Schuhlin: Eine Erzählung - Sternheim, Carl - kostenlos E-Book

Schuhlin: Eine Erzählung E-Book

Carl, Sternheim

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The Project Gutenberg EBook of Schuhlin, by Carl SternheimThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.orgTitle: Schuhlin       Eine ErzählungAuthor: Carl SternheimRelease Date: November 17, 2012 [EBook #41390]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHUHLIN ***Produced by Jens Sadowski

SCHUHLINEINE ERZÄHLUNGVONCARL STERNHEIM

LEIPZIG KURT WOLFF VERLAG

Mit Titelzeichnung von Ottomar Starke. Gedruckt bei Poeschel & Trepte in Leipzig Oktober 1915 als einundzwanzigster Band der Bücherei »Der jüngste Tag«

COPYRIGHT 1915 BY KURT WOLFF VERLAG • LEIPZIG

SCHUHLIN

OB der musikalischen Erfindung des Ludwig Schuhlin Größe in dem Umfang innewohnte, wie er selbst sie ihr zumaß, wird die Zeit lehren. Ob er im Gewissen die gewaltige Überzeugung hatte, die er zur Schau trug, weiß Gott allein. Die ihm nahe standen, sind von seinen Stücken angerührt worden; die weitere Welt hat ihnen den Erfolg versagt.

Schuhlin kam aus der Tiefe des Volkes. Proletarisch ernährt und erzogen, lief ihm bis ins Jünglingsalter das Leben schmucklos hin. Ein Pianoforte, aus einem Erdgeschoß klingend, traf zum ersten Mal sein Herz mit edler Erfindung und versetzte ihn in Schwung, dem er nicht mehr entrann. An eine Regentraufe gelehnt, hörte er in der Folgezeit viel feierliche und fröhliche Musik, die sich in seine Seele senkte. Bis eines Tages er, entdeckt von dem gerührten Spieler, in dessen Umgebung gezogen wurde. Näher hinhörend, lernte er nun die Elemente des Spiels, griff bald und begriff die Tasten und ihre Bedeutung. Die Welt ward ihm völlig Klavier. In Terzen, Quinten, Oktaven sprang sein Denken, Dur und Moll spannte sein Herz. Über die Leiter der Schubert- und Beethovenschen Empfindungsstürme entrückte er dem gemeinen All und stand mit zwanzig Jahren in Kleidern des Kleinbürgers, die Stirn in den Sphären auserwählter Menschheit. Geld auf Fahrten verdienend, die er mit einem Flötenbläser, einem Trompeter über die Märkte seines Bezirks zu Kirmeß und Kirchweih unternahm, gab er es nur zu Teilen für seinen Unterhalt aus, verwandte das Meiste für den Unterricht bei bedeutenden Lehrern, bis er große Klavierstücke technisch vollendet so selbständig aus dem Flügel hämmerte, daß ihm innere Bewegung verständiger Zuhörer überall gewiß war. Da verließ er die Heimat und gewann auf Reisen beträchtliche Sicherheit der Lebensformen. Man traf ihn im Frack, den er nicht übel zu tragen wußte, in den Salons situierter Kaufleute nach dem Abendessen vor dem Klavier. Den schönen Kopf auf freiem Hals über das Notenblatt gehoben, spielte er, und die bürgerlichen Frauen im Umkreis öffneten ihm die Herzen. Stand er auf, kam, noch getragen von rhythmischen Wellen, durch den Raum, senkte er den Blick in begeisterte Augen, die er merkte, und von denen er Lohn forderte. Überall nahm er das leicht zu ergreifende Weib mittlerer Kreise als Beute, schüttelte ihr geringes Eigenteil aus ihr heraus, mit dem er sich stärkte. In immer bessere Zirkel brachte ihn die mit Begeisterung geübte Kunst, und es fehlte ihm schließlich ein bedeutendes Einkommen, lebhafter Beifall nicht. Sein Selbstbewußtsein verlangte alsbald überzeugendere Erfolge: die Verehrung einer großen Dame, Freundschaft eines in den Künsten dilettierenden Mannes von Welt. So wurde er der repräsentable Geliebte manch reicher Frau, die sich langweilte; geistiger Zusammenklang eines blasierten Dandys.

Doch war Hingabe und Aufopferung von seiner Seite größer als desjenigen, der den Bund mit ihm einging. Denn seines Gehirnes Kraftentfaltung war das Äquivalent zu ruhenden Gütern, die der andere aus Geburt und Vererbung besaß. Nie war Schuhlins Übergewicht von vornherein so groß, daß ein Mensch sich einfach ihm beugte. Er bedurfte des polierten schwarzen Kastens, die Aufmerksamkeit für sich zu erzwingen, die seine Eigenliebe wollte. War aber Zuneigung einmal erlangt, wuchs nie er allein dem andern ans Herz, sondern Vorstellung gespielten Klaviers, musikalisches Genie eines Toten mit ihm. Aus Liebesversunkenheit lallte die Frau nicht das bezügliche Wort, aber eine empfindsame Tonfolge, deren Schöpfer nicht, deren Vermittler er war. Das heimlichste Gespräch, jeder kostbare Augenblick des Lebens glitt über ihn hin zu den ursprünglichen Geistern, deren Einfälle er auf die Tasten abspielte.

Im zarten Anschlag einer Nerve noch spürte er vom Nächsten her Atome eines Gefühls, das über etwas prompt zu Lieferndes quittiert. Wie ein blasiertes »danke«, das man dem Bedienten lispelt. Kein spontaner Dank, kein Jubel kam ihm entgegen und hob sein Herz zu den Sternen auf. Davon wurde er krank, begann alles Erreichte, den augenblicklichen Zustand zu hassen und floh schließlich aus bequemen Verhältnissen aufs Land, wo er in einem Bauernhaus am Seeufer Vergangenheit und Zukunft umständlich bedachte.

Er begriff, reproduzierendes Künstlertum konnte der Hebel nicht sein, mit dem die Welt aus den Angeln sich heben ließ, der in ihm gärende Machthunger zu befriedigen sei. Keinen Augenblick zögerte er, alle Brücken zur Vergangenheit abzubrechen, verschwand vollständig von der Weltbühne und rollte sich wie ein Igel in die Einsamkeit des ländlichen Platzes, wo er drei Jahre lang das eigene, mächtige Wesen in Scharniere preßte, nicht einen Hauch seiner Person durch Gespräch oder Mitteilung entweichen ließ. Wie in einen Spartopf senkte er mit grimmigem Lächeln jeden Einfall, allen Gefühlsüberschwang in das eigene Innere,