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Beschreibung

In diesem Buch geht es um eine Suchttherapie bei Jugendlichen. Da die Therapie vor allem aus Entscheidungen besteht, folgt der Leser den täglichen Anforderungen wie in einem Spielbuch und wird dabei direkt angesprochen, um sich in alles gut hineinversetzen zu können. Alle geschilderten Situationen kommen in praktisch jeder Suchttherapie vor: wie umgehen mit Geheimnissen und Lügen, mit Betrug und Selbstbetrug, mit Erfolgen, Versagen und Misserfolgen, mit Freunden, Feinden, falschen Freunden, mit Träumen und Erinnerungen? Das Ziel ist ein selbstbestimmtes Leben, aber manchmal ist es fast zu schwer. Doch entdeckt der Leser auch die Kraft, die in jedem steckt, und die es in der Therapie zu entdecken und zu entwickeln gilt. Am Ende kann sich jeder sagen: Du hast es für Dich selbst getan, und darum hast Du es schließlich geschafft.

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Seitenzahl: 233

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Per Möckel

Schritte!

Ein Spiel

Copyright: © 2022 Per Möckel

Verlag und Druck:

tredition GmbH

Halenreie 40-44

22359 Hamburg

Softcover

978-3-347-45253-4

E-Book

978-3-347-45254-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Schritte!

Du machst deine Therapie für dich.

Du hast immer eine Wahl.

Du kannst immer das Gespräch suchen.

für J. G.

Es ist ein regnerischer Tag, an dem du aus der Entgiftung abgeholt wirst. Eine lange Fahrt wird das, und du denkst daran, was du alles an Bögen und Briefen bearbeitet hast, damit du jetzt in diesem Transporter sitzen kannst. Langsam lässt du die vertraute Gegend hinter dir, und der Regen rauscht herab, als wäre um dich her nichts mehr, nur die Straße.

Du hast nicht sehr gut geschlafen und hast angenommen, du würdest während der Fahrt ein bisschen duseln können, aber du bist doch sehr aufgeregt und stellst dir alles mögliche vor. Der Fahrer ist ein freundlicher Mann und versucht, ein Gespräch in Gang zu bringen, aber du bist einsilbig.

Die Klinik liegt in einem Tal zwischen Waldhängen und besteht aus alten, blassen Gebäuden. Keine Stadt, kein Dorf ist zu sehen. Wasser pladdert von den Dächern auf den Wagen, als der Transporter hält; Dampf steigt von der Motorhaube auf, und gleich darauf kommt jemand und hilft dir, dein Gepäck in einen Raum zu stellen. Danach beginnt das Aufnahmeritual: Verwaltung, Foto, Gespräch.

Obwohl du dir vornimmst, alles genau mitzukriegen, bist du zugleich abwesend. All das haben diese Leute hier schon tausend Mal germacht, und von den Patienten hast du noch gar nichts gesehen. Du bist gespannt auf sie, hast aber zugleich ein wenig Angst – besonders vor der Nacht – weil oft der erste Eindruck, den andere auf dich machen, nie wieder weggeht. Allmählich möchtest du vor allem deine Ruhe.

Endlich zeigt man dir dein Zimmer – die Treppen knarzen und die Korridore erscheinen dir sehr lang – und dann wird ausgepackt. Alles sehen sich die Frauen genau an, genau wie sich andere Frauen alles angesehen haben, als du heute morgen eingepackt hast. Am liebsten möchtest du dich aufs Bett fallen lassen. - Aber du musst es erst noch beziehen, mit steifen, kalten, nassen Fingern.

Lies weiter auf Seite 8

Du kommst hierher von Seite 7

Dir fällt ein, dass im Saum der dünnen Jacke, die du heute nach Monaten wieder angezogen hast, noch ein paar Tabletten sein müssen. Du versuchst dich zu erinnern, wann du sie dort versteckt hast und vor wem, und mit wem du damals zusammengewesen bist. Wieder spürst du, dass dein Gedächtnis Löcher hat, groß wie Würfel, wo einfach alles fehlt, Löcher in einem Pudding.

Die Frauen sprechen mit dir, aber du hörst nur mit halbem Ohr zu, denn du überlegst. Was soll mit den Tabletten geschehen?

Gibst du sie dem Personal? Lies weiter auf Seite 9

Oder behältst du sie? Lies weiter auf Seite 10

Du kommst hierher von Seite 8

Du machst die Frauen auf die Tabletten aufmerksam - kurz, bevor sie sie selbst ertastet hätten – und erklärst, sie vergessen zu haben. Sie seien schon so lange dort untergebracht gewesen…

Du merkst, dass du keine Ahnung hast, wie das hier weiterlaufen soll, obwohl du dir doch so viele Gedanken gemacht hast. Kaum dass du dich erinnern kannst, was du im Bewerbungsbogen geschrieben hast. Ganz hinten in deinem Kopf hattest du einen Plan B, dazu einen ursprünglichen Plan, und als dritten einen Plan, den niemand kennt.

Eine Weile später fragst du dich durch zu deiner Therapeutin, die du ganz nett findest, aber – du wirst öfter daran denken müssen – du bist bei ersten Eindrücken misstrauisch oder solltest es sein. Jedenfalls bist du froh, als das Gespräch vorbei ist. Das bist du immer, wenn ein Gespräch vorbei ist. Einige Sätze, die du gehört hast, wiederholst du dir, während du die Treppen hinuntergehst. Ein Patient,der schon länger hier ist, soll dein Pate sein, dir also erklären, wann du wo sein musst und wer wofür verantwortlich ist.

Hast du das Gefühl, dass du es schaffen kannst? Lies weiter auf Seite 11

Oder hast du deinen Plan B viel klarer vor Augen? Lies weiter auf Seite 12

Du kommst hierher von Seite 8

Du behältst also die Tabletten, denn die Frauen haben sie, wenn auch knapp, übersehen. Das ist Glück, wie du es schon oft gehabt hast.

Tatsache ist: noch weißt du nicht, was du tun wirst, und solange du das nicht weißt, ist es besser, etwas auf der Seite zu haben.

Wie du es dir früher angewöhnt hast, suchst du ganz von selbst nach Verstecken in Wänden, hinter Schänken und Leisten, in Kleidungsstücken, und du findest auch jetzt eins. Du willst die Tabletten auch nur ablegen, bis du dir darüber klar bist, was du damit anfangen sollst, was dir am meisten bringen wird.

Verwendest du sie als Eintrittskarte? Lies weiter auf Seite 14

Oder behältst du sie für dich? Lies weiter auf Seite 15

Du kommst hierher von Seite 9

Die sonnigen Vorstellungen, mit denen du hierhergekommen bist, sind zwar noch da, die anderen aber eben auch.

Ein erster Abend spielt sich ab, er fließt an dir vorbei wie ein Papierschiffchen auf einem Bach, weil du so viel nachdenken musst. Oder eigentlich denkst du nicht; es ist Bild um Bild, das an dir vorüberzieht.

Du siehst deine kleinen Geschwister, deine Mutter, deinen Vater, Leute, die du von früher kennst – manchen Namen weißt du nicht mehr; im Ohr hast du auch noch die Kommentare über dich, die du nicht vergessen kannst.

Obwohl du müde bist, schläfst du schlecht; die Korridore sind voller Knacken, Knirschen, Knarren; weil so viel davon die Rede gewesen ist, hast du das Gefühl, dich entscheiden zu müssen – worum es aber geht, weißt du nicht.

Ist das alles zu schwer für dich? Lies weiter auf Seite 16

Oder willst du trotzdem weitermachen? Lies weiter auf Seite 17

Du kommst hierher von Seite 9

Du hast also noch deinen Plan B, der mal so, mal so aussieht: weitermachen wie vor der Entgiftung – aber noch besser getarnt; Verbindungen halten; die Zeit absitzen und herausfinden, für wen du dich hier interessieren solltest und für wen nicht.

Du spürst, dass du noch der alte bist, wenn du auch anders redest (und vielleicht häufiger so redest, als es nötig wäre – also Vorsicht), und im Grunde glaubst du auch gar nicht, dass du anders werden kannst - oder dass sonst jemand das kann, wenn du es nicht kannst. Du hast auch noch nie gesehen, dass jemand sich geändert hätte – das ist immer wie Theaterspielen.

Lies weiter auf Seite 13

Du kommst hierher von Seite 12

Der Abend vergeht schrittweise und still; aus dem Wald drängen Geräusche und Tierstimmen herein. Es ist, als hättest du ein neues Paar Augen, in denen alles langsamer abläuft. Oder mit Wiederholung, als hätten sie alles schon gesehen. Du starrst deine Mitpatienten an, bis sie es bemerken. Wahrscheinlich wissen sie nicht, was sie von dir halten sollen. Die Gabe, Menschen für dich einzunehmen, hast du wohl verloren, die Entgiftung hat sie dir herausoperiert.

Ein Gesicht oder zwei fallen dir auf – warum, kannst du nicht sagen. Kurz vor dem Schlussrundgang, wenn alle im Zimmer und im Bett sein müssen, hältst du dich in ihrer Nähe auf und – teils aus Spaß, teils weil du interessant erscheinen willst, teils auch, weil du Lust darauf hast - fragst sie, wie das hier ist, ob man unter Umständen was bekommen könnte und von wem und wie.

Sieht es so aus, als wenn du was erfährst? Lies weiter auf Seite 18

Oder stößt du auf Misstrauen? Lies weiter auf Seite 19

Du kommst hierher von Seite 10

Du behältst die Tabletten als Partygeschenk. Ab und zu muss auch hier was laufen, nachts, in einem abgelegenen Zimmer oder draußen irgendwo, und so könntest du in diesen Kreis hineinrutschen – wer immer auch dazugehört – und gehörst dann selber dazu. Aufdrängen willst du dich nicht, nur nicht abseits stehen. Du hast gelernt, dass eine solche Lage wie deine sich sehr schnell ändern kann - anders als zum Beispiel im Gefängnis – und wenn du dann zwei, drei Leute an der Hand hättest, oder in deinem Vertrauen, oder viel besser noch in der Hand – ohne dass du sie ausnutzen wolltest – dann wäre das eine sichere Position.

Du bewegst dich auf eine Gruppe zu und stellst deine Frage, aber so, dass du immer noch genauso gut keine Frage gestellt haben kannst.

Was tun die anderen? Sind sie interessiert? Lies weiter auf Seite 21

Oder sind sie eher ablehnend? Lies weiter auf Seite 20

Du kommst hierher von Seite 10

Du legst die Tabletten sanft ab, nicht zu gut versteckt, denn dann würdest du dir wie ein Betrüger vorkommen. Du könntest sie später auch abgeben oder vernichten.

Nur jetzt geht das nicht, du kannst es nicht. Von früher weißt du: manchmal kommen zwei Tage, an denen du in nichts hineinfindest und das Gefühl hast, ein kleiner Anstoß würde genügen, um dich zur Flucht, zum Verschwinden oder zu etwas Endgültigem zu bringen. Hast du dann aber etwas, das du nehmen kannst, wenn es nicht weitergeht, überstehst du auch eine solche Zeit.

Kein Betrug: Selbstfürsorge; darüber reden sie viel. Wie ein Regenschirm: regnet es, holst du ihn aus dem Schrank.

Lies weiter auf Seite 23

Du kommst hierher von Seite 11

Unendlich langsam kommt der Tag, die Nacht hat dir keine Klarheit gebracht.

Kaum kannst du dich aus dem Bett bewegen. Nicht dass du Schmerzen hättest, aber du erinnerst dich: du bist einmal zusammengeschlagen worden, und am nächsten Tag ist alles an dir steif und taub gewesen, wie tot, gefühllos, wie Stein, träge, furchtbar schwer. Genauso jetzt.

Du denkst an die vielen Tage, die vielen Phasen, die durch durchlaufen musst, die vielen Absprachen, die vielen Genehmigungen, die du erbitten und aushandeln musst, als wärst du ein Kind. Du bist aber kein Kind, du fühlst dich alt, schwach – du bist am Ende. Du kannst nicht mehr. Hast du nicht alles, alles versucht? Du kannst nicht mehr.

Lies weiter auf Seite 24

Du kommst hierher von Seite 11

Schwer wird das alles, sehr schwer – besser nicht darüber nachdenken, sonst stellst du dir immer größere Hindernisse vor. Aber es wird schwer, das weißt du. Andererseits: die letzte Zeit, bevor du die Entgiftung begonnen hast, war auch furchtbar schwer. An manchen Tagen hast du dir gewünscht, dass es alles aufhört – dass alles einfach nur aufhört, ganz gleich wie. Du hast dir vorgestellt, wie es wäre, wenn du tot sein könntest. -

Aber dann hast du jedesmal aufgehört, dir das vorzustellen, denn tief drinnen wolltest du eben nicht, dass alles aufhören sollte, sondern dass alles besser würde. Von allein aber geht das nicht, das ist dir inzwischen klar – das zu verstehen, hat viel Zeit verschlungen.

Du schließt mit dir selbst eine Abmachung: du bleibst hier „bis auf weiteres“. Du fängst an, du schaust dir an, wie es geht. Geht es nicht, hörst du auf. Festhalten können sie dich nicht. Wenn es hier und jetzt nicht geht, kannst du später wieder anfangen – dann wüsstest du schon, wie es hier läuft. Erstmal aber: bleiben.

Oder noch besser: du lässt das Schicksal entscheiden: wenn es morgen früh regnet, bleibst du. Wenn die Sonne scheint, gehst du. - - Regen ist seltener, nicht wahr?

Lies weiter auf Seite 25

Du kommst hierher von Seite 18

Zunächst sind sie nicht gesprächig. Dann erzählen sie dir Geschichten von Leuten, die hier konsumiert haben, und dann, wie und auch wo sie hier konsumiert haben, und dann, wo sie´s herbekommen haben. Da gibt’s verschiedene Möglichkeiten, sagt einer. Aber die besten Tricks wollen sie nicht gleich verraten. Ist auch nicht nötig, denn die besten Tricks sind überall die gleichen, denkst du. Die Gruppe fragt sich, was du vorhast, was du zuletzt genommen hast, und dir fällt alles wieder ein.

Gehst du auch einen Schritt weiter? Lies weiter auf Seite 26

Vieles ist möglich. Willst du das? Lies weiter auf Seite 27

Du kommst hierher von Seite 13

Die Patienten wenden sich dir zu, aber ihre Blicke wandern an dir auf und ab. Keiner lächelt. Solltest du dich getäuscht haben?

Dann sehen sie dich bloß an. Du stehst da, ein bisschen wütend. Was hast du getan, was sollst du getan haben? Wofür halten sie dich? Du merkst, dass auch sie überlegen, was sie sagen sollen. Einer leckt sich die Lippen, so wie du es tust, wenn du Suchtdruck hast.

Lies weiter auf Seite 34

Du kommst hierher von Seite 14

Natürlich verstehen sie genau, wovon du sprichst. Sie sehen einander an. Einer schüttelt ganz leicht den Kopf. „Das heißt, du bietest uns was an, ja? Du hast was dabei?“ Nur ungern würdest du ja sagen, obwohl es genau das ist, was du tun willst. Du zuckst mit den Schultern.

Wieder schüttelt der erste den Kopf. „Das ist dein erster Tag, oder? An deiner Stelle würde ich sowas nicht machen. Das ist ein schlechter Anfang. Also lass uns in Ruhe, verschwinde.“

Und jetzt? Vernichtest du die Tabletten? Lies weiter auf Seite 28

Oder bleibt dir nur übrig, sie selbst zu nehmen? Lies weiter auf Seite 29

Vielleicht hast du zu viel gesagt. Was ist, wenn die anderen das ausnutzen?

Lies weiter auf Seite 55

Du kommst hierher von Seite 14

Abgeneigt sind sie nicht, das merkst du an der Art, wie sie sich um dich herumstellen, als müssten sie neugierige Blicke abwehren. Sie stellen Fragen, die aber nicht zu direkt sind, und wollen, dass du noch ein bisschen mehr herauskommst. Du hast also was dabei – und was soll daraus werden?

Verabredet ihr euch? Lies weiter auf Seite 22

Oder machst du einen Rückzieher und behältst deine Ware für dich?

Lies weiter auf Seite 29

Du kommst hierher von Seite 21

Dass du was dabeihast und dass sie es haben können, ist auf einmal völlig klar und gar keine Frage mehr. Sie wissen auch schon wie und wo, nur noch nicht wann. - Darüber wird diskutiert. Es geht auch um die Nachwirkungen. Also nicht zu spät anfangen mit der Party, sonst sieht man einem am Morgen was an, doch auch nicht zu früh, sonst hat man am Abend zu lange keine Ruhe um sich und wird vielleicht gestört.

Du hast offenbar etwas ausgelöst. Machst du weiter? Lies weiter auf Seite 33

Alles scheint sich zu entspannen. Also abgemacht? Lies weiter auf Seite 47

Du kommst hierher von Seite 15

Dass es so schnell kommt, hättest du nicht gedacht. Mit einer schlimmen Zeit hast du gerechnet, und damit, dass du lange überlegen würdest, und mit einem Notfall. Aber jetzt ist es da, vor dir. Dein Pate führt dich herum und erklärt dir ein paar Abläufe bei Bettwäsche, Waschmaschinen, Wäscheständern, aber du spürst, wie die Worte durch dich hindurchrieseln.

Du kannst also, wenn du willst. Die nächste Zeit wird schwer genug. Und es ist schon lange her. - Plötzlich siehst du auch anderen wieder an, dass sie Druck haben: wie sie gehen, wie sie sich umsehen, wie sie die Arme halten. - Du hast es besser als sie, denn du hast wenigstens etwas, das du nehmen könntest.

Am Raucherplatz setzt du dich zu einer Gruppe, die von früher spricht, also vom Konsumieren, und wie das war. Wieder bringt dir das Erleichterung, aber viel weniger als noch vor ein paar Tagen - und irgendwie bist du auch schon weg von all dem und siehst vor allem die verzerrten Münder – oder ist das eine Täuschung? Jedenfalls: sobald ein Therapeut oder der Pädagogische Dienst vorbeikommt, wird von was anderem geredet.

Lies weiter auf Seite 30

Du kommst hierher von Seite 16

Kann irgendjemand behaupten, du hättest nicht alles getan, was du hättest tun können – kann jemand dir einen Vorwurf machen? Aber es ist zu schwer. Du erinnerst dich an andere, die du gut gekannt hast, stärker und schneller als du, die es auch nicht geschafft haben. Vielleicht, wenn du früher gekommen wärst oder wenn sie alle – Ärzte, Richter, Therapeuten – es dir leichtergemacht hätten… Wie bei einem deiner besten Freunde – der schon drei Jahre tot ist - sieht es jetzt bei dir so aus, als wollten sie alle gar nicht, dass du es schaffst, als hätten sie dich schon abgeschrieben. Wie solltest du dagegen ankommen? Es ist zu schwer, ganz einfach, da ist nichts zu machen. Sicher, Glück können Einzelne auch haben. Du aber hast eben keins, und sie würden dir auch keins gönnen.

Du machst dich auf den Weg zu deinem Therapeuten und weißt schon, was er sagen wird. Du versuchst dich zu erinnern, was in diesem Fall als nächstes kommt, denn überlegt hattest du dir das schon alles, um nicht überrascht zu werden. Aber du erinnerst dich nicht, und im Moment willst du auch nicht daran denken.

Es ist so einfach: es ist zu schwer. Darum gehst du los und brichst ab; ein paar Worte genügen.

Gespräch; noch mehr Gespräch, bis du aus dem Zimmer rennst; dann Koffer wieder raus, Sachen einpacken, Telefon, Taxi. Und weg bist du.

Du kommst hierher von Seite 17

Als du aufwachst, ist die Luft erfüllt von kleinen schwebenden Tropfen. Vielleicht ist es gar kein Regen, sondern nur Dunst; oder vielleicht ist es auch Regen. Du sagst dir: „Es ist Regen“, also bleibst du.

Wie eine Modelleisenbahn wirst du auf ein Gleis gesetzt: dein Pate erklärt dir viele Termine und Abläufe, du bekommst einen Stapel Papier und dazu einen Abschnitt im Haus, den du wirst putzen müssen.

Auf der Website hat die Klinik irgendwie anders ausgesehen, wahrscheinlich so wie du in deinem Bewerbungsbrief.

Wie in der Schule bekommst du einen Plan, einen Wochentherapieplan. Abends ist frei. Du hörst Gerüchte über Leute und Orte – viel mehr Gerüchte als du je woanders gehört hast.

Mit deinem Zimmer und deinem Wecker scheinst du Glück zu haben, auch mit deinem Zimmerkameraden. Das wird dir nach ein paar Tagen klar, als du dich besser auskennst. Für deine Wertsachen hast du einen Safe – du weißt noch nicht, was du hineinlegen willst – und bei den meisten Sachen ist es hier genauso wie an anderen Orten dieser Art – du hast alles mögliche gehört.

Dazu bekommst du etwas, was du lange nicht mehr gehabt hast: Heimweh. Du staunst selbst darüber - etwas weiter oben als im Bauch tut es weh, wenn du an zu Hause denkst. Bauch würde Angst bedeuten. Das alles haben andere auch, wie du ihnen ansiehst.

Du stapfst im Haus herum wie ein Kind, wechselst hier und da ein paar Worte mit Leuten, deren Namen du dir schon merken kannst. Figuren, die du nicht ausstehen kannst, gibt es ebenfalls; so wie andere, die für dich nicht abstoßend sind, vor denen du aber schon am ersten Tag gewarnt worden bist.

Dann gibt es Gespräche in der Gruppe, bei denen du dich noch zurückhältst. Es gibt Einzelgespräche, bei denen du dich zugleich angegriffen und ernstgenommen fühlst. Dass du eigentlich noch nicht weißt, worum es geht, spürst du dann nach einer Woche, nachdem du deine ersten Vermutungen aufgegeben hast. Aber es scheint nicht mehr weit entfernt zu sein.

Näherst du dich den anderen? Lies weiter auf Seite 35

Oder willst du lieber weggehen und für dich sein? Lies weiter auf Seite 36

Du kommst hierher von Seite 18

Erinnerungen strömen auf dich ein wie Wasser aus einer Gießkanne. Eine Zeitlang hast du an einige Leute, einige fürchterliche Tage gar nicht mehr gedacht und hast geglaubt, du wärst darüber hinweg.

Und dann stellst du dir vor, was hier so alles abläuft, und dass die Therapeuten und die anderen Mitarbeiter den Laden nicht im Griff haben. Sie lassen das zu, wollen aber von dir, dass du alles analysierst, wegschiebst, fernhältst.

Du bräuchtest eine Pause, das ist es – eine Auszeit; dann würdest du weitermachen können.

Lies weiter auf Seite 45

Du kommst hierher von Seite 18

Jetzt weißt du, was du hast wissen wollen. Aber du erinnerst dich auch, dass du schon zweimal, dreimal an diesem Punkt gewesen bist. Erleichterung, sicher. Weil es möglich ist, wenn es sein muss. Aber auch wieder nicht Erleichterung. Eher so ein Gefühl, wie wenn man den Stöpsel aus der Badewanne zieht. Das Wasser strömt hinab und fängt sanft an zu ziehen. Alles nimmt es langsam mit, bald wird es wirbeln, gurgeln.

Jemand hat dir gesagt: an diesem Punkt musst du dich fragen, ob du das willst. Er hat gesagt: das geschieht nicht von allein, sondern immer auch, weil du es willst.

Lies weiter auf Seite 42

Du kommst hierher von Seite 20

Du suchst die Tabletten. Einen Augenblick musst du nachdenken und dich erinnern, wo sie sind, und dann musst du beinahe lachen, weil du dich offenbar selbst auszutricksen versuchst. Natürlich weißt du, wo die Tabletten sind.

Du hast sie in der Hand, und deine Hand schwitzt. Durch deine feuchte Hand, stellst du dir vor, dringt Stoff in dich ein. Du hebst den Toilettendeckel und spülst. Mit Schwung wirfst du die Tabletten hinein. Erst hast du vorgehabt, sie eine nach der anderen hineingleiten zu lassen, aber das wäre ein zu sanftes Ende, so ist es besser. Noch einmal die Spülung, damit nicht eine Tablette klebenbleibt und du sie womöglich herausholst. - Nein, sie sind alle weg. Bist du erleichtert? Zweifelst du? Du siehst deine Hände an, fühlst in deinen Taschen – es ist dir schon passiert, dass du alles weggeworfen und danach alles unversehrt in deiner Hand und deiner Tasche gefunden hast. Dich selbst auszutricksen: du neigst dazu.

Dann drehst du dich hastig um: die Toilettentür ist offen. Hast du daran nicht gedacht, sie zu schließen? Aber du hast ja nicht Böses gewollt, also…halt: ist da jemand an der Tür gewesen?

Lies weiter auf Seite 37

Du kommst hierher von Seite 20 oder 21

Allein in deinem Zimmer gehst du durch, was du gesagt hast und was sie gesagt haben. Niemand kann behaupten, du hättest dich zu weit vorgewagt. Notfalls würdest du den Therapeuten beweisen…

Wenigstens weißt du jetzt, woran du bist.

Du willst die Tabletten nicht länger bei dir haben. Sie wieder verstecken willst du aber auch nicht, denn dann wären sie irgendwie immer da.

Alle haben gesagt: du stehst vor einem großen Schritt. Also – um das zu feiern – machst du dir selbst ein Geschenk: die Tabletten wirst du selber nehmen, zum Abschied von allem, was vorher gewesen ist, zum Abgewöhnen, damit du wieder weißt, warum du es nicht mehr willst.

Lies weiter auf Seite 47

Du kommst hierher von Seite 23

Früher ist das manchmal vorgekommen: auf einmal wirst du müde, das Denken hört auf, du schläfst ein, und immer zur rechten Zeit.

Am nächsten Morgen erfährst du, dass zwei andere rückfällig geworden sind. Urinkontrollen sind gemacht worden, nachdem jemand den Therapeuten etwas gesagt hatte - „aufmachen“ wird das hier genannt – einen Namen hörst du nicht, dafür umso mehr Verdächtigungen.

Das widert dich an, alles: verraten zu werden, kontrolliert zu werden. Mag sein, dich widert auch der Gedanke an, du selbst hättest konsumiert oder würdest jetzt konsumieren – eine Art Ekel, der ganz neu für dich ist. Und das verunsichert dich auch.

Wenn sowas entdeckt wird: geht es wirklich nicht anders? Wenn man Vorrat hat und konsumieren muss: das kann doch anders gehen -

Wirst du auf einen bestimmten Weg gedrängt? Lies weiter auf Seite 31

Oder bist du schon sicher, dass es dir genauso gehen wird?

Lies weiter auf Seite 32

Du kommst hierher von Seite 30

Du kennst das: es ist weniger so, dass du irgendwohin willst, mehr so, dass die Straße bergab führt und du außerdem Rückenwind hast. Wie in früheren Tagen krampft sich in dir eine senkrechte Linie zusammen, vom Bauchnabel bis zur Kehle, wie ein Draht.

Am Morgen bringt dir dein Therapeut eine schlechte Nachricht. Jemand, den du liebgehabt hast, ist gestorben. Lange Krankheit, langer Klinikaufenthalt – du hast davon gewusst, nicht völlig unerwartet – dennoch musst du daran denken, dass du diesen Menschen nie mehr wiedersehen wirst. Nie mehr – und in der Entgiftung hast du noch an ihn gedacht, einen ganzen Abend lang so fest, so stark du konntest, so als würdest du ihm Kraft übertragen; und du hattest das Gefühl, dass du selbst Kraft bekommen hast. Es ist das erste Mal seit Jahren gewesen, dass du dein Herz eingesetzt hast wie eine Batterie.

Nun ist dieser Mensch gestorben; so lange du lebst, wirst du ihn nie wieder sehen. Du zitterst, es ist kalt – wie damals, als du dir das Schienbein aufgeschürft hast, eine Wunde, größer als deine Hand – so brennend, feucht, kalt. So ist das jetzt – als wäre deine ganze Seite verbrannt, als wäre deine Hand abgerissen. Du zitterst so sehr, dass du dich setzen musst.

Versuchst du zu fliehen? Lies weiter auf Seite 40

Oder bleibst du und tust nichts, siehst dem Schmerz zu? Lies weiter auf Seite 39

Du kommst hierher von Seite 30

Das ist sicher, kein Zweifel: dir wird es genauso gehen.

Du stellst dir vor, wie in der Morgenrunde dein Rückfall bekanntgegeben wird und alle völlig ruhig bleiben, wie niemand sich wundert. - Dann sitzt du mit deinem Therapeuten bei der Klinikleitung, und alle, die Köpfe gesenkt, auch du, sind beschäftigt damit, Dokumente auszufüllen. - Was passiert ist, bedeutet schon nichts mehr. Hunderten wird es schon so gegangen sein. - Ein Taxi kommt, es schneit, dein Koffer öffnet sich, alles fällt zu Boden.

Aber dann merkst du, dass du träumst. Es ist noch nicht geschehen. Liegt es also noch in deiner Hand? Oder ist es schon entschieden?

Lies weiter auf Seite 41

Du kommst hierher von Seite 22

Wie auf der Schaukel: wenn es höher und höher geht, sodass das Brett schon kippt und schlägt und man Angst bekommt, aber nicht aufhören kann -

Du machst einen Test, denn du willst nicht mehr nur Sprüche hören, sondern wissen, was passiert – wenn einer aufmacht, etwa du. - Vorsichtig, langsam gehst du zu deinem Therapeuten und sagst: du sagst etwas, und zwar. Dann weißt du einen Moment lang nicht weiter, wer und was. Dass es einen Plan gibt und dass du vorher, dass du wohl vorher etwas nicht ganz korrekt erzählt hast. Dass sie sich treffen wollen und dass du dabei sein sollst, wie sie noch gesagt haben. Eigentlich hast du wohl selbst gesagt, dass du dabei sein willst, das musst du klar so sagen. Weil du Suchtdruck hast, aber hierhergekommen bist, um… und so weiter. Und eigentlich, dass du in deiner Kleidung noch ganz alte Tabletten gefunden hast, die du vergessen hattest.

Und jetzt willst du sehen, wie die Klinik sowas handhabt. Als du gehst, presst du die Zähne zusammen und schaust so finster wie möglich auf den Boden,damit es so aussieht, als seist du wegen der Aussage eines anderen ins Büro gerufen worden.

Einer oder zwei sehen dich neugierig an: nein, du willst nicht darüber reden.

Lies weiter auf Seite 48

Du kommst hierher von Seite 19

Einer öffnet den Mund, aber zuerst kommt nichts. Während sein Mund offensteht, scheint er zu überlegen. Endlich kommt ihm ein anderer zuvor: „Was bist du, ein Spitzel? Lass das lieber – oder hau ab!“ Er sieht sich um. „He, habt ihr gehört, was er will?“

Lies weiter auf Seite 39

Du kommst hierher von Seite 25

Gespräche am Raucherplatz, in der Gruppensitzung, beim Essen; Gespräche beim Fernsehen, in den Aufenthaltsräumen – bei allen hörst du zu. Akzeptieren sollen sie dich – akzeptieren ist so ein Wort… wenn man es siebenmal hintereinander sagt, weiß man auf einmal nicht mehr, was es überhaupt bedeuten soll, das fällt dir manchmal auf – also akzeptieren sollen sie dich, dann wirst du auch von dir erzählen, das hast du dir vorgenommen. Aber sie akzeptieren dich nicht richtig, eben weil du nichts von dir erzählst.