Schwarzes Herz - Andreas Peter - E-Book

Schwarzes Herz E-Book

Andreas Peter

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Beschreibung

Das "Schwarze Herz" ist ein Märchen für die Adventszeit, eingeteilt in 24 Kapitel, als eine andere Art Adventskalender. "Dereinst wird ein Schwarzes Herz über das Land kommen. Dieses Schwarze Herz wird das Land ins Unglück stürzen, die Schwärze auch in die Herzen aller Menschen in diesem Lande bringen und sie verderben. Schleichend wie ein Gift wird es sich überall ausbreiten, unbemerkt, bis die Dunkelheit in allem Menschen eingekehrt und alles Leben in ihnen gestorben sein wird." Dass es diese Legende gibt und was sie für eine Bedeutung haben würde, das wissen die beiden Zwillingskinder des Königs nicht, bis kurz bevor sie volljährig werden und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen.

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Seitenzahl: 591

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Schwarzes Herz

Ein Märchen für die Adventszeit

Andreas Peter

Impressum

Texte: © Copyright by Andreas Peter Umschlag:© Copyright by Andreas Peter Verlag:Andreas Peter, Neufahrn bei Freising

Druck:epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

ISBN 978-3-746751-32-0

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

Für Jane,meine Märchenprinzessin.Als Adventskalender 2017.

Kapitel 1

oder der 1. Tag im Adventskalender

Es war ein herrlicher Spätsommertag. Nur ein paar wenige kleine weisse Wölkchen waren am Himmel und die Sonne schien mit ihrer ganzen Kraft auf das Land herunter. Ein leichter Luftzug ging ab und an und liess sowohl die Fahnen auf ihren Masten am Schloss sich leicht bewegen wie auch die Schwüle des Tages erträglich werden.

Schon eine kleine Weile stand er hier, mitten an der Brüstung des Wehrturmes des Schlosses, zu dessen Seiten sich das Gebäude der Ritterschaft anreihte, von wo aus man den Turm besteigen konnte, und blickte hinaus auf das Land und in die Ferne.

Nicht mehr lange, nur noch ein paar Wochen, dachte er bei sich, und er würde sein achtzehntes Lebensjahr vollendet haben und danach seine Ritterweihe erhalten. Ein Lächeln schlich sich bei diesem Gedanken wieder auf sein Gesicht und auch das leichte Kribbeln in seinem Bauch war wieder da, als er dran dachte, wie es wohl sein würde, wenn sein Vater, der König, ihn persönlich zum Ritter schlagen würde.

Als kleines Kind war er schon oft hier gewesen und hatte die stolzen Ritter bewundert, ihnen beim Trainieren mit dem Schwert, der Hellebarde und der Lanze zugesehen, auf der Schlossmauer gestanden und durch die Zinnen geschaut, wie sie draussen auf den Wiesen und Weiden das Reiten alleine und in Formation übten, genauso wie er im Exerzierhof Stammgast gewesen war. Und als junger Knabe dann war er als Knappe aufgenommen worden, kaum dass er alt genug dazu war.

Seither war es sein grösster Wunsch, einer der stolzen Ritter zu werden, worauf er hinarbeitete, mit all seinem Fleiss jede Übung, körperlich wie geistig, absolvierte, niemals jammerte und bis zur völligen Erschöpfung immer wieder alles gab.

Mehr als sein halbes Leben nun war dies sein Lebensinhalt gewesen und sein Traum, zu den grössten Rittern des Landes zu gehören.

Ein Traum, der bald in Erfüllung gehen würde.

Sein Blick wanderte weiter über die Felder und Wiesen, hinüber zum Wald und über die Hügel, die dahinter zu sehen waren. Weit und breit ruhiges friedliches Land, so wie er es nicht anders kannte. Auf der anderen Seite erstreckte sich nicht weit weg vom Schloss, nur einige Minuten zu Pferde entfernt, die kleine Stadt mit ihren vielen fleissigen Bauern und Handwerkern. Der kleine Fluss, der am Rande der Stadt entlang floss, war von hier aus nicht mehr zu sehen. Doch die Berge, die sich in der Ferne auf der anderen Seite des Flusses erhoben, waren bei diesem klaren Wetter gut zu erkennen.

Er liebte dieses Land, seine Heimat, in der er gross geworden war, die er mit dem königlichen Jäger als Kind gerne erkundet hatte.

Und doch, je näher der Tag kam, an dem auch ihm der Rittertitel verliehen werden sollte, desto mehr dachte er auch darüber nach.

War es als kleines Kind seine Vorstellung gewesen, dass er einst als grosser Ritter gegen Drachen und Unholde ausziehen würde, so war ihm in all den Jahren niemals auch nur ein fremder Soldat, ein Räuber oder dergleichen begegnet, bei dem es das Eingreifen eines Ritters bedurft hätte. Auch hatte er niemals davon gehört, dass einer der anderen Ritter des Königs aus einem solchen Grunde benötigt worden wäre. So hoch die Zahl der Ritter im Schloss war und so gut ihr Ausrüstungs- und Ausbildungsstand, er hatte das Leben der Ritterschaft nie anders erlebt als übend und trainierend.

So stand er nun da, der junge Prinz und hing seinen Gedanken nach, als er hinter sich Schritte und das Rascheln eines Kettenhemdes hörte. Er brauchte nur einen Moment zu lauschen, um am Gang den alten Winfried zu erkennen, einen seiner Lehrmeister und sein Mentor seit den allerersten Tagen und einer der ältesten Ritter hier am Schloss.

Winfried stellte sich neben den Prinzen und blickte ebenfalls kurz in die Ferne, bevor er den Kopf drehte und den Prinzen zu seiner Seite anblickte.

»Ihr seht nachdenklich aus. Fast könnte ich meinen, dass ich mir Sorgen machen muss«, sprach Winfried nach einer kurzen Weile in ruhigem Tonfall.

»Ach Winfried, das braucht Ihr nicht«, antwortete der Prinz, »es ist ja nichts passiert.«

Doch der alte Ritter kannte seinen Schüler nur zu gut, um zu sehen, dass ihm doch etwas auf dem Herzen lag, was dazu führte, dass sich Falten auf seiner Stirn bildeten. Und so wartete er einfach noch einen Moment, bis der Prinz von sich aus weiter sprach.

»Wie lange bin ich nun schon Knappe? Wie lange seid Ihr schon Ritter? Wie lange leben wir hier schon Tag ein, Tag aus, ohne dass etwas passiert wäre, das einen Ritter bedürfte?«

Winfried schaute den Prinzen tief in die Augen und nun legte sich seine Stirn in Falten.

»Nein, versteh mich nicht falsch. Es ist gut und richtig, wenn Ihr, wenn wir nicht gebraucht werden. Doch manchmal frage ich mich, wofür betreibt man den ganzen Aufwand, wenn kein Feind das Land bedroht, kein Nachbar mit einem im Streit liegt, niemand vorbei zieht, der Ärger bereitet. Irgendeinen Grund muss es doch geben, dass all die vielen Ritter ausgebildet werden und unentwegt trainieren, sich vorbereiten wie auf eine unsichtbare Gefahr.«

Nun waren noch mehr Falten auf der Stirn des alten Winfried zu sehen und Sorge war in seinem Blick zu erkennen. Einige Momente vergingen, bevor er tief Luft holte und doch erst einmal wieder ausatmete, ohne etwas gesagt zu haben.

Der Prinz schaute ihn die ganze Zeit an und ihm war klar, dass es etwas gab, das ihm sein Lehrmeister sagen wollte, aber nicht sagte.

»So sagt es mir. Es ist das Land meines Vaters, es sind die Ritter, die meinem Vater die Treue geschworen haben. Verratet es mir«, bat der Prinz.

Winfried blickte dem Prinzen tief in die Augen, seufzte dann einmal tief und blickte nun seinerseits wieder in die Ferne. Schwer schien er sich auf einmal abstützen zu müssen auf der Brüstung, doch er schwieg weiter.

Leicht flehentlich sprach der Prinz noch einmal, »Winfried, erzählt es mir. Bitte.«

Wieder dauerte es eine Weile, die der alte Ritter unbewegt da stand und sein Blick ging ins Leere, bis er sich unendlich langsam, als wäre es die grösste Mühe seines Lebens, sammelte und sprach: »Es gibt einen guten Grund, warum es uns Ritter gibt und wir vorbereitet sind. Es gibt eine Bedrohung für das Land und seine Leute, für das Schloss und die Königsfamilie.

Früher gab es nur eine Hand voll Ritter, die auch nicht hier am Schloss ausgebildet wurden. Doch vor etwa zwei Jahrzehnten, noch kurz vor deiner Geburt, änderte sich dies und daraufhin entstand die Ritterschaft hier im Lande und hier im Schloss.

Doch es ist seitdem untersagt, es auszusprechen oder darüber zu reden. Er soll sich nicht herumsprechen und Angst unter der Bevölkerung schüren. Es ist schon schlimm genug, wie es ist, fast schon wie ein Belagerungszustand, in dem wir uns befinden. Und drum ist es auch unsere Pflicht so wachsam zu sein, und nicht einzurosten.«

Winfried machte eine Pause und schien in Gedanken versunken. Der Prinz wartete, dass er weiter sprach, doch als er dies nicht von alleine tat, fragte er: »Wer weiss denn alles davon, wenn es keiner wissen soll, aber zumindest Ihr es wisst?«

»Ein jeder Ritter weiss von der Legende und hat einen Eid geschworen, nicht darüber zu sprechen.«

»Was für eine Legende? Warum habe ich nie davon gehört?«

»Weil es nur unserem Rittermeister und dem Gelehrten des Königs gestattet ist, darüber zu sprechen und darüber zu befinden, mit wem sie darüber sprechen.«

Energisch straffte sich Winfried und fuhr in deutlich geändertem Tonfall, eher dem des Lehrmeisters, fort.

»Ich hätte Euch niemals davon erzählen dürfen, nicht einmal, dass es diese Legende gibt. Doch seid Ihr nicht nur demnächst einer der Ritter, sondern auch der Prinz und Erbe dieses Landes und werdet daher die Last in doppelter Weise auf euren Schultern tragen. Und ich kann Euch fast nichts mehr weiter mitgeben, nach all den Jahren, die Ihr nun mein Schüler wart.«

Der Prinz schaute ihn nun mit grossen Augen an, nachdenklich wie auch nervös. Das Gehörte bewegte und erschütterte ihn. Diese Legende und diese Last, von der sein Lehrmeister sprach.

»Winfried, Ihr könnt mich doch nicht unwissend lassen!«

Nun drehte der alte Ritter wieder seinen Kopf, schaute den Prinzen direkt an und wirkte auf einmal wieder sehr alt und müde. »Ich kann und ich darf nicht, so leid es mir tut.«

Doch anstatt ihn zu beruhigen liessen diese Worte den Prinzen nur noch nervöser werden.

Er atmete ein paar Mal ein und aus und sprach dann in ruhigerem und sachlicherem Tonfall als er ihn sich selbst zugetraut hätte: »Doch in Ungewissheit kann ich nicht bleiben!«

Es war kein Vorwurf, sondern lediglich eine Feststellung. Doch wog diese Aussage schwer und aus ihr sprach auch eine Reife, wie sie der alte Ritter vom jungen Prinzen bisher noch nicht gekannt hatte.

Winfried schaute den Prinzen eine Weile an, nickte schliesslich, straffte sich sichtlich und ging wieder.

Und auch der Prinz verliess nach kurzem den Turm und begab sich zurück ins Gebäude der Ritterschaft.

Eine Stunde lang war er durch das halbe Schloss gelaufen, hatte im Gebäude der Ritterschaft und in den Ställen, in den Gärten und im Exerzierhof nach dem Rittermeister gesucht, doch nirgends war er zu finden gewesen. Auch Winfried, sein Lehrmeister und der Dienstälteste der Ritter seines Vaters, war nirgends zu finden gewesen. Doch weit konnten sie eigentlich nicht sein, denn ihre Pferde standen bei den anderen in den Stallungen.

Als er so über den Schlosshof schlenderte, in Gedanken versunken, sah er seine Schwester aus den Gärten ins Schloss laufen. Wo er stets der fleissige und strebsame gewesen war, war sie für ihn genau das Gegenteil, verbrachte Stunde um Stunde und Tag um Tag in den weitläufigen Gärten des Schlosses oder in den umliegenden Wäldern. Als kleines Kind schon war sie mit Begeisterung mit dem Jäger durch die Wälder gestriffen, während er den Rittern zuschaute. Beide jedoch hatten sie dabei immer wieder die Zeit vergessen und wie oft vom Vater tadelnde Worte erhalten, wenn sie dadurch zu spät zum Essen kamen.

Bei dem Gedanken durchzuckte es ihn und er wusste, wohin seine Schwester schnellen Schrittes unterwegs war. So nahm auch er die Beine in die Hand und war im Laufschritt unterwegs, um das gemeinsame Mittagsmahl nicht zu verpassen.

Natürlich war er zu spät, als er im Speisesaal des Schlosses ankam. Sein Vater und seine Schwester sassen schon bei Tisch, wie üblich alleine an der grossen Tafel, die für sie drei und damit nur zu einem kleinen Teil gedeckt war, und hatten gerade angefangen.

Schnell nahm er Platz, den Kopf leicht gesenkt, um den spöttisch zugeworfenen Blicken seiner Schwester genauso zu entgehen wie den tadelnden seines Vaters und griff direkt zum Löffel, um jedem möglichen Gespräch zu entgehen.

Seine Schwester war mal wieder das genaue Gegenteil von ihm. Obwohl sie Zwillinge waren, hätten sie unterschiedlicher nicht sein können. Wo er blonde leicht lockige Haare hatte, die kaum zu bändigen waren, waren ihre tiefschwarz, glatt und fielen wie ein ruhig fliessendes Wasser über ihre Schultern. Wo er die Gesellschaft der Ritter, die Tugenden und die Ehre bewunderte, war ihre Leidenschaft der Garten, die Wälder und die Natur. Sie war es, die dafür sorgte, dass wenn möglich immer frisches Obst und Gemüse der Jahreszeit auf dem Tisch zu finden war und er, dass es ausreichend Fleisch und süsse Nachspeisen gab.

Doch kaum hatte er die kleine Schale Bouillon mit frischem Gemüse aus dem Garten geleert und die knusprig gebratenen Hähnchenschenkel mit Kartoffeln auf den Teller gelegt, da kamen seine Gedanken von diesem kleinen Abschweifen schon wieder zurück zu dem, was ihn mehr bewegte.

Wie gerne hätte er seinen Vater sofort und direkt auf die Legende angesprochen, doch biss er sich auf die Zunge, denn er ahnte, dass er damit die Stimmungslage seines Vaters sicherlich nicht verbessern würde. Ob es an seiner Verspätung lag oder wieder an etwas anderem wusste er nicht, doch die meiste Zeit verlief das Essen schweigend, denn die Laune des Königs war sichtlich nicht die beste. Isolda, seine Schwester, versuchte zwar immer wieder das Gespräch zu beginnen und am Laufen zu halten, doch zeigte der Vater keinerlei Interesse, mit ihr über die blühenden Gärten oder was sie an diesen getan hatte und ändern wollte, zu sprechen. So schweigsam und in sich gekehrt wie heute war er zudem sehr selten, dass auch er neben seiner Schwester tatsächlich kaum erwarten konnte, dass das Essen ein Ende nahm.

So verliess sie schliesslich auch direkt nach dem Essen als erste den Speisesaal, wie meist ohne eine Nachspeise und liess ihn mit dem Vater alleine mit den kleinen leckeren Küchlein zurück.

Er überlegte, ob er seiner Schwester gleich folgen sollte um weiterhin nach dem Rittermeister zu suchen, doch dann beschloss er, sich ein Herz zu fassen und mit dem Vater zu sprechen. Allerdings blieben ihm beim Blick in dessen Gesicht die Worte regelrecht im Halse stecken.

Der Blick des Vaters war düster, das genaue Gegenteil des sonnigen Tages draussen, und schien durch ihn durch in die Ferne gerichtet zu sein. Und auch seine Haare schienen wieder etwas grauer geworden zu sein als sie es eh schon waren. Welchen Gedanken auch immer er nach hing, seiner Miene war zu entnehmen, dass er lieber nicht fragen sollte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, die er seinen Vater so anschaute, registrierte dieser dies schliesslich und sein Blick sammelte sich. Ein kurzer kalter Schauer lief ihm den Rücken runter, als er seinem Vater direkt in die Augen schaute und meinte die ganzen Sorgen der Welt darin widerspiegeln zu sehen, so dass er sich nicht traute, von sich aus das Wort zu ergreifen.

Schliesslich, nach einer gefühlten Ewigkeit, in der er von seinem Vater schweigend angeblickt wurde, stand der König auf, stützte sich dabei wie unter einer unsichtbaren Last schwer am Tisch ab und verliess langsam müden Schrittes den Speisesaal.

Einige Momente lang blieb Leonhard noch sitzen und grübelte. Wusste sein Vater, dass er von der Legende wusste? Hatte Winfried es dem Rittermeister und dieser es seinem Vater erzählt? Waren deswegen die beiden nicht aufzufinden gewesen? Was hatte es nur mit dieser Legende auf sich? Das wollte und musste er wissen, das war seine Pflicht als Thronfolger, wenn er sein Land beschützen wollte wie sein Vater.

So stand er nun doch auf, um seinem Vater zu folgen und ihn danach zu fragen. Kräftigen Schrittes eilte er los.

Doch kaum, dass er die Tür des Speisesaals geöffnet hatte, stand auch schon ein Diener vor ihm, als hätte er dort auf ihn gewartet. Fast hätte er den schmächtigen Diener, der kaum älter sein konnte als er selbst, dabei umgerannt.

»Mein Prinz, mir ist aufgetragen Euch zu bestellen, dass Ihr Euch um drei Uhr im Studierzimmer des Meisters Mondschein einfinden möget«, sprach dieser vorsichtig mit zittriger Stimme.

Zum königlichen Gelehrten sollte er, da war er verwundert. »Wer hat dies angeordnet? Und warum?« fragte er den Diener.

Dieser wurde noch etwas nervöser, als er antwortete, »Das weiss ich nicht. Mir wurde vom Gehilfen des Meisters Mondschein nur aufgetragen, Euch dies zu bestellen.

»Danke«, antwortet der Prinz knapp und ging weiter. Dann war sein Rittermeister bei Meister Mondschein gewesen und beide von Winfried unterrichtet worden, was sie vormittags gesprochen hatten. Nach einigen Schritten blieb er jedoch wieder stehen und grübelte kurz.

Es würde jetzt wohl keinen Sinn machen, mit seinem Vater sprechen zu wollen. Er sollte lieber abwarten, was Meister Mondschein von ihm wollte. Auch weiter nach Winfried oder dem Rittermeister zu suchen war vielleicht nicht das richtige. Und selbst wenn er sie finden würde, würden sie ihm wohl kein weiteres Wort sagen, solange er nicht bei Meister Mondschein gewesen wäre.

Also beschloss er, sein Zimmer aufzusuchen und nicht weiter im Schloss oder Schlosshof umher zu gehen. Gerade seiner Schwester wollte er nicht begegnen, um nicht von ihren neugierigen Fragen gelöchert werden zu können. Wer weiss, was sie schon wieder zu erahnen meinen würde, wenn sie ihn so nachdenklich sehen würde. Ihre Gedanken würde er nie verstehen.

Noch gute eineinhalb Stunden, stellte er fest, als er sein Zimmer im Schloss betrat. Diese Zeit wollte er nutzen, seine Gedanken zu sammeln und sich auf das Gespräch vorzubereiten, seine Aufregung in den Griff zu bekommen.

Doch egal was er machte, er kam aus dem Grübeln nicht raus. Das Geheimnis dieser Legende würde er alleine nicht lüften können, hoffte nur, dass er von Meister Mondschein nicht aus anderem Grunde bestellt wurde.

Hätte es mit seiner Ritterweihe zu tun haben können? Möglich, doch warum dann so kurzfristig und geheimnisvoll. Und über die Legende sollte ja jeder Ritter erfahren.

Hätte es mit seinem 18. Geburtstag und den Pflichten, die danach auf ihn warten könnten, zu tun? Mit der Thronfolge vielleicht, die irgendwann auf ihn warten würde? Doch auch dann und insbesondere dann müsste er von der Legende wissen und von all dem, was sie für ihn und das Land bedeuten würde.

Die Thronfolge, da kamen wieder alte Gedanken in Erinnerung, die er so oft schon durchdacht hatte. Wer nun Erstgeborener war, Isolda oder er, das wusste man nicht. Zwillinge waren sie und hatten natürlich auch am gleichen Tag Geburtstag. Ihr Vater war bei der Geburt nicht dabei gewesen, ihre Mutter hatte die Geburt nicht überlebt und die Hebamme, die als einzige noch mit bei der Geburt dabei war und es als einzige wissen könnte, hatte das Schloss schon vor so langer Zeit verlassen, dass niemand mehr wusste, ob sie noch lebte und falls ja, wo. So hatte es der Vater einmal vor vielen Jahren erzählt, als er ihn danach gefragt hatte, als kleiner Junge, als er sich das erste Mal mit seiner Schwester gestritten hatte, wer denn nun älter war. Der Vater hatte die kindliche Streitigkeit mit einem Machtwort beendet. Und auch als er ein paar Tage später den Vater noch einmal in Ruhe gefragt hatte, war die Antwort unmissverständlich, dass über dieses Thema nie wieder gesprochen werden sollte, so dass er es auch seitdem nicht mehr gewagt hatte, anzusprechen. Eile war hier eh nicht geboten, denn ihr Vater erfreute sich bester Gesundheit und würde noch lange regieren.

Grundsätzlich verstand er sich mit seiner Schwester, auch wenn er ihren Lebenswandel genauso wenig nachvollziehen und wirklich für gut heissen wollte, wie sie seinen. Wirklichen Streit hatten sie beide seit Jahren nicht mehr gehabt, doch wirklich viel gemeinsam machten sie auch nicht. Sie akzeptierten dies und gingen jeder seinen Weg, auch wenn sie natürlich bei ihrem Vater gemeinsam im Schloss wohnten und sich täglich mindestens bei den Mahlzeiten sahen.

Nervös blickte er auf die Uhr im Zimmer, doch die Zeit war gerade einmal etwa zur Hälfte vergangen. So wandte er sich zum Fenster und liess seinen Blick wieder über die Mauern des Schlossgartens und das Land dahinter wandern, wie zuvor schon auf dem Turm, auf dem er jetzt lieber stehen würde. Er sah Ritter draussen zu Pferde mit Langlanzen üben, was er noch viel lieber tun würde als, fast wie ein Gefangener, in seinem Zimmer abzuwarten, dass die Zeit verging.

Nicht viel später eilte der junge Prinz mit stürmischem Schritt durchs Schloss, aus dem Trakt der privaten Gemächer durch die grosse Empfangshalle in den Trakt der Bediensteten, dort hinauf in das oberste Geschoss und war natürlich einige Minuten zu früh vor der Tür des königlichen Gelehrten angekommen.

Doch bevor er noch überlegen konnte, ob er vor der Tür warten oder anklopfen solle, wurde die Tür geöffnet und sein Rittermeister stand vor ihm.

Erstaunt blickte der Prinz ihn an, denn mit ihm hatte er nicht gerechnet, bevor er sich nach zwei drei Sekunden wieder gefasst hatte und sich vor ihm eilig leicht verbeugte, wie es sich gehörte.

»Leonhard, kommt herein«, sprach der Rittermeister aber direkt, ohne sich mit Höflichkeitsfloskeln oder Etikette aufzuhalten. Und so folgte der Prinz ihm hinein in die Räume des Meisters Mondschein. Verwirrt war er weiterhin und sogar jetzt noch ein wenig mehr.

Durch den kleinen Vorraum folgte er durch eine der drei Türen in das Studienzimmer, das er gut aus so einigen Stunden des Zuhörens, Forschens und Lernens kannte. Das Zimmer war zwar nicht übermässig gross, mass etwa vier auf fünf Schritt, war jedoch zu zwei Seiten mit Bücherregalen versehen, die nahezu bis zur Decke gefüllt waren mit den unterschiedlichsten Büchern, wissenschaftlichen wie geistlichen, Atlanten und grossen Folianten, Karten und Zeichnungen von Flora und Fauna, Tieren und Medizin und noch vielem mehr. Der Schreibtisch, der am anderen Ende des Raumes vor einem der beiden Fenster stand, war wie gewöhnlich so voll gepackt, dass er kaum zu erkennen war.

Daneben stand der grosse Globus mit all den bunten Ländern, Gebirgen und Ozeanen, den er als kleines Kind schon so bewundert hatte. Doch diesmal schenkte er ihm kaum Aufmerksamkeit, sondern nur der inzwischen alten und schon leicht gebrechlich wirkenden Person, mit dem inzwischen weissgrauen Haaren und einem passend dazu gepflegten etwa eine Hand langem Bart.

Meister Mondschein stand in seiner dunkelblauen Robe am Schreibtisch und war in ein Dokument vor sich vertieft, als sie den Raum betraten.

Doch bevor Leonhard etwas hätte sagen können, drehte sich Meister Mondschein zu ihm um und ein leichtes freudiges Lächeln hellte sein sonst sorgenvoll aussehendes Gesicht auf.

»Leonhard, mein Prinz«, sprach er mit warmer Stimme, »danke, dass Ihr gekommen seid.«

»Ihr hattet nach mir gewünscht, Meister Mondschein«, antwortete er, mit leiser und vorsichtiger Stimme.

»Ja ja, so nehmt Platz«, sprach Meister Mondschein, als hätte er die Unsicherheit in der Stimme des Prinzen gar nicht registriert und deutete auf einen der beiden Lesesessel, die im Raum standen.

Leonhard nahm Platz, jedoch nicht wie sonst üblich bequem in die Tiefen des Sessels gedrückt, um es sich mit einem der Bücher bequem zu machen, sondern steif und aufrecht am vorderen Rand der Sitzfläche. Meister Mondschein setzte sich langsam und auf Grund seines Alters bedacht in den zweiten Sessel, während der Rittermeister ihnen gegenüber vor dem Bücherregal stehen blieb, die Arme hinter dem Rücken verschränkt und abwartend, was nun kam.

Ein ungleiches Bild gaben die drei Personen ab, Meister Mondschein in der ordentlichen dunkelblauen Robe eines Gelehrten, der Rittermeister im Waffenrock mit dem grossen königlichen Wappen auf der Brust und sein Schwert gegürtet sowie der Prinz in höfischer Alltagskleidung.

Nach einem unendlich erscheinenden Moment der Stille begann Meister Mondschein: »Nun, mein Prinz. An sich ist es zu früh, um miteinander zu sprechen. Doch nachdem ich mir sicher bin, nachdem ich es mehrfach überprüft habe, dass die Sterne in einer Konstellation stehen, die ich nicht ganz deuten kann, haben Meister Wilhelm«, dabei deutete er mit einer kurzen Pause auf den Rittermeister, der ganz sachte nickte, »und ich beschlossen, bereits jetzt mit Euch zu sprechen.«

»Drum habe ich mit Ritter Winfried schon vor einiger Zeit darüber gesprochen, dass Ihr es vielleicht früher erfahren müsst«, ergänzte sein Rittermeister.

Leonhard war erstaunt ob des Gehörten, doch bevor er weiter hätte nachdenken können, sprach Meister Mondschein bereits weiter, so dass er gebannt lauschte.

»Wie dieser schon erwähnt hat, gibt es ein gut gehütetes Geheimnis in diesem Schloss und in diesem Lande. Eine Legende, von der nur wenige wissen und auch nur wenige wissen dürfen.

Für Euch wäre es an der Zeit gewesen, wie bei jedem anderen der königlichen Ritter auch, erst zur Ritterweihe, wenn Ihr erwachsen seid.

Doch bis dahin ist es nicht mehr lange und der rechte Zeitpunkt mag früher gekommen sein, dass es notwendig ist, dass Ihr von der Legende erfahrt.«

Einen Moment hielt Meister Mondschein nun wieder inne und dachte nach, sein Blick schien in die Ferne zu schweifen und seine Gedanken weit weg zu sein.

Erst als der Rittermeister sich leise räusperte gab er sich einen sichtbaren leichten Ruck und war wieder bei der Sache. Leonhard hätte in dem Moment nicht gewagt, etwas zu sagen, da die Verwirrung gerade Überhand über die Neugier nahm.

»Es gibt eine Legende in diesem Land, die dem König vor etlichen Jahren offenbart wurde und eine grosse Bürde auferlegt. Um diese tragen zu können und sein Land sowie seine Bewohner schützen zu können, gibt es die Ritter des Königs als treue, ergebene und verschwiegene Gefolgsleute.

Sie sind neben dem König und einer Hand voll weiterer Ausgewählter hier im Schloss, die für die Sicherheit mit zuständig sind, die einzigen, die davon wissen.«

Nun schaute Meister Mondschein ihn direkt und sehr ernst an, bevor er mit eindringlicher Stimme weiter sprach: »Prinz Leonhard, es wird Eure Pflicht als Ritter sein, von der Legende zu wissen, ihr Geheimnis zu bewahren und deinem Land zu dienen, um es vor der Legende und ihren Folgen zu beschützen! Es ist zudem Eure Pflicht als Prinz und künftiger Erbe des Throns, umso mehr auf alle Ereignisse zu achten und für die Sicherheit und das Wohl des Landes und seiner Leute zu sorgen!«

Nun lief Leonhard ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter und ein Kloss im Hals hinderte ihn daran, etwas anderes zu tun als still und gebannt zuzuhören, was noch kommen möge.

Es war jedoch Rittermeister Wilhelm, der nun weiter sprach.

»Von einem jeden Ritter wird der Eid abgenommen, von dem, was er zur Legende hören wird, mit niemandem zu sprechen. Mit niemandem heisst, nicht mit irgendeinem Fremden, nicht mit irgendeinem Bewohner dieses Landes, nicht mit seinen besten Freunden, Verwandten oder mit seiner Familie, nicht mit den anderen Rittern, auch wenn diese das gleiche wissen und das gleiche geschworen haben, nicht mit dem König und auch nicht mit mir.

Sollte es nötig sein, dann wird der König die Ritter befehligen und gegen jede Gefahr für das Land in die Schlacht schicken, ohne dass über diese Legende gesprochen werden darf.

Als Ritter schwört Ihr dem König für diesen Fall bedingungslose Treue und Gehorsam, ohne zu zögern jeglichen Gefahren entgegen zu treten sowie zu jeder Zeit tapfer und ehrenhaft zu sein.«

So wie der Rittermeister mit unbewegter Miene diese Worte gesprochen hatte, so hielt er nun inne, wartete lange genug, dass Leonhard die Worte aufnehmen und auch ihre Bedeutung erkennen konnte, doch nicht zu lange, so dass er sich keine weiteren Gedanken machen, sie nicht interpretieren könnte.

»Seid Ihr bereit, diesen Schwur jetzt schon abzulegen, obwohl Ihr noch kein Ritter seid, Prinz Leonhard?«

Es dauerte einen weiteren Moment, bis Leonhard auch diese letzten Worte verarbeitet hatte. Und die beiden, Meister Mondschein und Rittermeister Wilhelm gaben ihm diese Zeit, ohne ihn zu drängen oder nachzufragen.

Als Leonhard sich wieder so weit gesammelt hatte, dass er Herr seiner Stimme war, sprach er klar und deutlich: »Ja, das bin ich!«

»Dann steht auf und sprecht mir nach«, forderte der Rittermeister ihn auf.

Leonhard stand auf und sprach ihm die Worte des Schwures Satz für Satz nach, die der Rittermeister ihm vorsprach, die gleichen, die er vorher schon gesprochen hatte.

Rittermeister Wilhelm nickte anschliessend bestätigend und anerkennend und Meister Mondschein deutete Leonhard, sich wieder zu setzen.

»Die Legende besagt«, begann er nun direkt, »dass dereinst ein Schwarzes Herz über das Land kommen wird. Dieses Schwarze Herz wird das Land ins Unglück stürzen, die Schwärze auch in die Herzen aller Menschen in diesem Lande bringen und sie verderben. Schleichend wie ein Gift wird es sich überall ausbreiten, unbemerkt, bis die Dunkelheit in allen Menschen eingekehrt und alles Leben in ihnen gestorben sein wird.«

So kurz diese Worte waren, so sehr erfüllten sie Leonhard mit Schrecken. Und er brauchte nun einen deutlich längeren Moment, um das gehörte vollständig zu verstehen. Erneut lief ihm ein kalter Schauer den Rücken runter und ein Erschrecken nistete sich in seine Glieder ein.

Nach einer ausreichenden Pause sprach Meister Mondschein weiter: »Eure Aufgabe ist es ab sofort, wie alle anderen Ritter, wie Meister Wilhelm und ich, wie auch Euer Vater, wachsam zu sein, aufmerksam auf alles zu achten, auf jede Veränderung, und zu prüfen, was sie hervor ruft.

Es kennt keiner die Anzeichen der Legende oder der Veränderung, die sie auslöst. Dazu ist nichts überliefert. Somit kann man nur durch entsprechende Aufmerksamkeit hoffen, es rechtzeitig zu erkennen.

Wann auch immer dies sein mag, genau für den Moment müssen die Ritter vorbereitet und gewappnet sein, um sofort eingreifen zu können. Das Böse darf das Land nicht vergiften und in seine Hände bekommen.

Es ist eine grosse Last, die seitdem auf Eures Vaters Schultern lastet, die er alleine, ohne das Wissen um die gut ausgebildeten, wehrhaften Ritter in seiner Hand, wohl nicht tragen könnte. Und es wird irgendwann auch Eure Last sein, die Ihr erst als Ritter und später zudem auch als Thronfolger mittragen musst.«

Er machte wieder eine Pause und mit nun traurigem Blick fuhr er fort zu sprechen: »Mein Prinz, ich hätte gewünscht, Euch dies nicht eröffnen zu müssen, Euer bisher unbeschwertes Leben nicht so verändern zu müssen. Doch ist es meine Pflicht, von Eurem Vater auferlegt, zusammen mit Meister Wilhelm dafür zu sorgen, dass dieses Wissen zur rechten Zeit an die rechten Leute weitergegeben wird.«

Rittermeister Wilhelm fuhr direkt fort: »Wir sind die einzigen Personen, mit denen es euch gestattet ist, darüber zu sprechen, und auch nur, wenn es unter vier Augen geschieht und absolut sicher keiner zuhören kann. Nur wenn etwas geschieht, etwas Auffälliges bemerkt wird, dann ist dies Meister Mondschein oder mir unverzüglich vertraulich mitzuteilen und keinem anderen.

So Ihr denn Fragen haben mögt, werden wir versuchen sie Euch als Thronfolger zu beantworten, mit all unserem Wissen und so gut wir können. Dazu stehen wir Euch zu Diensten.«

Fassungslos sass Leonhard da, mit solchen Worten seines Rittermeisters, dem ja er selbst als angehender Ritter zu allen Diensten verpflichtet war, hätte er niemals gerechnet. Doch mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass er nicht nur der kleine Prinz war, der hier zu Hause war und seinem grossen Traum folgte, einmal Ritter zu werden, sondern dass er der Prinz war, der einmal König werden würde. Diese Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag, dass er froh war zu sitzen und sich an den Armlehnen des Sessels festhalten zu können. Das war alles fast zu viel auf einmal gewesen für ihn, dass sein Kopf schwirrte, dass er sich zugleich leicht schwindelig und leicht unwohl fühlte und dennoch aufgeregt.

Ihm musste wohl deutlich anzusehen sein, was hinter seiner Stirn gerade vor sich ging und dass die Zahnräder in seinem Hirn ratterten, so schnell sie konnten, denn Meister Mondschein beugte sich nach vorne, legte ihm die Hand beruhigend auf die Schulter und sprach in väterlichem Ton: »Macht Euch keine Sorgen und überstürzt nichts. Es besteht zu nichts eine Eile. Wenn Ihr mögt haben wir den ganzen Nachmittag Zeit und ich werde versuchen, Euch alle Fragen zu beantworten, die Euch auf der Seele brennen mögen.«

Dabei lächelte er und Leonhard war froh, dieses Lächeln und die beiden bekannten Personen, denen er auch immer voll vertrauen konnte, in diesem Moment um sich zu haben.

Es war schon spät und kurz vor dem Abendessen, als Leonhard wieder seine privaten Gemächer erreichte.

Natürlich hatte er bei weitem nicht alles gleich verstanden und die Tragweite des Gehörten begreifen können, doch das Gespräch mit den beiden Meistern Mondschein und Wilhelm hatte ihm geholfen, den ersten Schrecken zu verdauen und Stück für Stück zu realisieren, was er gehört hatte und was dies bedeutete.

Doch was dies für ihn und sein Leben bedeuten würde, das begann er erst jetzt so langsam zu ahnen, als er alleine für sich hier war und rund um ihn herum Ruhe.

Wieder stand er in seinem Zimmer am Fenster, wie vor ein paar Stunden schon. Doch jetzt blickte er in die Ferne und sah gar nicht das eigene Land, nahm nicht wahr, was er sah.

Das unbeschwerte Leben, das er bisher hatte, war für ihn wohl nun vorbei. Sein grosses Ziel, einer der Ritter zu werden, war so nah, wie nie zu vor, direkt vor seiner Nase, in absolut greifbarer Nähe. Das was er sich seit er zurück denken konnte am sehnlichsten wünschte wäre gleich einmal erreicht. Und dennoch verblasste es nun, der Zauber war weg, seine Phantasien nicht mehr strahlend, wie es sein würde. Denn ein Schatten hatte sich darüber gelegt.

Der Ernst des Lebens holte ihn ein, schneller als er es hätte ahnen können. Mit der Offenbarung der Legende heute für ihn würde seine Ritterweihe gleichzeitig zu einer grossen Aufgabe und Bürde werden. Und noch nicht einmal der grössten, denn die würde viel später noch auf ihn warten, wenn er irgendwann den Thron des Vaters als sein Nachfolger besteigen würde.

Der junge Prinz erkannte, dass er einen grossen Schritt getan hatte ins Erwachsenenleben, ohne dass er es gemerkt hatte, dass dies geschieht, ohne dass er gefragt worden wäre und ohne dass er eine Wahl gehabt hätte. Wie hätte er auch als kleines Kind, vor mehr als der Hälfte seines bisherigen Lebens, ahnen können, welche Tragweite und Konsequenz es einmal haben würde, als er beschloss Ritter werden zu wollen und sich seitdem durch nichts von dem Vorhaben hatte abbringen lassen.

Tief seufzend wusste er, dass ihm die Erlebnisse des heutigen Tages eine unruhige oder gar schlaflose Nacht bereiten würden. Nun verstand er auch den guten alten Winfried, nun verstand er alles, was er heute früh gesagt und was er nicht ausgesprochen hatte. Auch, wieso es Winfried so schwer gefallen war, auf seine drängenden Fragen keine Antworten zu geben.

Und das war im Moment auch vielleicht einer der härtesten Punkte für ihn, dass er mit Winfried nicht sprechen durfte, dem er sich sonst mit allen Sorgen anvertrauen und bei dem er immer Rat finden konnte.

Auch mit seinem Vater würde er nicht sprechen dürfen, wobei er gerade nicht wusste, ob dies gut oder schlecht war, ob er mit ihm über die Legende sprechen wollen würde oder nicht. Doch er ahnte nun, warum sein Vater so sorgenvoll war und so schweigsam heute beim Mittagsmahl.

Mit diesen Gedanken wandte er sich um und machte sich langsam auf, sein Zimmer zu verlassen und zum gemeinsamen Abendessen zu gehen. Jetzt, anders als beim Mittagessen, so frühzeitig, dass er wohl als erster am Tisch sitzen würde, der vielleicht gar noch erst gedeckt werden würde.

Kapitel 2

oder der 2. Tag im Adventskalender

Na das kann heute ja wieder heiter werden, war der erste Gedanke, der ihr durch den Kopf schoss, als sie den Speisesaal endlich verlassen hatte.

Die Stimmung war wieder einmal mehr als sonderbar gewesen und das ganze Frühstück zu einem komischen und wenig lustigen Theaterspiel geworden. Dass ihr Vater mal mehr und mal weniger griesgrämig bei Tisch sass, das wusste sie ja, denn das kannte man nicht wirklich anders von ihm. Je nach Tagesform schwankte seine Stimmung zwischen dunkelster Nacht, Schneesturm, Dauerregen und tiefstem Kerkerverlies.

Dass sie heute früh extra schon im Garten gewesen war und einen bunten Strauss aus drei Dahlien mitgebracht hatte, die sich mit ihren Blütenblättern in kräftigem Rosarot und weichem Weiss um den kräftigen Stängel einer Sonnenblume schmiegten und deren gelben und braunen Kopf wie ein farbenfroher Kragen um den Hals lagen, schien er mal wieder in keinster Weise wahrgenommen zu haben. Ach was gäbe sie darum, wenn sie nur wüsste, wie sich seine Stimmung aufhellen liesse.

Doch er sprach nicht mit ihr darüber, blickte meist in die Ferne oder eine andere Richtung. Und wenn er sie direkt anblickte, dann immer mit einem sonderbaren Blick, der schwer zu verstehen und noch schwerer zu deuten war.

Lange hatte sie sich als Kind vor diesem Blick gefürchtet und war verängstigt am Tisch gesessen, hatte sich nicht getraut, alleine aufzustehen und zu gehen, bis der Vater selbst sich erhoben hatte. Doch mit dem Alter kam auch der Mut hierzu und inzwischen war sie es, die im Allgemeinen als erste den Tisch verliess.

Mit den Jahren hatte sie aber auch ausreichend Zeit gehabt, den Blick des Vaters zu deuten und herauszulesen, was sein meist unbewegtes Gesicht verbarg, welche Tonlage in seiner Stimme mit schwang, wenn er mit ihr sprach und was seine Augen verrieten.

Die Mischung war immer wieder eine andere, jeden Tag schwang etwas anderes mit darin oder kam mehr zum Vorschein: Trauer, Furcht, Strenge, Sorge und Müdigkeit waren oft dabei.

Ob sie nun mit den Jahren immer tiefer in ihres Vaters Seele zu blicken vermochte und seine Augen und Blicke zu ergründen oder ob sich seine Stimmung mit der Zeit tatsächlich änderte, darüber hatte sie auch schon nachgedacht, konnte aber auf diese Frage noch keine Antwort finden, die sie selbst befriedigen würde. Doch war es ihr, als würde sie Stück für Stück dunkler und düsterer.

Was auch immer Auslöser war, ein Gegenmittel kannte sie nicht.

Und mit ihrem Bruder brauchte sie auch nicht darüber sprechen, er hatte sie noch nie verstanden, als sie es früher einige Male versucht hatte.

Leonhard war zu allem Überfluss gerade selbst dabei, in den letzten Tagen sonderbare Züge zu zeigen.

Klar war er schon immer derjenige von ihnen beiden gewesen, der als kleines Kind mit dem Holzschwert herbeigeeilt kam, wenn sie als kleine Prinzessin aus den Klauen der schlimmsten Drachen befreit werden musste.

Bei dem Gedanken musste sie nun wieder lächeln und fast schon lachen. Was hatten sie damals noch einen Spass beim Spielen zusammen gehabt, als sie wie verrückt durchs Schloss getobt waren und alles durcheinander gebracht hatten. Sie hatte sich am liebsten in der Küche und im Vorratskeller versteckt und Leonhard war ihr tapfer und furchtlos in die Drachenhöhlen gefolgt, um dort gegen die gefährlichen Bestien anzukämpfen und sie zu erretten. Naja, die grosse Suppenkelle und der grosse hölzerne Rührlöffel mussten einiges aushalten gegen das Holzschwert und den ein oder anderen blauen Fleck gab es auch bei den schweren Gefechten, die sie in der Küche zwischen ihrem Bruder und dem Koch oder einer Küchenmagd beobachten durfte. Natürlich war Leonhard immer der, der am Ende siegte und dem besiegten Drachen heldenhaft sein Leben liess.

Herje, wie lange das nur wieder her war und wie die Zeit verging. Denn in ein paar Wochen würde ihr Bruder nun wirklich zum Ritter werden. Doch ob er auch richtige Drachen finden würde, gegen die er immer noch in den Kampf ziehen wollte, als er schon Knappe war und mit einem echten Schwert zu üben begann, sie wagte es fast zu bezweifeln.

Denn in diesem Land hauste definitiv keiner. Von dem hätten sie sonst sicherlich schon zumindest gehört, wenn nicht gar nach ihm gesucht. Ganz bestimmt hätten sie nach ihm gesucht, so oft wie sie mit dem Jäger Bertold die Wälder unsicher gemacht hatten.

Aber ihr Bruder bevorzugte es ja seit ein paar Tagen wie gesagt nun auch, immer komischer zu werden. Vielleicht stieg ihm die bevorstehende Ritterweihe ja zu Kopfe, denn natürlich gab es für ihn in letzter Zeit kaum ein anderes Thema, wenn sie miteinander sprachen, was eh Seltenheitswert hatte. Wen wunderte das auch, denn obwohl sie sich natürlich mit ihrem Bruder und für ihn freute, es ihm von ganzem Herzen gönnte, dass sein grösster Traum bald Realität würde, so gab es für sie doch noch andere Dinge im Leben als nur seine Ritterweihe. Daher kam es auch, dass die Gespräche in den letzten Monaten Stück für Stück einsilbiger und weniger wurden.

In den letzten Tagen begann er sich dann ein gutes Stück in Richtung des Vaters zu entwickeln. Wo er vorher noch mit ihr über die Gärten, Blumen, Tiere, über das Essen und alles mögliche Belanglose, was sich im Schloss so ereignete, gesprochen hatte, da war er nun in Gedanken spürbar wo anderes und hörte nur mit einem Ohr zu, antwortete einsilbig und schien kein rechtes Interesse zu haben. Was ihm allerdings dabei immer im Kopf herum ging, das hatte er nicht verraten, obwohl sie ihn schon einmal gefragt hatte.

Naja, doch davon wollte sie sich den schönen Tag nicht verdriessen lassen, denn die Sonne hatte schon wieder gut Kraft, auch wenn es noch später Morgen war und inzwischen war sie über die grosse Halle in den Innenhof des Schlosses gelangt.

Die Sonnenstrahlen begannen nun, richtig Kraft zu bekommen.

Isolda wandte sich nach links und lief schnellen Schrittes los, zwischen Schloss und den weiteren Gebäuden der Schlossanlage hindurch um auf die andere Seite des Schlosses zu gelangen, wo die Gärten lagen, die sie nach wenigen Momenten erreichte.

Vor ihr lagen die Schlossgärten, begann das Reich, in dem sie sich am wohlsten fühlte.

Kurz blieb sie am Rande des Schlosses stehen und atmete tief durch, liess ihren Blick dabei schweifen.

Der leichte Nebel, der über den Wiesen und Sträuchern gehangen war, als sie vor dem Frühstück kurz hier unten war, war inzwischen verflogen, auch wenn das Schloss noch lange Schatten warf. Der Himmel war fast komplett blau, nur ein paar kleine Schäfchenwolken hingen an ihm, konnten die Sonne aber nicht zurück halten.

Leichten Schrittes ging die Prinzessin wieder los, schien fast ein wenig zu tanzen, als sie den kleinen Kiesplatz auf der Rückseite des Schlosses durchschritt und in die Gärten eintauchte.

Sie folgte erst ein Stück dem geraden Hauptweg, der geradewegs vom Schloss weg führte, um dann nach rechts in einen der Nebenwege abzubiegen. Dort blieb sie an einer der hüfthohen Hecken stehen, strich mit den Händen sanft über das dichte Blätterwerk.

Genauso wie ihre Gedanken verlor sie sich einmal wieder, als sie weiter wandelte, quer durch die schön angelegten Blumenbeete, die kunstvoll gestutzten Hecken, vorbei an einigen grösseren Sträuchern und Bäumen. Sicher wie eine Schlafwandlerin lief sie über die Wege, die fast wie ein kleines Labyrinth wirkten, bis fast ans Ende des Gartens.

Von hier aus waren es nur noch ein paar Schritte bis zur Schlossmauer. Als sie sich umdrehte war das Schloss noch zu sehen, doch Details konnte man nicht mehr erkennen, so weit hatte sie sich schon entfernet. Und auch vom Treiben dort war nichts mehr zu hören. Nur der Wind, der durch die Blätter strich und das Singen der Vögel waren da. Es duftete nach den Blumen, die sie hier umgaben.

Hier fühlte sie sich wohl und frei, konnte einfach sie selbst sein, was ihr im Schloss im Beisein ihres Vaters nicht gelang.

Die Prinzessin griff ins Gras neben dem Weg, das allerdings noch leicht feucht von der Nacht war und so liess sie sich noch nicht dort nieder, um die Sonnenstrahlen zu geniessen, sondern ging ein paar Schritte weiter bis zu einer einfachen Bank, auf die sie sich setzte.

Wie schön und wie ruhig es ist, dachte sie wieder und wünschte sich insgeheim, dass sie ohne Sorgen ihr Leben einfach nur in der Natur verbringen könnte. Nicht eingebunden in das höfische Leben, nicht eingezwängt in das Schloss und die Schlossmauern.

Kaum hatte sie diesen Gedanken gedacht, sah sie auch schon einen Mann der königlichen Schlosswache nahen, auf einem seiner Kontrollgänge durch den Garten entlang der Schlossmauer. Sie schaute der Wache ruhig entgegen und als der Wachmann nahe heran war, verbeugte er sich und grüsste die Prinzessin vorschriftsmässig, wie es die Etikette vorsah. Sie erwiderte den Gruss entsprechend und schaute zu, wie der Wachmann seine Runde fortsetzte.

Natürlich konnte sie sich immerzu innerhalb der Schlossmauern sicher und beschützt fühlen. Dessen war sie sich gewiss, denn ihr Vater setzte alles daran, dass ihrem Bruder und ihr hier nichts geschehen konnte. Doch zog es sie hinaus in die Wälder und die freie unberührte Natur, die sie als Kinder und Jugendliche zusammen mit dem Jäger Bertold erkundet hatten.

Als der Wachmann ausser Sichtweite war, erhob sie sich daher und ging weiter, ein Stück in die Richtung, aus der der Wachmann gekommen war.

Hier war, halb hinter einer Hecke versteckt, ein kleines Türchen in der Schlossmauer, durch das sie schon so oft mit Bertold gegangen war, um direkt in den Wald zu gelangen, ohne den Umweg über das grosse Haupttor machen zu müssen.

Als sich das schmiedeeiserne und holzvertäfelte Türchen hinter ihr schloss stand sie nach wenigen Schritten mitten zwischen den Bäumen, von denen man über die Schlossmauer, die gut doppelt so hoch wie sie selbst gross war, hinweg nur die Kronen hatte sehen können.

Der intensive Geruch von Kiefern umspielte nun ihre Nase und auf dem weichen Waldboden federten ihre Schritte mit angenehmer Leichtigkeit. Mit einem Lächeln im Gesicht schritt sie voran.

Der Pfad, dem sie folgte, war kaum zu erkennen, doch kannte sie ihn so gut, dass sie ihn selbst dann noch sicher fand, wenn frischer Schnee den Waldboden gleichmässig bedeckte. Er schlängelte sich zwischen den immer höher werdenden Bäumen hindurch, um ein paar kleinere Felsen herum und nach einer Weile leicht ansteigend weiter.

Zwischendurch kreuzte ein grösserer Weg durch den Wald den Pfad, dem sie folgte. Hier waren die Hufspuren von Pferden zu erkennen, ältere wie neuere. Doch die Prinzessin folgte dem Pfad weiter.

Sie kam an einer der Futterkrippen vorbei, die Bertold im Winter für die Tiere des Waldes füllte. Hier hatte sie in sicherer Entfernung schon mit ihm auf der Lauer gelegen und im Winter die Rehe beobachtet, wie sie sich der Krippe vorsichtig genähert und gefressen hatten.

Ein wenig später machte der Pfad einen Knick, es ging ein paar hundert Meter etwas steiler hinauf. Das ganze Gelände stieg hier sichtbar an und kaum hatte sie die Kuppe erreicht, eröffnete sich ein kleiner Talkessel vor ihr mit einem kleinen See, vielleicht zweihundert Schritt lang an seiner längsten Stelle.

An ihrer Lieblingsstelle liess sie sich auf dem Felsen direkt am Wasser nieder und blickte in das klare Wasser. Kaum etwas störte die Oberfläche, so dass sie jeden Stein am Grund genau erkennen konnte. Hier war das Wasser noch flach und warm von der Sommersonne. Doch etwas weiter in Richtung Mitte wurde der See tiefer, dass man schwimmen musste und auch spürbar kälter, egal wie lange im Sommer die Sonne das Wasser wärmte.

Ein Fisch kam an die Oberfläche und die winzigen Wellen, die er dabei verursachte, breiteten sich langsam kreisförmig aus, wurden immer schwächer und konnten das Ufer bei ihr gar nicht mehr erreichen. Dafür sah sie nun zwei Fische in Wasser vor sich schwimmen.

Einige Zeit blieb sie hier sitzen, liess ihren Blick wie die Gedanken treiben und genoss die Zeit.

Bis sie nahe dem Wasser zwischen Steinen und Sträuchern etwas kleines rotes entdeckte. Sie schaute genauer hin und war sich sicher, dass hier ein paar Walderdbeeren wuchsen.

So stand sie nach einem Moment auf und tatsächlich, waren hier einige Sträucher mit den roten reifen Früchten. Vorsichtig griff sie danach und kostete eine der Erdbeeren.

Sie waren fast schon so weich, dass sie sie beim Pflücken mit den Fingern zerdrückt hätte und als sie sie kostete schmeckten sie zuckersüss. Natürlich konnte sie da nicht widerstehen und pflückte ein paar weitere der kleinen Köstlichkeiten.

Als sie eine Hand voll gegessen hatte, kam ihr eine Idee und sie griff in ihr Gewand, um ein Tuch hervor zu holen. Vorsichtig breitete sie es aus und pflückte weitere Walderdbeeren in das Tüchlein hinein, bis es gut gefüllt war, mit vielleicht einem halben Dutzend Händen voll. Behutsam nahm sie die Enden des Tuches und verknotete sie, so dass von dem kostbaren Inhalt nichts verloren gehen könnte. Ein paar letzte Erdbeeren fanden noch direkt den Weg in ihren Mund, bevor sie sich erhob und ihre Finger, die natürlich mit dem Erdbeersaft bedeckt waren, im klaren Seewasser wusch. Danach nahm sie das Säcklein auf, um sich wieder auf den Weg zu machen.

Auf der Kuppe drehte sie sich noch einmal um, bevor es weiter und wieder bergab gehen sollte. Noch einmal genoss sie die Ruhe und Unberührtheit der Natur hier und sah sogar am anderen Ufer des Sees drei Rehe trinken, bevor sie sich umdrehte und leise eine Melodie vor sich hin summend dem Pfad zurück folgte.

Als sie das Türchen in der Schlossmauer erreichte war es nicht mehr lange hin bis zum Mittagessen, so war die Zeit unterwegs vergangen. So durchquerte sie den Schlossgarten auf kürzestem Weg, betrat das Schloss aber durch einen Seiteneingang für die Bediensteten. Dieser führte sie auf kurzem Weg in die Küche, wo die Köche und Gehilfen schon fleissig am Werkeln waren.

Mit einem freudigen Hallo von allen wurde sie begrüsst. Seit sie denken konnte war sie fast täglich hier zu Gast und auch gern gesehen. Als kleines Kind hatte sie schon immer eine Kleinigkeit zu naschen hier bekommen, mal ein Stück Apfel, mal ein paar Nüsse, mal ein kleines Stück Kuchen oder andere süsse Naschereien.

Die Älteste der Küchenmägde kam in dem Moment mit einem warmen Lächeln auf sie zu und begrüsste sie freudig. Vor langer Zeit schon hatte Isolda sich erbeten, dass sie hier in der Küche und den Vorratskammern ohne Knicks und höfische Etikette ganz normal gegrüsst werden möchte, so wie in ihrer Kindheit und so war sie hier natürlich auch immer noch genauso herzlich willkommen wie als kleines Kind.

»Berta, meine liebe«, sprach die Prinzessin, »ich habe euch hier etwas mitgebracht«, und überreichte ihr das kleine Säcklein. Die Küchenmagd rieb sich ihre Hände an ihrer Schürze sauber und nahm das Säckchen vorsichtig entgegen, um es auf einem der Arbeitstische geschwind zu öffnen.

Ihre Augen leuchteten, als sie die frischen Walderdbeeren darin sah und Isolda sprach: »Sei so gut und zaubere für euch alle in der Küche hier etwas Leckeres daraus, wenn ihr mit dem Mittagessen fertig seid. Sie schmecken so zuckersüss, und davon sollt auch ihr alle etwas abbekommen.«

Berta war gerührt, wie immer, wenn Isolda ab und an etwas für sie alle mitbrachte. »Ach, meine Prinzessin, Ihr habt so ein grosses Herz.« Und ihre Augen leuchteten als sie die Prinzessin kurz an sich drückte.

»Ein Hoch auf unsere Prinzessin Isolda!« erklang es direkt nebenan vom Chefkoch, der gerade im Suppentopf rührte.

Und nun wurde es auch Isolda wieder warm ums Herz und ihre Wangen röteten sich leicht, so dass sie dem geschäftigen Treiben noch ein wenig zuschaute, hier und da ein kleines Löffelchen zu kosten bekam, von der Kartoffelcremesuppe, dem Rahmgemüse und der Zitronencreme der Nachspeise, bevor sie sich in ihr Zimmer begab, um sich für das Mittagessen frisch zu machen.

So herzlich und lebendig es vorher in der Küche gewesen war, so betrübt und still war das Mittagessen verlaufen. Auch schienen die Speisen, die gezaubert worden waren, auf dem Weg von der Küche in den Speisesaal einen Teil ihres Geschmacks verloren zu haben.

So war Isolda auch froh, als sie zusammen mit ihrem Bruder den Speisesaal wieder verlassen konnte.

Leonhard machte sich direkt auf den Weg in Richtung der Stallungen, um sein Pferd fertig machen zu lassen. Und Isolda dachte bei sich, dass dieses herrliche Wetter zu einem Ausritt mit ihrem Rappen traumhaft wäre.

Also begab sie sich in ihre Gemächer, um sich entsprechend umzuziehen und erreichte den Stall gerade, als ihr Bruder davor sein Pferd bestieg und mit drei anderen Rittern in Richtung des Schlosstores los ritt.

Kurz blickte sie ihm nach, doch nahm er sie schon gar nicht mehr wahr. Dann betrat sie den Stall, um sich selbst um ihr Pferd zu kümmern, ihm ein paar Mal über den Kopf zu streichen und ihm ein paar Worte zuzuflüstern, die das Pferd mit freudigem Kopfnicken beantwortete.

Aus einer anderen Ecke des Stalls holte sie drei Karotten und als sie zurück bei ihrem Rappen war, kam der Jäger Bertold auch in den Stall.

»Meine Prinzessin«, sprach der Bertold und verbeugte sich vor Isolda.

»Bertold, schön Euch zu treffen«, antwortete sie mit einem leichten Knicks.

Sie hielt ihrem Pferd die erste der Karotten hin, welche das Tier behutsam aus ihrer Hand frass.

»Ihr wollt auch ausreiten?«, fragte sie Bertold, der ihrem Pferd auch wohlwollend leicht auf die Seite klopfte, und Isolda nickte. »Habt Ihr ein Ziel oder wollt ihr mich in die Wälder begleiten, dort nach dem Rechten zu sehen?«

»Oh, sehr gerne«, antwortete sie mit einem freudigen Lächeln und nun war auch die dritte Karotte aus ihrer Hand gefressen.

»Dann lasst uns die Pferde satteln.«

Kurz darauf führten sie die beiden Pferde aus dem Stall, Bertold befestigte noch seinen Bogen und einen Köcher voller Pfeile am Sattel und schon ging es los.

Die beiden Wachen am Tor grüssten, als die Prinzessin und der Jäger passierten.

Nach der halben Strecke zur Stadt hin, die sie der Strasse folgten, bogen sie nach rechts ab und nahmen einen Feldweg zwischen den Feldern hindurch in Richtung des Flusses, der durch die Stadt floss.

Dem ruhigen Plätschern des gemütlich vor sich hin fliessenden Wassers folgten sie weiter und entfernten sich von der Stadt. Das Schloss umrundeten sie auf diese Weise im weiten Bogen, bevor sie den Wald erreichten und das Blätterdach sich über ihnen zu schliessen begann.

Hier war es merklich kühler und angenehmer als in der direkten Mittagssonne, was auch die Lebensgeister der beiden Reiter wieder ein wenig mehr weckte.

Sie unterhielten sich und plauderten über alles Mögliche, den Wald, die Tiere. Isolda erzählte von den Walderdbeeren, die sie am kleinen See gefunden hatte und Bertold erinnerte sich daran, sie dort auch schon einmal gesehen zu haben.

Sie erreichten schliesslich eine Lichtung auf einem kleinen Hügel, von dem aus man einen schönen Blick ins weitere Land hatte und hielten die Pferde an. Isolda blickte sich um, doch wo sie her kamen war nur der Wald zu sehen, nichts mehr vom Schloss oder der Stadt.

Nichts als unberührte Natur, Bäume, Wiesen und Hügel, so weit das Auge reichte. Einzig der Lauf des Flusses in weiterer Ferne durchzog das Land wie eine Lebensader.

»Ach Bertold, manchmal wünsche ich mir die unbeschwerte Zeit meiner Kindheit zurück, in der die Wälder noch unendlich gross waren und grösser waren als alle Sorgen, die man haben könnte.«

Der Jäger blickte sie von seinem Pferd aus ruhig an: »liegt Euch denn etwas auf dem Herzen, Prinzessin?«

»Nein, Sorgen gibt es nicht. Ach ich weiss es nicht genau.« In der Stimme der Prinzessin schwang ein wenig Trauer und doch auch ein wenig Sorge mit. »Wenn es doch nur mehr Leben im Schloss gäbe, mein Vater nicht immer so traurig und verschlossen wäre«, seufzte sie, »und auch Leonhard verändert sich, ist nicht mehr der alte, wie ich ihn kannte.«

Ihr Blick wanderte nun aus der Ferne zurück direkt zum Jäger, der sie ebenfalls ansah. Die tiefen Furchen in seinem Gesicht zeigten die vielen Jahre, die der Jäger schon alt war und die wettergegerbte Haut, dass er sehr viel davon draussen verbracht hatte. So lange sich Isolda zurück erinnern konnte, war Bertold schon immer da gewesen. Doch auch wenn seine Stirn gerade sorgenvoll in vielen Falten lag, so strahlten seinen Augen doch wie immer eine Wärme und Freundlichkeit aus, die sie an ihm so mochte.

»Ich kann Euch verstehen«, antwortete er nach einem Moment des Überlegens. »Was Euren Vater betrifft, so brauche ich Euch nichts erzählen, welche Verantwortung als König und welches schwere Schicksal als Vater er zu tragen hat. Das wisst Ihr genauso wie ich. Dass er ein guter König ist, der sein Land und seine Leute, vor allem aber seine beiden Kinder beschützt, das wisst Ihr ebenfalls.

Und Prinz Leonhard, den habe ich schon eine Weile nicht mehr gesehen und gesprochen. Ich bin halt nur ein Jäger und kein Ritter, und er hat andere Interessen. Zudem steht seine Ritterweihe bevor, die ihm ja viel bedeutet.«

»Das stimmt alles«, antwortete die Prinzessin, »doch muss er deswegen immer mehr wie unser Vater werden?«

Dass sich die Augen des Jägers ganz leicht zusammenzogen und schnell wieder entspannten nahm Isolda gar nicht mehr wahr, denn ihr Blick wanderte schon wieder in die Ferne.

Als der alte Jäger nach kurzem Überlegen antwortete, war seine Stimme ein wenig verändert. »Auch Leonhard wird sich wohl der Tatsache bewusst sein, dass alles im Leben seine Zeit hat, dass die Kindheit und Jugend bei ihm zu Ende geht und dass es für einen Erwachsenen viele andere Pflichten gibt, die man wahrnehmen muss, ob man möchte oder nicht. Das verändert einen Menschen.

Genauso verändert auch Ihr euch, Isolda, und seid nicht mehr die kleine stürmische Prinzessin, die herumtollt und allen möglichen kleinen Unsinn anstellt, sondern eine erwachsene Frau, die sich mit viel Hingabe um die Gärten kümmert und sie in nie gekannter Schönheit erblühen lässt. Und auch Ihr merkt, dass das Leben sich verändert, da Ihr euch darüber Gedanken macht und nicht einfach in den Tag hinein lebt.«

Eine Weile schwiegen die beiden und Bertold wartete ab, etwas zu sagen, bis die Prinzessin antwortete.

»Das stimmt«, sprach sie leise. »Und ich weiss auch nicht, was mein Bruder gerade über mich denkt und wie er mich sieht.«

»Habt Ihr denn einmal mit ihm darüber gesprochen?«

»Nein. Wenn ich mit ihm spreche, dann ist er mit den Gedanken nicht wirklich bei der Sache, sondern irgendwo anders. Keine Ahnung, was ihm dabei immer durch den Kopf geht.«

»Nun ja, aber Ihr kennt euren Bruder. Wenn er sich etwas in den Kopf setzt, dann ist er durch praktisch nichts davon abzubringen.«

»Das stimmt.«

»Im Grunde genommen seid Ihr beide euch darin sehr ähnlich, auch wenn Ihr grundverschiedene Menschen seid und es daher auf ganz andere Weise lebt. Wo Euer Bruder seinen Kopf forsch und stürmisch durchzusetzen versucht, macht Ihr dies auf die ruhige und sanfte Art, doch nicht weniger unnachgiebig wie er.«

Isolda musste schmunzeln. Fast wollte sie Bertold für diese Worte tadeln, doch hatte er Recht. Natürlich kannte er sie beide sehr gut, hatte sie ihr ganzes Leben lang gross werden sehen und auch nicht wenig Zeit mit ihnen verbracht.

Ein wenig war er auch zu einem Ziehvater für sie geworden, weswegen sie auch ein solches Vertrauen zu Bertold hatte, um mit ihm über ihre Gedanken zu sprechen.

»Wenn ich doch nur wüsste, ob es besser wäre, mit Leonhard vor unserem Geburtstag und vor seiner Ritterweihe zu sprechen oder erst danach.« Isolda seufzte, denn diese Frage hatte sie sich in den letzten Tagen so oft schon gestellt.

»Hm«, antwortete Bertold erst einmal nur, und nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: »Hier weiss auch ich nun keinen passenden Rat.«

Der Schrei eines Bussards riss sie aus den Gedanken und direkt darauf war der grosse Vogel auch schon zu sehen, wie er nicht weit von ihnen entfernt hinabstiess und sich mit seiner Beute direkt wieder in die Höhe schwang. Fast als wäre sein Schrei ein Zeichen gewesen, dieses Thema zu belassen und nicht weiter darüber zu sprechen.

»Kommt, Prinzessin, lasst uns aufbrechen, bevor sich noch Falten auf Eurer jungen Stirn vom vielen Grübeln bilden.« Auch wenn dieser Spruch eher spöttisch hätte klingen sollen so war doch mehr Sorge heraus zu hören als es Bertold gewollt hatte.

Als sie los ritten, ergriff ein leichter Windzug die Haare von Isolda und liess sie genauso wie die Mähne ihres Rappens fliegen, dass sie einen Moment lang wie in einen nachtschwarzen Schleier gehüllt war, bevor sie wieder in den Wald eintauchten.

Bertold führte sie nun quer durch den Wald, zum Teil entlang der Wege, zum Teil aber auch über schmale Pfade und manchmal ein Stück quer durch den Wald. Das alles mit einer Sicherheit, die klar zeigte, dass er sich seit Jahrzehnten hier bewegte und jeden Baum und jeden Stein kannte.

Einen schnellen prüfenden Blick warf er auf eine Futterkrippe, zu der er sie führte, die bald schon wieder genutzt werden würde, sobald der Winter hereinbrechen würde und speicherte gedanklich ab, was hier auszubessern und zu richten war.

Weiter führte sie der Weg zwischen den Bäumen hindurch zu einem seiner Jägerstände, den er aus einfachen Brettern an einen kräftigen Baum gezimmert hatte. Hier stieg er kurz ab, gab Isolda die Zügel seines Pferdes in die Hand um auch hier alle Bretter, die Sprossen der Leiter und die tragenden Pfosten zu prüfen, rüttelte hier und da und fand die ein oder andere Stelle, an der sich etwas lockerte oder ein Brett bald morsch werden würde.

Ein wenig gab es für ihn durchaus noch zu tun in diesem Herbst.

Bald erreichten sie auch den Weg, den Isolda am Vormittag schon gekreuzt hatte und folgten dem Pfad bis zur Krippe, an der sie auch entlang gekommen war.

Nachdem Bertold auch diese geprüft hatte, fragte sie ihn, ob sie nicht noch schnell den Schlenker zum See hoch machen könnten.

»Aber selbstverständlich doch«, antwortete Bertold lächelnd und so ritten sie hintereinander hinauf bis zum See, in dessen Wasser sich die Nachmittagssonne brach und tausendfach spiegelte.

Sie ritten zu zwei Drittel um den See herum und einen schmalen Pfad weiter.

In diesen entlegenen Bereich des Waldes war Isolda kaum gekommen, stellte sie nach einer Weile fest. Die Bäume standen dichter und Strauchwerk rankte sich viel am Boden zwischen den Bäumen entlang des Pfades. Umgestürzte Bäume lagen wirr umher und waren nicht weggeräumt worden, Wurzelwerk durchzog den Boden und schaute an etlichen Stellen heraus, so dass sie vorsichtiger reiten mussten.

Auf ihre Frage hin bestätigte auch Bertold, dass er auf seinen Ausflügen mit den beiden, als Isolda und Leonhard noch jung waren, nie hierher gekommen war. Zu weit entfernt war dieser Bereich des Waldes und für kleine Kinder auch zu gefährlich. Warum, das würde sie schon gleich selbst sehen, meinte er.

Und kaum drauf erreichten sie eine Stelle, an der der Pfad zwischen eng stehenden Bäumen und schroffen Felsen ein paar Meter steil bergab führte.

Sie stiegen hier auch von den Pferden ab, um diese an den Zügeln hinter sich her zu führen, denn sonst hätten sie diese Stelle kaum passieren können. Unten angekommen bildeten mehr als mannshohe Felsen eine natürliche Barriere zur einen Seite, während ein paar Bäume zur anderen Seite so dicht beieinander standen, dass ein Pferd nicht hindurch passte. Und dahinter waren wieder nur Dornenhecken zu erkennen. Nur wenige Schritte weiter machte der Weg einen Knick und nach einem nur einige Schritte messende kurzen und erneut steilen Anstieg öffnete sich der Wald wieder, so dass sie aufsitzen und weiterreiten konnten.

Zu ihrer Rechten blickten sie zwischen den Tannen und Kiefern über einige Felsen hinab in einen winzig kleinen Talkessel, der etwa auf gleicher Höhe lag wie die Senke, durch die sie eben gekommen waren, umringt von zerklüfteten Felsen, die teils stark überhingen. Es gab keinen sichtbaren Weg hinein oder hinaus, doch unten war auch nur das Grün von Moos und Sträuchern zu sehen.

»Haltet Abstand und geht nicht zu nah an den Rand der Felsen«, warnte sie Bertold. »Die Steine sind brüchiger als sie aussehen und die Gefahr abzustürzen gross.«

»Deswegen habt Ihr uns als Kind niemals hierher geführt? Denn natürlich hätten Leonhard und ich diesen Ort genauer erkunden wollen und wären natürlich vielleicht nicht vorsichtig genug gewesen.«

Bertold nickte und Isolda war erstaunt, welche Geheimnisse der Wald verbarg, die sie in all den Jahren nicht kennengelernt hatte.

Nur ein paar Schritte weiter fand sich die nächste Futterkrippe. Diese allerdings war fast komplett zerstört, da ein alter knorriger Baum quer über sie gestürzt war und sie unter sich begraben hatte. Der Wurzelteller ragte direkt daneben weit nach oben und hatte einen kleinen Krater in der Erde hinterlassen.

Bertold seufzte und es war klar, dass hier wohl nichts mehr zu retten war und eine neue Kippe her musste.

Also noch mehr Arbeit für ihn, dachte Isolda und ihr tat Bertold in dem Moment leid. Denn auch wenn es sein Beruf und daher auch seine Pflicht war, so bedeutete dies doch wieder ein zwei Tage Arbeit für ihn eine neue Krippe zu bauen und hierher zu bringen.

Bald darauf hatten sie auch wieder einen breiteren Weg erreicht, auf dem sie nebeneinander reitern konnten.

Am Rande einer Lichtung, zu der sie der Weg führte, hielten sie erneut, um einen weiteren Jägerstand zu inspizieren.

Während Bertold hier tätig war sah Isolda zwei Hasen zu, die über die Lichtung hoppelten und in ihrem Bau verschwanden.

Zwei weitere Futterkrippen ritten sie noch an bevor sie den Wald wieder verliessen.

Vor ihnen lagen in der Hitze des Spätsommers die Felder und dahinter die Stadt, zu ihrer Rechten, etwas weiter entfernt, hinter einer grossen Wiese, das Schloss. Dort auf der Wiese waren auch Ritter zu erkennen, die wohl wie üblich ihre Übungen abhielten. Vielleicht ja auch Leonhard, wie Isolda in dem Moment dachte.

Der Weg führte sie aber erst einmal zwischen den Feldern hindurch in Richtung Stadt.

Ein paar Bauern holten sie ein, schwer beladen mit grossen Körben mit Feldfrüchten. Als diese die Pferde schon auf die Entfernung hörten, blickten sie zurück und winkten, da sie Bertold erkannten.

Als sie heran waren und die Bauern auch die Prinzessin erkannten, stellten sie artig die Körbe ab und verbeugten sich. Freundlich und mit einem Lächeln auf dem Gesicht erwiderte Isolda den Gruss ebenfalls mit einer leichten Verbeugung vom Pferde aus.

Sie wechselten einige Worte, vor allem die Bauern und der Jäger, über das Wild und die Ernte, wie viel es den Bauern zerstörte. Vor allem die Hasen, die die Blätter weg frassen, so dass die Früchte unter der Erde nicht gescheit gedeihen, waren den Bauern eine Sorge.

Dann nahmen sie ihre schweren Körbe wieder auf und auch Bertold und Isolda ritten weiter.

Genau vor der Stadt knickten sie ab und folgten einem anderen kleineren Weg um die Stadt herum, direkt in Richtung Schloss.

Ein paar Minuten später waren sie kurz vor dem Schlosstor auf Höhe der Ritter angekommen. Isolda hielt kurz inne um Ausschau zu halten. Doch in ihren Rüstungen mit den Helmen auf sahen alle Ritter gleich aus, so dass sie nicht erkennen konnte, ob ihr Bruder unter ihnen war oder nicht.

Zwei der Ritter ritten mit Übungslanzen aufeinander zu und die anderen sassen auf ihren Pferden daneben, begleitet von ein paar Knechten, die weitere Lanzen und Schilde neben sich liegen hatten.

Einer der Ritter hob nun seine Hand zum Grusse, als er zu ihnen rüber blickte und winkte ihr zu. Das wird dann wohl mein Bruder sein, dachte Isolda erfreut und winkte zurück.