Schwarze Milch und bunte Steine -  - E-Book

Schwarze Milch und bunte Steine E-Book

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Beschreibung

«Bei meinem kompositorischen Schaffen handelt es sich ausschließlich um das Verhältnis zwischen geistiger und emotionaler Energie sowie um die Möglichkeiten, diese zu lenken, zu konzentrieren, zu liquidieren und wieder ansammeln zu lassen. Meine Stücke stellen abstrakte, klingende Dramen dar mit vielen agierenden Personen und extrem dynamischen Handlungssträngen …» Der 1959 in Kärdla auf der estnischen Insel Hiiumaa gebürtige Erkki-Sven Tüür gehört zu den bemerkenswertesten Komponisten seiner Generation. Seine musikalische Ausbildung erfolgte zunächst autodidaktisch, später studierte er Komposition. 1979 gründete Tüür ein kammermusikalisches Rockensemble, das bald zu den beliebtesten Rockgruppen in Estland zählte. Sein erster durchschlagender Erfolg als Komponist in Finnland war «Insula deserta» von 1989. Der Band versammelt die Beiträge eines Symposiums zu Erkii-Sven Tüür im Rahmen von «Auftakt 2007» der Alten Oper Frankfurt am Main. Erkki-Sven Tüürs zwischen John Adams, Lennart Meri und Jean Sibelius.

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Hans-Klaus Jungheinrich (Hg.): Schwarze Milch und bunte Steine. Der Komponist Erkki-Sven Tüür

edition neue zeitschrift für musik

Herausgegeben von Rolf W. Stoll

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Bestellnummer SDP 99

ISBN 978-3-7957-8647-2

© 2015 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

Alle Rechte vorbehalten

Als Printausgabe erschienen unter der Bestellnummer NZ 5016

© 2008 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

www.schott-music.com

www.schott-buch.de

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung kopiert und in ein Netzwerk gestellt werden. Das gilt auch für Intranets von Schulen oder sonstigen Bildungseinrichtungen.

Mit alleiniger Unterstützung der FAZIT-Stiftung

(Frankfurter Allgemeine Zeitung und Frankfurter Societäts-Druckerei) Frankfurt am Main

Umschlag: HJ Kropp unter Verwendung

zweier Fotos von Charlotte Oswald

Schwarze Milch und bunte Steine Der Komponist Erkki-Sven Tüür

Symposion, 15. September 2007,

Alte Oper Frankfurt am Main

Herausgegeben von

Hans-Klaus Jungheinrich

Vorwort

Erkki-Sven Tüür, 1959 auf der estnischen Ostseeinsel Hiiumaa geboren – sie ist heute noch sein Lebensmittelpunkt und der bevorzugte Ort seines Arbeitens – gehört zu den weltweit erfolgreichen Komponisten seiner Generation. An ihm bewahrheitet sich, dass die Länder der geografischen europäischen «Peripherie» in der immer kosmopolitischeren Kulturwahrnehmung inzwischen als ebenso präsent und «nah» empfunden werden wie die zentral gelegenen und lange Zeit dominanten. Nach dem Zerbrechen des realsozialistischen Machtblocks ist Estland zudem nicht mehr einer ideologischen Bevormundung unterworfen und von künstlerischen Entwicklungen des Westens nicht länger mehr oder weniger abgeschnitten. Tüür ist alt genug, um die politische (und kunstpolitische) Diktatur als persönliche Belästigung noch erlebt zu haben, aber zu jung, als dass er (wie der ältere Landsmann Arvo Pärt) in Flucht und Entfremdung von der Heimat einen letzten Ausweg hätte ergreifen müssen. Eine eigene Rolle spielen die Esten auch unter den benachbarten baltischen Völkern als eine mit den Finnen verwandte Ethnie und einem dadurch bedingten besonderen Bezug zu diesem größeren skandinavischen Land.

Dass Estland bekanntermaßen ein Musterland der globalisierten Informationsgesellschaft ist, weist einen Künstler wie Tüür nicht quasi automatisch als leichtgängigen Internationalisten aus. Tüürs Musik enthält vielmehr Elemente von Sperrigkeit und Sprödigkeit, von individualistischem Beharrungsund Behauptungswillen, von unerschütterlichem Glauben an die Kraft der Expressivität. Man könnte das freilich auch einem gesamteuropäischen Konsens der Gleichaltrigen zuschreiben, die sich von normativer Ästhetik freigeschlagen haben und (Wolfgang Rihm war dafür Pionier) die scheinbaren Verbindlichkeiten des Materialfortschritts in Frage stellten. Gleichwohl praktiziert Tüür – mit einer Insistenz wie wenige andere – einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem musikalischen Material, der sich durchaus ins Spekulativ-Systemhafte vorwagt, also Konstruktivismus avisiert – allerdings nicht autoritären Vorgaben folgend, sondern eigenen Entwürfen und Entscheidungen. Ob die Erfassung dieser Absichten unter dem Begriff des «vektoriellen Komponierens» (einige der folgenden Referate versuchen seine Erklärung) Tüürs letztes kompositionstheoretisches Wort ist, steht dahin. Aktuell war dieser Ansatz einer neuen «Strenge» als gewichtiges Movens des Tüür’schen Komponierens ernst zu nehmen und in verschiedenen perspektivischen Annäherungen zu beleuchten.

Das nicht vorschnell harmonisierte Spiel antagonistischer Kräfte, das unversöhnte Nebeneinander und Ineinander von Freiheit und Strenge, fixierte Tüür mit der Chiffre «Oxymoron» (so auch der Titel eines wichtigen Ensemblestücks von 2003). Das Oxymoron benennt magische, poetische, künstlerische Wirklichkeiten jenseits der Alltagsrealität, idealtypisch etwa den «ewigen Augenblick», der ja auch eine sehr reale paradoxe Erfahrung sein kann, etwa als fotografisch festgehaltener Sprung von einer Skischanze. Wir erinnerten uns sofort an Paul Celans dichterische Imagination der «schwarzen Milch» und assoziierten sie mit dem Leitmotiv des Symposiums – womit vielleicht sogar ein Schritt zu weit gegangen und der dunklen Würde der Celan’schen Dichtung zu nahe getreten wurde. Immerhin war damit auf Schmerz-Dissonanzen auch in Tüürs Musikalität, einer eben nicht befriedet-unverbindlich pluralistischen, unmissverständlich aufmerksam gemacht. Weniger angreifbar zeigte sich natürlich der zweite Teil des Titels mit seiner bewussten Ent-Spannung; bei den «bunten Steinen» dachte ich an den (um es noch einmal paradox auszudrücken) Katastrophen-Idylliker Adalbert Stifter, hatte durchaus aber auch die Vorstellung des Strandes von Hiiumaa.

Wie stets waren auch diesmal die Symposiums-Beiträge von sehr unterschiedlicher Dichte und ungleichem spezifischen Gewicht. Jörn Peter Hiekel ist immer ein vorzüglicher Eingangstextschreiber, und so versteht er es auch meisterhaft, in seinen speziellen Anmerkungen zu Tüürs Chorwerken Prinzipielleres über den Komponisten namhaft zu machen. Kerri Kottas schwierigere Untersuchungen über die musikalische Zeit sind selbstverständlich besonders wertvoll als der einzige Betrag eines jungen Musikwissenschaftlers aus Estland in diesem Kontext. Hartmut Lück beschäftigt sich mit Tüürs Oper Wallenberg, die in Deutschland uraufgeführt und 2007 auch erstmals in Tallinn gespielt wurde. Gewissermaßen komplementär zueinander stehen die Auslassungen von Wolfgang Sandner und mir über Tüürs monumentales Violinkonzert bzw. seine Sinfonik mit dem Schwerpunkt der 6. Sinfonie, die wenige Monate zuvor in Tallinn uraufgeführt wurde. Tomi Mäkelä, der gerade sein immenses Buch über Jean Sibelius veröffentlicht hat, versäumte es nicht, auf einige gerade in Mitteleuropa keineswegs geläufige Verbindungslinien zwischen dem finnischen Sinfoniker und aktuellen Komponisten hinzuweisen. Die Schlussdiskussion bestand im Wesentlichen wieder aus Fragen an den Komponisten. Tüürs zumeist in Englisch gegebene Antworten sind hier ins Deutsche übersetzt.

Im Dezember 2007

Hans-Klaus Jungheinrich

Inhalt

Vorwort

Harmonie und Irritation. Zu Erkki-Sven Tüürs Chorwerken

Jörn Peter Hiekel

Zur musikalischen Zeit. Über die formalen Grundlagen der Werke von Erkki-Sven Tüür. Ein Beschreibungsversuch

Kerri Kotta

«Wallenberg». Erkki-Sven Tüürs Musiktheater über einen «Verschwundenen»

Hartmut Lück

Wie sich das Drama entwickelt. Gedanken zu Erkki-Sven Tüürs Konzert für Violine und Orchester

Wolfgang Sandner

Erkki-Sven Tüür und die sinfonische Tradition

Hans-Klaus Jungheinrich

«Searching for Roots» und die estländische Identität Versuch einer Verortung Erkki-Sven Tüürs zwischen John Adams, Lennart Meri und Jean Sibelius

Tomi Mäkelä

«Meine Musik spricht die verschiedensten Generationen an» Hans-Klaus Jungheinrich im Gespräch mit dem estnischen Komponisten Erkki-Sven Tüür

Dem Oxymoron auf der Spur. Schlussdiskussion mit Fragen an Erkki-Sven Tüür

AutorInnen

Harmonie und Irritation

Zu Erkki-Sven Tüürs Chorwerken

Jörn Peter Hiekel

Die Chorwerke markieren einen wichtigen Teilbereich von Erkki-Sven Tüürs Gesamtschaffen. Die nachfolgende Sichtung der zu diesem Teilbereich gehörenden Werke versucht einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Werke zu zeigen. Ich werde mich dabei bewusst nicht in einem musikhistorischen Gänsemarsch durch die verschiedenen Schaffensphasen bewegen und zunächst auch offenlassen, ob es klar definierbare Schaffensphasen überhaupt gibt, sondern werde eher typologisch vorgehen – und den manchmal unscheinbaren, manchmal höchst evidenten Verknüpfungen der Werke untereinander zu folgen versuchen, um daran dann einige allgemeine Überlegungen anzuknüpfen, einschließlich einiger Seitenblicke auf verschiedene andere Komponisten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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