man einmal aufhören würde, sich ständig einzubilden, das tun zu müssen.

Unklares Inventar:

– Tapisseriesofa von Beauvais.

Verlorene Praxis:

– » Die elementare Gymnastik des Weltmanns « beherrschen und Leuten gegenüber, deren Kreise den eigenen untergeordnet sind, höflich und zuvorkommend zu scheinen.

– Schon beim ersten Besuch den Ton des Hauses treffen.

13. So, 30.7., Odessa, Uspenskaja 13

Ich fühle mich hier ein bißchen wie in der Kindheit, draußen scheint die Sonne, und man guckt im Ferienprogramm sowjetische Filme, in denen Jugendliche ihre Konflikte untereinander selbständig lösen, auch wenn ihnen ein Lehrer oder ein Polizeikommissar in besonders heiklen Situationen zur Seite stehen. Eigenartig auch der Charme mancher dieser Filme aus der Produktion, vielleicht weil in der Melancholie der jungen Hauptdarstellerin ihr richtiges Leben durchscheint. Eine Frau, die in einem Kombinat am Baikalsee arbeitet. Sie hat mehrere ernstzunehmende Bewerber, vom heimgekehrten Jugendfreund bis zum bärbeißigen Brigadier, aber keiner kann ihr ein Lächeln ins Gesicht zaubern, denn sie muß immer an die Worte ihres verstorbenen Vaters denken: »Man soll nicht sein ganzes Leben am See verbringen.« Deshalb trennt sie sich schließlich von der Heimat und den vielversprechenden Männern und geht an die Lena, um beim Bau eines Wasserkraftwerks mitzuwirken. Man braucht ein Ziel im Leben, mit dem man der Gesellschaft nützt, und das ist schon das Glück, hatte der Brigadier gesagt.

Heute morgen kam dann ein Video von Groove Armada, »My Friend«, in dem eine Frau im Büro Unterlagen kopiert und beim Anblick der Bläschen im Wasserbecher an ihren Strandurlaub zurückdenkt, wo sie so ausgelassen mit den Freundinnen gefeiert hatte. Das war eine Proustsche Absence, nur daß es bei Proust Bläschen am Stengel einer Wasserrose gewesen wären. Jeder Hersteller versucht heute, mit dem Produktdesign beim Kunden solche Bewußtseinsströme wachzurufen, damit er mit etwas, was er noch nicht besitzt, Gefühle verbindet. Die Kaufhalle ist voller synthetischer Madeleines.

In Swanns Welt, S. 254–274

Unterwegs zum Salon, wo er täglich Odette trifft, liest Swann mit der Kutsche eine » kleine Arbeiterin « auf, in die er verliebt ist, weil sie » so frisch und blühend « ist und weil » sein Liebesverlangen immer gerade in einem seinen ästhetischen Neigungen ganz entgegengesetzten Sinn orientiert war «. Sie steigt aus, er geht hinauf in den Salon, wo Odette schon wartet, und der Pianist stimmt das Motiv an, » das gleichsam die Nationalhymne ihrer Liebe war «.

Aber so richtig begeistert er sich für Odette erst, als ihm auffällt, daß sie » auf frappante Weise der Gestalt Sephoras, der Tochter Jethros, auf einer der Fresken in der Sixtinischen Kapelle glich «. Und weil Botticelli dieses Wesen angebetet und gemalt hat, fühlt er sich auf vertrautem Terrain, denn er kann » sich in ihrer Beurteilung auf die Gegebenheiten einer gesicherten Ästhetik stützen «.

Das Problem an Odette ist, daß sie es ihm gar nicht schwer macht, er sieht sie ja jeden Tag bei den Verdurins. » Um seine allzu einseitig gewordene seelische Sicht von Odette, von der er fürchtete, sie möchte ihn schließlich ermüden, etwas aufzufrischen, schrieb er ihr plötzlich einen Brief voll erfundener Vorwürfe und geheucheltem Groll, den er ihr vor dem Abendessen in ihr Haus bringen ließ. « Die besonders zärtlichen Antwortbriefe, die er von ihr erhält, bewahrt er in einer Schublade auf, zusammen mit einer vertrockneten Chrysantheme, die sie ihm einmal geschenkt hatte.

Trotzdem nimmt er sich immer mehr Zeit mit » der kleinen Arbeiterin «, da es ihm genügt, Odette vom Salon aus nach Hause zu begleiten. So erwünscht diese gemeinsame Heimkehr auch ist, ihre Unvermeidlichkeit weckt einen gewissen Überdruß. Einmal behält er die kleine Arbeiterin so lange im Wagen, daß Odette schon weg ist. Er sucht sie in Restaurants, ohne es eigentlich für möglich zu halten, sie zu finden. Er wird rasend, obwohl er sie doch ohnehin morgen wieder sehen wird und er sich ja auch absichtlich verspätet hatte, gerade weil er sie sonst hätte nach Hause begleiten müssen. Swann » zitterte, sich um ein Vergnügen gebracht zu haben, dessen Umfang er zum ersten Male richtig ermaß, da er bislang immer die Gewißheit gehabt hatte, sie, wann er wollte, sehen zu können – ein Zustand, der bei allen Vergnügungen verhindert, daß wir sie in ihrer wahren Bedeutung erkennen «. Man muß die Kunst beherrschen, seinen Partner solche Zustände auskosten zu lassen.

Schließlich trifft er Odette tatsächlich und sie steigt in seinen Wagen. Aber hier sind die heutigen zwanzig Seiten vorbei.

14. Mo, 31.7., Odessa, Uspenskaja 13

8.30 Uhr aufstehen und Zwei-Stunden-Lauf. Zur »Health Road« am Meer, von dort eine halbe Stunde an der Küste bis zum Vergnügungsviertel Arkadia. An einer Stelle liegen acht apathische Hunde auf dem Weg, man kann einfach vorbeilaufen. Nur wenn ein anderer Hund auftaucht, jagen sie manchmal bellend los. Hier und da ein stinkendes Klo am Wegrand. Eine verrostete Seilbahn. Die Sowjetunion war anscheinend nur ein gigantischer Langzeittest für Baumaterialien. Rückweg bis zum Park, der Blick auf die Schiffe im Hafen. An einer Straßenecke eine Melone. Die Verkäuferin schneidet einen Keil heraus, damit ich sie prüfen kann. Nachts liegen die Melonen allein auf der Straße in großen eisernen Käfigen.

Zwei Sender, die nur altes sowjetisches Fernsehen wiederholen. Bilder von der Olympiade in Moskau, die Abschiedszeremonie. Die Zuschauer halten bunte Tücher hoch und malen damit große Bilder. Sogar Mischkas Abschiedstränen konnten sie kullern lassen. Später eine russische Soap. Eine Frau stellt dem Mann morgens Joghurt hin, er will aber Fleisch. Sie ist tief besorgt: »Golodnij muschtschina, zlo muschtschina.«

Da ich noch relativ jung bin, besteht durchaus die Chance, eines Tages der letzte noch lebende Proust-Leser zu sein. Von Jahr zu Jahr sind es weniger geworden, die bei den Feierlichkeiten zu Prousts Todestag auf der Tribüne begrüßt wurden, mit uns stirbt eine Epoche. Unsere Kinder werden in einer Welt ohne Proust aufwachsen können.

Wenn die Welt es wirklich ernst meinen würde mit ihrer Verehrung für die großen Künstler, würde sie nicht ihren Tod abwarten, sondern vorher untergehen.

In Swanns Welt, S. 274–294

Ein Buch, das so lang ist, muß natürlich auch erst nach dreihundert Seiten in Schwung kommen, das entspricht dreißig Seiten bei einem normalen Buch. Vielleicht hat es Proust auch so gehalten, wie er es von den Frauen behauptet, je schwerer sie zu erobern sind, umso dauerhafter der Genuß. Insofern hat er vielleicht bewußt ein Gebirge von Blumenmalereien vor dem Leser aufgetürmt, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Es wird schwerer, die Handlung zusammenzufassen, da kaum noch überflüssige Sätze fallen. Swann liebt Odette, obwohl er genau weiß, daß sie nicht besonders intelligent und mit einem sehr durchschnittlichen Geschmack begabt ist. Es liegt wohl mehr an Swann als an Odette, daß er sie unwiderstehlich findet. Wie erschleicht man sich die Gelegenheit, eine Frau zu küssen? Indem man sagt: » Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich die Blumen in Ihrem Ausschnitt zurechtrücke. « Das geht freilich nur, wenn vorher » das Pferd gescheut « hat. Auch etwas aus der Mode gekommen: das Gesicht der Frau » mit aller Macht […] von dem seinen fernzuhalten, als werde sie durch eine unsichtbare Kraft zu ihm gezogen «. Als sie sich nun schon » gleichsam gegen ihren Willen auf seine Lippen sinken ließ «, hält Swann ihr Gesicht noch einen Augenblick » mit beiden Händen von sich ab «. Vielleicht, wie man sich die Salamischeibe auf der Stulle bis zum Schluß aufspart? » Er wollte seinem Denken Zeit lassen, den Traum, dem es so lange nachgehangen hatte, wiederzuerkennen und seiner Verwirklichung beizuwohnen wie eine Verwandte, die man herbeiruft, damit sie ihrerseits den Erfolg eines Kindes mit ansieht, das ihrem Herzen nahesteht. « Denn der erste Kuß ist sozusagen ein Todesurteil für die ungeküßte Odette, weshalb er sie mit jenem Blick ansieht, » mit dem man am Tage der Abreise eine Landschaft mit sich forttragen möchte, die man für immer verläßt «. Erstaunlich, daß er sich unter diesen Voraussetzungen überhaupt entschließen kann, sie zu küssen. Aber schließlich hatte das Pferd gescheut.

Nicht nur Odette verändert sich, jetzt, wo Swann ihr jeden Abend die Blumen im Ausschnitt ordnet, sondern auch er selbst: » So sehr schafft eine neue Leidenschaft in uns etwas wie einen neuen und ganz anderen Charakter, der unseren sonstigen ersetzt und die bis dahin unveränderlichen Zeichen, an denen er kenntlich war, zerstört! « Was natürlich auch Widerstände erzeugt, manchmal würde Swann spät abends lieber gleich nach Hause gehen. Aber die Erinnerung an den einen schmerzvollen Abend ohne sie genügt schon, um die Freude, sie für sich zu haben, immer zu erneuern: » Die menschlichen Wesen sind uns gewöhnlich so gleichgültig, daß, wenn wir in eines von ihnen solche Möglichkeiten des Leidens und der Freude hineingelegt haben, es uns einer anderen Welt anzugehören scheint, sich mit Poesie umgibt und unser Leben zu einer tiefbewegenden weiten Landschaft macht, in der es uns je nachdem näher oder ferner ist. « Sie darf ihm die Nationalhymne ihrer Liebe ganz ungeschickt am Klavier vorspielen, für ihn ist es, » als habe er ein schmerzstillendes Mittel eingenommen «. Gerade, daß es so unlogisch ist, sie zu lieben, feuert ihn an, weil er sich » in ein der Menschheit fremd gegenüberstehendes, blindes, aller logischen Fähigkeiten beraubtes Geschöpf verwandelt fühlte, fast wie das Einhorn der Legende «. Die Liebe zu einer intelligenten Schönheit ist sozusagen banal, aber die Überraschung darüber, sich mit einer eher einfältigen, auf unorthodoxe Art attraktiven Frau eingelassen zu haben, macht einen zum Einhorn. Swann nimmt, von seinen Gefühlen beflügelt, sogar seine liegengelassene Studie über Vermeer wieder auf.

Allerdings muß er, wenn sie Klavier spielt, doch manchmal ihrem Nacken unauffällig » die nötige Biegung geben «, damit er wieder mehr nach Botticelli und Quattrocento aussieht.

Unklares Inventar:

– Cattleyablüten, Faillerock, Kapotthut.

Verlorene Praxis:

– In seine Victoria steigen.

– Seine Bediensteten zu Bett schicken.

– In der Zeitung die Namen der Personen lesen, die an einem Diner teilgenommen haben, und sofort einschätzen können, von welcher Qualität es war.

15. Di, 1.8., Odessa, Uspenskaja 13

Wenn ich Günter Grass wäre, würde man mir hier in Odessa ein umfangreiches Besuchsprogramm organisieren. Die intellektuelle Elite der Stadt würde sich für mich ins Zeug legen. Statt jeden Tag literweise Trinkwasser nach Hause zu schleppen, würde ich mit den klügsten Köpfen Odessas über die Zukunft des europäischen Gedankens diskutieren. Als Jochen Schmidt müßte ich mich, um einmal ein Gespräch mit einem Einheimischen zu führen, im Dworjetz studentow beim »Intellekt-Klub« anmelden, einem der zahlreichen Zirkel, die es dort gibt. Umso mehr Zeit bleibt mir für den »Nasche Kino«-Kanal, einer der Sender, die ausschließlich sowjetische Filme zeigen, man sollte Fernsehsendungen ohnehin immer mit zwanzig Jahren Verspätung sehen. Heute kam ein Film über einen Journalisten, der eine Lespromchose (»Waldindustriekombinat«) in der Taiga aufsucht, um einen Artikel über einen dortigen Mitarbeiter zu schreiben, der sich als Gauner entpuppt. Auf der gemeinsamen Rückfahrt versagt mitten im Schneesturm der Motor. Der Fahrer beschimpft sich, nur ein Idiot steige in einen fremden Wagen. Was für eine schöne Lebensregel aus einem Land, in dem die Natur noch töten kann. Der Lastwagen, das Pferd des Sibiriers, dem er sein Leben anvertraut, nie würde er in einen fremden steigen. Sie graben ein Loch in den Schnee, um nicht zu erfrieren. Manchmal kommt mir meine Arbeit auch so vor, für andere völlig sinnlos, aber für mich notwendig, um zu überleben. Wie es ausging, weiß ich nicht, weil das Bild eingefroren ist (!) und nach fünfzehn Minuten Ungewißheit einfach ein anderer Film gezeigt wurde. Vielleicht war es aber auch eine avantgardistische Pointe des Regisseurs, seinen Film so zu beenden.

In Swanns Welt, S. 294–314

Ein Rivale tritt auf den Plan, Graf von Forcheville, den sein geringes intellektuelles Niveau dazu befähigt, über die schwachen Scherze bei den Verdurins hingerissen zu sein, ohne sie überhaupt zu verstehen, weshalb er Swann schon bei seinem ersten Besuch aussticht. Und weil herauskommt, daß Swann auch in viel höher stehenden Kreisen verkehrt, könnte er bald in Ungnade fallen. Madame Verdurin erstarrt sofort zu Marmor, wenn sie gesellschaftlich übertroffen wird. Und das, obwohl sie doch solche unterhaltsamen Gäste hat wie Professor Brichot von der Sorbonne. Der » besaß nämlich jene an Aberglauben grenzende Neugier auf das Leben, die, mit einer gewissen Skepsis dem eigenen Studiengebiet gegenüber gepaart, in allen Berufszweigen gewissen der Intelligenz zugehörigen Männern, Medizinern, die nicht an die ärztliche Wissenschaft, Lyzealprofessoren, die nicht an den lateinischen Aufsatz glauben, das Ansehen von großangelegten, glänzenden und sogar überlegenen Naturen geben kann «.

Die Gesetze dieses Salons unterscheiden sich nicht von denen heutiger Partys. Solange man Vergnügen heuchelt, ist man willkommen, wenn es allerdings zu echt ist, könnte es schon wieder peinlich wirken. Man darf vor allem nicht »langweilen«, also, wie Swann neuerdings (infolge seiner inneren Erneuerung durch die Musik) » seine Meinung manchmal mit Wärme aussprechen «.

Proust ist ziemlich gnadenlos, wenn er Gesten wie Slapsticknummern beschreibt. Jemand schwärmt von Rembrandt: » Und wie die Sänger, wenn sie beim höchsten Ton angelangt sind, den ihre Kehle hergibt, mit Kopfstimme und piano weitersingen, begnügte er sich jetzt damit, vor sich hin zu murmeln, und unter fortwährenden Heiterkeitsausbrüchen, als sei diese Art von Malerei vor lauter Vollkommenheit schon nur noch komisch zu nehmen, fuhr er fort. « Die Frage stellt sich, ob es überhaupt möglich ist, nicht lächerlich zu sein.

Unklares Inventar:

– Commis-voyageurhafte Späße.

Verlorene Praxis:

– »Ich sollte mal nach den Pferden sehen« sagen, wenn man auf die Toilette muß.

16. Mi, 2.8., Odessa, Uspenskaja 13

Gestern abend auf der Deribasowskaja, der Flaniermeile von Odessa. Zu Eurodance-Beats waschen vor einem Steakhaus Mädchen im Bikini eine rosa Plastekuh. Es ist anzunehmen, daß diese Maßnahme die Popularität des Steakhauses befördern soll. Daß Mädchen, die eine rosa Plastekuh waschen, ein erotisches Bild abgeben, hätte man nicht geahnt. Handelt es sich hierbei wegen seiner Seltenheit schon um einen dieser verfeinerten Genüsse, wie Swann sie liebt, oder noch um einen groben? Die Denkleistung, die ich brauche, um so ein Bild zu begreifen. Und dabei will ich nur mit der Kuh tauschen.

In Swanns Welt, S. 314–335

Wie sind Geschenke von Männern zu bewerten? » Im Augenblick, wenn er sie mit Geschenken überschüttete […] konnte er sich […] von dem erschöpfenden Bemühen erholen, ihr durch sich selbst zu gefallen. « Ich habe Frauen immer zugetraut, das zu durchschauen, und deshalb ihre Intelligenz nie durch Geschenke beleidigen wollen. Andererseits, vielleicht ist es noch intelligenter, sie anzunehmen, obwohl man weiß, warum sie gemacht werden?

Um Swann steht es schlimm, er denkt ununterbrochen an Odette: » Er stieg in den Wagen, aber er spürte, daß dieser Gedanke mit ihm eingestiegen war und sich auf seinen Knien niederließ wie ein Lieblingstier, das man überallhin mitnimmt und das er sogar unbemerkt von den Gästen bei Tische bei sich behalten würde. « Er fährt nicht mehr nach Combray, weil er Odette zu Hause nicht den Rivalen überlassen will. So richtig begehrt er sie allerdings auch erst, seit er mitbekommen hat, wie viele andere sie begehren, désir triangulaire . Außerdem ermüdet es ihn, sie ständig aufzusuchen, aber er darf auch nicht nachlassen, damit sie nicht denkt, er sei nicht mehr so leidenschaftlich verliebt wie vorher. Deshalb erhöht er die Beträge, die er ihr schickt. Vielleicht empfiehlt es sich, sich am Anfang seines Verhältnisses möglichst unfreundlich und geizig zu geben, um noch Steigerungsmöglichkeiten zu haben?

Wichtig ist auch, nicht durch Eifersucht den Beweis zu liefern, daß man die Frau zu sehr liebt, » einen Beweis, der unter Liebenden denjenigen Teil, der ihn erhält, davon dispensiert, auch nur genug zu lieben «. Ein Plädoyer gegen Aufrichtigkeit, die Liebe ist kein gemeinsames Schicksal, sondern eine komplizierte Kampfsportart.

Ein schlimmes Stadium von Eifersucht hat man erreicht, wenn man sich nachträglich über die Genüsse ärgert, die einem eine Frau ermöglicht hat, weil einem klar wird, daß der nächste sie auch bekommen wird. Wenn es ihm gelingt, an etwas anderes zu denken, und Freunde ihn wieder an sie erinnern, » so genügte manchmal ein Wort, daß sein Gesicht einen veränderten Ausdruck bekam, wie das eines Verwundeten, dessen schmerzendes Glied ein Ungeschickter gedankenlos berührt «.

Wenn Odette lügt, kann sie tiefbetrübt aussehen wie Botticellis Frauengestalten: » Sie hatte in diesem Augenblick das niedergeschlagene, kummervolle Gesicht, das diesen Frauen das Aussehen gibt, als laste ein Schmerz auf ihnen, der zu schwer für sie ist, auch wenn sie nur einfach das Jesuskind mit einem Granatapfel spielen lassen oder zuschauen, wie Moses Wasser in einen Trog schüttet. «

Unklares Inventar:

– Coterie.

Verlorene Praxis:

– Die Bettvorhänge zuziehen.

– Vor der Teestunde noch ein paar Briefe schreiben.

– Durch die Art seines Daseins einen Bestand an Gewohnheiten und Leidenschaften zufriedenstellen, die man seinen verflossenen Jahren entnommen hat.

17. Do, 3.8., Odessa, Uspenskaja 13

Was man im Russischunterricht erfährt: Gogol soll nach einer enttäuschenden Ehe sein Leben lang vergeblich versucht haben, Mönch zu werden. Außerdem besaß er ein zweiflügliges Anwesen, um, wenn Gäste kamen, heimlich im anderen Flügel verschwinden zu können. Er litt unter Depressionen und tagelangem, lethargischem Schlaf. Gerüchteweise soll er lebendig begraben oder beim Abnehmen der Totenmaske erstickt worden sein. Ein neuer Eintrag in meiner Liste enttäuschender Todesarten.

In Swanns Welt, S. 335–355

Die folgenden zwanzig Seiten werfen die Frage auf, was man eigentlich verpaßt, wenn man Gogols Beispiel folgend Mönch wird. Man zieht ja auch nicht mehr freiwillig in den Krieg als gehöre das zur Ausbildung, warum läßt man sich also noch mit Frauen ein? Das Eifersuchtsszenario, das Proust beschreibt, hat man bis ins Detail erlebt, erstaunlich, daß Proust das vor neunzig Jahren schon so genau voraussehen konnte. Alles hat sich so abgespielt, nur daß man heute nicht mehr » nach einem Telegraphenbüro « sucht, sondern eine SMS schreibt.

Nach einem Ausflug steigt Odette nicht in Swanns Wagen, sondern zu den Verdurins, wo neben Monsieur de Forcheville noch Platz ist. Swann geht zu Fuß durch den Bois und spricht laut mit sich selbst. Er verflucht die Verdurins und stellt fest, wie dumm und gewöhnlich Odette ist und daß sie ihn nicht verdient. Die Welt sollte so züchtig sein, wie von Platon gefordert. Als Odette das nächste Mal in eine minderwertige Oper gehen will, beleidigt er sie auf so sublime Weise, daß sie es gar nicht bemerkt. Immerhin: » Wenn ihr auch der eigentliche Sinn dieser Rede entging, so begriff sie doch, daß sie offenbar zu jener Art von Vorhaltungen oder Szenen gehörte, aus deren Vorwürfen und Beschwörungen sie bei ihrer Übung im Umgang mit Männern, ohne auf Einzelheiten achtzugeben, zu schließen gelernt hatte, daß diese sie ihr nicht halten würden, wenn sie nicht verliebt in sie wären, und daß sie selbst, gerade weil sie verliebt in sie waren, nicht nötig hatte, darauf einzugehen, denn sie waren es bestimmt hinterher nur noch mehr. « Sie ist sozusagen ein Techtelmechtelprofi, es ist ja auch ihr Job. Die Liebe zählt zu den Künsten, in denen man erfolglos bleibt, wenn man seine Emotionen nicht zu kontrollieren weiß.

Neuerdings wird Swann zu den Ausflügen der Verdurins nicht mehr eingeladen. Dann » versenkte er sich in den berauschendsten Liebesroman, den es gibt, den Fahrplan, der ihn über die Möglichkeiten, am Nachmittag, am Abend, am Morgen sogar in ihre Nähe zu gelangen, unterrichtete! « Er hat schließlich ein Recht darauf zu fahren, wohin sie ihn nicht mitgenommen hat! Sollte er ihr dort über den Weg laufen, würde er sie natürlich ignorieren, sie soll nicht denken, er spioniere ihr nach.

Während er wacht und auf die vorbeirollenden Wagen lauscht, falls sie spät heimgekommen sein und ihn noch besuchen sollte, ist sie schon am Nachmittag eingetroffen, allein ins Theater gegangen und liegt längst im Bett. Ihn zu benachrichtigen hatte sie nicht für notwendig gehalten.

» [I]n manchen Augenblicken sagte er sich dann, daß es ebenso unvernünftig sei, eine hübsche Frau in Paris allein ausgehen zu lassen, als wenn man ein Juwelenkästchen mitten auf die Straße stellt. Dann war er voller Entrüstung gegen alle Vorübergehenden, als seien sie sämtlich Diebe. «

Manchmal dämmert ihm, daß die Zeit, die sie ohne ihn verbringt, gar keine » erschreckende und übernatürliche Welt « ist, sondern banal. » Wenn er sein Leiden so sachlich beobachtete, als habe er es sich zu Studienzwecken selber durch Impfung beigebracht, mußte er sich sagen, daß er, einmal geheilt, alles, was Odette beträfe, als gleichgültig ansehen werde. « Was hilft es, das zu wissen? Denn » aus dem Grunde seines krankhaften Zustandes heraus fürchtete er wie den Tod eine solche Heilung, die in der Tat das Ende von allem bedeutet hätte, was er im Augenblick war «. Hat die Liebe das aus ihm gemacht, oder hat sich seine Seele eine Herausforderung gesucht?

Odette fährt nach Bayreuth, und er bietet ihr an, » eines der hübschen Schlösser des Königs von Bayern in der Umgebung « zu mieten. Sie möchte aber das nötige Geld, um die Verdurins und deren Freunde dorthin einladen zu können, denen sie sich auch einmal erkenntlich zeigen will. Davon, daß er mitkommen könnte, ist nicht die Rede. Was für ein Miststück!

Unklares Inventar:

– Die Kirche von Brou, die Initialen Philiberts des Schönen, der » Bal des Incohérents «.

Verlorene Praxis:

– Ihr am folgenden Morgen die schönsten Juwelen zuschicken.

– Eine Saison in Bayreuth mitmachen.

– Aus Trauer um einen Mann überall seine Initialen mit den eigenen verflechten.

18. Fr, 4.8., Odessa, Uspenskaja 13