Schottland - René Niklaus - E-Book

Schottland E-Book

René Niklaus

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Beschreibung

Schottland - ein Land voller Kult, Kilts und kurioser Geschichten, das Namen hervorbringt wie Bruichladdich und Laphroaig, die Whisky-Enthusiasten bestens bekannt sind. Es gibt Feen und scheue Seeungeheuer, sogar den Teufel „Old Nick“ und herausragende Persönlichkeiten, wie den charismatischen Bonnie Prince Charlie und die schottische Nationalheldin Flora MacDonald. Schottland ist ein Land mit einer langen und vielseitigen Geschichte. Es verfügt über einen schier unermesslichen Fundus an Mythen und Legenden. Mit diesem Buch begeben Sie sich auf eine Reise durch das Schottland von heute und gestern. Die Reise führt Sie zurück zu historischen Persönlichkeiten, Kriminalfällen und Schlachten, zu Kuriosem, Lustigem und Tragischem, und in die Fantasie- und Fabelwelt. Schottland ist geographisch gesehen ein relativ kleines raues Land, aber eines mit großem Charakter. Lassen Sie sich davon erzählen!

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Imprint

In der Abenteuer REISEN-Reihe bisher erschienen:

GeliebtesAustralienBarbara Barkhausen978-3-95503-012-4

Geliebtes GriechenlandKurt Schreiner978-3-95503-054-4

Fremdes Neuseeland Ann Kathrin Saul978-3-95503-098-8

Wild RoadtrippMathias Vatterodt978-3-95503-119-8

FremdesGeorgienIris Lemanczyk978-3-95503-197-8

Verrücktes AustralienDaniel Kramer978-3-95503-032-2

Geliebtes BrasilienKlaus D. Günther987-3-95503-064-3

FremderIranIris Lemaczyk978-3-95503-107-7

FernsuchtRolf Wilhelm Stärk978-3-95503-171-8

Geschichten ausLateinamerikaBernhard Wulf978-3-95503-206-7

GeliebtesKanadaMarc Lautenbacher978-3-95503-051-3

Fremdes JapanThomas Bauer978-3-95503-095-7

FremdeMongoleiBernhard Wulff978-3-95503-110-7

Walk it offAnn Kathrin Saul978-3-95503-174-9

LibanonIm ZwischenlandA. u. U. Kirchhefer978-3-95503-246-3

Alle Bücher sind auch als E-Book erhältlich.

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter https://portal.dnb.de abrufbar.

© 2022 MANA-Verlag, www.mana-verlag.deDas Werk ist in allen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberschutzgesetzes ist ohne Zustimmung der Verlage unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Illustration und Karte: Pia Gerhard, Agentur BellUmschlagentwurf, Satz und Layout: MANA-VerlagDruck: Dardedze, Riga, EUISBN: 978-3-95503-57-9

René Niklaus

Schottland

Schottische Geschichten

Für Nahia

Inhaltsverzeichnis

Imprint

Schottische Geschichten: Worauf wir uns freuen können…

Willkommen in Edinburgh

Wee Story 1: Der Stone of Destiny – Ein Stein kehrt heim

Wee Story 2: Die zwei Gesichter des Deacon Brodie – Ein Edinburgher Kriminalfall mit Spuren in die Weltliteratur

Wee Story 3: Der einsame Geist vom Mary King's Close

Wee Story 4: Burke und Hare

Von Edinburgh nach Falkirk

Wee Story 5: The Kelpies – Zwei schottische Wassergeister an der M 9

Von Falkirk nach Glasgow

Wee Story 6: Der Duke of Wellington und sein Hut

Von Glasgow zur Isle of Arran

Wee Story 7: Spurlos verschwunden

Von der Isle of Arran zur Isle of Islay

Wee Story 8: Laphroaig – Whisky oder Medizin?

Von Laphroaig zur Destillerie Ardbeg

Wee Story 9: Corryvreckan Whirlpool – No Swimming

Von Ardbeg nach Bowmore

Wee Story 10: Bowmore – Der Teufel und die runde Kirche

Von Bowmore zur Destillerie Bruichladdich

Wee Story 11: Whisky als Massenvernichtungswaffe

Wee Story 12: Das »Yellow Submarine« von Islay – Lost & Found

Von der Insel Islay über Oban nach Eriskay auf den Äußeren Hebriden

Wee Story 13: Whisky Galore – Wie eine Havarie eine ganze Insel in Rausch versetzte

Von Eriskay nach Uig

Wee Story 14: Die Lewis Chessmen und ein aufgewecktes Kerlchen

Von Uig nach Stornoway

Wee Story 15: Iolaire und der Fels in der Brandung

Von Stornoway nach Ullapool

Wee Story 16: Operation Vegetarian

Von Ullapool zum Loch Assynt

Wee Story 17: Ardvreck Castle und der Pakt mit dem Teufel

Von Loch Assynt nach Durness

Wee Story 18: Smoo Cave – Das Tor zur Unterwelt

Von Durness auf die Orkney Inseln

Wee Story 19: Maes Howe – Wikingergraffiti

Von den Orkneys auf die Shetlandinseln

Wee Story 20: Der Shetland Bus – Nächste Haltestelle Norwegen

Von Scalloway nach Unst

Wee Story 21: Bobby's Bus Shelter

Von Unst nach Embo

Wee Story 22: Embo und seine eintägige Unabhängigkeit

Von Embo zum Loch Ness

Wee Story 23: Loch Ness – Ein scheues Monster, ein Mythos und seine Geschichte

Vom Loch Ness zum Culloden Moor

Wee Story 24: Bonnie Prince Charlie und Flora MacDonald – Over the Sea to Skye

Von Kilmuir zum Glamaig

Wee Story 25: Glamaig Hill Race

Vom Glamaig zum Glen Coe

Wee Story 26: Glen Coe – Schottlands Tal der Tränen

Vom Glen Coe zum Loch Lomond

Wee Story 27: Die »High Roads« und »Low Roads« des Loch Lomond

Vom Loch Lomond nach Callander

Wee Story 28: Schottlands letzte Hexe?

Von Callander zurück nach Edinburgh – Der Kreis schließt sich

Wee Story 29: Zurück in Edinburgh – Unsere Reise endet…

Ganz herzlichen Dank!

Der Autor

Bilder

Schottische Geschichten: Worauf wir uns freuen können…

Schottland ist ein Land mit einer langen und vielseitigen Geschichte. Es verfügt über einen schier unermesslichen Schatz an Mythen und Legenden. Mit diesem Buch möchte ich Sie auf eine Reise durch das Schottland der Gegenwart und der Vergangenheit mitnehmen. Unsere Reise führt uns zurück zu historischen Persönlichkeiten, Kriminalfällen und Schlachten, zu Kuriosem, Lustigem, Fantastischem, aber auch Tragischem. Ich möchte Sie an Orte führen, an denen sich besondere Geschichten zugetragen haben, bekannte und weniger bekannte.

Schottland ist geographisch gesehen, ein relativ kleines, raues Land, seine Bewohner ein Volk offener Herzlichkeit. Das Land des Dudelsacks, dessen Klang man liebt oder hasst, hat eine stark ausgeprägte Persönlichkeit. Es ist ein Land, in dem gestandene Männer stolz und ganz selbstverständlich auch mal einen Rock, den Kilt, tragen.

Geschichtenerzählen hat in Schottland eine lange Tradition. – Und die Geschichte um die Geschichte herum ist oftmals nicht minder spannend als die Geschichte selbst. Geschichten werden hier mitunter in Varianten erzählt. Je älter eine Geschichte ist, desto mehr Varianten können entstanden sein. Über Generationen wurden sie mündlich berichtet und veränderten sich. Wenn Sie nun eine der hier erzählten Geschichten bereits kennen und sich über den Verlauf oder Einzelheiten wundern, dann ist das genau dieser Tatsache geschuldet. Gleichzeitig macht es eine Geschichte aber noch interessanter, wenn man sieht, wie weit sie verbreitet und wie tief sie mit dem Land verwurzelt ist und über welche Erzählvielfalt sie verfügt.

Das kleine schwarze Buch

Im Jahr 2013 bin ich nach vielen Jahren wieder mal nach Schottland gefahren – mit weitreichenden Folgen. Inspiriert von dem Land und seinen Leuten, steigerte sich von da an meine Reisefrequenz auf bis zu drei Reisen pro Jahr. Schottland ließ mich von nun an nicht mehr los. Es zu unterschiedlichen Jahreszeiten zu bereisen, erlaubte es mir, das Land in all seinen atemberaubenden Facetten erkunden zu können. Ich gebe zu, ich hätte eine derartige Vielfalt nicht erwartet.

Bei meinen Reisen war ein kleines schwarzes Notizbuch mein steter Begleiter in meinem roten Rucksack. Immer, wenn ich auf eine Geschichte traf, die mich interessierte, schrieb ich sie in mein kleines schwarzes Buch, manchmal auch mit einer Zeichnung, wenngleich meine zeichnerische Begabung in dieser Hinsicht durchaus ausbaufähig ist.

Über die Jahre ist daraus eine ansehnliche Sammlung unterschiedlichster Geschichten geworden. Irgendwann nahm ich dann eine Schottlandkarte zur Hand und setzte jeweils ein Kreuz an den Ort, wo mir eine Geschichte begegnet war. Nachdem die Karte mit zahlreichen Kreuzen übersät war, entstand die Idee, die Geschichten aufzuschreiben und sie auf einer fiktiven Reise miteinander zu verbinden. Ich wollte auch andere an »meinem Schottland« teilhaben lassen. Das Ergebnis halten Sie nun hier in Ihren Händen.

Schottisches Wetter

Warum fühlen sich Menschen von Schottland angezogen? Ist es die beeindruckende Landschaft, die bewegte Geschichte? – Selten wird als Bewegrund, die kostbaren Urlaubstage in Schottland zu verbringen, das Wetter genannt. Aber vielleicht ist für manche gerade das entscheidend?

Wer von Ihnen bereits in Schottland war, weiß, dass das Wetter innerhalb einer Stunde mehrfach und scheinbar spielend leicht von Sonne in Regen und wieder zurück wechseln kann, mal mit Wind, mal ohne. Wobei die Variante mit Wind deutlich öfter vorkommt. Egal, welcher Wetter-Typ man ist, ob man Sonnenschein, mystische Wolken oder gar Regen mag, Schottlands rauer Charme bietet für jeden etwas.

Für mich ist das schottische Wetter durchaus ein Grund, immer wieder in dieses wunderschöne Land zu fahren. Wegen der Wetterkapriolen erscheint es mit seiner atemberaubenden Landschaft, mit seinen vielen Inseln und langen Küstenlinien immer wieder anders. Reist man dann noch zu unterschiedlichen Jahreszeiten und besucht Orte erneut, die sich einem eingeprägt haben, dann präsentieren sie sich mitunter in einer völlig anderen Gestalt. Besonders im Winter kann die schottische Landschaft einen besonderen Reiz ausüben, vielleicht auch gerade, weil man es gewohnt ist, Schottland bevorzugt in den Sommermonaten zu bereisen.

Weiße Sandstrände, die bei Wind und Regen recht wild anmuten, erstrahlen bei Sonnenschein in einem Türkis, das einen eher an die Karibik denken lässt als an das raue Schottland. Hier fällt mir besonders der abgelegene Strand bei Luskentyre auf der Isle of Harris ein. Gleiches gilt für schroffe, felsige Küsten, wie bei dem einsam gelegenen Leuchtturm am Butt of Lewis, wenn nach einem Schauer ein Regenbogen den Betrachter erstaunen lässt. Das schottische Wetter ist bezeichnend für den rauen Charme dieses Landes, einfach traumhaft!

Drei Dinge braucht der Mensch…… für eine Reise nach Schottland

Wer nach Schottland reist, braucht eigentlich nur drei Dinge zwingend in seinen Koffer zu packen: Eine gute Regenjacke (bei gutem Wetter auch als Windblocker unersetzlich, besonders an der Küste und auf den Inseln), gutes Schuhwerk, will man das Land auch mal zu Fuß erkunden (ich denke da gerade an wunderschöne Wanderwege West Highland Way, Loch Ness 360, aber auch die Highlands oder die Isle of Skye, und die vielen weiteren Inseln bieten viele schöne Wanderwege) und, ganz wichtig, auch wenn es sich für den Einen oder die Andere seltsam liest, eine gute Sonnenbrille.

Eine Gedankenreise durch Schottland

Dieses Buch ist dazu gedacht, sich vor der Reise Appetit zu holen oder nach der Reise das Erlebte konservieren zu helfen, es ist eine Art »Gedankenreise«. Mit dem Finger auf der beigefügten Landkarte oder mit dem Mauszeiger bei Google Earth können wir Schottland aus der Vogelperspektive erkunden.

Schottland hat es mir immer leicht gemacht, schnell anzukommen und es mit all seinen Facetten aufsaugen zu können. Es ist ein Land mit einem starken Charakter, einer charmanten Rauheit und einer überwältigenden Natur… was habe ich mich schon an dem Anblick gelb leuchtenden Ginsters erfreut, der hier im Frühling blüht. Die Schotten sind entspannte Menschen mit einem großen Herz, auch wenn sie mit ihrem zum Teil hart klingenden schottischen Akzent nicht immer leicht zu verstehen sind.

Man kommt als Fremder in ein »Bed and Breakfast« und verlässt es als Freund. Wenn man Ihnen bei der Verabschiedung sagt, dass man Sie gerne wieder hier begrüßen würde, dann ist das keine geschäftstüchtige Floskel, es kommt von Herzen.

Was erwartet Sie auf unserer Reise?

Wir beginnen unsere Reise in Schottlands Hauptstadt Edinburgh, die von der UNESCO zur Literaturstadt ernannt wurde. Dass es sich bei drei von vier Geschichten aus der »Stadt der sieben Hügel« um Kriminal-Geschichten handelt, soll keinesfalls bedeuten, dass Schotten einen ausgeprägten Hang zur Kriminalität haben. Ganz im Gegenteil, ich habe mich bei meinen Reisen immer sicher und äußerst wohl gefühlt.

In Tobermory auf der Insel Mull musste ich erst »lernen«, dass man dort die Haustür nicht überall abschließt. Als ich im B&B abends nach einem Schlüssel für die Haustür fragte, weil ich ausgehen wollte, erhielt ich zur Antwort: »Wir schließen die Tür nicht ab. Wir sind hier auf einer Insel. Der Letzte, der abends nach Hause kommt, macht im Flur das Licht aus!« Verdutzt und leicht peinlich berührt, traute ich mich dann nicht zu fragen, woher ich denn weiß, ob ich der Letzte bin…

Wir treffen auf jahrhundertealte Geister, auf Hexen und mystische Fabelwesen, wie Meerjungfrauen, die mit ihren Tränen ganze Seen zum Überlaufen bringen können. Eine historische Reiterstatue, die über Jahrzehnte ein ruhiges Leben führte, wird aus ihrem Schlaf gerissen und zum Sinnbild einer ganzen Stadt und ihrer Bewohner. Man kann auf eine schottische Geschichte treffen, selbst wenn man sich nur zum Ausruhen auf eine Bank setzt, wie am Fähranlegeplatz auf der Insel Arran.

Natürlich dürfen in Schottland Whisky-Geschichten nicht fehlen. Sind Sie schon mal der Frage nachgegangen, ob Whisky nicht auch eine medizinische Wirkung haben kann? In einer Geschichte werden Sie die Antwort erhalten. Wir werden mit der Frage konfrontiert, ob Whisky nicht auch zur »Massenvernichtungswaffe« taugt und was es mit dem »Yellow Submarine« auf sich hat, das eine Whisky-Destillerie auf ihrem Gelände ausgestellt hat.

Auch der Teufel hat hier schon oftmals sein Unwesen getrieben. Wir dürfen gespannt sein, wie die Schotten mit »Old Nick«, wie er hier genannt wird, in ihrer eigenen Art umgehen. Eine Geschichte werden wir uns aus der Ferne betrachten. Bis heute traue ich mich nicht näher heran.

Da die Wikinger in der Vergangenheit in Schottland nicht nur ein Königreich gründeten, sondern bei einem ihrer Raubzüge auch einen ausgeprägten Sinn für eine frühe Form des Graffitis hatten, können wir uns heute an einer schönen Geschichte darüber erfreuen. Was wäre ein Schottlandbuch, wie dieses, ohne das berühmteste überaus scheue Monster überhaupt, das sich im Loch Ness seit Jahrhunderten aufhalten soll.

Hoch im Norden auf den Shetlands begegnen wir zwei Busgeschichten, die unterschiedlicher nicht sein können. Auch der Frage der schottischen Unabhängigkeit werden wir uns widmen.

Die grandiose schottische Natur hält auch die eine oder andere Kuriosität für uns bereit, die fast dazu geführt hätte, dass das berühmte Buch »1984« von George Orwell nicht geschrieben worden wäre. In einer anderen Geschichte wird uns eine Schachfigur Rätsel aufgeben. Selbst eine Aktivität, wie einen Berg hoch und wieder herunter zu rennen, hier ein weit verbreiteter Sport, bietet uns Stoff für eine unserer Geschichten.

Die lange und blutige schottische Geschichte hat zahlreiche Helden und Heldinnen hervorgebracht. Wir werden einer besonderen Frau begegnen, die hier bis heute als nationale Heldin verehrt wird. Hinzu kommen Geschichten über Verrat, wie er im Tal von Glen Coe am Clan der MacDonalds begangen wurde. Am Loch Lomond gehen wir der Frage nach, was es mit den viel besungenen »High Roads« und »Low Roads« auf sich hat.

Eine »Wee Story«

Schottland bietet uns die angenehme Freiheit unterschiedliche Reisestrategien zu verfolgen. Wir können bereits von Zuhause aus eine Route festlegen oder dies einem Reiseanbieter überlassen. Alternativ können wir einen Start- und einen Endpunkt definieren und uns dazwischen frei durch Schottland treiben lassen. Beide Reisestrategien, ob Gruppen- oder Individualreise, lassen sich in Schottland hervorragend umsetzen.

In Schottland ist für mich schon die Fahrt von einem Ort zum anderen, von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten, zu einem Erlebnis geworden, ganz nach der Devise »der Weg ist das Ziel«. Daher habe ich mich entschlossen, Ihnen die Fahrten zwischen den jeweiligen Geschichten zu beschreiben. Beim Fahren oder sich Fahren lassen aus dem Fenster schauen und die traumhaft schöne Landschaft an sich vorbeiziehen zu lassen und zu genießen, hat schon einen besonderen Erlebniswert in Schottland. Die Beschaffenheit schottischer Straßen erlaubt mitunter nur geringe Geschwindigkeiten und trägt so dazu bei, uns selbst zu entschleunigen.

Wenn Sie sich nun wundern, warum ich vor jede Geschichte nicht nur eine Nummerierung, sondern auch eine »Wee Story« gesetzt habe, dann deshalb, weil uns das kleine unscheinbare Wort »wee« im schottischen Sprachgebrauch ständig über den Weg läuft. Es bedeutet »klein« und wird gerne als eine Art Verniedlichung verwendet: a wee dram whisky, a wee walk, a wee cup of tea, und so weiter. Da darf eine wee story, eine kleine Geschichte, natürlich nicht fehlen. So und nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Unsere Reise nach Schottland beginnt…

Willkommen in Edinburgh

Es führen viele Wege nach Schottland, manche auch versehentlich

Wenn Sie beschlossen haben, nach Schottland zu reisen, dann können Sie auf verschiedene Arten und Wege dorthin gelangen: per Auto und mit der Fähre über den Ärmelkanal, mit der Bahn durch den Eurotunnel oder mit dem Flugzeug. Haben Sie sich für das Flugzeug entschieden, dann beginnt Ihre Reise oftmals an den beiden großen schottischen Flughäfen von Edinburgh oder Glasgow.

Es führen zwar nicht alle Wege nach Schottland, aber viele, manchmal auch unbeabsichtigt; so geschehen an einem Montagmorgen Ende März 2019. Planmäßig hob der British-Airways-Jet mit der Flugnummer BA3271 von London-City mit dem Ziel Düsseldorf ab – so dachten es zumindest die Passagiere. Statt über den Ärmelkanal nach Deutschland zu fliegen, steuerte er aber die schottische Hauptstadt Edinburgh an.

Sollte an dem Tag der Wind aus Westen geweht haben, muss sich den Passagieren etwa folgendes Bild geboten haben: Aus dem englischen Luftraum kommend erreichen sie auf nördlichem Kurs Schottland. Das Flugzeug fliegt meist östlich von Edinburgh die große Bucht des Firth of Forth an. In der Gegend um North Berwick mündet hier der Forth in die Nordsee. In den Blick gerät ein markanter Felsen vor der Küste: der Bass Rock. Die nur drei Hektar große unbewohnte Insel ist vulkanischen Ursprungs und das Zuhause von 150.000 Basstölpeln – eine der größten Basstölpel-Kolonien weltweit. Die großen Vögel verdanken einen Teil ihres Namens der Insel; sie besiedeln geschickt jede Nische des Felsens. Dicht gedrängt leben und brüten die vielen so gar nicht tölpelhaft anmutenden Vögel im Abstand einer pickenden Schnabellänge. Dabei produzieren sie ausgiebig Exkremente, die den Bass Rock schon aus der Ferne weiß schimmern lassen. Im 17. Jahrhundert diente das karge Eiland viele Jahrzehnte lang als Gefängnis für aus politischen oder religiösen Gründen Verurteilte.

Über der Bucht des Firth of Forth schwenkt dann das Flugzeug nach Westen ein. Die Häuser und Straßen Edinburghs tauchen in der linken Fensterreihe auf und geben einen ersten Eindruck von Schottlands traditionsbewusster und stolzer Hauptstadt. Gut erkennbar ist der Arthur’s Seat, der 251 Meter hohe Hausberg der Stadt, der Hafen von Leith und mit etwas Glück ist bereits das Castle von Edinburgh im Herzen der Altstadt auszumachen. Kurze Zeit später beschreibt die Maschine eine weitere Kurve und befindet sich nun in der letzten Flugphase. Während das Fahrwerk bereits ausgefahren ist, erscheinen in der rechten Fensterreihe kurz die drei Brücken über den Firth of Forth, eine markante rote Eisenbahnbrücke älteren Datums und zwei modernere Brücken für den Autoverkehr.

Nach der kurzen Beschreibung der letzten Flugminuten zurück zur Geschichte: Der Pilot landete sicher gegen 9:00 Uhr auf dem etwas außerhalb der Stadt liegenden Flughafen mit der internationalen Flughafenkennung EDI. Als der Pilot die Passagiere nach der Landung herzlich in Edinburgh begrüßte, glaubten viele an einen Witz, doch weit gefehlt. Ein Blick aus dem Fenster des Flugzeugs stellte unzweifelhaft klar: Dies war der Flughafen von Edinburgh, einen Flugsicherungstower in Form eines Golf-Tees gibt es nur hier.

No one to Edinburgh?

Die Besatzung bat alle Passagiere, die nach Deutschland wollten, die Hand zu heben. Daraufhin gingen alle Hände hoch. Irritiert fragte eine Flugbegleiterin: »No one to Edinburgh?« Die Verwirrung war perfekt!

Ein Pilotenfehler lag nicht vor. Der Flugplan gab Edinburgh als Ziel an und nicht Düsseldorf. Die Flugsicherung hatte den Flug auch genehmigt. Die Flugzeugbesatzung hatte offenbar den falschen Flugplan erhalten. Nach zwei Stunden Rätselraten setzte BA3271 seinen Flug, dann mit korrektem Ziel Düsseldorf fort und landete dort gegen 13:00 Uhr.

Zwischenzeitlich hatte Flug BA3271 international für Schlagzeilen gesorgt. Es entbrannte auf Twitter ein amüsanter Schlagabtausch zwischen den beiden Städten Edinburgh und Düsseldorf, welche nun die Schönste sei. Die Frage »Where do you wanna go?« eröffnete das Kräftemessen. Im Wechsel stellten Düsseldorf und Edinburgh auf verschiedenen Gebieten über Twitter ihre jeweiligen Vorzüge dar.

Sie können sich also nie ganz sicher sein, wenn Sie einen Flug antreten, dass Sie nicht doch in Schottland landen.

Jetzt, wo wir nun schon mal hier in der schottischen Hauptstadt sind, können wir gespannt sein, was Schottland so alles für uns zu bieten hat.

Edinburgh

In der schottischen Hauptstadt Edinburgh angekommen, begeben wir uns zum Castle von Edinburgh. Das Castle thront majestätisch in der historischen Altstadt, der Old Town, auf einem erloschenen, schon von weitem sichtbaren Vulkankegel. Vom Castle aus führt die Royal Mile hinab bis zum Holyrood Palace, der offiziellen Residenz der britischen Königin in Schottland. Die Royal Mile bildet das Herz, die Lebensader, der Old Town. Für unsere ersten vier Geschichten möchte ich Sie vom Castle aus beginnend ein Stück die Royal Mile entlangführen und Ihnen einen Einblick in das Leben der Menschen von Edinburgh in unterschiedlichen Epochen geben. Uns werden dabei außergewöhnliche Persönlichkeiten begegnen, die durch ihr Handeln untrennbar mit Edinburgh verbunden sind. So viel sei schon verraten, Spuken wird es hier auch ein wenig.

So, nun zu unserer ersten Geschichte. Das Castle von Edinburgh beheimatet die schottischen Krönungsinsignien und einen Krönungsstein, den Stone of Destiny. – Und dieser Krönungsstein kann auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken. Mit einer kriminologischen, weihnachtlichen Episode neueren Datums möchte ich beginnen.

Wee Story 1: Der Stone of Destiny – Ein Stein kehrt heim

Der Kronanwalt1 Ian Hamilton wird im Jahr 1984 zum Vorsitzenden des Landgerichtshofs in Glasgow ernannt. Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Eine normale Mitteilung der schottischen Justizverwaltung, sollte man meinen. Hamilton ist zu diesem Zeitpunkt Ende Fünfzig und kann auf eine beachtliche juristische Laufbahn zurückblicken. Warum also diese Aufregung? – Weil er und drei andere als Studenten am Weihnachtsabend des Jahres 1950 in einen Diebstahl der besonderen Art verwickelt waren.

Hamilton war 1950 nicht nur angehender Jurist an der Universität von Glasgow. Er war auch schottischer Patriot. Und da schmerzte es ihn sehr, dass das schottische Symbol schlechthin, der Stone of Destiny, sich in England in der Westminster Abbey befand. Soviel zur Ausgangslage. Was nun kommt ist eine Weihnachtsgeschichte der anderen Art. Dem vorausgegangen war ein mittelalterlicher Skandal mit Auswirkungen bis in die Neuzeit.

Was ist der Stone of Destiny?

Beim Stone of Destiny (auch Stone of Scone genannt), dem »Stein des Schicksals«, handelt es sich um einen Steinblock aus Sandstein mit den Maßen von etwa 66 x 41 x 27 cm und einem Gewicht von etwa 152 Kilogramm. Ein ganz schöner Brocken. Über Jahrhunderte hinweg wurden die schottischen und piktischen Könige auf dem Stone of Destiny stehend oder sitzend unter freiem Himmel feierlich gekrönt. Der Stein ist das Symbol für schottischen Stolz, für Unabhängigkeit und nationale Einheit. Er symbolisiert den Bund zwischen Herrscher, Land und Volk.

Doch gehen wir nun zurück zum Ende des 13. Jahrhunderts zur Zeit des ersten schottischen Unabhängigkeitskriegs. Der englische König Edward I. schlug die Schotten im Jahr 1296 bei Dunbar vernichtend, woraufhin die wichtigen schottischen Burgen in Edinburgh, Stirling, Roxburgh und Perth kapitulierten. Infolgedessen ließ er 1296 den in der Scone Abbey auf dem Moot Hill in der Nähe von Perth aufbewahrten »Schicksalsstein« als Kriegsbeute stehlen. Um die Wichtigkeit der Scone Abbey zu unterstreichen, sei erwähnt, dass insgesamt 42 Könige hier gekrönt wurden, darunter auch die berühmten Könige Robert the Bruce und Macbeth.

König Edward I. ließ den schottischen Krönungsstein unter seinem eigenen englischen Thron einfügen. Man baute ihn direkt unter seinem Sitz zwischen den Stuhlbeinen ein. Ein mittelalterlicher Skandal und für die Schotten eine Demütigung. An dieser Situation sollte sich in den folgenden Jahrhunderten nichts mehr ändern. Seit der Vereinigung der beiden Königreiche von England und Schottland (Act of Union) von 1707 wurde der Stein zudem zur Krönung der britischen Monarchen genutzt.

Die Befreiungsaktion

Am 23. Dezember des Jahres 1950 fuhren der Jura-Student Ian Hamilton und seine Kommilitonen Gavin Vernon, Alan Stuart und die Studentin Kay Matheson vom schottischen Glasgow mit zwei Ford Anglias und einem verwegenen Plan im Gepäck zur Londoner Westminster Abbey: Sie wollten den legendären Krönungsstein, den »Stone of Destiny«, stehlen, besser gesagt »zurück«-stehlen. Für ihre Fahrt von 400 Meilen nach London brauchten sie rund 18 Stunden, denn sie vermieden große Straßen. Sie wollten möglichst nicht erkannt werden.

Ihr Tatmotiv war nicht persönliche Bereicherung. Hamilton selbst bezeichnete seine Tat später nicht als »Diebstahl«. Vielmehr sei es eine Befreiungsaktion gewesen, um den Stein seinem rechtmäßigen Besitzer, dem schottischen Volk, zurückzugeben.

Der Tathergang

In Westminster angekommen, wollten sich Hamilton und seine Helfer Zugang zur Krönungskirche durch den Seiteneingang verschaffen, ohne von den Wachmännern bemerkt zu werden. Hamilton versteckte sich in der Abbey bevor sie schloss, wurde aber von einem aufmerksamen Wachmann entdeckt. Der ging davon aus, es mit einem Obdachlosen zu tun zu haben und bot ihm etwas Geld an, bevor er ihn höflich, aber mit Nachdruck aus der Kirche schmiss. Davon unbeeindruckt verlegten die Vier ihr Vorhaben auf den folgenden Abend, den Weihnachtsabend.

Dieses Mal gelang es den drei Männern, unbemerkt in die Westminster Abbey einzudringen. Kay Matheson wartete derweil in einem der Autos.

Bis dahin verlief alles nach Plan. Mit vereinten Kräften versuchten sie, den unter der Sitzfläche des Throns befindlichen Krönungsstein herauszubugsieren. Beim Diebesgut handelt es sich um einen schweren Sandsteinquader mit einer bewegten Geschichte, der sich nun anschickte, erneut Geschichte zu schreiben. Dann, beim Versuch, den Tatort so unauffällig wie möglich zu verlassen, passierte das Malheur. Der schwere Stein fiel ihnen zu Boden und ging zu Bruch! Auf einmal blickten die von nationalem Pathos getriebenen Stein-Kidnapper auf zwei sehr unterschiedlich große Teile ihres »Heiligtums« herab. Was sich die Drei in dem Moment gedacht haben, als sie das ramponierte Symbol schottischen Stolzes unbemerkt in den Kofferraum ihres Fluchtwagens schleppten, kann man nur vermuten. Je ein Teil des Steines gelangte in einen der Fluchtwagen. Hamilton merkte Jahre später an, dass der zerbrochene Stein so zumindest leichter zu tragen gewesen sei.

Unentdeckt, wie sie gekommen waren, verschwanden sie. Doch der Diebstahl blieb nicht lange unbemerkt. Die Wachleute schlugen Alarm. Die englische Polizei übernahm unverzüglich die Untersuchung und die Verfolgung. Man ging davon aus, dass die Diebe schnurstracks Richtung Norden geflohen sein müssten, um schnellstmöglich mit dem Stein über die Grenze nach Schottland zu gelangen. Die Grenzen zwischen England und Schottland wurden geschlossen, Straßensperren eingerichtet und Fahrzeuge kontrolliert. Polizeistreifen jagten durch die Nacht. Die Bevölkerung wurde über Rundfunkdurchsagen um ihre Mithilfe gebeten, ohne Erfolg. Der Stein war wie vom Erdboden verschwunden.

Hamilton und Stuart fuhren mit ihrem Fluchtwagen aber nicht nach Norden, sondern nach Süden, denn sie hatten das Verhalten der englischen Polizei vorhergesehen. Sie versteckten den Stein (Hamilton und Stuart hatten den größeren Teil) in England und kehrten ohne ihn nach Schottland zurück. Erst eine Woche später holten sie ihn. Auf einer unbewachten Brücke über den River Esk in der Nähe von Carlisle gelangte der Stein in den frühen Morgenstunden des 31. Dezembers 1950 nach über 650 Jahren wieder auf schottischen Boden – zumindest teilweise. Die heimliche Flucht nach Schottland gelang.

Was ist in der Zwischenzeit eigentlich mit dem kleineren Stück geschehen? – Matheson hatte es in ihrem Wagen, auch sie blieb zunächst in England, ließ Stein und Auto bei Freunden in Birmingham und kehrte dann nach Schottland zurück. Auch diesen Teil brachte Hamilton nach Schottland. Er fuhr mit dem Zug nach Birmingham und holte den Ford Anglia samt dem kleineren Bruchstück ab.

Während die beiden Teile unbemerkt durch England zurück nach Schottland reisten, wurde in den Medien wild über den Verbleib des Krönungssteins spekuliert. Die Polizei setzte ihre Untersuchungen derweil unvermindert fort. Die zur damaligen Zeit stolze Summe von 2.000 Pfund wurde als Belohnung für sachdienliche Hinweise, die zur Wiederbeschaffung des Steins führen sollten, ausgelobt – ohne Erfolg!

Zerbrochen konnte man den Krönungsstein aber unmöglich an Schottland zurückgeben. Darin waren sich Hamilton, Vernon, Stuart und Matheson einig. Also machte man einen Umweg und ließ ihn vom Steinmetz Robert Gray kurzerhand reparieren. Anschließend deponierten sie den Stein am 11. April 1951 in der Arbroath Abbey auf dem Klosteraltar, bedeckt mit der schottischen Fahne, und verschwanden.

Jetzt können Sie sich fragen, warum Hamilton und seine Komplizen ausgerechnet diese Abbey auswählten. – Ganz einfach: am 6. April 1320 wurde in der Arbroath Abbey die Erklärung der Unabhängigkeit Schottlands von England unterzeichnet. Bis heute wird dort die Deklaration am 6. April eines jeden Jahres gefeiert, inklusive Prozession und historischer Aufführungen.

Und nun zurück ins Jahr 1951: England war düpiert, Schottland war begeistert. Der Skandal, den Edward I. von England im Jahr 1296 mit dem Raub des Steines ausgelöst hatte, wurde nun Jahrhunderte später noch getoppt.

Doch der Erfolg war nur von kurzer Dauer. Der Stein musste nach kurzem Verweilen auf schottischem Boden wieder an England zurückgegeben werden. Im Frühjahr 1951 war er wieder in England. Es dauerte dann allerdings bis zum 26. Februar 1952, bis der Stein wieder an seinem »alten« Platz im Exil unter dem englischen Thron war. Von nun an vermutlich auch besser bewacht.

Was wurde aus Hamilton und seinen drei Komplizen?

Hamilton und seine Mittäter konnten alsbald als Täter ermittelt werden. Die Polizei überprüfte die Bibliothek von Glasgow und stellte fest, dass ein gewisser Ian Hamilton einen Monat vor dem Diebstahl alle drei Bücher über den Stein ausgeliehen hatte. Daraufhin konzentrierte die Polizei ihre Untersuchungen auf die Universität von Glasgow und kam so Hamilton und seinen Komplizen auf die Schliche.

Sie wurden aber nicht angeklagt und nie juristisch dafür zur Verantwortung gezogen. In Schottland erlangten sie eine Art Heldenstatus. Obwohl man ihnen die Tat beweisen konnte, verzichtete die englische Justiz auf eine Anklage. Die Situation war so schon peinlich genug. Man wollte wohl nicht noch schottische Märtyrer aus ihnen machen. Auch wäre die Frage, wie der Krönungsstein seinen Weg nach England gefunden hat, bei einer Verhandlung sicherlich zur Sprache gekommen, verbunden mit der dazugehörigen emotionalen Diskussion, die die Stimmung zwischen England und Schottland nicht unbedingt verbessert hätte.

Im Jahr 1996 war es dann soweit: Ein Stein kehrte endgültig nach Hause zurück

1996 war es dann endlich soweit. Der Stone of Destiny kehrte nach 700 Jahren Exil nach Schottland zurück – und das, im Gegensatz zu 1950, ganz legal und in einem Stück. In einer feierlichen Zeremonie wurde der Krönungsstein offiziell ins Castle von Edinburgh gebracht, wo er seitdem zusammen mit den schottischen Kronjuwelen – Krone, Amtsschwert und Zepter – streng bewacht wird und besichtigt werden kann. Es ist allerdings vereinbart worden, dass der Krönungsstein für zukünftige Krönungen einer englischen Königin oder eines englischen Königs in die Westminster Abbey zurückgebracht werden soll, wohlgemerkt aber nur als Leihgabe für die Dauer der Krönungszeremonie. Letztmalig kam der Krönungsstein am 2. Juni 1953 bei der Krönung von Elisabeth II. zum Einsatz.

Nachdem der damalige britische Premierminister John Major die Rückgabe des Krönungssteins an Schottland ankündigte, fand dies nicht nur Befürworter. Die britische Tageszeitung »The Independent« begann ihren Artikel vom 4. Juli 1996 mit dem Satz: »The Scots asked for a parliament, and John Major gave them a Stone«.2

Auch in Schottland war die Diskussion um den Stein mit der Rückgabe noch nicht zu Ende. 1296 war der Stein aus der Scone Abbey entwendet worden. Einige fragten sich, warum er nicht wieder dorthin zurückgebracht wurde. Edinburgh Castle sei schließlich eine aktive Garnison des britischen Militärs, in der die britische Fahne neben der schottischen weht und irgendwie habe die englische Krone dadurch in gewisser Weise noch Einfluss auf den Stein. Wie dem auch sei, der Stein ist wieder auf schottischem Boden und kann zusammen mit den schottischen Kronjuwelen besichtigt werden, und ich finde, das zählt.

Der Stein, seine Mythen und Legenden

Um den Krönungsstein ranken sich verschiedene Mythen und Legenden. Eine durchaus als gehässig zu bezeichnende Legende besagt, dass die Mönche der Scone Abbey schlau waren und König Edward I. 1296 gar nicht den echten Stone of Destiny ausgeliefert haben sollen. Vielmehr hätten sie einen in Form und Größe gleich aussehenden Stein aus ihrer Toilette herausgebrochen und übergeben. Somit hätte König Edward I. Zeit seines Lebens auf einem schottischen Toilettenstein und nicht auf dem schottischen Krönungsstein gesessen. Damit bekommt der flapsige Ausdruck für einen Toilettengang »Auf dem Thron sitzen« eine neue Bedeutung. Sollte an der Geschichte etwas Wahres dran sein, dann würde das, was für König Edward I. gilt, auch für alle ihm nachfolgenden Monarchen gelten. Was mit dem echten Stein seitdem passiert sein soll, darüber sagt die Geschichte allerdings nichts… Lost in History!

Eine andere Legende folgt einem ähnlichen Plot, geht nur nicht so weit in der Zeit zurück. Hier heißt es, nach der gescheiterten »Befreiungsaktion« von Hamilton und seinen Komplizen im Jahr 1950 habe der Steinmetz Robert Gray bei der Reparatur des Steins ein Duplikat gefertigt, das in Arbroath den englischen Behörden übergeben worden sei.

Wenn Sie jetzt im Castle von Edinburgh vor dem leicht ramponiert aussehenden Krönungsstein stehen und ihn betrachten, können Sie sich selbst eine Meinung darüber bilden und Ihren Gedanken freien Lauf lassen: Handelt es sich nun um den echten Krönungsstein oder doch um ein Duplikat?

Da heute keiner so richtig weiß, wie das Original von 1296 aussah, und ein Sandsteinblock am Ende des Tages ein Sandsteinblock bleibt, hängt die Magie des Steins letztendlich davon ab, ob man an den Krönungsstein glaubt. Ich habe mich bei meinem letzten Besuch im Castle dafür entschieden, genau das zu tun! – Aber entscheiden Sie selbst…

1Ein Kronanwalt (QC, Queen's Council) ist ein Titel für besonders erfahrene und erfolgreiche Anwälte. Mit dem Titel ist eine offizielle Anerkennung durch den Staat verbunden.

2 Ascherson, Neal: Major tries royal magic to appease the Scots, in: The Independent, https://www.independent.co.uk/news/major-tries-royal-magic-to-appease-the-scots-1327166.html, 04.07.1996, [eingesehen am 01.08.2018].

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