Seawalkers (4). Ein Riese des Meeres - Katja Brandis - E-Book + Hörbuch

Seawalkers (4). Ein Riese des Meeres E-Book

Katja Brandis

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Beschreibung

Ein neues Abenteuer für Tiago, Shari und ihre Freunde: Band 4 der großen Gestaltwandler-Serie von Bestseller-Autorin Katja Brandis Die Blue Reef High ist für Tigerhai-Wandler Tiago zu einem zweiten Zuhause geworden. Zusammen mit Delfinmädchen Shari und Rochen-Wandlerin Finny setzt er sich dafür ein, dass der Buckelwal-Wandler Wave als neuer Schüler aufgenommen wird. Aber ist ein Wal nicht viel zu groß für die Schule? Als Wave in der Welt der Menschen unbeabsichtigt einen Fehler begeht und mit dem Gesetz in Konflikt gerät, müssen Tiago und seine Freunde ihn um jeden Preis aus der Sache  raushauen. Dazu sind sie ausgerechnet auf die Hilfe der skrupellosen Anwältin Lydia Lennox angewiesen. Schon wittert die Python-Wandlerin ihre Chance, die Blue Reef High ein für alle Mal unter ihre Kontrolle zu bringen. Hier kommt die zweite Staffel der großen Gestaltwandler-Serie von Bestseller-Autorin Katja Brandis. In der atemberaubenden Unter- und Überwasserwelt der Everglades erleben Tigerhaijunge Tiago und seine Gestaltwandler-Freunde (Delfinwandlerin Shari, Gürteltierwandler Jasper, Rochenwandlerin Finny, Papageifisch Nox u.a.) einzigartig spannende Abenteuer. Mit Gastauftritten von den beliebten Woodwalkers-Figuren Carag, Tikaani und Co. Packender Lesestoff für alle Tierfantasy-begeisterten Jungen und Mädchen ab 10 Jahren. Mit wunderschönen Illustrationen von Claudia Carls und tollen Gestaltwandler-Portraits. Alle Seawalkers-Bände sind einzeln und unabhängig von den Woodwalkers lesbar. Gedruckt auf Umweltpapier und zertifiziert mit dem "Blauen Engel". Die Seawalkers-Bände erscheinen halbjährlich. Bisher erschienen: Seawalkers (1). Gefährliche Gestalten Seawalkers (2). Rettung für Shari Seawalkers (3). Wilde Wellen Weitere Bände in Planung

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Seitenzahl: 369

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Katja BrandisSeawalkersEin Riese des Meeres

Bücher von Katja Brandis im Arena Verlag:

Woodwalkers. Carags Verwandlung

Woodwalkers. Gefährliche Freundschaft

Woodwalkers. Hollys Geheimnis

Woodwalkers. Fremde Wildnis

Woodwalkers. Feindliche Spuren

Woodwalkers. Tag der Rache

Woodwalkers & Friends. Katzige Gefährten

Seawalkers. Gefährliche Gestalten

Seawalkers. Rettung für Shari

Seawalkers. Wilde Wellen

Khyona. Im Bann des Silberfalken

Khyona. Die Macht der Eisdrachen

Gepardensommer

Koalaträume

Katja Brandis, Jahrgang 1970, hat Amerikanistik, Anglistik und Germanistik studiert und als Journalistin gearbeitet. Schon in der Schule liehen sich viele Mitschüler ihre Manuskripte aus, wenn sie neuen Lesestoff brauchten. Inzwischen hat sie zahlreiche Romane für Jugendliche veröffentlicht, zum Beispiel Khyona, Gepardensommer, Floaters – Im Sog des Meeres oder Ruf der Tiefe. Die begeisterte Taucherin hat in den Meeren dieser Welt schon unvergessliche Begegnungen mit Haien, Delfinen und Rochen erlebt. Sie lebt mit Mann, Sohn und drei Katzen, von denen eine ein bisschen wie ein Puma aussieht, in der Nähe von München.

Katja Brandis

Ein Riese des Meeres

Zeichnungen von Claudia Carls

Für Sonja

1. Auflage 2021

© 2021 Arena Verlag GmbH,

Rottendorfer Str. 16, 97074 Würzburg

Alle Rechte vorbehalten

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Autoren- und Projektagentur Gerd F. Rumler (München).

Cover und Innenillustrationen: Claudia Carls

E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

E-Book ISBN 978-3-401-80938-0

Besuche den Arena Verlag im Netz:

www.arena-verlag.de

Es ist ein tolles Gefühl, dass wir unsere Schule

zurückerobern konnten und dank Lucys Freund genug

Geld haben, um die Hurrikan-Schäden an der Schule zu

reparieren. Aber Mrs Lennox hat es leider geschafft, meine

Lieblingslehrerin Miss White loszuwerden. Und noch

wissen wir nicht, was Ellas Mutter mit diesen Haikämpfen

zu tun hat oder was sie noch für fiese Dinge plant. Wird

sie noch einmal versuchen, Mr Clearwater als Schulleiter

zu entmachten? Ich hoffe nicht, denn im Moment fühlen

wir uns alle sehr wohl an der Blue Reef Highschool…

Schreck in der Morgenstunde

Ais der schrille Ton mich um vier Uhr früh aus dem Schlaf riss, wusste ich im ersten Moment nicht, was los war. Während mein Gehirn so gemächlich hochfuhr wie ein sehr, sehr alter Laptop, kapierte ich nach und nach, dass das ein Alarm sein musste. Nur was für einer? Das Geräusch veränderte sich, erst war es hoch und durchdringend gewesen, nun wurde es zirpend und anschließend zu einem dumpfen Wummern, bevor sich das hohe Pfeifen wiederholte. Es kam ganz aus der Nähe!

Unter meinem oberen Stockbett regte sich was. Das braune Schnäuzchen und die gespitzten, blattförmigen Ohren meines Mitbewohners kamen zum Vorschein. Oje, sagte Jasper-das-Gürteltier, er klang nervös. Das habe ich schon lange nicht mehr gehört!

»Was ist das?«, fragte ich und spürte eine Gänsehaut auf meinen bloßen Armen.

Das heißt, dass sich ’n Seawalker im Schlaf versehentlich verwandelt hat, erklärte Jasper aufgeregt, er deutete mit der Nase auf den roten Knopf an der Seite seines Bettes.

Deswegen pennen wir in Zweibettzimmern, damit der Nichtverwandelte den Alarmknopf drücken kann, das weißte doch.

Stimmt, das wusste ich eigentlich. »Schnell, wir müssen helfen!« Hektisch warf ich die Decke von mir herunter und krabbelte zum Rand meines Bettes. Ich angelte mit dem Fuß nach der Leitersprosse, verfehlte sie, stürzte ab und klatschte auf den Boden wie irgendwas Überreifes von einem Obstbaum.

Noch immer gellte der Alarm durch die Nacht. Was war, wenn es Shari passiert war, dem tollsten Delfinmädchen der Welt? Wie lange würde sie außerhalb des Wassers durchhalten? Deutlich länger als zum Beispiel Juna in ihrer zweiten Gestalt als Falterfisch oder Zitteraal Leonora. Mehr als eine Minute hatten die nicht.

Ich stieß die Tür auf, stolperte nach draußen und blickte mich um. Natürlich waren Jasper und ich nicht die Einzigen, die den Alarm gehört hatten. Von allen Seiten strömten aufgeregte Schüler auf die Hütte zu, an deren Seite ein rotes Licht rotierte. Es war die Hütte Nr. 2, genau neben uns! Weil ich noch nicht wirklich wach war, erreichten Mr Clearwater und Mr García die Hütte trotzdem vor mir, sie mussten sofort vom Hauptgebäude losgerannt sein. Instinktiv schaute ich mich nach Miss White um, unserer jungen Lehrerin für Kampf und Überleben und genau die Richtige für so eine Situation. Mist, die war ja nicht mehr da.

»Schnell! Es ist Carmen passiert!« Eine Zweitjahresschülerin mit dunklen Locken – Enya, in zweiter Gestalt ein roter Neon – stand in der geöffneten Tür und winkte uns hektisch heran. »Zum Glück bin ich von den seltsamen Geräuschen aufgewacht, aber ich weiß nicht, wie lange sie schon …«

Unser Schulleiter stürzte an ihr vorbei, dicht gefolgt von zwei Jungs (Chris und Barry), mir und unserem Verwandlungslehrer.

Ich… krieg… keine… Luft, hörte ich Carmen stöhnen, eine andere Zweitjahresschülerin. Sie war gerade ein großes Hammerhaiweibchen und es war ein krasser Anblick, wie dieses fast drei Meter lange graue Meerestier in der unteren Koje eines Doppelstockbettes zappelte. Carmens Brustflossen ragten bis auf den Boden, ihr T-förmiger Kopf rammte ständig die Querbalken des Bettes und ihre peitschende Schwanzflosse fetzte gerade eins von Enyas abstrakten Aquarellen von der Wand. Stücke eines zerbissenen Kissens flogen herum wie Konfetti.

Obwohl wir wussten, dass Carmen in Lebensgefahr war, zögerten wir. Die Zähne in ihrem panisch schnappenden Maul sahen ganz schön groß aus. Sicher würde es Carmen nachher furchtbar leidtun, wenn sie jemandem eine Hand abbiss. Aber es gibt Situationen, in denen eine Entschuldigung einem nicht so rasend viel bringt.

»Alles gut, Carmen, wir helfen dir«, sagte Jack Clearwater und wagte sich nah genug an sie heran, um die Hand auf ihren Rücken legen zu können. »Halt still und mach das Maul zu, ja?«

Farryn García hastete zu Carmens Kopf, ein Tablet in den Händen, auf dem er ein Bild ihrer stämmigen rotblonden Mädchengestalt aufgerufen hatte. Er hielt es vor eins ihrer Haiaugen, die weit auseinander, sozusagen an den Querbalken des T-Kopfes saßen. »Versuch, dich zu konzentrieren, Carmen. Ich weiß, das ist nicht leicht…«

Genau, weil ich nämlich gerade ersticke!, brüllte Carmen in unsere Köpfe. Bringt mich ins Meer, macht schon!

»Okay. Ganz ruhig, wir haben das gleich«, sagte Jack Clearwater und warf uns Helfern einen Blick zu. »Erst müssen wir sie aus dem Bett auf den Boden kriegen.« Er und Mr García packten Carmen um den Bauch und zogen sie zu sich hin, ich kletterte über ihren Rücken ins Bett und schob von der anderen Seite.

»Es gibt Erfahrungen, die macht man nur einmal im Leben – hoffentlich«, ächzte Chris und packte unsere Mitschülerin an der Rückenflosse, Barry zerrte an der Schwanzwurzel und wurde dadurch hin- und hergeschleudert. Aber er hielt eisern fest und beschwerte sich nicht mal, als er gegen das Bettgestell knallte.

Kurz darauf hatten wir Carmen aus ihrer Koje herausgewälzt und konnten sie tragen. Ein Dutzend Hände packten mit an, darunter die von Finny (gut erkennbar an ihrem Geisternetz-Armband) und von Noah. Eine erschrocken dreinblickende Shari mit verwuschelten blonden Haaren, die wie ein Vogelnest aussahen, hielt die Tür auf. Dann stapften wir durch den Sand, so schnell wir konnten.

Carmen war unglaublich schwer und ihre schleifpapierraue Haut, die ich so auch von mir kannte, schrappte uns die Hände auf. Aber keiner von uns ließ los. Aufgeregt wuselte Jasper vor uns in Richtung Meer und rief Hier entlang, hier entlang!, als hätten wir nicht selbst Augen, die im Dunkeln sehen konnten. Sogar Ella half mit und schob neugierige Schüler weg, die im Weg standen.

Oh bitte, bitte, beeilt euch!, japste Carmen und erleichtert spürte ich die ersten kleinen Wellen über meine Zehen lecken. Wir wateten so weit hinein, bis das Wasser uns bis zum Bauch reichte, dann schoben Barry, unser Rochenmädchen Finny, die anderen Schüler und ich Carmen ins Meer hinein.

Sie ging unter wie ein Stein.

»Hab ich gesagt, ihr sollt loslassen?«, schimpfte Mr García. »Ihre Muskeln sind steif, es dauert noch einen Moment, bis sie wieder schwimmen kann.«

Selbst für mich war es ein nicht allzu tolles Gefühl, mit einem vor Angst durchdrehenden Hai im Meer zu sein. Carmens Hammerkopf war jetzt genau in Höhe meiner Schienbeine. Aber das war mir inzwischen egal und den anderen anscheinend auch, denn niemand flüchtete. Grimmig packten wir sie wieder um den Bauch und schoben sie voran, damit Wasser durch ihre Kiemen strömen konnte. Das Salzwasser brannte auf meinen übel aufgeschürften Händen, aber ich achtete nicht darauf.

»Das wird schon, wir kriegen das hin«, murmelte Barry und tätschelte Carmens Rücken. Verdutzt blickte ich ihn an. Moment mal, das war doch Barry, oder? Der große, dünne Typ mit den kalten Augen und den kackbraunen Haaren, der ständig mit Ella herumhing? Zusammen mit Toco der übelste Typ der Blue Reef Highschool?

Nach und nach erholte sich Carmen und nach ein paar Minuten bewegte sie sich wieder ruhig durchs Wasser. Uff, das fühlt sich gut an – danke, keuchte sie. Meine Pulsrate geht schon wieder runter. Echt peinlich, dass mir das passiert ist, obwohl ich schon im zweiten Jahr bin! Ich … manchmal will ich nicht wahrhaben, dass ich eine Seawalkerin bin, und wäre lieber ganz normal … vielleicht liegt es daran?

»Vielleicht macht sich dein Hai-Ich dann absichtlich bemerkbar und fordert sein Recht, das kann sein«, meinte Mr García. »Wir besprechen es bei Gelegenheit unter vier Augen, okay?«

»Jetzt bin ich erst mal froh, dass wir dich gerettet haben, Carmen.« Jack Clearwater klatschte sich lächelnd mit uns ab und Farryn García schlug uns auf die Schulter. »Toll gemacht, Leute.«

Wir stapften an den Strand zurück. Ich war unfassbar erleichtert, dass Carmen nichts passiert war. Obwohl sie nicht viel mit anderen Leuten zu tun haben wollte und lieber ihre Fitnesszeitschriften las, mochte ich sie irgendwie, seit sie sich bei der Reparatur der Schule nach dem Hurrikan so reingehängt hatte. Dass sie manchmal lieber »normal« wäre, konnte ich gut verstehen. Auch ich war nicht immer glücklich mit meiner Haigestalt.

Chris blickte auf seine blutenden Hände. »Oh Mann, Haie. Hätten sich nicht Olivia oder Enya verwandeln können? Die hätte ich mit einer Hand tragen können.«

»Ich kann mir das mit Enya gut vorstellen«, meinte Shari fröhlich. »Morgens ist das andere Bett leer und in Carmens Wasserglas schwimmt ein kleiner, rotblau gestreifter Fisch, der nervös ›Nicht austrinken, nicht austrinken!‹ ruft.«

»Unrealistisch«, sagte Blue und sah mich von der Seite an. »Bei einem Hai wie Carmen läuft das eher so: Morgens fragt sie jemand: ›Wo ist eigentlich deine Mitbewohnerin?‹, und sie sagt: ›Weiß nicht, aber ich hatte einen ganz komischen Traum!‹«

Ich winkte ab. »Rote Neons sind doch kein ernsthaftes Fressen, die sind nur halb so lang wie mein Daumen.«

»Genau, die sind eher Food-Deko«, meinte Finny.

Immerhin hatten Neons keine Zähne, Dornen, Klingen, Nesselzellen … die meisten Meerestiere fasste man besser nicht an, wie uns Miss White in Kampf und Überleben eingeschärft hatte. Wo war eigentlich unsere neue Lehrerin für dieses Fach, diese Miss Bennett? Schließlich entdeckte ich sie im Pulk der neugierigen Schüler, sie schaute besorgt zu, was wir taten, und wirkte ein bisschen ratlos.

»Na toll«, raunte ich Noah und Shari zu und wies mit dem Kinn in Richtung der neuen Lehrerin.

Shari murmelte: »Miss White hätte ganz vorne an Carmens Kopf mit angepackt.«

»Oder sie sogar allein getragen«, behauptete ich und fühlte, wie Traurigkeit mich überschwemmte. Wo konnte meine Lieblingslehrerin sein? Es war ein Schock gewesen, was Ellas Mutter über sie offenbart hatte, klar. Aber wieso war Miss White nicht geblieben, um mit uns zu reden, uns zu erklären, ob sie früher wirklich als Kopfgeldjägerin für Kriminelle gearbeitet hatte und warum?

Kurz darauf standen Noah, Finny, Chris und ich in der Schlange vor dem Krankenzimmer, wo die schlecht gelaunte Mrs Misaki einem Helfer nach dem anderen eine Heilsalbe und große wasserfeste Pflaster verpasste. »So, jetzt am besten zwei Tage nicht verwandeln«, empfahl sie uns.

Pflaster mit Muränenspucke – ein ganz neues Patent, lästerte unser Papageifisch Nox aus dem Aquarium und Mrs Misaki blickte noch ein bisschen finsterer drein.

»Nachher haben wir die erste Stunde Kampf und Überleben bei Miss Bennett«, meinte Finny. »Was meint ihr, zeigt sie uns, wie man sich bei Gefahr aufbläst? Das will ich sehen, wie du das machst, Tiago.«

Ich musste grinsen. Miss Bennet war in zweiter Gestalt ein Igelfisch, deren einzige Verteidigung war das Aufpumpen ihres Stachelkörpers. »Ein aufgeblasener Tigerhai? Willst du mich als Schwimmtier benutzen oder was?«, fragte ich.

Skeptisch hatte Noah zugehört. »Denkt dran, Leute – man kann auch stark, mutig und eine gute Kämpferin sein, ohne eine Raubkatze, ein Wolf oder ein Hai zu sein.«

»Stimmt«, meinte ich. »Oder ein Alligator oder eine riesige Python.« Ich war froh, dass die krawallige Reptilien-Sonderklasse inzwischen aufgelöst worden war, weil die meisten meiner neuen Mitschüler in die Everglades-Sümpfe zurückgekehrt waren (nicht alle von ihnen freiwillig). Auch Jerome und Tomkin hatten sich auf den Rückweg dorthin gemacht. Nur Polly, ein nettes Alligatormädchen, und Tino, ein Pythonjunge, waren geblieben und inzwischen Teil unserer Klasse.

»Du bist dran, Tiago«, verkündete Mrs Misaki und ich hörte auf, über Reptilien nachzudenken – sich von dieser Muräne verarzten zu lassen, tat ordentlich weh.

Zum Glück war es nur ein Kratzer. Kein Vergleich zu der Harpunenwunde, die der Bullenhai gehabt hatte. Ich dachte noch oft daran, wie wir vergeblich versucht hatten, ihn gesund zu pflegen. Ob die illegalen Taucher-gegen-Hai-Kämpfe weitergingen, obwohl wir einen davon unterbrochen hatten? Garantiert. Die Kerle, die diese Arenakämpfe veranstalteten, hatten höchstens eine Pause gemacht, nachdem wir die Polizei eingeschaltet hatten.

Ich hätte wetten können, dass sie schon einen neuen Ort dafür gesucht hatten und wieder Kämpfe planten, auf die reiche Leute wetten konnten. Es fiel mir schwer, den Gedanken zu ertragen, dass vielleicht schon jetzt wieder wilde Meerestiere gequält wurden. Hatte die Polizei schon etwas herausgefunden?

Die anderen schlurften zum Frühstück, aber ich ging noch einmal in Jaspers und meine Hütte. Finny hatte ihren Vater Nick Greyson gebeten, sich in die Ermittlungen einzuklinken, und er war es, dessen Nummer ich nun wählte. Ganz spontan, weil mir diese Sache keine Ruhe ließ. »Hallo, Mr Greyson, hier ist Tiago von der Blue Reef Highschool. Gibt’s was Neues wegen der Haikämpfe?«

»Ah. Guten Morgen, Tiago.« Ich hörte jemanden gähnen. Ups. Erst jetzt kam ich auf die Idee, auf die Uhr zu schauen. Erst halb sieben! Und dabei hatte mir Finny erzählt, dass ihr Vater die Abendschicht auf dem Revier hatte.

»Oh, habe ich Sie geweckt? Das tut mir …«

»Schon okay. Ich darf dir leider nicht viel über die Ermittlungen sagen, aber es sieht so aus, als würde der Kerl, der das Glasbodenschiff gemietet hat, mit einer Geldstrafe davonkommen. Er hat behauptet, er hätte nur eine kleine Rundfahrt veranstaltet, die etwas aus dem Ruder gelaufen sei.«

»Sonst nichts? Und die Leute, die dort waren, was ist mit denen?«

»Carl Bittergreen ist ja ein alter Bekannter von uns. Er hat überall seine Finger drin, Drogen, Schutzgeld, das volle Programm. Wir sammeln weiter Beweise gegen ihn, aber diese Tierkampf-Sache ist nicht ganz oben auf unserer Prio-Liste, fürchte ich. Wieso interessiert es euch eigentlich so sehr, dass diese Leute Haie killen?«

»Äh …« Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich selbst ein Hai war – er hatte keine Ahnung, dass Seawalker existierten. »Ich, ähm, finde es einfach nicht okay, wenn Tiere gequält werden, und das auch noch zum Spaß.«

»Versteh ich. Üble Sache. Sag bitte meiner Tochter schöne Grüße von mir und sie soll bitte ab und zu lernen, kannst du ihr das ausrichten?«

Ziemlich ernüchtert legte ich auf. Nein, das würde ich Finny ganz bestimmt nicht ausrichten, sonst machte ich mich ja total zum Deppen.

Gerade wollte ich mich ebenfalls auf den Weg zur Cafeteria machen, da spürte ich etwas. Jemand berührte meine Gedanken, jemand, den ich kannte. Moment mal … war das etwa Steve, mein älterer Bruder, der als Tigerhai lebte?

Ja genau, ich bin’s, meldete sich Steve in meinem Kopf. HübscheLagune habt ihr und diesmal ist zum Glück weniger los. Was ist, kommst du ins Wasser?

Klar! Bin gleich bei dir. Ich freute mich total, dass er hier war. Hastig riss ich mir die Klamotten vom Leib und rannte in die Lagune. Einen Moment lang schwammen wir friedlich nebeneinander, ein Menschenjunge und ein fünf Meter langer Tigerhai. Hätte irgendein Tourist das gesehen, wären Steve und ich wahrscheinlich in den Abendnachrichten aufgetaucht und jede Menge Badegäste hätten vorerst keinen Zeh mehr ins Wasser gesteckt.

Schön, dich zu sehen, sagte ich zu Steve. Warst du zufällig in der Gegend?

Nicht ganz zufällig, meinte Steve. Was meinst du, gibt’s noch irgendwas, was wir gegen die illegalen Haikämpfe tun können? Das Ganze lässt mir keine Ruhe.

»Mir auch nicht«, antwortete ich laut, dachte nach … und hatte tatsächlich eine Idee. Die Kerle brauchen für die Kämpfe Glasbodenschiffe oder -boote. Davon kann es nicht unendlich viele geben. Wie wäre es, wenn du in nächster Zeit an der Küste patrouillierst und abcheckst, was mit den Glasbodenbooten passiert, die es in der Gegend gibt?

He, du bist ja gar nicht so blöd, Bruderherz. Steve wandte sich mir zu und knuffte mich sanft mit der Schnauze. Mach ich. Ab und zu komme ich vorbei und halte dich auf dem Laufenden, okay?

Sehr cool, sagte ich. Am liebsten hätte ich meinen Bruder umarmt, doch das ließ ich lieber sein – eine Haihaut-Abschürfung am Tag reichte mir.

Kämpfen wie ein Igelfisch

Das Thema dieser illegalen Haikämpfe ließ mir keine Ruhe … und ich dachte oft daran, was Mr García versprochen hatte: Lydia Lennox’ Gedanken zu sondieren, um herauszufinden, was sie darüber wusste … und vor allem, ob sie mich als Hai erkannt hatte und wirklich hätte sterben lassen. Besser, wir hielten diesen Plan vorerst geheim.

»He, warum schlingst du denn das Frühstück in dich rein, als hättest du drei Tage gehungert?«, fragte Shari verblüfft.

»Das ist nich’ gesund, so schnell zu essen«, ermahnte mich Jasper

»Ich werd’s überleben«, meinte ich nur, brachte meinen Teller weg und marschierte in die Verwandlungsarena, wo wir gleich unsere erste Stunde haben würden. Ich wusste, dass Mr García immer vor uns dort war, und das war meine Chance, allein mit ihm zu reden.

Er lächelte, als er mich reinkommen sah. »Na, Tiago? Hast du dich schon von der Carmen-Aktion erholt?« Unser Lehrer war ein Delfin-Wandler, der mir erstaunlich ähnlich sah – wir waren beide schlank und groß, auch die braune Haut und die schwarzen Haare hatten wir gemeinsam.

»Hab ich … aber darum geht’s mir gerade nicht, sondern um diese fiesen Haikämpfe«, sagte ich schnell und erzählte ihm von meinem Gespräch mit Steve.

»Guter Plan.« Mr García nickte, blickte sich um und senkte die Stimme. »Du willst wahrscheinlich wissen, wann ich versuche, die Lennox zu sondieren, oder?«

Schweigend nickte ich.

»Ich habe am Montagnachmittag einen Termin mit ihr in Miami, angeblich um über Ellas Leistungen zu reden.«

»So bald schon?« Mein Herz legte einen Trommelwirbel ein. »Aber das wird gefährlich. Können Sie … irgendjemanden mitnehmen, der Sie schützt, wenn etwas schiefgeht?«

Miss White hätte ihn verteidigen können, aber wir wussten nicht einmal, wo sie war.

»Jack kommt mit, also keine Sorge«, sagte Farryn García.

»Okay«, brachte ich heraus. Doch, ich machte mir weiterhin Sorgen. Jack Clearwater war kein Kämpfer – konnte er im Notfall wirklich helfen?

Nach und nach trudelten die anderen ein und ich setzte mich auf einen der wasserfesten Stühle in der Mitte, als sei alles wie sonst. Jasper und Shari setzten sich neben mich und ich merkte, wie ich allmählich ruhiger wurde.

Natürlich war das heiße Thema in dieser Verwandlungsstunde der Hammerhai-Zwischenfall. »Enya hat es genau richtig gemacht – sie hat erst kurz nach Carmen geschaut, dann den Alarm ausgelöst und sich anschließend um ihre Mitbewohnerin gekümmert. In der Menschenwelt sollte man es ebenso machen, wenn man einen Verletzten findet«, sagte Mr García. »Warum ist das so wichtig? Ella, du weißt das doch sicher, oder?«

Ella, in erster Gestalt blond mit grünen Augen, in zweiter Gestalt Tigerpython, lackierte sich gerade mit voller Konzentration die Fingernägel. Aber anscheinend hatte sie trotzdem zugehört. »Weil die Helfer ein paar Minuten brauchen, bis sie da sein können«, antwortete sie, ohne aufzuschauen, und pustete einen grellpinken Nagel trocken.

»Genau«, sagte unser Verwandlungslehrer.

»Wieso klingt der Alarm eigentlich so seltsam, manchmal tief und manchmal hoch?«, wagte ich zu fragen.

Sofort schossen die Arme von Blue, Shari und Mara – in zweiter Gestalt Seekuh – in die Höhe. Mara kam dran. »Damit wir ihn alle hören können, auch diejenigen, die gerade als Tier unterwegs sind«, erklärte sie mir. »Wale und Seekühe können tiefe Töne besser wahrnehmen …«

»… und Delfine hohe«, unterbrach sie Shari. »Dieser Alarm war schön pfeifig, den hätte ich sogar als Großer Tümmler unter Wasser bemerkt.«

Es war herrlich, mehr über ihre Welt zu erfahren, ich hätte ihr stundenlang zuhören können. Doch Mr García hatte andere Pläne. »So, Leute, wir machen jetzt die Zweierübung Erste Hilfe bei ungeplanten Verwandlungen, macht euch bitte bereit.« Ich schielte zu Shari hinüber – ob sie auch gerade daran dachte, wie oft ich ihr schon bei so etwas geholfen hatte? Ja offensichtlich, denn sie lächelte verschmitzt zurück. Mir wurde warm ums angeblich so kalte Knorpelfischherz.

»Tiago, du übst mit…«, begann Mr García und ich hielt die Luft an. »… Juna«, fuhr er fort. Ich versuchte, nicht enttäuscht zu sein, und unsere zierliche Klassensprecherin mit den glatten dunkelblonden Haaren bekam ganz große, erschrockene Augen.

»Hast du tatsächlich noch Angst vor mir?«, fragte ich sie und sie schüttelte energisch den Kopf. »Du würdest bestimmt nichts fressen, was mal in einer Toilette geschwommen ist, oder?«, flüsterte sie mir zu und ich musste lachen.

Wir bekamen es prima hin. Als sie sich in einen weiß-gelben Falterfisch verwandelte, sprintete ich in Rekordtempo los, um einen Eimer Meerwasser zu besorgen und sie hineinzustecken. Als ich dran war und als Tigerhai japsend auf dem Boden lag, pustete sie mir Luft in die Kiemen, was zwar überhaupt nichts half, aber lieb von ihr war.

Während ich darauf wartete, dass sie »Rettung organisierte«, schaute ich mich in der Verwandlungsarena um und hätte beinahe mit all meinen Reißzähnen gegrinst. Chris jagte hinter einem fliegenden Fisch her, weil Izzy nicht in der Stimmung war, sich von ihm retten zu lassen. Lachmöwe Daphne blickte genervt drein, während Olivia sie aus ihrem T-Shirt zu befreien versuchte, ohne ihr einen Flügel zu brechen. Ella und Lucy hatten sich versehentlich gleichzeitig verwandelt und bildeten ein Knäuel aus Krake und Riesenschlange. Tino tat so, als müsste er Polly beruhigen, obwohl sie als Alligatorweibchen wohlig in der Sonne döste.

Als wir uns alle von unseren Rettungen erholt hatten, war die Stunde bei Miss Bennett dran. Gespannt drängten Jasper und ich uns als Erste aus der Verwandlungsarena raus an den Strand, denn der Kampfunterricht fand üblicherweise in der Lagune statt. Erstaunt sahen wir, dass Miss Bennett – heute in einem einteiligen hellgrünen Badeanzug – halb hinter einer Palme versteckt, hektisch in einem Buch blätterte. Als sie uns sah, zuckte sie zusammen, stopfte das Buch hinter einen Busch, straffte die Schultern und versuchte ein Lächeln. »Ah, hallo … wer seid ihr beiden noch mal?«

Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt, mich hier in der Schule als »Tiago Anderson, Tigerhai« vorzustellen. Der Hai war ein Teil von mir, ob ich wollte oder nicht. Jasper, gerade ein nicht sehr großer Junge mit Brille und braunen Strubbelhaaren, schob sofort nach: »Jasper Tillmann, NeunbindenGürteltier«, und reckte den Hals, um einen Blick auf das geheimnisvolle Buch werfen zu können.

Unauffällig stellte unsere neue Lehrerin sich ihm in den Weg. »Na, ihr seid ja ein ungewöhnliches Paar«, bemerkte sie.

Paar? Was genau meinte sie damit? Toco, Barry und Ella, die inzwischen ebenfalls am Strand aufgetaucht waren, prusteten los, sie liebten Witze auf meine Kosten. Aber weil Jasper auch lachte, verzog ich ebenfalls die Mundwinkel.

Als auch die anderen Schüler eingetroffen waren, stellte sich Ivy Bennet vor uns auf. Sie war ungefähr so alt wie meine Mutter und hatte mittellange mittelbraune Haare, die mit Spangen hochgesteckt waren. Auf ihrem Gesicht klebte ein verkrampftes Lächeln. »Herzlich willkommen«, sagte sie. »Das war ja ein Schreck heute Morgen, was? Ich hoffe, ihr seid trotzdem richtig wach. Wir machen erst mal eine Übung in Menschengestalt. An wem kann ich sie euch zeigen?« Nervös warf sie einen Seitenblick auf Noemi, deren schwarzes Fell in der Sonne schimmerte.

An mir, schlug unser Panthermädchen fröhlich vor, erhob sich und wetzte ihre Krallen an der nächstbesten Palme.

Miss Bennett wich einen Schritt zurück. »Ähm, danke. Wer meldet sich noch?«

»Ach, machen Sie es ruhig mit mir – ich bin Alligator und heiße Toco«, sagte unser blasser, rothaariger Schläger vom Dienst, spannte seine Armmuskeln an und blickte sich um, um abzuchecken, ob auch alle ihn bewunderten. Das klappte nur bei Polly.

Miss Bennett schluckte. »Gut. Komm bitte langsam auf mich zu, ja?«

Grinsend stapfte Toco auf sie zu. Wir warteten alle gespannt, was passieren würde. Er kam nicht weit. Miss Bennett trat ihm mit dem bloßen Fuß das vorgereckte Bein seitlich weg und Toco ging zu Boden. »Haha, guter Trick«, meinte er, klopfte sich den Sand ab und stand auf. »Ich trete auch gerne Leute.«

Miss Bennett lächelte; sie wirkte erleichtert, dass es geklappt hatte. »Diese Übung kommt aus dem Judo und heißt Fußfeger.« Sie wandte sich an alle. »Stellt euch jetzt bitte zu zweit auf und macht sie nach.«

»Na, dann los.« Jasper grinste mich treuherzig an. »Ich besieg dich, wirste schon sehen!«

»Mach nur.« Ich grinste zurück.

Er schaffte es tatsächlich, mich in den Sand zu schicken, aber gleich darauf revanchierte ich mich.

Ungefähr eine Viertelstunde lang traten wir uns gegenseitig eifrig gegen die Schienbeine und verpassten uns blaue Flecken.

»Okay, das reicht, vielen Dank.« Ivy Bennett klatschte in die Hände, und als wir sie anblickten, ging sie in Richtung Meer und marschierte ins türkisfarbene Wasser hinein. »Folgt mir bitte. Wir machen eine Übung in zweiter Gestalt und …«

Sie kreischte auf, riss die Arme hoch und machte einen Satz. Wir reckten neugierig die Hälse. Oha, da bewegte sich etwas im Wasser, ein hellbrauner Schatten unter der Oberfläche, der hastig davonglitt. Um sich spritzend, hastete Miss Bennett zurück an Land.

»Alles okay?«, rief Juna, lief zu unserer zitternden Lehrerin und berührte sie am Arm.

»Ich glaube, sie ist auf einen Stachelrochen getreten«, sagte Shari mitleidig. »Na, der hat sich bestimmt erschreckt.«

Nestor rief: »Sie haben den Rochen-Schlurf vergessen, Miss Bennett.« Unser Klassenstreber war gnadenlos – wenn Lehrer einen Fehler machten, wies er sie jedes Mal daraufhin. Kam total gut an. Bei den Schülern jedenfalls.

Finny drückte Shari ihre Sonnenbrille und ihren Geisternetz-Armreif in die Hand, rannte ins Wasser und verwandelte sich dort in eine Art zwei Meter breiten schwarzen Pfannkuchen – ihr Teufelsrochen-Ich. Mal schauen, ob unter Wasser jemand verletzt ist.

»Was in aller Welt ist der Rochen-Schlurf?«, erkundigte sich Izzy, unser Neuzugang aus Kalifornien.

»In Florida gibt’s viele Rochen, sie liegen gut getarnt auf dem Sand oder knapp darunter«, erklärte ihr Chris, der neben ihr gegen eine Palme lehnte und auf einem Grashalm herumkaute. »Deshalb sollte man schlurfen, wenn man durchs Flachwasser geht, also die Füße kaum heben. Das wirbelt Sand auf – der Rochen merkt, dass du kommst, und haut ab.«

He, das zu sagen wäre mein Job gewesen, beschwerte sich Finny. Dem Rochen, den sie getreten hat, ist übrigens nichts passiert.

»Also, Kinder, achtet bitte in Zukunft darauf, so durchs Wasser zu gehen«, verkündete eine sehr blasse Miss Bennett. Sie räusperte sich ein paarmal, zupfte ihren Badeanzug zurecht und ging zögerlich zurück in die Lagune. Diesmal mustergültig schlurfend. »So, jetzt bitte alle verwandeln, wir arbeiten in zweiter Gestalt weiter.«

Es war ein ziemliches Durcheinander, als alle gleichzeitig ins Wasser wateten und sich verwandelten. Neben mir wälzte sich eine Seekuh durch die Brandung, während Linus – ein Seepferdchen – ihr hastig auszuweichen versuchte. Ralph kreuzte als Riffhai durch die Lagune, Polly stand als Mensch mit Alligatorkopf am Strand. Shari ruderte verzweifelt als Delfin mit zwei Menschenarmen statt Brustflossen herum, wobei Noah ihr gut zuredete. Blue hatte ihre eigenen Probleme, weil sie vergessen hatte, vor dem Verwandeln ihre Drei-Flossen-Kette auszuziehen (was ihr eigentlich nicht ähnlich sah).

Bildet jetzt bitte eine Reihe!, rief unsere Kampflehrerin, als wieder etwas mehr Ordnung eingekehrt war. Sie war nun ein nicht sehr großer, gelb-braun gefleckter Fisch mit eckigem Kopf und Glupschaugen. Die Stacheln, die ihren Körper bedeckten, waren stromlinienförmig angelegt.

Ich manövrierte meinen Tigerhaikörper neben Finny und Shari, erwartungsvoll beobachteten wir unsere neue Lehrerin. Niemand bewegte eine Flosse oder schwatzte von Kopf zu Kopf, weil wir alle sehr gespannt waren.

Aber nicht darauf, was Miss Bennett nun sagen würde. Sondern ob sie merken würde, dass Nox sich gerade von hinten an sie heranpirschte.

So, würdet ihr jetzt bitte …, begann sie.

Nox stupste den Igelfisch von hinten kräftig mit dem Schnabel an.

Unsere neue Kampflehrerin quiekte auf, begann, panisch Wasser zu schlucken, und blähte sich zu einem weiß-hellbraunen Stachelball auf, an dem hier und da winzig wirkende Flossen hingen.

Ich weiß, es war nicht sehr nett. Schließlich konnte sie nichts dafür. Aber sie sah einfach zu putzig aus.

Wir applaudierten, so gut man das mit Flossen kann.

Danach war die Stunde etwas früher zu Ende und Miss Bennett hastete völlig aufgelöst zu ihrer Hütte. Dabei vergaß sie, das hinter der Palme versteckte Buch mitzunehmen. Neugierig schauten Jasper, Shari und ich es uns an. Es war ein Exemplar von Judo für Dummies.

Unerwarteter Besuch

Als Jack Clearwater von der verpatzten Kampfstunde erfuhr, war er sauer. Auf uns!

»Leute, könnt ihr euch bitte benehmen?«, schimpfte er uns in der Mittagspause, als wir bis zu den Knien im Wasser der Cafeteria standen. »Wisst ihr eigentlich, wie schwer es ist, eine Seawalker-Lehrerin zu finden?«

Betretenes Schweigen in der Klasse. Dann sah ich, wie Juna aufstand, unsere Klassensprecherin. »Es tut uns leid«, sagte sie und gab ihr Bestes, um zerknirscht auszusehen. »Wäre es denn irgendwie möglich …«, sie zögerte, »… Miss White zurückzuholen?«

Jack Clearwaters Gesichtsausdruck veränderte sich, nun sah er einfach nur traurig aus.

Mir fiel wieder ein, dass er mehr als nur eine Lehrerin verloren hatte.

»Die Chancen stehen leider schlecht, fürchte ich«, sagte er. »Findet euch bitte mit der Situation ab und verzichtet darauf, Miss Bennett das Leben schwer zu machen, ja?«

Ich wollte mich nicht mit der Situation abfinden. Was für eine Chance hatte ich denn ohne Miss Whites Privatstunden? Irgendwann würde mich wieder die Wut packen, ich hatte meine Gefühle noch längst nicht perfekt im Griff! Außerdem fehlte sie mir.

Lustlos schlangen die Delfine, Jasper, Finny und ich das Essen in uns hinein, ein Risotto mit Frischkäse und Lachs.

»Als Kampflehrerin ist diese Frau ein schlechter Witz, wieso hat Mr Clearwater sich die Stunde nicht mal angeschaut?«, schimpfte Finny, die mit uns in unserem rot-weißen Lieblings-Tischboot saß.

»Genau, und jetzt sin’ wir schuld, dabei hat Nox das gar nich’ böse gemeint«, fügte Jasper betrübt hinzu.

Stimmt – wenn ich es böse gemeint hätte, hätte ich sie in den Hintern gebissen, erklang es aus dem Wasser neben unserem Boot.

»Ihr wollt Miss White auch zurück, oder?« Finny blickte in die Runde. »Sie war hart drauf, klar, aber das war irgendwie okay, wisst ihr, was ich meine?«

Ich musste grinsen. »Du meinst, dass sie dich an deinem Rochenschwanz gepackt und im Kreis geschleudert hätte, wenn du ihr frech gekommen wärst?«

»Genau!«

»Wenn wir wenigstens wüssten, wo sie hingeschwommen ist«, sagte Shari bedrückt. »Vielleicht könntest du sie überreden, dass sie zurückkommt, Tiago. Dann reden wir in Ruhe darüber, was sie früher getan hat.«

»Genau, das kannste bestimmt!« Jasper war begeistert. Er wusste das mit den geheimen Privatstunden.

In meiner Kehle war ein dicker Kloß. Es fühlte sich an, als würde das Risotto nicht mehr hindurchpassen. »Vielleicht«, brachte ich heraus.

»Bestimmt! Sie mag dich«, meinte auch Finny. »Aber nicht so sehr wie Jack natürlich. Am besten richtest du ihr aus, dass er sie vermisst. Muss er ja nicht selbst gesagt haben. Man sieht ihm das an, oder?«

Ich nickte. »Aber hallo. Vorhin sah er aus wie ein gestrandetes Schiff.«

Oh, hey, ein Hai, der zu poetischen Vergleichen neigt, zog Nox mich auf.

»Vergleiche kann ich auch«, meinte Noah und schob sich eine Gabel Risotto in den Mund. »Ein Orca, der hier in Florida durch die Gegend schwimmt, müsste doch auffällig sein wie ein … ein knallpinkes Kreuzfahrtschiff!«

»Könnten wir nicht einfach herumfragen, wer sie gesehen hat?«, schlug Blue vor.

Aus guten Ideen sollte man gleich was machen, sonst werden sie ranzig. Ich ließ mein Risotto im Stich und watete quer durch die Cafeteria rüber zu dem Boot, in dem ein paar Zweitjahresschüler saßen, darunter Carmens Retterin Enya und Jamie, als Tier ein Einsiedlerkrebs. Garantiert hatte er das Schneckenhaus, in dem er in zweiter Gestalt wohnte, so wie immer in der Hosentasche. Aber diejenige, die ich ansteuerte, war die zierliche Shelby, eine Brandseeschwalbe und begeistertes Mitglied unserer Fliegerstaffel.

Doch ich kam nicht bei ihr an, denn in diesem Moment tauchte jemand am Eingang der Cafeteria auf, genau am Rand der trockenen Zone beim Schuhregal. Es war eine schlanke blonde Frau im weißen Kostüm und mit High Heels – als Tier war sie eine hellgelbe Python, doch mit ganz normal dunklen Augen, ein richtiger Albino war sie nicht (die hatten eine rote Iris). Die meisten Leute hätten nur eine attraktive Geschäftsfrau gesehen. Ich sah einen wandelnden Albtraum. Zum Glück waren wenigstens ihre Bodyguards, die Tigerzwillinge, nirgendwo in Sicht.

»Ella, Schatz, ich bin gekommen, um dich abzuholen!«, verkündete Lydia Lennox und winkte fröhlich in Richtung ihrer Tochter.

Ella wirkte verblüfft – und nicht sehr erfreut. »Aber ich hab doch noch Unterricht?«

»Ach, lass den sausen, ich habe Tickets für ein Musical heute Abend, da müssen wir uns rechtzeitig stylen und auf den Weg machen.« Es schien Mrs Lennox überhaupt nicht zu stören, dass Mr Clearwater und die anderen Erwachsenen am Lehrertisch alles hören konnten.

»Mum, das geht echt nicht, dass du einfach so hier in der Schule auftauchst«, sagte Ella. Wahrscheinlich war ihr dieser Auftritt vor ihren Freunden megapeinlich. Ich fand es mutig von ihr, dass sie ihrer Mutter widersprach.

»Stell dich bitte nicht so an!« Mrs Lennox’ Ton war schärfer geworden. »Los, pack deine Sachen, du hast dich doch bestimmt schon auf das Musical gefreut, oder? Die Karten waren nicht billig!«

»Moment mal«, sagte unser junger Schulleiter und stand auf. »Ella hat recht, sie hat noch Unterricht und …« Lydia Lennox beachtete ihn nicht. »Wo ist eigentlich dein Verwandlungslehrer! Ah, da ist ja der liebe Farryn.«

Mein Verwandlungslehrer erhob sich ebenfalls, er wirkte auf der Hut. »Was gibt’s, Lydia?«, fragte er vorsichtig.

»Diesen Termin am Montag, den brauchen wir nicht. Ella kann sich ganz hervorragend verwandeln und sie ist so klug, dass sie leicht Klassenbeste werden könnte.«

Verdammt! Wie sollte Mr García sie sondieren, wenn sie jetzt den Termin absagte?

»Du willst also nichts über ihren genauen Lernstand wissen?« Noch gab Farryn García nicht auf. »Die anderen Eltern wären froh über eine solche Gelegenheit, ausführlich über ihr Kind zu reden.«

Mit hängenden Armen und hilflosem Blick stand Ella dabei und hörte zu. Über das Lob ihrer Mutter schien sie sich nicht zu freuen, wahrscheinlich war ihr klar, dass sie weit davon entfernt war, Klassenbeste zu werden.

»Ihr Lernstand?« Lydia Lennox winkte ab. »Ich bitte dich, natürlich will ich das, aber wir bereiten gerade einen großen Prozess vor und arbeiten in der Kanzlei bis spät in die Nacht.«

Aha. Aber dafür, in ein Musical zu gehen, war noch genug Zeit?

»Ella wird mir alles erzählen, was wichtig ist. Das wirst du doch, oder, mein Juwel?« Zärtlich lächelte sie Ella an. »So, und jetzt komm schon, wir müssen los!«

Ella gab auf. »Okay, ich pack meine Sachen. Komme gleich.«

Meine Gefühle waren gerade dabei, mich in Stücke zu reißen. Ein Teil von mir wollte fliehen, unbedingt und so schnell wie möglich. Schließlich war Lydia Lennox nicht nur eine raffinierte Anwältin, die jedem das Wort im Mund verdrehte, sondern auch eine riesige Python, die mich schon einmal fast erwürgt hatte. Der andere Teil von mir regte sich gerade tierisch auf, weil bei ihrem Anblick diese ganze Sache mit den Arenakämpfen in mir hochkam. Mrs Lennox hatte einfach zugeschaut und nicht eingegriffen, als ich in zweiter Gestalt beinahe getötet worden wäre!

Dieser Teil gewann. Bevor ich genau wusste, was ich tat, war ich schon auf den Füßen und watete auf meine Feindin zu. Sekunden später standen wir uns an der Rampe gegenüber, der den Trockenvom Nassbereich trennte.

Ich starrte ihr direkt ins etwas kantige Gesicht, das von welligen dunkelblonden Haaren umrahmt wurde. Ihre Augen waren eisblau.

»Sie waren dort, auf dem Schiff.« Meine Worte kamen wie von selbst. »Sie haben irgendeinen Cocktail getrunken und mit den anderen Leuten zugeschaut, wie ein bezahlter Taucher mit einer Harpune auf einen Hai schießt. Einen Hai, der einfach nur in Ruhe gelassen werden wollte!«

Die vollen, violett geschminkten Lippen verzogen sich spöttisch. »Du bist so ein zartes Seelchen. Machst dir solche Sorgen wegen ein paar Haien! Fast alle Menschen hassen Haie und freuen sich, wenn sie dezimiert werden.«

»Sie haben gewusst, dass ich es bin, der da in die Arena gezerrt wurde! Ich war nur ein paar Meter entfernt – Sie haben mich erkannt, aber mir trotzdem nicht geholfen!«

Lydia Lennox schüttelte mitleidig den Kopf und wandte sich an Mr Clearwater, der hastig herangewatet war. »Ihr Schüler scheint an Verfolgungswahn zu leiden, er braucht offensichtlich Hilfe. Soll ich Ihnen einen guten Psychiater empfehlen?«

Am liebsten hätte ich heftig gegen die Wand getreten oder etwas durch die Gegend geschleudert. Aber dann hörte ich in mir die vertraute Stimme von Miss White. Lass dich von ihr nicht reizen – wenn du deine Wut zeigst, hat sie ihr Ziel erreicht. Überrasch sie lieber, tu etwas, womit sie nicht rechnet!

Obwohl Miss White wahrscheinlich Hunderte von Meilen entfernt war, half sie mir noch. Irgendwie schaffte ich es, ruhig stehen zu bleiben. Was konnte ich tun, um sie zu überraschen? Mit dem nächsten Wimpernschlag fiel mir etwas ein. Obwohl es mich unglaubliche Anstrengung kostete, lächelte ich Mrs Lennox ins Gesicht. »Es gibt da ein paar Dinge, die Sie nicht wissen. Lassen Sie sich ruhig davon überraschen, wie das mit den Arenakämpfen für Sie und Ihre Mafiafreunde ausgeht.«

Treffer. Eine Millisekunde lang schaute sie verblüfft drein, bis sie sich wieder gefangen hatte und zurücklächelte. »Na, da bin ich aber gespannt. Kleiner Tipp: Falls du öffentlich irgendwelche Verdächtigungen äußerst, braucht ihr einen guten Anwalt, du und dein Onkel. Weil ihr dann nämlich eine Millionen-Dollar-Klage wegen Rufschädigung am Hals habt.«

Darauf fiel mir keine Antwort ein. Mein Gehirn war auf einmal genauso ausgedörrt wie mein Mund.

»Mrs Lennox, Sie können Ella noch nicht mitnehmen«, mischte sich unser junger Schulleiter ein. »Aber Sie können gerne hier warten, bis der Unterricht endet. Dauert auch nicht mehr lange, sie hat nur noch Menschenkunde und …«

»Ach Blödsinn! Komm, Ella, wir gehen«, unterbrach ihn Lydia Lennox.

»Warte mal«, unterbrach sie Ella, die inklusive Handtasche am Eingang der Cafeteria erschienen war. »Hast du Tiago bei diesen Haikämpfen nun erkannt oder nicht? Das würde mich auch interessieren.«

»Nein, ich habe ihn selbstverständlich nicht erkannt, für mich sieht ein Hai aus wie der andere«, sagte ihre Mutter gereizt.

Dann zerrte Mrs Lennox Ella förmlich mit sich. Sie kam nicht mal mehr dazu, sich von ihren Fans Barry, Toco und Daphne zu verabschieden.

Plötzlich tat Ella mir leid. Meine Eltern waren schlimm, aber immerhin mischten sie sich nicht so in mein Leben ein und überließen meine Erziehung Johnny

»Alles in Ordnung, Tiago?«, fragte mich Jack Clearwater besorgt.

»Jaja, geht schon«, brachte ich irgendwie heraus. Konnte sie mich und Johnny wirklich verklagen? Bestimmt. Meine Beine waren so weich, dass ich nur mit Mühe zu den Tischbooten zurückwaten konnte.

Mit gedämpfter Stimme sagte Mr García zu mir: »Ich versuche, einen neuen Termin bei ihr zu bekommen oder sie sonst wie abzufangen. Das war nur ein kleiner Rückschlag … wir kriegen das hin, okay?«

Ich nickte und lächelte ihm dankbar zu.

Auf halbem Weg zu Shari und meinen anderen Freunden, die die Szene erschrocken beobachtet hatten, fiel mir etwas ein und ich änderte die Richtung.

Neugierig blickten mir die Zweitjahresschüler entgegen. Shelby hatte mittellanges schwarzes Haar, eine braune Haut und feine Gesichtszüge. Neben ihr saß Maris, ein Albatros, als Mensch ein schlaksiger, schüchterner Junge mit abstehenden Ohren. Die beiden hingen oft zusammen herum. Sie probierten gerade die selbst gebackenen Mandelmuffins, die Alligator-Wandlerin Polly stolz herumreichte – Backen war ihr großes Hobby, und falls man sie suchte, dann am besten erst mal in der Küche. Allerdings hatte sie großes Heimweh nach den Everglades, ich war nicht sicher, ob sie an unserer Schule bleiben würde.

»Könnte ich euch, ähm, um einen Gefallen bitten?«, fragte ich unsere Vogel-Wandler und erklärte ihnen, dass wir vorhatten, Miss White zu suchen, und dass wir verhindern wollten, dass noch einmal diese illegalen Haikämpfe stattfanden. »Könntet ihr bei Gelegenheit losfliegen und ein paar Leute fragen, ob sie Miss White gesehen haben und vielleicht sogar wissen, in welche Richtung sie geschwommen ist?«

»Kein Problem«, sagte Shelby sofort, sie war zum Glück sehr hilfsbereit. »Ich könnte am Wochenende ein paar Erkundungsflüge machen – bist du dabei, Maris?«

»Meine Flügel sagen ganz laut Ja«, rief ihr Freund.

In mir spulte sich noch einmal die Begegnung mit Lydia Lennox ab und mir wurde klar, dass wir Miss White noch aus einem anderen Grund dringend brauchten. Sie war unsere stärkste Verbündete gegen die Machenschaften der Lennox und ihrer fiesen Freunde. Eine Kämpferin der Extraklasse. Sie war vielleicht die Einzige, die uns helfen konnte, diese scheußlichen Arenakämpfe zu beenden. Auch wenn Haie von vielen Leuten gefürchtet wurden, sie hatten ein Recht darauf, in Ruhe gelassen zu werden!

»Zu diesen Haikämpfen: Könntet ihr bitte außerdem nach großen Jachten Ausschau halten, die an abgelegenen Orten ankern und dort Netze auswerfen?«

»Gute Idee!« Shelbys Augen glänzten.

»Wir schnappen diese Kerle«, sagte ich grimmig.

Muschelpläne und Buffets

Ich verabschiedete mich von den Zweitjahresschülern und kehrte zu meinen Freunden zurück. Shari umarmte mich. »Das war echt mutig – ich dachte, jeden Moment macht sie eine Fischfrikadelle aus dir! Aber du bist keine Schnauzenlänge zurückgewichen!« Gespannt blickte sie mich aus ihren warmen braunen Augen an und fingerte an ihrer Drei-Flossen-Kette herum. »Was sind denn diese Dinge, die die Lennox nicht weiß?«

»Ähm … das hab ich mir leider nur ausgedacht.« Ich gab ein verlegenes Pseudolachen von mir, das die Sache noch peinlicher machte.

Meine Freunde blickten betreten drein.

»Oh«, sagte Finny und kämmte sich mit den Fingern die blauen Haare durch. »Und ich dachte, du hättest am Wochenende irgendetwas total Gefährliches vor, was den Schurken demnächst das Wasser unter den Flossen wegzieht …«

Von Mr Garcías Plan, die Lennox zu sondieren, durfte ich ihnen nichts erzählen. Falls etwas darüber durchsickerte, konnten wir die Aktion vergessen. Einmal war der Termin ja schon geplatzt.

»Etwas Gefährliches habe ich schon vor – aber nicht gefährlich für mich«, erklärte ich und Jasper ging prompt darauf ein: »Was meinste denn damit?«

»Johnny und ich werden zum ersten Mal in zweiter Gestalt zusammen ins Meer gehen. Er hatte bisher Angst davor, weil Tigerhaien Zackenbarsch ziemlich gut schmeckt.«

Finny, Shari, Jasper und Chris starrten mich an. »Oh wow«, sagte Chris. »Aber wehe, ihm fehlt nachher eine Flosse! Wir erwarten, dass du Bericht erstattest.«

Das versprach ich natürlich. Und musste mitbekommen, dass sich meine Pläne schon während der nächsten Stunden in der ganzen Klasse herumsprachen.

»Wetten, er frisst seinen Onkel versehentlich?«, hörte ich Barry mit einem hämischen Seitenblick auf mich behaupten. »Haie sind unberechenbar…«

Ich warf ihm einen finsteren Blick zu. Was für ein Blödsinn! Johnny war mein Ersatzvater und das mit dem »gefährlichen Vorhaben« hatte ich nur so dahingesagt. Auch als Tigerhai, wenn meine Instinkte stärker waren als an Land, würde ich lieber sterben, als ihm eine Schuppe zu krümmen.

Es gab da noch etwas, das ich den anderen nicht gesagt hatte. Ich würde nicht irgendwo mit Johnny schwimmen, sondern an einem ganz besonderen Ort. Doch den behielt ich lieber für mich, sonst hätte ich auch gleich verraten können, welche Überraschung wir für meine beste Freundin geplant hatten.

Bei nächster Gelegenheit nahm ich Juna beiseite. »Hast du schon mit den anderen gesprochen wegen der neuen Muscheln für Shari?« Beim Hurrikan war ihre Sammlung am Grund der Bucht zerstört worden und ich wollte auf keinen Fall, dass unser Delfinmädchen deswegen traurig war.

»Ja, viele aus der Klasse wollen mitmachen und ihr eine Muschel schenken«, flüsterte Juna, nachdem sie sich zweimal umgeschaut hatte.

»Cool. Machen wir Montag die feierliche Übergabe? Gleich beim Frühstück?«

Das Lächeln passte fast nicht mehr auf Junas Gesicht. »Du hast es aber eilig. Wetten, du hast die schönste Muschel von allen für sie?«

Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg. Ahnte sie, was Shari mir bedeutete? »Noch nicht. Aber bestimmt bald.«