Schneekalt - Franz Kreuzer - E-Book

Schneekalt E-Book

Franz Kreuzer

4,6

Beschreibung

Valentin Steinberg wird von Freunden in den Zwiesler Winkel eingeladen. Sie freuen sich auf die Waldrauhnacht in Frauenau und das internationale Skirennen am Arber. Doch Unmengen an Schnee und Sabotageakte stören die Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten. Als eine bekannte Glaskünstlerin von einem Schneepflug tödlich erfasst wird, glaubt Valentin nicht an einen Unfall und beginnt zu ermitteln. Dabei begegnet er tatsächlich Sagengestalten, die angeblich nur das Beste für den Bayerischen Wald wollen.

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Franz Kreuzer

Schneekalt

Kriminalroman

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2015 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Sven Lang

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Autor Franz Kreuzer

ISBN 978-3-8392-4624-5

Bilder und Hintergründe zu den Orten und Tatorten im Bayerischen Wald

Der Zwieseler Winkel

Prolog

Helmut Seethaler war guter Dinge. Er befand sich auf seiner letzten Runde, anschließend würde er endlich Feierabend machen. Schwerstarbeit war das Räumen mit dem Schneepflug heute gewesen, aber jetzt konnte er es sich allmählich erlauben, sein Augenmerk auf die schönen Dinge des Lebens zu richten.

»Skandal um Rosi«, pfiff er vor sich hin. Doch weil das Rumpeln des Räumschilds auf der Straße sein Pfeifen übertönte, fing er an mit eingerosteter Stimme den Rosi-Song gegen den Lärm zu schmettern.

Ja – die Rosi. So einer Frau begegnete man schließlich nicht alle Tage, weiche braune Locken, rehbraune Augen und Rundungen genau an den richtigen Stellen. Er schätzte sich glücklich, ihr begegnet zu sein. In seinem Alter bekam man nicht mehr oft eine zweite Chance. Helmut fuhr sich über die Stoppelhaare und überlegte, ob es günstiger war, seine neue Flamme in die Pizzeria nach Regen einzuladen oder in das bayerische Wirtshaus in Neuschönau.

Vor ihm auf der Straße, wo das große stählerne Räumschild über den Teer schabte, stoben permanent orange glühende Funken nach allen Seiten. Die Fahrt mit einem der schweren Schneepflüge durch den Bayerischen Wald hatte für Helmut etwas vom Ritt auf einem feuerspeienden Drachen.

Er kniff die Augen zusammen und verfluchte innerlich seine Kollegen vom Bauhof, die wieder einmal vergessen hatten, die Blätter der Scheibenwischer auszuwechseln. Eine Scheißsicht war das. Nur schemenhaft nahm er in der Dunkelheit und bei wildem Schneetreiben die riesige Gestalt am Straßenrand wahr, die sich taumelnd auf ihn zu bewegte.

Was zum Teufel war das? Helmut riss den Fuß vom Gas und stieg mit aller Gewalt auf die Bremse.

Selbst Wochen später konnte er sich nur noch an die grauenhafte Fratze, die wilde Mähne und die bösen zusammengekniffenen Augen erinnern, die ihn für den Bruchteil einer Sekunde unmittelbar durch die Windschutzscheibe angestarrt hatten. Dieses Bild hatte sich auf ewig in seine Großhirnrinde eingebrannt, ebenso wie das schreckliche Geräusch, das so gar nicht zu dem ihm vertrauten, liebgewordenen Dröhnen des Schneepflugfahrens passte.

Kapitel 1

Voller Vorfreude auf das lange Wochenende im Wald war Valentin frühmorgens in München aus dem Bett gesprungen. Die beiden Töchter wollten sie bei Freunden unterbringen, sodass seine Frau Luisa und er das ganze Wochenende für sich hatten. Doch kurz nach dem Frühstück wurde Luisa zu einem wichtigen Meeting in den Fernsehsender beordert. Valentin beschloss sich nicht darüber zu ärgern und allein die Reise anzutreten, was vom Rest der Familie nach längerer Beratung auch gutgeheißen wurde.

Doch als er sich im Internet das Wetter für den Zwiesler Winkel angesehen hatte, disponierte er spontan um. Seit vier Tagen schneite es im Bayerischen Wald ununterbrochen, auf der Rusel gab es eine Totalsperrung und die Alternativrouten durften nur mit Schneeketten befahren werden. Mit dem Kombi ohne Allrad wollte er die Strecke nicht wagen und so machte er sich mit ein paar Anziehsachen und seiner Skiausrüstung gegen Mittag auf den Weg zum Münchner Hauptbahnhof.

Die Reise mit dem Regional-Express verlief bis Plattling recht problemlos, doch als Valentin den kleinen Zug sah, dem zwei große Dieselloks und ein kolossaler Schneepflug vorgespannt waren, beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Das saurierartige Brüllen der starken Dieselmotoren weckte schließlich seine Zuversicht, dass die Leute im Bayerischen Wald die Lage im Griff hatten. Immerhin kamen solche extremen Wettersituationen immer wieder vor.

Es stellte sich freilich heraus, dass man die Situation zwar im Prinzip beherrschte, doch der Fahrplan bloße Makulatur war. Als der Zug mit mehr als zwei Stunden Verspätung Zwiesel erreichte, war es bereits stockdunkel und er stand allein auf dem zugeschneiten Bahnhofsvorplatz. Seine beiden Schulfreunde hatten ihm zuvor per SMS mitgeteilt, dass sie ihn um diese Zeit nicht mehr abholen konnten, weil sie zum Aufbau der Waldrauhnacht nach Frauenau mussten. Sie ließen Valentin allerdings nicht hängen, sondern hatten für das letzte Stück der Reise vorgesorgt. Die Kurznachricht besagte, dass sie auf dem Parkplatz des Bahnhofs für ihn ein Fahrzeug abgestellt hatten. Mit diesem sollte er selbst nach Frauenau fahren. Seine Rückfrage, ob es bei der Schneelage überhaupt möglich sei über die verschneiten Straßen das Glasmacherdorf zu erreichen, beantworteten sie, er solle auf dem Bahnhofsparkplatz nach einem U 1000 Ausschau halten. Der Zündschlüssel wäre im Übrigen unter der Fußmatte des Beifahrersitzes versteckt.

Valentin konnte mit der Fahrzeugbezeichnung nichts anfangen, obwohl er alsbald einen Verdacht hatte, bei dem ihm mulmig wurde. Als er dann mit dem Gepäck auf dem Parkplatz stand und sich suchend umsah, entdeckte er das Gefährt. Der U 1000 war ein älterer oranger Unimog mit Schneeketten an den großen Rädern, einem Kranaufbau zwischen Fahrerkabine und Ladefläche sowie einer großen elektrischen Seilwinde vor dem Kühler. Er stand eingeschneit und einsam auf dem Parkplatz. Der reguläre Autoverkehr musste nahezu zusammengebrochen sein, ansonsten hätten ihm seine beiden Freunde nicht ein derartiges Ungetüm zur Verfügung gestellt.

Er warf den Skisack auf die Ladefläche und kletterte zur Fahrerkabine hoch. Sie war unverschlossen. Den Zündschlüssel fand er wie versprochen unter der Fußmatte. Als er schließlich auf dem gefederten Fahrersitz saß, war das Gefühl grandios. So müsse sich der König der Landstraße fühlen, glaubte er und blickte von oben hinab auf die verschneite Welt.

Valentin drehte bedächtig den Schlüssel. Die Rudolf-Diesel-Gedenksekunde dauerte allerdings bei diesem Motor eine geschlagene halbe Minute, und erst nach mehreren Versuchen lief er ohne Anlasserunterstützung. Als dann das beruhigende Tuckern in seinen Ohren ertönte, lächelte er erleichtert. Doch dann fingen die Schwierigkeiten an. Rechts neben dem Fahrersitz befand sich eine enorme Anzahl von großen und kleinen Hebeln. Er studierte die abgenutzten Piktogramme für Schaltung, Differentiale, Elektrik und Hydraulik. Es dauerte, bis er einigermaßen sicher war, was er alles benötigte, um vorwärts zu kommen. Dann betätigte er die Kupplung, legte den ersten Gang ein und ganz langsam setzte sich das urtümliche Geländegefährt in Bewegung.

Die acht Kilometer Fahrt nach Frauenau dauerten dann beinahe eine Stunde. Das war nicht den Schneemassen auf der Straße geschuldet, denn diese stellten für den U 1000 kein Hindernis dar, sondern den vielen Hebeln und Schaltern. Valentin musste einen nach dem anderen vorsichtig durchprobieren und anhand der geänderten Fahreigenschaften herausfinden, welche Funktion sie jeweils hatten. Kriechgang, Sperrhebel für die drei mechanischen Differentiale und natürlich acht Vorwärts- und acht Rückwärtsgänge mit zusätzlich schaltbarem Vorgelege.

Schlussendlich erreichte er voller Stolz über die gemeisterte Herausforderung das Glasmacherdorf im Wald. Er parkte nach einer kurzen Irrfahrt links am Ortseingang auf dem alten Sportplatz, weil direkt vor seinem eigentlichen Ziel Schneeräumarbeiten im Gange waren. Dann machte er sich zu Fuß auf den Weg zur Bürgerhalle, in der am Samstagabend die berühmte Rauhnacht stattfinden sollte.

Die Hexe blickte ihn unheilvoll von der Seite an. Ihre Augen strahlten glühend rot und die schwarzen zottigen Haare hingen verfilzt über das Gesicht. In den Händen hielt sie einen alten Besen, bereit zu ihrem Flug über das nächtliche Dorf. Plötzlich erloschen die Augen.

»Verdammt, jetzt ist mir der blöde Draht schon wieder aus der Lüsterklemme gerutscht«, fluchte Richard aus dem Inneren der Hexenfigur.

»Lass das mal und komm herunter. Valentin ist da«, rief Axel zu ihm hoch und grinste dem Neuankömmling entgegen. Seit der Zeit im Zwieseler Gymnasium hatte Axel sich nicht allzu sehr verändert. Ein schlaksiger Sportlertyp, selbst im Winter stark gebräunt und mit kurzen dunklen Haaren. »Hast du es doch noch geschafft zu uns ins Outback vorzudringen?«

»Hör bloß auf. Ich bin seit Mittag unterwegs. Von München bis Plattling lief es so einigermaßen, doch die folgenden 50 Kilometer nach Zwiesel waren eine einzige Katastrophe. Geschlagene drei Stunden hat das gedauert. Da hätte ich auch zu Fuß gehen können.«

»Bist wohl auf die Werbung der Bahn hereingefallen«, flachste Axel. »Bei diesem Wetter fährt man mit dem Auto und nicht mit dem Zug.«

Valentin schüttelte den Kopf. »Mit unserer Familienkutsche brauche ich bei diesen Schneefällen auf der Rusel erst gar nicht antreten. Da würde ich nie drüberkommen.«

»Sag mal, kann es ein, dass du abgenommen hast?«, fragte Axel. Er betrachtete seinen ehemaligen Mitschüler neugierig. Valentin war knapp unter eins achtzig, hatte akkurat geschnittene dunkelblonde Haare und einen kleinen Bauchansatz.

»Es freut mich, dass dir das auffällt. Ich nutze gerade meine aktuelle berufliche Auszeit, um mich wieder mehr zu bewegen. Doch das, was du dir in zehn Jahre angefuttert hast, kriegst du halt in wenigen Wochen nicht wieder runter.« Valentin klopfte schmunzelnd mit der flachen Hand auf seinen Bauch.

»Servus, Val«, unterbrach sie Richard, mittlerweile von seiner wackeligen Leiter heruntergekommen. Er war äußerlich das Gegenstück zu Axel. Kräftige Statur, längere blonde Haare und ein kleines Ziegenbärtchen an der Unterlippe.

»Grüß dich. Was machst du denn da oben?«, fragte Valentin neugierig und deutete zu der mehr als drei Meter großen Hexenfigur, die mit Drähten an der Decke befestigt war.

»Nachdem uns letztes Jahr eine der Figuren in Flammen aufgegangen ist, ersetzen wir heuer alle Glühlämpchen durch Leuchtdioden. Die werden längst nicht so heiß und haben auch noch schönere Farben. Allerdings macht der Umbau ganz schön viel Arbeit.«

»Seid ihr zeitlich nicht arg spät dran? Immerhin ist heute schon Donnerstag und am Samstagabend steigt die Feier.«

»Wir können es schaffen, wenn wir uns anstrengen und etwas Gas geben. Heuer verläuft der Rauhnachtsaufbau ohnehin völlig chaotisch. Unsere Elektronikbauteile kamen auf den letzten Drücker und seit Tagen fallen diese Schneemassen vom Himmel. Seit Stunden fräsen sie an der Straße vor der Halle den Schnee weg. Deshalb kann man dort nicht parken, nicht mal für kurze Zeit. Also stellen die Leute irgendwo im Dorf ihre Fahrzeuge ab und schleppen die großen Figuren bei dem Sauwetter zur Halle. Die meisten Teile der Dekoration sind ja wasserempfindlich. Deshalb musst du alles sorgfältig in Folie verpacken, bevor du die Sachen durch das Schneetreiben trägst. Frag mich bloß nicht, was wir heute schon geflucht haben. Das war alles andere als jugendfrei.«

In dem Augenblick, als Valentin auf die Umrüstung auf Leuchtdioden zu sprechen kommen wollte, setzte ohrenbetäubender Lärm ein. Offenbar wurde heute Abend die Lautsprecheranlage eingestellt, denn der Schlagzeuger auf der Bühne legte sich für den Soundcheck richtig ins Zeug. Irgendwie kam Valentin der Song zwar bekannt vor, aber er konnte ihn schließlich nicht zuordnen. Richard blickte entschuldigend zu Valentin, zuckte dann hilflos mit den Schultern und kletterte wieder hoch zur Hexe. Mit einem Schraubenzieher in der Hand verschwand er mit dem Oberkörper im Inneren der Figur. Kurze Zeit später glühten die Augen blutrot.

Die wilde Schlagzeugmusik verebbte und Axel konnte sich wieder verständlich machen.

»Ausgezeichnet, dass es dieses Wochenende geklappt hat. Du musst dich allerdings noch eine Weile gedulden, bis wir die Figuren auf dieser Seite der Halle umgerüstet haben. Aber dann setzen wir uns auf einen Ratsch zusammen. Wie du siehst, ist heute Abend die Hölle los.«

Valentin blickte sich um. Axel hatte recht. Sicherlich 30 Personen werkelten für die traditionelle Waldrauhnacht in der großen Dreifachturnhalle der Grundschule von Frauenau. Da wurden mannsgroße Figuren hereingetragen, von den schützenden Folien befreit und an den Wänden oder der Decke mit Drähten befestigt. Mehrere Helfer waren dabei, die Kabel für die Lichtanlage zu verlegen, und andere wiederum sägten die Bretter für die hölzerne Bühne zurecht. Im hinteren Bereich der Halle hatten bereits einige damit begonnen, Tische und Stühle aufzustellen. Alle Vereine, die Feuerwehr und sogar das Technische Hilfswerk, waren vertreten. Aus den großen Lautsprechern kreischte es immer wieder schrecklich auf, als die entsprechenden Kabel verbunden wurden. Seitlich der Bühne stand ein kräftiger Mann mit einem Mikrofon in der Hand und kommandierte mit lauter Stimme die Helfer herum.

Die Musik setzte wieder ein, doch war es diesmal kein wildes Getrommel, sondern die Stones, die nicht minder leidenschaftlich aus der Konserve ihr Jumpin’ Jack Flash darboten.

Axel zupfte Valentin am Arm und deutete auf einen der geöffneten Notausgänge an der Hallenseite. Er brüllte ihm ins Ohr. »Von der langen Fahrt hast du sicher Hunger. Dort draußen kriegst du alles, was dein Magen begehrt. Wir kommen nach, sobald wir hier fertig sind.«

Valentin nickte und schlängelte sich an einer jungen Frau vorbei, die den bemoosten Torso eines größeren Fabelwesens in Richtung Bühne zerrte. Sie wirkte wie eine Ameise, die ein für sie viel zu großes Teil in Richtung Bau trug. Er verließ die Halle, in der nun auch noch ein irres Lichtgewitter im Takt der Musik niederging.

Kaum war er im Freien, verebbte der Lärm. In einer Ecke, vor dem starken Schneefall und dem Wind geschützt, stand ein überdimensionaler Holzkohlegrill. Über den rot glühenden Kohlen lagen auf dem Rost neben anderen Köstlichkeiten massenhaft kleine Bratwürstchen, die einen wunderbaren Duft verbreiteten und Valentin regelrecht anlockten.

Eine Frau mittleren Alters, eingewickelt in viele Schichten warmer Kleidung, stand daneben und wendete mit einer Zange das Grillgut.

»Ich gehöre zwar nicht direkt zur Aufbaumannschaft, aber vielleicht bekomme ich ja trotzdem was?«, fragte Valentin und sah sie mit übertrieben treuem Hundeblick an.

»Natürlich, es ist genügend da. Die hungrigen Raubtiere sind bereits vor einer Stunde eingefallen. Sie haben es nicht geschafft, den Grill leer zu futtern«, antwortete sie schmunzelnd. Mit der Zange deutete sie auf den Rost. »Ich habe Nürnberger, Käsegriller, Halsgrad, Putensteaks und sogar gebratene Zucchini.«

»Die Nürnberger mit scharfem Senf und einer Semmel wären perfekt.«

»Klar doch, mach ich. Meine Zucchini bekomme ich heute Abend sowieso nicht mehr los«, jammerte sie und legte die Würstchen fein säuberlich nebeneinander auf einen Pappteller. »Senf und Semmel bitte selbst nehmen, die sind dort drüben auf dem Tisch.« Sie trat von einem Bein auf das andere und hielt die Hände über die glimmenden Kohlen.

Valentin hatte sich unterdessen mit den Beilagen versorgt und stellte sich neben die Frau an den wärmenden Grill. »Warum hat man Sie denn hier nach draußen verfrachtet? Wäre doch viel praktischer, wenn Sie drinnen in der Halle wären?«

»Letztes Jahr gab es einen Brand in der Dekoration und seitdem schieben alle Panik. Das hatte zwar nichts mit dem Grill zu tun, aber trotzdem verbannt die Feuerwehr seitdem alles aus dem Gebäude, was irgendwie mit Hitze und Feuer zu tun hat.«

»Das kann ich nachvollziehen. Ein Brand bei einer voll belegten Halle würde in einer Katastrophe enden. Immerhin wärmt einen der Grill in der Kälte hier draußen.«

»Wenn nur nicht dieser Würstelgeruch wäre«, jammerte sie.

»Warum denn?«, fragte Valentin erstaunt. »Das duftet doch fabelhaft.«

»Ich gehöre zu denen, die solche Dinge essen«, erwiderte sie und deutete auf die gegrillte Zucchini, »und nicht zu denen, die tote Tiere mögen.«

Valentin sah sie überrascht an. »Das ist ja fies. Dann darf man Sie doch nicht an den Grill abkommandieren!«

»Mein Mann ist drinnen mit dem Aufbau der Musik beschäftigt und ich muss mich hier um die leibliche Versorgung kümmern. Ich bin übrigens die Eva«, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen.

»Valentin heiße ich«, sagte er. »Du solltest dich wirklich mal aufwärmen, deine Hände sind ja eiskalt.«

»Später vielleicht. Ich hätte noch selbst gemachten Glühwein. Willst du welchen?«

»Gerne, wenn ich ihn nicht allein trinken muss.«

»Lieber nicht. Ich hatte vorhin schon einen großen Becher.«

Valentin blickte Eva genauer an. Trotz der vielen Schichten Kleidung fiel ihm auf, wie zierlich sie war. Unter der bunten Inkamütze schauten lange dunkelblonde Haare hervor, die hinten zu einem dicken Knoten zusammengebunden waren. Früher musste sie einmal eine strahlende Schönheit gewesen sein, dachte Valentin, doch hatte sie den Zenit bereits um etliche Jahre überschritten. Ihrer Ausstrahlung tat dies jedoch keinen Abbruch.

»Warum ist denn hier eigentlich so viel los? Die Rauhnacht ist doch längst keine so wichtige Veranstaltung mehr wie in meiner Jugendzeit. Damals war sie das wichtigste Maskenfest im Bayerischen Wald. Die Leute kamen von weither, und man musste Monate im Voraus Plätze reservieren, sonst kam man überhaupt nicht rein.«

»Im letzten Jahr waren es nur knapp 150 Besucher, und wenn es heuer noch weniger werden, dann rentiert sich der ganze Aufwand nicht mehr. Das ist das Problem. Deshalb hat man im Verein beschlossen, dieses Jahr richtig viel Zeit und Energie in die Veranstaltung zu stecken, um wieder mehr Leute zur Frauenauer Waldrauhnacht zu locken. Immerhin feiern wir sie seit über 60 Jahren, und früher war sie die größte Brauchtumsveranstaltung im Bayerischen Wald. Du kannst dich sicher noch an die fantastischen Masken aus deiner Jugend erinnern. Die gibt es immer noch und teilweise werden sie jedes Jahr neu angefertigt. Sie müssen immer etwas mit der Natur im Wald zu tun haben. Ich finde, die Veranstaltung ist wirklich etwas ganz Besonderes und nicht so ein 08/15-Fest wie manch anderes. Deshalb arbeite ich auch seit Jahren mit. Die Tradition sollten wir aufrechterhalten.«

»Dann verstehe ich den ganzen Trubel. Ich bin ja nur zu Besuch bei meinen Freunden übers Wochenende. Du kennst sie sicher. Axel und Richard, die zwei Glaskünstler, die zwischen Frauenau und Zwiesel in der alten Schmiede wohnen. Die beiden haben mich vorhin mehr oder minder hier herauskomplimentiert, weil sie total im Stress sind.«

Sie nickte und wendete mit der Zange die Würstchen und Zucchini auf dem Rost. »Ja, die kenne ich. Wenn ich mich nicht täusche, haben sie ein Faible für recht große Objekte. Das passt ja auch zu ihnen. Es ist sehr gut, dass auch sie beim Aufbau dabei sind und in diesem Jahr alle so engagiert zusammenarbeiten. Heuer muss die Waldrauhnacht erfolgreich sein, sonst wird es sie im nächsten Jahr vielleicht nicht mehr geben.«

»Ich drück euch auf jeden Fall fest die Daumen. Tut mir leid, doch ich muss dich allein lassen, mir wird es zu kalt hier draußen«, sagte Valentin. »Mit so einem Wintereinbruch habe ich überhaupt nicht gerechnet.«

»Geh rein. Zumindest meine Zehen haben’s warm«, sagte sie und deutete auf die unförmigen Moonboots an ihren Füßen. »Wir sehen uns sicher am Samstagabend.«

»Fragt sich nur, ob wir uns auch erkennen«, schmunzelte Valentin und winkte zum Abschied. Er ging in die Halle zurück und war froh, dem Schnee und der Kälte entkommen zu sein. Im Augenblick spielten sie Satisfaction und das Licht flackerte passend dazu. Die Sound- und Lichtanlage war also mittlerweile voll funktionsfähig und einsatzbereit. Plötzlich erschallte laut eine Stimme über die Lautsprecher.

»Axel und Richard, jetzt schaut euch doch mal die beiden Waldschrate vorn links an. Deren Augen sind schon wieder tot. Ich hoffe bloß, das klappt endlich mal mit eurem komischen Leuchtdioden-Zeugs.« Der Kompagnon des Vorarbeiters hatte die Aufsicht übernommen und sprach nicht minder lautstark Befehle ins Mikrofon. Valentin blickte sich suchend nach den beiden Glasschmieden um. Sie standen mit einer Flasche Bier in der Hand schwatzend bei den anderen pausierenden Männern des Aufbauteams. Eilig ergriffen Axel und Richard nach der Aufforderung ihr Werkzeug sowie die Leiter und begaben sich zu ihrem neuen Einsatzort.

Valentin hoffte, nicht auch noch eingespannt zu werden, und versuchte, geschäftig zu wirken. Er eilte unauffällig und mit schnellen Schritten zu seinen beiden Freunden. Unterdessen wurde die Musik wieder voll aufgedreht.

»Ich habe draußen auf euch gewartet. Wie lange braucht ihr denn noch?«, brüllte er Axel ins Ohr.

»Wir müssen heute Abend noch diese beiden Waldschrate versorgen. Du hast es ja gerade gehört, wie blank die Nerven unserer Organisatoren liegen. Dann unterbrechen wir bis morgen, weil wir einige zusätzliche Stromkonstanter für die Leuchtdioden benötigen und die blöderweise noch im Keller der Glasschmiede liegen. Du kannst also ruhig schon mal vorausfahren, es dauert nicht mehr lange, bis wir nachkommen.«

»Gibst du mir den Schlüssel fürs Haus? Ich warte ungern bei dieser Witterung vor der Tür.«

»Der steckt innen«, grinste Axel, drehte sich zu Richard um und reichte ihm eine Zange aus dem Werkzeugkasten.

»Na denn, bis gleich«, verabschiedete sich Valentin und ging Richtung Ausgang.

Selbst vor der Bürgerhalle war einiges los. Ein Unimog mit Schneefräse fuhr im Schritttempo am Straßenrand entlang und blies mit einem Höllenlärm Schnee auf den Anhänger eines langsam neben ihm fahrenden Traktors. Die orangen Warnlichter beider Fahrzeuge illuminierten rundum das wilde Schneetreiben in der Nacht.

Die an den abgeschalteten Straßenlaternen befestigten Hexenpuppen blickten drohend auf die vorübergehenden Menschen hinab. Sie trugen zerschlissene Kleidung und saßen auf langen Besen, die im Wind langsam hin und her schaukelten. Auf Valentin wirkte es fast so, als wenn sie durch die winterliche Nacht flogen. Die Szenerie hatte etwas Unwirkliches und Gruseliges. Er beeilte sich, denn bei dem scheußlichen Wetter wollte er schnell wieder ein Dach über dem Kopf haben.

Auf dem Bürgersteig schlängelte er sich an der gefährlich aussehenden Fräse vorbei und eilte in Richtung alter Sportplatz. Als er von der Seitenstraße die durch den Ort führende breite Staatsstraße erreichte, bemerkte er weitere hektisch flackernde Lichter. Doch diesmal waren sie nicht nur orange, sondern es waren auch blaue dabei. Neugierig schritt er schneller voran und schaute auf die Ansammlung verschiedener Einsatzfahrzeuge, die kreuz und quer die Straße blockierten.

Ein großer dreiachsiger Lastwagen, vorn mit mächtigem Räumschild und hinten mit einem großen Streuaufbau, hatte den Spuren nach eine Vollbremsung hingelegt und befand sich mit immer noch rotierenden Drehspiegelleuchten im Zentrum der anderen Fahrzeuge. Direkt daneben standen ein Rettungswagen und das dazugehörige Vorausfahrzeug, beide mit voller Einsatzbeleuchtung.

»Was ist denn da passiert?«, murmelte er und trat näher. Im ersten Augenblick vermutete er, dass ein Tourist geglaubt hatte, Schneepflüge hätten nicht unter allen Umständen Vorfahrt und war nun auf recht brachiale Weise eines besseren belehrt worden. Komisch fand er allerdings, dass auch noch ein Sanitätswagen da war. Ein beklemmendes Gefühl stieg langsam in ihm auf.

Die hinteren Flügeltüren des Rettungswagens waren weit geöffnet. Auf der Kante saß ein Mann, knapp 50 und mit der üblichen sicherheitsfarbenen Kleidung der Arbeiter des Winterdienstes. Es handelte sich vermutlich um den Fahrer des Schneepfluges. Er stierte mit leeren Augen vor sich auf den schneebedeckten Boden. Vor ihm kauerte der Notarzt, das war zumindest in reflektierender Beschriftung auf dem Rücken seiner Winterjacke gedruckt, und redete beruhigend auf ihn ein.

Valentin wollte keinesfalls als Schaulustiger im Weg herumstehen und versuchte, sich unauffällig an dem Schneepflug zum Parkplatz vorbeizuschlängeln. Da sprach ihn einer der Sanitäter an.

»Gehören Sie zur Aufbaumannschaft der Rauhnacht?«

Valentin nickte, doch noch ehe er anmerken konnte, dass er eigentlich nur ein Besucher war, erhielt er schon einen Auftrag.

»Dann packen Sie mal mit an. Hier liegen jede Menge Trümmer von eurer Dekoration herum. Das muss weg von der Straße, sonst löst sich alles in dem salzigen Matsch auf.«

Tatsächlich lagen Teile einer größeren Figur über die Straße verstreut. Offenbar war sie mit dem Schneepflug kollidiert und dabei mit roher Gewalt zur Seite geschleudert und auseinandergerissen worden.

»Nehmen Sie das Teil und legen Sie es dort drüben auf die Plane.« Der Sanitäter gab Valentin den zerborstenen Kopf eines animalisch aussehenden Waldwesens, der ursprünglich sicher über einen Meter Durchmesser gehabt hatte.

»Was ist denn hier passiert?«, fragte Valentin.

»Einer von euren Aufbauleuten ist mitsamt einer Figur vor den Schneepflug gefallen. Ganz böse Sache.«

»Hoffentlich ist er nicht schlimm verletzt«, sagte Valentin perplex. Ihm war bisher noch gar nicht eingefallen, dass bei dem Unfall auch Personen zu Schaden gekommen sein könnten. Er hatte immer noch die Hypothese mit dem auf seinem Vorfahrtsrecht beharrenden Touristen im Kopf.

»Sie liegt dort drüben unter der Decke. Da war nichts mehr zu machen«, entgegnete der Sanitäter.

»Sie? Tot?«

»Ja«, bestätigte er kurz. »Das Räumfahrzeug kommt hier mit 70 die Steigung hoch, es braucht richtig Schwung, um den schweren Schnee von der Fahrbahn zu bekommen. Da hast du keine Chance, wenn du vor das Räumschild stolperst. Dann macht es bumm und alle deine Knochen sind auf einen Schlag gebrochen.«

»Scheiße«, entfuhr es Valentin und er schaute kleinlaut in Richtung Bahre, auf der die Tote unter einer goldfarbenen Rettungsdecke lag. Sie war bereits mit einer dünnen Schneeschicht bestäubt, die im Licht der farbigen Einsatzlichter glitzerte. Ein plötzlicher Windstoß fuhr unter die federleichte Folie und klappte sie am Kopfende um. Valentin erkannte ein jugendliches Gesicht, eingerahmt von hellblonden Haaren. Die Augen waren halb geöffnet und ein Rinnsal Blut war ihr aus der Nase über die Wange geflossen. Er zwang sich den Kopf abzuwenden und schloss die Augen. Sie musste etwas über 20 gewesen sein, nur einige Jahre älter als seine beiden Töchter. Er stöhnte leise.

»Verdammt, der blöde Wind.« Der Sanitäter hatte ebenfalls bemerkt, dass die Decke hochgeklappt war, und eilte zur Bahre. Routiniert befestigte er die glitzernde Folie wieder, sodass nur noch der Umriss der Toten zu sehen war. Dann kam er zu Valentin zurück. »Warte mal, ich gebe dir ein Paar Handschuhe. Da ist an einigen Teilen der Figur Blut dran. Hat sie wohl noch härter erwischt, als ich ursprünglich dachte.«

Valentin war froh über die Kälte und den Schnee, der ihm ins Gesicht wehte. Sonst hätte er sich übergeben müssen. Vor nicht allzu langer Zeit war er schon mal auf recht schonungslose Weise mit dem Tod im Bayerischen Wald konfrontiert worden. Damals hatte er beim abendlichen Joggen den von Wölfen schrecklich entstellten Leichnam eines Mannes gefunden. Sein Mörder hatte ihn im Streit von einem Aussichtsturm in das Gehege geworfen. Diese erneute unmittelbare Begegnung mit dem Tod erschütterte ihn.

»Tobi, hör sofort damit auf, die Sachen wegzuräumen«, hörte er jemanden brüllen.

Der Sanitäter und Valentin blickten erstaunt in Richtung Rettungswagen. Dort stand der Notarzt und sah mit ärgerlichem Blick zu ihnen herüber. Er wandte sich wieder mit leisen Worten an den Schneepflugfahrer, der wie ein Häufchen Elend zwischen den Flügeltüren saß und sich immer wieder kopfschüttelnd mit beiden Händen durch seine Stoppelfrisur fuhr. Dann lief der Notarzt zu ihnen herüber.

»Lasst das Zeug liegen, das war kein Unfall. Der Fahrer hat mir gerade erzählt, dass die Eschenrieder nicht allein war. Er glaubt, noch eine zweite Person gesehen zu haben, die sie vor den Schneepflug gestoßen hat.«

Valentin und der Sanitäter starrten den Arzt überrascht an. Der Sanitäter fing sich als Erster. »Ist er sich da wirklich sicher? Bei dem Schneegestöber und dem schlechten Licht glaubt man schnell etwas bemerkt zu haben, was in Wirklichkeit ganz anders aussieht.«

»Der Fahrer ist mit seinen Nerven zwar völlig am Ende, aber die Behauptung klingt plausibel. Er hat zwei Figuren gesehen. Jemand hat bereits die Polizei verständigt. Bis dahin dürfen wir hier nichts mehr verändern.«

»Dann ist doch die ganze Fahrbahn blockiert, da kommt keiner mehr durch.«

»Macht nichts, über die Anliegerstraßen im Dorf kann man die Vollsperrung schon irgendwie umfahren. Es wird allerdings etwas dauern, bis der Freund und Helfer eintrifft, die sind heute Nacht alle auf Wache am Arber.«

Der Sanitäter wandte sich Valentin zu und hob die Schultern. »Vielen Dank fürs Helfen, aber ab jetzt dürfen wir nichts mehr anrühren. Vielleicht können Sie die Teile der Riesenfigur später trotzdem abholen. Möglicherweise könnt ihr sie bis zur Veranstaltung am Samstag wieder instand setzen.«

»Ich sage den Leuten in der Bürgerhalle Bescheid. Das sollen die entscheiden.«

»Klar, kein Problem. Könnten Sie mir bitte noch Ihren Namen nennen? Nur für den Fall dass die Polizei später wissen will, wer geholfen hat.«

»Valentin Steinberg heiße ich«, murmelte er.

Der Sanitäter blickte ihn verdutzt an. Erst nach einer Weile antwortete er. »Glück bringen Sie uns aber nicht!«, stellte er nachdenklich fest und wandte sich dem Rettungswagen zu.

Kapitel 2

Schließlich hatte es Valentin geschafft und mit dem Unimog die Glasschmiede erreicht. Das alte Gebäude stand allein im Wald zwischen Frauenau und Zwiesel. Früher hatte hier ein Schmied gewohnt, der für seine handgeschmiedeten Werkzeuge, wie Äxte, Stemmeisen und Messer, weit über die Gegend hinaus geschätzt gewesen war. Seit einigen Jahren war der Backsteinbau mit angebauter hölzerner Scheune die Heim- und Arbeitsstätte von Axel und Richard. Sie hatten sogar einen recht aufwendigen Glasofen mit mehreren Häfen in Betrieb, der sich in dem hölzernen Anbau befand. Wie sie Valentin in einer späten Stunde einmal im Vertrauen mitgeteilt hatten, schätzten sie die positive Atmosphäre des Ortes sehr. Sie wirke sich überaus förderlich auf ihr künstlerisches Schaffen aus.

Axel und Richard waren schon längst da, als Valentin eintraf, und saßen in der Stube an ihrem großen Tisch.

»Da kommt ja unser Stadtbewohner. Drei Kilometer ohne Navi sind eine echte Herausforderung, gell«, spottete Axel. »Wo warst du denn so lange? Du bist doch mindestens eine halbe Stunde vor uns abgezogen.«

»Wäre ich nur mit euch gegangen. Ich habe oben am alten Sportplatz geparkt und als ich über die Hauptstraße dort hinauf wollte, bin ich zu einem Unfall dazugekommen. Einer der großen Schneepflüge war daran beteiligt.«

»Hat einer der Touristen wieder einmal wissen wollen, wer der Stärkere ist?«, fragte Axel süffisant nach.

»Das dachte ich zuerst auch. Es ist aber viel schlimmer. Eine Frau von der Aufbautruppe wurde vor den Schneepflug gestoßen. Sie war sofort tot.«

Axel und Richard sahen Valentin entsetzt an. Axel fasste sich als Erster wieder. »Weißt du, wer es war?«

»Ich habe gehört, wie der Notarzt etwas von einer Eschenrieder erwähnte. Sagt euch das was?«

»Mensch, das muss die Petra sein«, entfuhr es Axel. »Bist du dir bei dem Namen wirklich sicher?«

Valentin nickte stumm.

»Die habe ich vorhin sogar beim Aufbau gesehen. Sie hat aus lauter Einzelteilen einen kapitalen Waldriesen zusammengebaut. Das fand ich irgendwie drollig, so wie sie nacheinander die großen Teile angeschleppt hat.«

»Sie ist mitsamt dem Kopf der Figur vor den Pflug gefallen. Ich habe dem Sanitäter geholfen, die Trümmer beiseitezuschaffen. Dann hat uns der Arzt beim Aufräumen gestoppt. Der Schneepflugfahrer behauptet, sie ist auf die Fahrbahn direkt vor seinen Pflug gestoßen worden.«

»Du meinst, man hat sie umgebracht?«, fragte Richard ungläubig.

»Sieht tatsächlich so aus.«

»Die Petra hat doch keinem Menschen etwas getan. Sie war eine ganz Nette.«