Schuhplattlermord - Karina Baumann - E-Book

Schuhplattlermord E-Book

Karina Baumann

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Beschreibung

Erhitzte Gemüter in Steyr! Im Zuge des Stadtfestes soll der Bezirkswettbewerb im Schuhplatteln ausgetragen werden, und zum ersten Mal hat sich eine Damenmannschaft angemeldet. »Geht gar ned!« meint der Obmann des Schuhplattlervereins »Lederhosenklatscher«. Die Diskussion erübrigt sich, als die Obfrau der Damengruppe »Dirndlschupfer« von Mitzi Eisenhuber tot am Fuße der Dambergwarte gefunden wird. Unfall oder Mord? Eine schwere Ermittlung für Chefinspektor Willi Kleinlich, der auch noch explosive Grüße aus der Vergangenheit erhält.

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Karina Baumann

Schuhplattlermord

Kriminalroman

Zum Buch

Steyrerschuld In Steyr freut man sich auf das Stadtfest, die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Nur Dietmar Krauskopf senior tobt. Der Obmann der ältesten Schuhplattlergruppe des Bezirks, der »Lederhosenklatscher«, will die Teilnahme einer Damengruppe beim Bezirkswettbewerb verhindern. Daniela Rauscher, die Obfrau der »Dirndlschupfer«, will den Auftritt genauso kriegerisch durchsetzen. Wenn es sein muss, auch mit unfairen Mitteln. War das ihr Todesurteil? Oder war der Sturz vom Aussichtsturm ihre eigene Schuld? Diese Fragen muss Chefinspektor Willi Kleinlich klären, und wird dabei mit seinem eigenen Schuldmonster konfrontiert, was die noch zarten Bande zwischen ihm und Mitzi Eisenhuber belastet. Natürlich auch, weil es die Hobbydetektivin wieder nicht lassen kann, ihre eigenen Ermittlungen anzustellen.

Karina Baumann ist Steyrerin aus ganzem Herzen. Aufgewachsen in der Nachbargemeinde Garsten, zog es sie schon bald in die Stadt, aus der sie nicht mehr weg möchte. Hier arbeitet sie als Bürokauffrau und widmet den größten Teil ihrer Freizeit dem Schreiben – unter anderem ist sie ein Gründungsmitglied der Steyrer Schreibgruppe „textQuartett“. „Schuhplattlermord“ ist nach „Christkindlmord“ der zweite Roman von Karina Baumann, der im Gmeiner-Verlag erscheint. Zuvor veröffentlichte sie mehrere Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien.

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Airene / photocase.de

ISBN 978-3-8392-7772-0

Zitat

»Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.«

(frei nach Jesus)

»Schuld ist ein schweres Wort, Mitzi. Wenn du sie jemandem lange nachträgst, tun dir bald die Händ’ weh.«

(wortwörtlich nach der Wanzi-Oma)

1.

»Du lieber Himmel, Klara, renn doch ned so!«, keuchte Mitzi und blieb stehen. »Ich wollt dir doch nur deine neue Heimat a bissal zeigen, und ned für die nächste Olympiade trainiern.« Sie setzte sich auf einen Baumstumpf und nahm ihre Trinkflasche aus dem Rucksack.

Klara war ebenfalls stehen geblieben und schaute lächelnd auf ihre Schwiegermutter. Die war so ganz anders, als Berti sie beschrieben hatte. Aber Mitzis Sohn war ja auch viele Jahre von zu Hause weg gewesen, weil er das Leben auf dem elterlichen Bauernhof in Christkindl nicht mehr ausgehalten hatte. Vor allem das Zusammenleben mit seinem Vater Adi. Nach einem heftigen Streit vor fünf Jahren war Berti einfach in sein Auto gestiegen und so weit weg wie möglich gefahren. Er fuhr zwei Tage planlos Richtung Norden, sein einziges Ziel war, so weit weg wie nur möglich von zu Hause zu kommen. Ein Sekundenschlaf beendete seine Reise, und er strandete, im wahrsten Sinne des Wortes, an Deutschlands Nordseeküste. Dort wurde er von einer blonden Meerjungfrau namens Klara gerettet. Die nahm den jungen Mann mit auf ihre Hallig, vor allem, weil ihr seine komische Beinbekleidung so gefiel. Auf Hooge waren Männer mit kniekurzen Lederhosen eher selten. Klaras Eltern hatten Berti gerne auf ihrem Bauernhof aufgenommen, denn auf Hooge waren tüchtige Schwiegersöhne genauso selten. Der raue Nordseewind hatte Berti die schlimmen Erinnerungen an zu Hause schnell aus dem Kopf geblasen, und Hooge war zu seiner neuen Heimat geworden.

Doch als er letzten Dezember die Nachricht vom Tod seines Vaters bekommen hatte, war in Berti die Sehnsucht nach den österreichischen Bergen erwacht, und der Umstand, dass Klaras Eltern ihren Bauernhof verkaufen wollten, hatte Berti die Entscheidung, in seine ursprüngliche Heimat zurückzukehren, leicht gemacht. Inzwischen hatte seine Mutter den Hof auf ihn und Klara überschrieben, und Mitzi war eifrig damit beschäftigt, ihrer norddeutschen Schwiegertochter das Leben im oberösterreichischen Alpenvorland näherzubringen, das dem Leben auf der Hallig gar nicht so unähnlich war. Viel traditionelle Menschlichkeit, eingesperrt zwischen hohen Bergen (zumindest für Klara, denn im Gegensatz zu einer Seehöhe von drei Metern, war der Damberg mit seinen 811 Metern wie ein Gebirge für sie). Auf Hooge waren sie vom Wasser umgeben, was die Bewohner manchmal genauso schrullig machte wie das Leben in einem Talkessel. Wobei Schrulligkeit für Klara nichts Schlimmes war. Für sie waren das kleine Eigenheiten, die einen Menschen besonders machten. Anders, aber nicht besser oder schlechter.

Klaras idyllische Gedanken wurden jäh unterbrochen. Ein Schrei gellte durch den Wald.

»Mitzi, was war das?«, fragte sie und blickte ängstlich herum.

»Na, g’schrien hat wer«, antwortete Mitzi nüchtern und stand auf. »I glaub, des war bei der Aussichtswarte oben. Komm, schau ma mal. Vielleicht ist wer g’stürzt und braucht Hilfe.«

So schnell es ihre kurzen Beine und ihre nicht dezenten Speckringerl zuließen, lief Mitzi die letzte Steigung hoch. Nach wenigen Metern waren sie am Grat angekommen, und von hier ging der Wanderweg eben bis zu dem hölzernen Turm, der normalerweise von vielen Wanderern besucht wurde, aber zu dieser Zeit waren Klara und Mitzi alleine am Berg. Bis auf die Gestalt, die mit dem Gesicht nach unten auf der betonierten Plattform der Warte lag.

»Jessas«, rief Mitzi und kniete sich neben den leblosen Körper, »die wird doch ned tot sein.« Vorsichtig legte sie ihre Finger an den Hals der jungen Frau am Boden, konnte jedoch nichts spüren. Mitzi drehte sie um, und die weit geöffneten Augen bestätigten ihr den Tod der Frau.

»Klara, du hast doch dein Handy mit. Ruf die Polizei, da können ma nix mehr machen.«

Klara stand bleich und zitternd neben Mitzi. »Ist sie wirklich tot, Mitzi?«

»Ja, Mädl, die is wirklich tot«, sagte Mitzi und stand schwerfällig auf, wobei sie sich an Klara abstützte. Das war der jungen Frau zu viel, und sie sank mit einem Seufzer ohnmächtig zu Boden.

»A geh«, schimpfte Mitzi, »die jungen Leut haltn nix mehr aus.«

Mitzi vergaß dabei, dass sie selbst vor wenigen Monaten beim Auffinden ihrer ersten Leichen den Boden geküsst hatte. Nein, das stimmte nicht ganz. Ohnmächtig wurde die Mitzi erst, als die Polizisten sie fesselten, weil Mitzi einen Sanitäter ohrfeigen wollte, der mit seinem Rettungswagen ihr Glühweinstandl touchiert hatte.

Mitzi durchsuchte Klaras Jackentaschen, fand das Handy, konnte es aber nicht entsperren. Sie tätschelte Klaras bleiche Wange, um sie wieder aufzuwecken. Langsam kam Klara zu sich.

»Mädl, was machst den für Sachn? I hab dacht, ihr aus dem Norden seids a bissal robuster. Sag ma den Code für dei Handy, damit i die Polizei anrufn kann.«

»2204«, flüsterte Klara und rutschte auf dem Hintern von der Leiche weg.

»Ach, dem Berti sei Geburtstag. Des hätt i mir eigentlich denkn können.«

Mitzi tippte die 133 ein, weil die 144 sowieso nichts mehr gebracht hätte.

»Polizeinotruf, wie kann ich Ihnen helfen?«

»Ja, hallo, da is die Mitzi Eisenhuber. I hab wieder amoi eine Leiche g’fundn.«

Auf der anderen Seite blieb es still.

»Hallo? Habn Sie mi g’hört?«, rief Mitzi in Klaras Handy und kontrollierte dann den Empfang. Alle Stricherl vorhanden.

»Hallo?«, kam es plötzlich aus dem Telefon. »Sind Sie noch da?«

»Ja, sicher bin i noch da«, antwortete Mitzi etwas genervt.

»Können Sie das bitte wiederholen?«

Mitzi seufzte kurz. »I hab a Leiche g’fundn. Bei der Aussichtswarte am Damberg. Können S’ jetzt endlich den Chefinspektor Kleinlich schicken, oder soll i den selber anrufn?«

»Nein, nein, das machen schon wir. Sie bleiben bitte wo Sie sind und greifen nichts an.«

»Sie bleiben wo Sie sind und greifn nix an«, giftete Mitzi und steckte das Handy in ihre Jacke. »De könntn sich auch amal an neichen Text einfalln lassn.« Sie drehte sich zu Klara um, die noch immer blass, aber zumindest ansprechbar war. »Na, Mädl, geht’s wieder?«

»Ja, Mitzi, aber …«, Klara schaute ängstlich auf ihre Schwiegermutter, »… ich kenne die Tote.«

Zitat

Die Wanzi-Oma hat immer gesagt: »Im Tod sind alle Menschen gleich. Nur beim Sterben gibt’s einen Unterschied.«

2.

Zwei Tage vorher

Die Luft im Innenhof des altehrwürdigen Gasthaus Maurer am Stadtplatz war heiß. Was nicht nur an der für April ungewöhnlich hohen Temperatur lag, sondern auch an der hitzigen und lauten Diskussion zwischen den lederbehosten Männern. Es war Dienstag, und somit Sitzungsabend des Vereins Lederhosenklatscher, der ältesten Schuhplattlergruppe der Stadt. Nein, des ganzen Bezirks. Gegründet anno 1923 vom Urgroßvater des Mannes, der jetzt mit geschwellter Brust und hochrotem Kopf lautstark seinem Ärger Luft machte, wobei die Hirschhornknöpfe an seiner speckigen Lederhose harte Arbeit leisten mussten.

»Ich werde das nie und nimmer zulassen!«, schrie Dietmar Krauskopf und zeigte mit drohendem Finger auf seine Vereinskollegen. »Und jeder, der anderer Meinung ist, kann sofort aufstehen und damit ned nur das Wirtshaus, sondern gleich auch den Verein verlassen!«

Die meisten der Anwesenden waren von Anfang an seiner Meinung gewesen. Nur ein mutiger Vereinskollege hatte es gewagt, die Idee des Bürgermeisters gutzuheißen. Das neugewählte Stadtoberhaupt, ein junger und dynamischer Mann, der frischen Wind in seine Gemeinde bringen wollte, war nämlich der Meinung, dass beim diesjährigen Stadtfest und dem damit verbundenen 1. Bezirkswettbewerb im Schuhplatteln auch eine Damengruppe teilnehmen sollte. Die Dirndlschupfer mit ihrer Chefin Daniela Rauscher hatten sich angemeldet, und das war vom Bürgermeister wohlwollend zur Kenntnis genommen worden. Was vielleicht auch an den ultrakurzen roten Lederhosen gelegen haben mag, welche die Damen beim Vorstellungsgespräch im Bürgermeisterbüro getragen hatten. Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

Jedenfalls waren die männlichen Plattlerkollegen in keinster Weise amüsiert über diese Idee. Das Schuhplatteln war Männersache. Immer schon. Und das würde auch so bleiben. Zumindest so lange Dietmar Krauskopf das Sagen im Verein hatte.

Das sah jetzt auch der aufsässige Vereinskollege ein und setzte sich zurück auf seinen Platz, wenn auch leise vor sich hin murrend.

Der Posten des Vereinsobmannes lag seit vier Generationen fest in Krauskopfscher Hand, und die fünfte Generation stand schon bereit. Dietmars Sohn, gesegnet mit dem Namen Dietmar junior, war schon bei seiner Geburt ins Vereinsregister eingetragen worden, und machte seinen Job als Erbprinz sehr gut. Zumindest was die von Bier und Schweinsbraten geformte Figur und das cholerische Temperament anging. Eigentlich war er für die Teilnahme der Damengruppe am Schuhplattlerbewerb und hatte die letzten Tage mit drei anderen Befürwortern große Reden geschwungen. Von wegen, dass jetzt andere Zeiten sind und die alten Statuten längst nicht mehr passen. Er meinte auch, er werde seinem Vater schon zeigen, dass der Verein moderner werden müsse, und das am besten mit einem neuen Obmann. Nämlich ihm – Dietmar junior. Doch kurz vor der Vereinssitzung hatte Dietmar senior einen cholerischen Anfall und Dietmar junior daraufhin kalte Füße bekommen. Auch zwei der anderen Mitstreiter verloren kurzfristig ihren Mut zur Revolution, und so war es für den letzten Verbliebenen eher ein Selbstmordkommando, sich für die Teilnahme der Damen und gegen den Vereinsobmann auszusprechen. Dietmar senior ließ keinen Widerstand in den eigenen Reihen zu. Auch nicht in seiner Familie. Darum saß sein Sohn jetzt ziemlich maulfaul neben ihm und ignorierte die hasserfüllten Blicke des gescheiterten Revolutionärs, dem er ohne Vorwarnung die Unterstützung gekündigt hatte.

Dietmar senior indessen wetterte weiterhin mit dröhnender Stimme gegen die »g’schupften Lederhosenballerinas«, wie er die weiblichen Schuhplattlerinnen nannte. Auch wenn er selber schon seit einigen Jahren und etlichen Kilos, nicht mehr aktiv am Schuhplatteln teilnahm, hatten seine Worte noch immer am meisten Gewicht. So wie er selbst.

Als ihm schließlich keine Beleidigungen mehr einfielen, stellte Dietmar die alles entscheidende Frage.

»So, meine Meinung kennt ihr jetzt. Wer immer noch dafür ist, dass die Weiber am Wettbewerb teilnehmen«, er blickte siegessicher in die Menge, »der soll sein Patschhändchen heben.« Keine Reaktionen.

»Gut. Und von mir aus machen wir noch die Gegenprobe. Wer dagegen ist, Hand hoch!« Augenblicklich schossen alle Hände nach oben. Nur Dietmar junior hob gelangweilt seine Hand auf Halbmast, was sein Vater im Siegeseifer jedoch nicht bemerkte.

»Na dann …« Dietmars Lächeln wurde noch breiter, und seine Siegerpose hätte sogar Julius Cäsar vor Neid erblassen lassen, »… ist ja alles klar.« Er rief nach der Kellnerin. »Resi, bring noch eine Runde für alle. Auf meine Rechnung.«

Damit war für ihn das Thema erledigt. Um die Verantwortlichen beim Magistrat machte er sich keine Sorgen. Sein Schwager war Vorsitzender im Stadtfestkomitee, und auch innerhalb der Familie hatten Dietmars Worte am meisten Gewicht. Frei nach dem Motto: Wer zahlt, schafft an. Das war einer der ersten Lebensregeln, die er von seinem Vater gelernt hatte. Dass er mit dem Geld seiner Frau anschaffte, war ihm egal. Im Gegensatz zu seinen Vorfahren war er beruflich eher wenig erfolgreich, da er schon in jungen Jahren einen sehr hedonistischen Lebensstil pflegte. Darum hatte er mit Anfang 20 die Tochter eines gut betuchten Autohändlers geschwängert und ins finanziell sehr gut ausgestattete Luxusnest eingeheiratet. Seine Schwiegereltern hatten den Anstand besessen, nicht mehr lange zu leben, und somit waren die acht Autohäuser in Dietmars Besitz übergegangen, da sein Schwiegervater der Meinung gewesen war, der Betrieb gehöre in Männerhände, seine Tochter solle sich um die Thronfolge kümmern.

Die Geschäfte liefen gut, jede Filiale hatte einen fähigen Geschäftsführer samt gut funktionierenden Angestellten, und so konnte sich Dietmar weiter seinen Leidenschaften widmen – Bier, Schweinsbraten und Schuhplatteln. Männerherz, was willst du mehr? Dietmars Herz hätte geantwortet – eine Diät, mehr Bewegung, und weniger Cholerik.

Doch Dietmar ignorierte die Bedürfnisse seines Herzens. Er verließ sich ganz auf seinen Kopf und Körper. Die hatten ihn noch nie verlassen.

So stand er nun, wie Napoleon nach einer gewonnen Schlacht, vor seinen Soldaten und genoss das Bad im Applaus der durstigen Männer.

Was Dietmar nicht wusste war, dass nur knapp 200 Meter entfernt im Café Gänseblümchen genauso heiß zu diesem Thema diskutiert wurde. Das kleine Kaffeehaus war entgegen den angeschriebenen Öffnungszeiten geschlossen und trotzdem gut gefüllt. Mit eben den Damen, über die der Plattler-Obmann gerade so schimpfte.

»Und wir machen trotzdem mit!«, schrie Daniela Rauscher, ihres Zeichens das weibliche Pendant zu Dietmar Krauskopf bei den Dirndlschupfern. Sie war zwar körperlich nur halb so gewichtig wie Dietmar, aber temperamentmäßig stand sie ihm in nichts nach.

»Wofür habn wir denn die letzten zwei Jahre jede freie Minute trainiert, bis uns die Hände und die Oberschenkel brennt habn? Damit wir uns jetzt von ein paar wamperte Mannsbildern anschaffen lassen, wo wir platteln dürfen und wo nicht? Sicher ned!«

Die meisten Vereinskolleginnen nickten zustimmend, nur Susanne Kleinert hob schüchtern die Hand.

»Äh … Dani … ich muss dir noch was sagen. Eigentlich wollt ich nach dem Treffen noch mit dir reden, aber jetzt ist es eh schon wurscht.« Sie stand auf und blickte mit einem breiten Grinsen in die Runde. »Ich kann beim Stadtfest nicht mitplatteln. Ich bin schwanger.«

Die anderen Mädels fingen an zu jubeln und umarmten die werdende Mutter. Nur Daniela Rauscher blickte finster auf die kreischende Menge. Dann klatschte sie plötzlich laut in die Hände.

»Mädls, beruhigt euch wieder«, schrie sie, »die Susi kriegt nur ein Kind und hat ned den Nobelpreis gewonnen.« Daniela baute sich mit verschränkten Armen vor der noch immer grinsenden Susanne auf.

»Ich hab schon länger gemerkt, dass mit dir was ned stimmt.« Der Ärger in Danielas Stimme war nicht zu überhören. »Hättest du dir des ned a bissal besser einteilen können?« Sie drehte sich zu den anderen um. »Aber gut, es ist halt jetzt so, und wir brauchen einen Ersatz für die Susi.«

»Aber geh, Dani«, meinte die stellvertretende Obfrau, Lena Steiner, »wie willst denn in der kurzen Zeit jemanden finden, der so gut platteln kann wie die Susi?«

Schau, Lena«, antwortete Daniela mit einem süffisanten Grinsen, »das ist der Grund, warum ich die Chefin bin und du nur meine Stellvertreterin. Nachdem die Susi bei unserem letzten Treffen die ganze Zeit grinst hat wie ein eing’rauchtes Hutschpferd und dann auch noch das obligatorische Abschlussseiterl ned getrunken hat, war mir klar, dass sie schwanger ist und wir eine Neue brauchen. Darum hab ich gestern auf Facebook einen Aufruf für ein Schuhplattler-Casting gepostet, und es haben sich schon acht Bewerberinnen gemeldet.« Triumphierend blickte sie in die entgeisterten Gesichter ihrer Vereinskolleginnen. »Na, hab ich das gut gemacht oder hab ich das sehr gut gemacht?«

Lena fand als Erste die Sprache wieder.

»Also weißt, Dani, das hättest du schon zuerst mit uns absprechen müssen. Wir sind schließlich ein Verein. Und der Susi könntest du zumindest gratulieren.«

»Wozu gratulieren? Dass sie fett wird und die nächsten 20 Jahre kein eigenes Leben mehr hat?« Daniela schnaufte verächtlich. »Nein danke! Und zum Thema Verein – ich habe diese Gruppe gegründet. Ohne mich würden die meisten von euch immer noch zu den Auftritten von eure Männer mitfahren, und dann das Taxi für die b’soffenen Lackln spielen. Und da braucht mir jetzt keine erzählen, dass euch unsere eigenen Auftritte keinen Spaß machen! Aber bitte«, sie hob abwehrend die Hände, »wer wieder die Dekoration für die Mannsbilder machen möchte, kann gerne gehen. Unter den acht Bewerberinnen sind sicher mehrere geeignete Kandidatinnen dabei.«

Sofort kamen beschwichtigende Rufe von den anderen.

»Nein, nein! Des passt schon, Dani!«

»Reg dich doch ned gleich so auf! Wir schaffen des schon zusammen.«

»Geh, Dani, du weißt doch, dass du auf uns zählen kannst!«

Nur Lena hielt sich zurück und ging zu Susanne, die nach Danielas Beleidigung weinend auf dem Klo verschwunden war.

»Geht’s wieder, Susi?«

Susanne schnäuzte sich in ein Papierhandtuch.

»Jaja, geht schon. Ich weiß ja, wie die Dani ist. Und ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich mir des nimmer antun muss. Aber wie lang willst du dir des noch g’falln lassn?«

Lena seufzte und setzte sich mit Schwung auf den gemauerten Waschtisch.

»Ach, weißt du, Susi, die Dani ist nun mal die Beste von uns. Und mir macht das Schuhplatteln einfach einen Riesenspaß. Da möchte ich halt mitmachn, solang ich kann.«

Die Tür ging auf, und Vicki, die Chefin des Café Gänseblümchen, steckt den Kopf herein.

»Die Dani hat gesagt, ihr sollt bitte wieder rauskommen. Es gäbe noch einiges zum Besprechen.«

»Die Dani hat bitte gesagt?«, meinte Lena, und hüpfte vom Waschtisch.

»Naja, sie hat’s ein bisschen anders formuliert, aber gemeint hat sie es so.«

»Na, dann wollen wir die Chefin nicht warten lassen.« Lena legte Susi den Arm um die Schulter. »Gehst auch wieder mit rein?«

Susanne schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin draußen. Sag den anderen noch einen schönen Gruß. Ich verschwind durch den Hinterausgang. Vielleicht können wir uns mal ohne die Dani treffen.« Die beiden umarmten sich noch einmal, und Lena ging zurück ins Café, wo Daniela schon ungeduldig mit ihrem Feuerzeug auf den Tisch klopfte.

Das könnte sie sich auch endlich abgewöhnen, dachte Lena, die Raucherei macht sie nicht unbedingt fitter, und stinken tut’s auch. Wenn die sich jetzt da herinnen eine Zigarette anzündet, bin ich auch weg. Nein, bin ich natürlich nicht, weil dazu fehlt mir der Mut, und darum bin ich halt ewig die Nummer zwei.

Lenas Gedanken wurden durch Danielas unwirsche Stimme unterbrochen. »Wird es der gnädigen Dame endlich recht, oder sollen wir noch ein paar Friedenslichterln anzündn?«

Da von Lena keine Antwort kam, redete Daniela einfach weiter. »Also wie gesagt, ich hab schon acht Bewerberinnen, und morgen ist das Casting. Um 14 Uhr im Turnsaal von der Musikhauptschule. Wer Zeit hat, kann vorbeikommen, aber die Entscheidung treff sowieso ich.« Sie wartete kurz, ob Widerworte kamen, womit sie aber nicht wirklich gerechnet hatte. »Gut, dann war’s das für heute. Pfiat euch, ich hab noch ein Date.« Und weg war sie.

Die anderen blieben noch eine Weile sitzen und lästerten über ihre despotische Chefin. Am Schluss mussten sie aber zugeben, dass Daniela in einem Punkt recht hatte: Sie hatten sich die letzten Jahre nicht die Oberschenkel wundgeklatscht und bei zahlreichen, teilweise grindigen Zeltfesten die Mitternachtseinlage gegeben, nur um jetzt auf ihren wichtigsten Auftritt zu verzichten.