Windwalkers (1). Verborgene Flügel - Katja Brandis - E-Book

Windwalkers (1). Verborgene Flügel E-Book

Katja Brandis

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Beschreibung

Eine neue Gestaltwandler-Schule öffnet ihre Türen. An der Redcliff High dreht sich alles um die Tiere der Lüfte! Die junge Wolfs-Wandlerin Sierra fiebert der Eröffnung der Redcliff High entgegen: das neue Gestaltwandler-Internat ihrer Eltern an der felsigen Küste Kaliforniens. Werden ihre Mitschüler nett sein? Und welche Tiergestalten stecken in ihnen? Mit dem Wildpferdmädchen Amy und der Tiger-Wandlerin Summer freundet sich Sierra schnell an. Doch eine Gruppe von Vogel-Wandlern, die sich Windwalker nennen, schließt alle aus, die nicht fliegen können. Dabei würde Sierra deren Anführer, den stolzen Steinadler Sky, gern besser kennenlernen. Parallel häufen sich in der Gegend rund um die Schule merkwürdige Vorfälle. Seltene Tiere verschwinden und anderswo werden geheimnisvolle Knochen entdeckt. Sierras Spürsinn ist geweckt. Kann sie herausfinden, wer hinter alldem steckt – und ob auch die Gestaltwandler an der Redcliff High in Gefahr sind? Doch da spürt Sierra plötzlich, dass in ihrem Innern eine neue Tiergestalt erwacht – und dieses Tier ist eindeutig kein Wolf … Hier kommt die neue große Tierwandler-Reihe von Katja Brandis, der Bestseller-Autorin von Woodwalkers und Seawalkers! Mitreißende Flugszenen, fantastische Wandler-Freundschaften und große Abenteuer warten auf Sierra und ihre Freunde (Bussard-Wandler Ricardo, Waschbärjunge Alex, Sittich-Wandlerin Kiki, Schneeeulenmädchen Avery und viele mehr). Mit Gastauftritten der beliebten Figuren aus Woodwalkers und Seawalkers. Einzigartig spannende Geschichten für alle Fans von Fantasy-Abenteuern ab 10 Jahren. Unvergleichlich illustriert von Claudia Carls. Mit farbig gestaltetem Vor- und Nachsatzpapier. Alle Windwalkers-Bände sind einzeln und unabhängig von den anderen Büchern der Reihe lesbar. Die Walkers-Bände erscheinen halbjährlich. Bisher erschienen sind: Woodwalkers (Staffel 1) Woodwalkers (1). Carags Verwandlung Woodwalkers (2). Gefährliche Freundschaft Woodwalkers (3). Hollys Geheimnis Woodwalkers (4). Fremde Wildnis Woodwalkers (5). Feindliche Spuren Woodwalkers (6). Tag der Rache Woodwalkers – Die Rückkehr (Staffel 2) Woodwalkers – Die Rückkehr (1). Das Vermächtnis der Wandler Woodwalkers – Die Rückkehr (2). Herr der Gestalten Woodwalkers – Die Rückkehr (3). Das Grollen der Löwin Woodwalkers – Die Rückkehr (4). Der Club der Fabeltiere Woodwalkers – Die Rückkehr (5). Rivalen im Revier Woodwalkers – Die Rückkehr (6). Zeit der Entscheidung Seawalkers Seawalkers (1). Gefährliche Gestalten Seawalkers (2). Rettung für Shari Seawalkers (3). Wilde Wellen Seawalkers (4). Ein Riese des Meeres Seawalkers (5). Filmstars unter Wasser Seawalkers (6). Im Visier der Python Special-Bände Woodwalkers & Friends. Katzige Gefährten Woodwalkers & Friends. Zwölf Geheimnisse Woodwalkers & Friends. Wilder Kater, weite Welt Seawalkers & Friends. Dreizehn Wellen Woodwalkers/Seawalkers & Friends. Wilde Ferien Weitere Bände in Planung

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Seitenzahl: 382

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Bücher von Katja Brandis im Arena Verlag:

Woodwalkers (1). KaragsCarags Verwandlung

Woodwalkers (1). KaragsCarags Verwandlung.Sonderausgabe zum Film

Woodwalkers (2). Gefährliche Freundschaft

Woodwalkers (3). Hollys Geheimnis

Woodwalkers (4). Fremde Wildnis

Woodwalkers (5). Feindliche Spuren

Woodwalkers (6). Tag der Rache

Woodwalkers – Die Rückkehr (1).Das Vermächtnis der Wandler

Woodwalkers – Die Rückkehr (2).Herr der Gestalten

Woodwalkers – Die Rückkehr (3).Das Grollen der Löwin

Woodwalkers – Die Rückkehr (4).Der Club der Fabeltiere

Woodwalkers – Die Rückkehr (5).Rivalen im Revier

Woodwalkers – Die Rückkehr (6).Zeit der Entscheidung

Woodwalkers & Friends.Katzige Gefährten

Woodwalkers & Friends.Zwölf Geheimnisse

Woodwalkers & Friends.Wilder Kater, weite Welt

Seawalkers (1). Gefährliche Gestalten

Seawalkers (2). Rettung für Shari

Seawalkers (3). Wilde Wellen

Seawalkers (4). Ein Riese des Meeres

Seawalkers (5). Filmstars unter Wasser

Seawalkers (6). Im Visier der Python

Seawalkers & Friends. Dreizehn Wellen

Khyona (1). Im Bann des Silberfalken

Khyona (2). Die Macht der Eisdrachen

DelfinTeam (1). Abtauchen ins Abenteuer

DelfinTeam (2). Der Sog des Bermudadreiecks

DelfinTeam (3). Ritt auf der Brandung

Gepardensommer

Koalaträume

Der Elefantentempel

Die Jaguargöttin

Der Panthergott

Der Fuchs von Aramir

Die Ewigen von CallisteCalliste

Vulkanjäger

Bücher in Einfacher Sprache:

Woodwalkers (1). KaragsCarags Verwandlung

Woodwalkers (2). Gefährliche Freundschaft

Katja Brandis, Jahrgang 1970, hat Amerikanistik, Anglistik und Germanistik studiert und als Journalistin gearbeitet. Schon in der Schule liehen sich viele Mitschüler ihre Manuskripte aus, wenn sie neuen Lesestoff brauchten. Inzwischen hat sie zahlreiche Romane für Jugendliche veröffentlicht, zum Beispiel Khyona, Gepardensommer, Die Jaguargöttin oder Ruf der Tiefe. Sie lebt mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Nähe von München.

www.woodwalkers.de | www.seawalkers.de

Für Lian und Emma

Ein Verlag in der Westermann Gruppe

1. Auflage 2025

© 2025 Arena Verlag GmbH

Rottendorfer Straße 16, 97074 Würzburg

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Der Verlag behält sich eine Nutzung des Werkes fürText und Data Mining im Sinne von §44b UrhG vor.

Der Arena Verlag hat keinen Einfluss auf dieInhalte externer Webseiten und Links.

Dieses Werk wurde vermittelt durch dieAutoren- und Projektagentur Gerd F. Rumler (München).

Cover und Innenillustrationen: Claudia Carls

E-Book-ISBN 978-3-401-81109-3

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Meine zweite Gestalt – die einer schwarzen Wölfin – hat sich gezeigt, als ich noch in der Grundschule war. Meine Eltern waren begeistert, weil beide auch Woodwalker sind. Da mein Vater schon seit Jahren von Kalifornien aus für den Rat arbeitet, hatten wir immer viel Kontakt zu anderen Wandlern. Die Sicherheitschefin bringt mir gerade Rattensprache bei, der Delfin-Wandler aus Florida gibt mir Tipps, wie ich besser von Kopf zu Kopf sprechen kann, und der Ratsvorsitzende (ein Fuchs) hat mir schon ein paar wichtige Aufträge anvertraut, obwohl ich noch in der Schule bin. Mein Name ist Sierra und das hier ist meine Geschichte und die der Wandler-Highschool, die meine Eltern und ich aufgebaut haben. Einer Schule, in der öfter, als uns lieb ist, fellsträubende Dinge geschehen …

Prolog

KaragCarag

Er hatte seinen alten Feind besiegt, bald waren Sommerferien und die Rocky Mountains gehörten ihm. Das war unendlich katzig! Er lag auf der Seite auf einem Felsplateau und ließ sich von der Sonne sein Fell wärmen. Dabei fühlte er, dass langsam, ganz langsam nicht nur sein verletztes Ohr zu heilen begann, sondern auch seine Seele.

Doch kurz bevor er wegdöste, huschte irgendetwas über seine Schulter, dann zupften Pfötchen an seinen Tasthaaren. He, warum liegst du hier herum wie ein Bettvorleger, KaragCarag?, sagte eine unerträglich unternehmungslustige Mädchenstimme in seinem Kopf. Wir wollen doch heute einen Ausflug zu den Geysiren machen!

Ich schlafe gerade, brummte KaragCarag, was leider so offensichtlich gelogen war, dass Holly nicht daran dachte, ihn in Ruhe zu lassen.

Ach, echt? Warum zucken dann deine Ohren? Los, steh auf, es ist schon nach Mittag und ich will los! Jetzt hüpfte das Nagetier des Grauens auch noch auf seinem Bauch auf und ab. Dabei hatte er gerade erst gefressen.

Hör sofort auf, Horrorhörnchen, sonst kommen mir die fünf Burritos wieder hoch. Halbherzig versuchte er, Holly unter seiner Pranke zu fangen, was leider schiefging, sie war einfach zu schnell. Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass wir gesagt haben, wir machen diesen Ausflug nicht heute, sondern am Sonntag.

Mann, Pumas sind so langweilig! Gleißendes Sonnenlicht. Holly hatte ihm das Lid hochgezogen und spähte in eins seiner Augen.

Das war zu viel. Geschmeidig sprang KaragCarag auf, duckte sich und fauchte sie an. Prompt flitzte Holly den nächstbesten Baum hoch. Puh! Warum bist du so aggro? Seid dem Tag der Rache verstehst du gar keinen Spaß mehr. Dabei wollte ich dir eigentlich nur was Wichtiges erzählen.

Langsam beruhigte sich KaragsCarags Puls wieder. Ja, er war noch ziemlich fertig und hatte wohl überreagiert. Er legte sich hin und schleckte sich kurz die Vorderpranke, konnte aber nicht verhindern, dass die Spitze seines zimtfarbenen Schwanzes nervös pendelte. Was gibt’s denn so Wichtiges?

Hab gestern einen Wandler getroffen, der zu Besuch hier in der Gegend war, berichtete Holly und turnte an einem Ast über ihm herum. Einer von diesen Kerlen mit viel zu scharfem Schnabel und braunen Federn, die hinten rot sind.

Ein Rotschwanzbussard?KaragCarag blickte über das mit Drehkiefern getupfte Grasland unter ihm hinweg. Aus der Entfernung sah das Dach der ClearwaterHigh aus wie ein mit Gras und Büschen bewachsener Hügel.

Kann sein. Jedenfalls wollte er unsere Rabenzwillinge besuchen und er hat gesagt, er macht sich Sorgen.

Inzwischen war KaragCarag wacher, als ihm lieb war. Wieso?

Na ja, wie all diese gefiederten Mistkerle hat er scharfe Augen und ist viel unterwegs. Ihm ist aufgefallen, dass bei ihm in Kalifornien immer wieder seltene Tiere aus der Wildnis verschwunden sind, nachdem Menschen in der Gegend waren. Oft über Nacht.

Nicht gut, sagte KaragCarag besorgt. Artenschmuggel war ein großes Problem für die Tierwelt, das hatten sie neulich auch in Bio durchgenommen. Es starben durch die Schuld des Menschen sowieso immer mehr Tierarten aus – oft weil sie ihren Raum zum Leben verloren oder weil sie mit den Menschen nicht klarkamen oder die Menschen nicht mit ihnen. Und dann wurden sie auch noch gejagt wegen ihrer Felle, Federn oder anderer Körperteile oder weil sie lebend als Haustiere verkauft wurden. Beides war zwar verboten, aber es wurde trotzdem gemacht – um so etwas schien es auch hier zu gehen.

Außerdem hat er wohl seltsame Knochen entdeckt, sehr große Knochen, die von Tieren stammen, wie er sie noch nie gesehen hat.

Aha. Sein Interesse schwand etwas. Hier im Westen der USA wurden oft versteinerte Dinoknochen entdeckt. Überbleibsel von uralten Tieren, die toter waren als tot. Wo war das denn? Hier bei uns?

Nein, auch bei ihm daheim in Kalifornien. Vielleicht gibt es da irgendeinen Zusammenhang, meint der Bussardtyp. Zwischen dem Verschwinden seltener Tiere und den seltsamen Knochen. Irgendeine üble Sache gehe da vor sich.

Kalifornien war tausend Meilen weit weg. KaragCarag seufzte. Er soll das dem Rat melden, der kümmert sich drum. Ich hab gerade ziemlich viele Probleme gelöst, das reicht erst mal. Vielleicht kann Sierra herausfinden, was hinter beiden Sachen steckt. Schließlich löst sie gerne Rätsel und so was. Er hatte die schlaue schwarze Wölfin über den Nordamerikanischen Woodwalker-Rat kennengelernt. Ohne ihre Hilfe wäre es nicht gelungen, die Menschen vor dem hasserfüllten Puma-Wandler AndrewMilling und seinen Kumpanen zu schützen.

Erinnerst du mich bitte daran, ihr Bescheid zu sagen, Holly?

Nein, er würde sich heute nicht hier wegbewegen. Es fühlte sich zu gut an, nach den Kämpfen der letzten Wochen einfach mal auszuruhen.

Oder noch besser, sag den Raben, SIE sollen das an den Rat weiterleiten.

Klar, mach ich, versicherte Holly und gab endlich den Versuch auf, seine Tasthaare zusammenzuflechten. Kurz darauf hörte er sie ein Stück entfernt jubeln. Boah, so viele Kiefernzapfen und schon fast reif! Penn ruhig weiter, Pelzohr, ich hab hier sowieso noch zu tun.

Dankbar für das Schicksal, das genau an dieser Stelle für reichlich Knabberkram gesorgt hatte, schlief KaragCarag ein.

Nasenstress

Sierra

Meine Nase wurde angegriffen und ich konnte nichts dagegen tun. Es war das Mädchen vor mir, von dem der Angriff ausging, und wahrscheinlich merkte sie nicht mal was davon. Bestimmt fühlte sie sich einfach gepflegt. Dass ich auf dem Platz hinter ihr beinahe erstickte, weil sie ungefähr eine Tonne Haarfestiger, zehn Liter Sprühdeo und wahrscheinlich noch zwei oder drei Flaschen Parfüm verwendet hatte, war ihr bestimmt egal. Außer mir störte das wie üblich niemanden.

Flach atmen half nichts, Nase zuhalten und Fenster aufmachen nur vorübergehend. Vor uns an der Tafel erzählte der Lehrer unseres Geografiekurses irgendetwas über Längen- und Breitengrade, was nicht uninteressant war, aber schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich stand auf, murmelte irgendwas und wankte nach draußen in den stillen, leeren Flur meiner Highschool. Darin reihte sich ein Metallspind an den anderen, in gläsernen Schaukästen waren Sportpokale der Schule ausgestellt.

Dort konnte ich endlich durchatmen, obwohl ich lückenlos hätte aufzählen können, was sich im nahen, übervollen Mülleimer befand. Darunter waren ein vergammeltes Schinkensandwich, mehrere benutzte Taschentücher und irgendein Behälter, der mal Limo mit Kirschgeschmack enthalten hatte. Aber es war besser als im Klassenzimmer.

Manchmal ist es nicht leicht, in zweiter Gestalt ein Wolf zu sein.

Aber das gute Gehör ist schon praktisch. Obwohl er noch zwei Flure entfernt zu sein schien, nahm ich wahr, dass unser Schulleiter mal wieder durch die Gänge schlich. Er liebte es, Leute zu erwischen, die gerade schwänzten oder heimlich im Gebäude rauchten. Vielleicht hatte er irgendwelche Reste von Jagdinstinkt, obwohl er ein Mensch war und sein Gesicht mit den Glotzaugen und dem breiten Mund mich eher an ein Rind erinnerte.

Wenn er mich hier im Flur sah, konnte es unangenehm werden. Jetzt hatte ich drei Möglichkeiten. Entweder ich ging wieder rein und hängte mich während der restlichen Zeit halb aus dem Fenster (würde mein Lehrer nicht durchgehen lassen). Ich konnte auch versuchen, unseren Schulleiter zu bequatschen, was schwer werden würde (er hatte ein Herz aus rostfreiem Stahl). Oder aber ich machte mich davon. Nur fünf Minuten an der frischen Luft! Mehr brauchte ich gar nicht, um mich zu erholen. Im nächsten Kurs, der auf meinem Stundenplan stand, war das Haarfestiger-Girl nicht, nur ein Junge mit müffelnden Socken. Den konnte ich aushalten und danach war der Schultag überstanden.

Wölfe sind auch gut im Pirschen. Es war nicht mal nötig, mich teilzuverwandeln, schon war ich unterwegs und setzte meine Sneakers vorsichtig auf. In der Gegenrichtung unseres Schulleiters.

Kurz darauf hatte ich einen ordentlichen Vorsprung und nicht mal eine Eule hätte mich gehört, so leise war ich. Hier gab es kein dürres Gras oder raschelnde Blätter. Kein Mensch war so leise wie ein –

Ich stolperte über irgendwas, wohl ein herumliegender Rucksack, verfing mich darin und knallte auf den Boden. Au, verdammt! Bis ich es geschafft hatte, meinen Fuß aus den Trageriemen zu befreien und mich aufzurappeln, hatte unser Schulleiter mich eingeholt. Sein Blick war triumphierend. »SierraBlackheart, soso. Was hattest du hier während der Unterrichtszeit zu suchen?«

»Mir war schlecht.« Das war nicht völlig gelogen. »Ich war gerade auf dem Weg zu den Toiletten.«

Uns beiden war klar, dass es hier entlang nicht zu den Toiletten ging. Ein Blick, der sich anfühlte wie eine rostige Lanze, wurde auf mich geschleudert. »Wieso hast du dich dafür verkleidet? Wir haben April, es ist noch längst nicht Halloween!«

»Halloween?«, fragte ich verständnislos. Dann dämmerte mir etwas Furchtbares. Ohne meine Ohren zu befühlen, wusste ich plötzlich, dass ich sie unbewusst teilverwandelt haben musste, um besser hören zu können.

»Ach so, das, haha.« Ich schlug die Kapuze meines Hoodies über meine schwarzen, pelzigen Lauscher hoch. »Die Aufsteckohren fand ich einfach lustig. Verkleidungen sind mein Hobby. Bitte entschuldigen Sie mich, ich muss wirklich dringend.«

»Ich dachte, dir ist schlecht?« Unser Schulleiter hatte ein besseres Gedächtnis als ich. »Du rufst jetzt deine Eltern an, damit sie dich abholen! Und morgen habe ich dein Attest auf dem Tisch, ist das klar? Sonst kannst du dir deinen dritten Verweis abholen, Blackheart. Mein Herz ist schwärzer als deins, klar?«

»Ja, Sir«, sagte ich und mir war jetzt wirklich nach Kotzen zumute. Ich hatte seit meiner Welpenzeit schon sämtliche Witze gehört, die man mit meinem Nachnamen nur irgendwie machen kann. Und zwar nicht nur einmal, sondern mindestens dreißigmal. Pro Stück.

Als mein Vater mich mit dem Auto vor der Schule abholte, war ich einfach nur froh, dort raus zu sein. Mein DadBen war auch ein Woodwalker und wusste, wie schwer es für uns in normalen Highschools sein konnte. Aber diesmal wirkte er irgendwie abwesend, nickte nur, als ich ihm erklärte, was passiert war, und sagte: »Ach so.«

»Das ist nicht alles … ich fürchte, ich habe mich versehentlich vor einem Menschen teilverwandelt«, gestand ich zerknirscht. Es war wichtig, das Geheimnis der Woodwalker zu wahren – niemand durfte wissen, dass es Gestaltwandler gab und manche von uns wie Menschen lebten. Oder es zumindest versuchten. »Musst du das dem Rat melden?«

»Gibt’s Fotos davon? Oder Videos?«

»Nein. Er hat ein Handy aus der Steinzeit und nicht dran gedacht, es rauszuholen.«

»Dann ist es halb so schlimm, so was kann mal passieren«, meinte er und kratzte seinen dunklen Bart, der ihn ein bisschen wie einen Holzfäller aussehen ließ. Wenigstens hatte er heute kein kariertes Hemd an. »Hier in Kalifornien hat niemand Angst vor Werwölfen. Du würdest höchstens eine Einladung zum Casting bekommen.«

Einen Moment lang war ich erleichtert. Dann wurde mein Gefühl, dass etwas nicht stimmte, stärker.

»Was ist los?«, fragte ich ihn schließlich beunruhigt. »Wieso holst du mich überhaupt ab, ich dachte, du bist heute in der Klinik?« Wir sahen uns viel seltener, als ich mir wünschte, weil er als Arzt so eingespannt war. Es half nicht, dass er außerdem eine wichtige Position im Nordamerikanischen Rat hatte, dessen zehn Mitglieder so etwas wie unsere Regierung waren.

»Erzähle ich dir und deiner Mutter daheim.« Mit einem seltsamen Gesichtsausdruck, halb grimmig, halb freudig, gab mein Vater Gas.

Meine Mutter Anjelica ist einfach toll. Sehr liebevoll und für mich da, wenn es mir schlecht geht oder ich Hilfe bei meinen Mathehausaufgaben brauche. Noch unordentlicher als ich, was praktisch ist, weil sie sich dann nicht darüber beschweren kann, wie mein Zimmer aussieht. Wenn sie etwas sucht, wühlt sie das halbe Haus durch und beschuldigt alle anderen, den Gegenstand verschlampt zu haben. Bis sie ihn schließlich findet und ihr einfällt, dass sie es selbst war.

Ach ja, und sie ist übrigens Wildschwein in zweiter Gestalt. Was man ihr nicht ansieht, man merkt es nur daran, dass ihr schulterlanges braunes Haar ein bisschen borstig ist, was sie manchmal zur Verzweiflung bringt und ihre Friseure gleich mit.

Anscheinend hatte mein Vater ihr schon Bescheid gegeben, denn als wir in unserem Häuschen in einer ruhigen Seitenstraße von San Francisco ankamen, war sie aus der Druckerei zurück und umarmte uns zur Begrüßung. Wölfe und Wildschweine sind Rudeltiere, das bedeutet, Leute, die wir mögen, werden gnadenlos durchgeknuddelt.

»Gab’s Stress in der Klinik?«, fragte meine Mom und blickte dann mich an, »… und in der Schule?«

»Ja«, sagten mein Vater und ich gleichzeitig.

Oh. Besorgt blickte ich ihn an und bedeutete ihm anzufangen, worauf mein Dad beiläufig sagte: »Mein Chef hat mich unter Druck gesetzt, dass ich meine Stunden erhöhe und doppelt so viele Dienste übernehme wie bisher. Wir wurden beide ein bisschen laut. Da habe ich, tja … gekündigt.«

Mir blieb der Mund offen stehen. Meiner Mutter auch. San Francisco ist eine teure Gegend und mit nur einem Gehalt würde es schwer werden.

Meine Mom fing sich als Erste. »Du warst ja schon länger nicht ganz glücklich dort«, meinte sie ruhig, obwohl sie ein bisschen blass um die Nase war. »Wenn du gleich anfängst, dich in anderen Kliniken zu bewerben …«

»Nein, ich habe andere Pläne«, sagte mein Dad, atmete tief durch, strich sich mit beiden Händen durch die dunkelbraunen Haare und grinste plötzlich. Dieses wölfische Grinsen, das ich so mochte, weil man dabei seine spitzen Eckzähne sah. »Ab dem 1. Juni bin ich frei, kann machen, was ich will. Ich würde gerne eine Schule gründen. Was ist? Seid ihr dabei?«

Ameisen im Fell

Du willst eine Schule gründen?«, fragte ich entsetzt und fühlte mich, als hätte ich Ameisen im Fell. »Heilige Krötenpfote, das meinst du aber nicht ernst, oder?«

»Wenn er diesen Blick draufhat, meint er es ernst«, sagte meine Mom zu mir, auch sie wirkte geschockt. Sie hatte meinen Vater in genau dieser Klinik kennengelernt, als sie mit einem komplizierten Beinbruch eingeliefert worden war und er als ihr Anästhesist gespürt hatte, dass sie so wie er eine Wandlerin war. Damals hatte er sie jeden Tag besucht, um ihr Vertrauen zu gewinnen und ihr irgendwann sagen zu können, dass sie kein Mensch war. Tja, die Folge waren »überaus erfreuliche Herzrhythmusstörungen« gewesen, wie mein Vater manchmal behauptete.

»Wie bist du auf diese Idee mit der Schule gekommen?« Ein bisschen hilflos blickte ich meinen Vater an. »Für mich musst du das wirklich nicht tun. Das mit meinen Verweisen waren Ausrutscher, wirklich! Ich werde mich noch mehr anstrengen, um auf dieser Highschool klarzukommen.«

»Was für Verweise?«, fragte meine Mutter stirnrunzelnd. Ups.

Mein Vater rettete mich, indem er zu einer Erklärung ansetzte: »Bei meinen Sommerkursen für junge Wood-undSeawalker habe ich gemerkt, dass der Bedarf an speziellem Unterricht wirklich hoch ist … auch bei dir, Sierra, wie du heute mal wieder realisiert hast …«

»He, du hast selbst gesagt, so was kann mal passieren!«

»… und die anderen Schulen für unsere Jugendlichen, die ClearwaterHigh und die Blue ReefHigh, sind in den Rocky Mountains 1.000 Meilen von hier entfernt beziehungsweise 3.500 Meilen weit weg in Florida.« Er verzog das Gesicht. »Wer möchte das schon auf sich nehmen, so weit wegzuziehen? Auch wenn man dafür als Wandler von Grund auf lernt, in beiden Welten klarzukommen – der Menschenwelt und der Natur?«

»Stimmt schon.« Meine Mutter seufzte. »Eine kleine Wandler-Privatschule bei uns in der Gegend wäre sehr, sehr praktisch für die Kids. Aber selbst eine zu gründen … so was ist anstrengend. Und teuer! Außerdem bräuchten wir ein passendes Gelände.«

Mein Vater lächelte, vielleicht weil auch er das »wir« bemerkt hatte. »Ich hätte in der Klinik nicht so schnell hingeschmissen, wenn wir im Rat nicht beschlossen hätten, eine neue Schule anzuregen und einiges zum Budget beizusteuern. Gerade hat ein Walker-Ehepaar dem Rat ein passendes Gebäude vererbt – ihr ehemaliges Haus zwischen Palomarin und dem Alamere Creek an der Küste etwas nördlich von hier.«

»Pelzig!«, entfuhr es mir. Das war nur etwas mehr als eine Autostunde entfernt von San Francisco!

»Das Beste kommt noch.« Die Augen meines Vaters funkelten. »Weil er ein Vogel-Wandler und sie eine Robbe war, haben sie sogar einen Meerwasserpool direkt am Haus. Das heißt, wir könnten sogar Seawalker aufnehmen. Und weil das Grundstück riesig ist und an mehrere Naturschutzgebiete grenzt, könnten unsere Schüler und wir uns dort in zweiter Gestalt tummeln, wann immer sie und wir möchten. Ohne Risiko, gesehen oder abgeknallt zu werden.«

Jäger waren immer eine Gefahr für uns Wandler und wer eine kleinere Gestalt hatte, musste aufpassen, dass er nicht zur Beute eines Tiers wurde. Wenn man in zweiter Gestalt starb, dann war es aus. Dann nützte es einem auch nichts mehr, dass man ein ganz normales menschliches Alter hätte erreichen können.

»Hm, na ja, das klingt nicht übel.« Ich merkte, dass ich schon anfing zu träumen. Wie das wäre, mich einfach so verwandeln zu können, wann ich wollte. Als Wölfin durch die Wildnis streifen zu dürfen. Mich in der Schule wirklich wohlfühlen zu können, weil ich mich nicht mehr ständig verstellen musste. Nette Leute kennenzulernen, die auch Wandler waren. An meiner Schule gab es leider nur einen, den ich nicht besonders mochte, er hieß Victor. Ein Kampfhahn, der sich auch so benahm. Wir nickten uns im Gang zu, wenn wir uns begegneten, und gingen uns ansonsten aus dem Weg.

»Sierra sieht schon fast überzeugt aus. Oder denkst du gerade an eine ganze Packung Salted-Caramel-Eis nur für dich allein?«, zog mein Vater mich auf und ich machte eine Grimasse in seine Richtung.

»Wenn ich Ja sage zu diesem Projekt und mithelfe, sollte eine Packung Eis pro Woche schon drin sein.«

»Deine Lehrkräfte würdest du nicht unbedingt vermissen, oder?« Meine Mutter lächelte mich an.

»Ich würde stundenlang heulen, wenn ich sie nie wiedersehen dürfte.« Ich lächelte zurück. »Als Wölfin. Vor Freude.«

Bei meinen Freunden, die ich größtenteils aus der Menschenschule kannte, war die Sache schon schwieriger. Ich hatte eine Rollenspielgruppe, mit der ich mich ab und zu live oder online traf und gerade in einer One-Ring-Kampagne steckte. Mit dabei war Swannie, die trotz ihres Namens kein Schwan war und die ich bei einem T-Shirt-Design-Workshop kennengelernt hatte. Mit ihr und meiner Physik-Lerngruppe saß ich meistens beim Mittagessen in der Schul-Cafeteria zusammen.

Aber es waren alles keine Leute, die ich weinend um zwei Uhr nachts hätte anrufen können. Außerdem war es ja nicht so, dass ich nach Australien zog und ganz nebenbei das Internet und Handynetz stillgelegt werden würde.

»Bin dabei«, sagte ich und freute mich daran, wie mein Vater mich anstrahlte.

Aber ich spürte, dass meine Mutter noch nicht überzeugt war. Und wir wussten beide, dass es auf sie genauso ankam. Wenn sie nicht mitzog, konnten wir das Projekt vergessen.

»Es wäre zu weit zum Pendeln, darauf hätte ich keine Lust«, sagte meine Mom. »Das heißt wohl, ich müsste auch kündigen, oder?«

»Ja, das hieße es, fürchte ich«, sagte mein Vater ruhig. »Ohne dich schaffen wir das nicht. Es wird ein gutes Stück Arbeit für uns alle.«

Sie war Unternehmerin gewesen, das waren gute Voraussetzungen. Mit ihrem ersten Mann hatte Anjelica eine eigene Druckerei betrieben, doch die war zusammen mit der Ehe den Bach runtergegangen. Inzwischen war sie nur noch eine Angestellte und lästerte genauso gerne über ihren Chef wie ich über meine Lehrerinnen.

Gespannt wartete ich und merkte, dass ich kaum zu atmen wagte.

»Aber ihr erwartet nicht etwa, dass ich unterrichte, oder?« Meine Mutter stand auf und ging rastlos auf der Terrasse hin und her. Wir saßen meistens draußen, wenn wir daheim waren … es regnete jetzt im Frühjahr kaum noch. Aber noch hatte die Waldbrandsaison nicht begonnen und es war kein Rauch in der Luft. Nur Nebel, so wie üblich.

»Du bist richtig gut in Mathe und Physik«, wagte ich zu sagen. »Menschenkunde schaffst du auch, das ist echt wichtig für die Leute, die als Tier aufgewachsen sind.«

Sie zog eine Grimasse. »Oh, danke. Ja, das sollte ich hinkriegen. Aber ich bin doch keine Lehrerin! Wie sollen wir jemals eine Zulassung als Schule bekommen, wenn wir …?«

»Wir werden natürlich auch ausgebildete Lehrer anstellen – für die sprachlichen Fächer wüsste ich schon jemand«, erklärte mein Vater. »Ich selbst würde ›Kampf und Überleben‹ unterrichten, außerdem Biologie. Hm, vielleicht noch Geschichte. Das wird toll!«

»Moment mal – ich habe noch nicht gesagt, dass ich dabei bin.« Meine Mutter stemmte die Hände gegen die Hüften. »Lasst mich in Ruhe nachdenken und hetzt mich nicht, klar?«

Mein Vater und ich hielten sofort die Klappe. Wenn es einen Menschen gab, der richtig stur sein konnte und unter Druck noch sturer wurde, dann AnjelicaBlackheart.

Es dauerte gefühlt zwei oder drei Jahrhunderte, bis meine Mutter schließlich nickte. »Na gut, ich schmeiße meinen Job hin und helfe, diese Schule aufzubauen.« Ich jubelte, jedoch nur, bis meine Mutter hinzufügte: »Aber ich darf den Namen aussuchen!«

Mein Vater nickte schmunzelnd … und ich bekam die Krise. »Aber bitte nicht BlackheartHigh, das klingt wie irgendwas aus Harry Potter. Alle werden denken, dass sie bei uns dunkle Künste lernen, und dann furchtbar enttäuscht sein.«

»Nicht BlackheartHigh«, versprach meine Mutter. »Kommt, fahren wir gleich los und schauen uns das Gelände an.« Unternehmungslustig warf sie die Autoschlüssel in die Luft und fing sie wieder auf. »Vielleicht drängt sich uns dann ein Name auf. Und wenn es eine Bruchbude ist, vergessen wir das Ganze einfach und fahren im Sommer wieder mal nach Yosemite.« Der Nationalpark, der Yosemite NationalparkJossémiti ausgesprochen wurde, war einer unser Lieblingsorte, auch wenn die vielen Touristen ein bisschen störten.

Vor Aufregung bekam ich kaum mit, wie wir über die Golden Gate Bridge fuhren, obwohl ich die eigentlich echt gerne mag. Ich musste Swannie dringend schreiben, dass mein Vater vorhatte, die Medizin aufzugeben und stattdessen Lehrer zu werden.

Nachdem ich das erledigt hatte, starrte ich fast gierig nach draußen, sog jedes Detail der rauen Küste auf, klebte an der Scheibe, als wir durch die kleinen Orte Stinson Beach und Bolinas fuhren, registrierte, wo Wanderwege begannen oder ein Schild einen Campingplatz ankündigte. Sog das klare Licht in mich auf, ließ den Seewind durch meine Haare streichen und schmeckte bei heruntergekurbeltem Fenster das Salz in der Luft.

Zwei Stunden später (wir waren kurz vor dem Ziel falsch abgebogen und in einer Sackgasse gelandet) parkten wir endlich vor einem irgendwann mal gelb-weiß gestrichenen Farmhaus mit Giebeln und einer umlaufenden Veranda. Weiter hinten standen noch mehrere Nebengebäude. Die Holzlatten der Fassade wirkten verwittert, aber ich war begeistert, als ich den aus Natursteinen gemauerten Meerwasserpool sah (gerade ein bisschen algig und mit Vogelschiss verziert, aber das ließ sich ja ändern). Es gab weiter hinten sogar noch einen kleineren Süßwasserpool. Auf den Hügeln der Umgebung stand nirgendwo ein Haus, überall wildes Buschland.

»Die Bude braucht frische Farbe«, sagte meine Mutter mit Blick auf das Hauptgebäude. »Was ist mit der Brandgefahr?«

»Wir roden regelmäßig das Gestrüpp ums Haus herum«, versprach mein Vater.

Auch ich war ein bisschen skeptisch. »Im Haupthaus ist bestimmt Platz für Klassenzimmer, aber wo sollen die Schüler wohnen?«

»Meine Ratskollegen haben uns Blockhütten versprochen, in denen wir – wenn eines Tages alles fertig ist – in Zweibettzimmern drei Jahrgänge unterkriegen«, erklärte mein Vater. »Wir fangen natürlich mit nur einem Jahrgang an, aber wenn die Klassen komplett sind, werden es etwa sechzig Schüler insgesamt sein. Die Lehrer bekommen eigene, größere Hütten.«

»Schaut mal.« Meine Mutter deutete auf einen Baum in der Nähe, in dessen Krone irgendeine Konstruktion hing. »Habt ihr das Baumhaus bemerkt? Und die riesigen Nester in den Pinien da vorne? Schwer zu übersehen, dass hier ein Vogel-Wandler gewohnt hat.«

»Sehr cool!« Ich legte den Kopf in den Nacken und checkte alles ab.

Leider führte keine Strickleiter hoch zum Baumhaus, wir konnten es ebenso wenig besichtigen wie die Nester. Dafür konnten wir über einen Pfad über die Klippen zu einer kleinen, sandigen Bucht ganz in der Nähe wandern. Das Wasser war eisig, aber ich genoss es, wie die Wellen um meine Füße zischelten.

Meine Mutter atmete tief durch und blickte an den Felsen hoch, über denen unsere neue Schule thronte. »Redcliff High. Wie klingt das?«

»Waldig«, sagte mein Vater. »Nur in Rot.«

Wir prüften und besichtigten alles, notierten uns, was es zu tun gab (viel!) und was wir besorgen mussten (jede Menge!), damit aus dieser etwas abgeranzten Farm eine Wandler-Schule werden konnte. Im Gebäude standen noch alte, muffig riechende Möbel, von denen mindestens die Hälfte auf den Sperrmüll gehörte, inklusive der Teppiche, die das Parkett nicht wirklich zierten. Neugierig betrachtete ich die Bilder an den Wänden, die das kinderlose Wandler-Ehepaar Sanderson beim Wandern, Gärtnern und Schwimmen zeigten. Sie sahen glücklich aus und bestimmt würden auch wir in der Redcliff High glücklich sein.

Wir passen gut auf alles hier auf, versprach ich ihnen lautlos und fügte mit leicht schlechtem Gewissen hinzu: Na ja, bis auf die ganz schlimmen Möbel.

Weil außer uns niemand in der Gegend war, zogen wir – kaum dass wir wieder draußen waren – ein paar Sachen aus und verwandelten uns. Wenn man Übung hatte, war das nicht sehr kompliziert. Ich stellte mir einfach meine Tiergestalt vor und merkte zufrieden, wie das Verwandlungskribbeln mich durchlief. Schon spürte ich, wie mein Körper seine neue Form annahm, meine Nase zu einer Schnauze wurde, ich Vorderläufe statt Hände bekam und Fell aus meiner Haut spross. Zum Glück fühlte sich das alles nicht unangenehm an.

Kurz darauf schnüffelten zwei schwarze Timberwölfe (mein Vater und ich) sowie ein Wildschwein im Gebüsch herum. Aufgeregt jagte ich ein Kaninchen in seinen Bau, folgte einer Dachsfährte und inspizierte die Stelle, wo sich der Witterung nach eine Klapperschlange gesonnt hatte.

Es war herrlich, einfach Wolf sein zu können, und der Nasenangriff von heute Morgen kam mir vor, als wäre er Monate her. Ich hatte Wissen und interessante Gedanken schon immer gierig aufgesaugt, aber ich wollte nie wieder – wie in dieser Menschen-Highschool – bloße Fakten in meinen Kopf prügeln müssen!

Es ist gutes Land – nur ganz wenige Gifteichen, berichtete meine Mutter, als sie mit Kletten im Fell aus dem Gebüsch zum Vorschein kam. Wär ja nichts, wenn du ständig Schüler mit fiesem Hautausschlag behandeln müsstest, Ben. Sie kaute zufrieden an irgendeiner Pflanze herum, die wie Haferstroh aussah.

Ich verstand ihre Worte klar und deutlich, obwohl kein Laut zu hören gewesen war. Wenn zwei Woodwalker verwandelt waren oder zumindest einer von ihnen teilverwandelt, konnten sie sich in Gedanken unterhalten. Wer richtig Übung und Talent dafür hatte, schaffte Fernrufe sogar aus einem Kilometer Entfernung oder mehr.

Ja, ist toll hier – wenn man Feuerameisen mag, sagte ich, zog jaulend meine Pfote aus einem Nest und stürzte mich in den Pool, um die juckenden Tiere loszuwerden. Algiges Wasser spritzte in alle Richtungen.

Halb amüsiert, halb mitleidig schaute mein Vater zu. Er wusste längst, dass ich die tollpatschigste Wölfin der Welt war. Und, alle noch einverstanden mit dem Plan?, fragte er.

Ich hatte mir in der Zwischenzeit ein paar Gedanken gemacht und deshalb die Antwort darauf parat. Aber erst paddelte ich ans Ufer und schüttelte mir Wasser und ein paar Restameisen aus dem Fell. Ja! Ich habe allerdings zwei Bedingungen – erstens, ich habe ein Vetorecht, wenn ihr die Lehrer und Lehrerinnen einstellt.

Mein Vater wirkte nicht begeistert und tauschte einen Blick mit meiner Mutter, aber schließlich nickten beide. Okay, sagte meine Mom. Wir wollen ja auch keine unangenehmen Typen in einer so kleinen Schule. Was ist die zweite Bedingung?

Ich will nicht mit euch im Haupthaus wohnen, sondern wie alle anderen Schüler in einer der Hütten, erklärte ich. Niemand sollte denken, dass ich als Tochter der Schulgründer etwas Besonderes sein wollte! Und ich will mir meine Zimmer-Mitbewohnerin selbst aussuchen dürfen.

Kein Problem, sagte mein Vater.

Lässt sich machen, fügte meine Mom hinzu.

Ich hechelte fröhlich. Na dann … im September, wenn das Schuljahr losgeht, wird’s hier ernst, oder?

Absolut, sagte mein Vater und ich sah, wie er feierlich am Baum neben dem Haupthaus das Bein hob und unser neues Revier markierte.

Wild wedelnd beziehungsweise glücklich schnaufend, drängten wir uns aneinander, bis wir bereit waren, uns hinter irgendeinem Busch zurückzuverwandeln, wieder anzuziehen und zurückzufahren in die Stadt. Uns standen noch arbeitsreiche Monate bevor, bis die Schule wirklich in Betrieb gehen konnte. Aber es würde so cool werden, viele junge Wandler kennenzulernen – bestimmt würde ich jede Menge neue Freunde finden!

Ganz schön naiv.

Ein Mustang und ein Kampfhahn

Unsere erste Bewerberin war Amy. Sie tauchte im Juli im Vorgarten des Sanderson-Hauses auf (noch konnte ich es nicht »Redcliff High« nennen), während meine Eltern eine Ladung Krempel zum Sperrmüll fuhren. Zwei Helfer, die uns der Rat geschickt hatte, waren gerade dabei, die Außenwände frisch zu streichen. Ich hatte eins der T-Shirts an, bei dem mir das Design missglückt war, und spendierte gerade dem Türrahmen ein bisschen Farbe.

Ich war die Erste, der das magere Mädchen mit den kräftigen, langen Beinen und dem struppigen braunen Haar auffiel. Es trug Shorts und ein T-Shirt, das vielleicht mal grün gewesen war. Ich lächelte ihr zu, gönnte dem Pinsel eine Pause und rief zu ihr hinüber: »Hallo! Wer bist du, eine Nachbarin? Ich heiße Sierra.«

»›Nachbarn‹ … das sind Leute, die neben einem wohnen, oder?« Das Mädchen zuckte zusammen, als einem unserer Helfer die Malerrolle runterfiel, ihr Kopf ruckte hoch und sie sah aus, als wäre sie am liebsten geflohen. Alarmiert spähte sie dorthin, wo Handwerker gerade lautstark an den letzten fünf Blockhütten arbeiteten.

»Ja genau.« Klarer Fall, sie war ein Woodwalker und als Tier aufgewachsen. Jetzt konnte ich es auch spüren, dass sie eine von uns war. Leider ist mein Gespür dafür nicht sehr stark entwickelt, aber aus zwei Metern Entfernung hätte ich schon arg begriffsstutzig sein müssen, um es nicht zu merken. Außerdem roch sie, als käme sie direkt aus dem Reitstall, wahrscheinlich war sie ein Pferd in zweiter Gestalt. »Wie ist dein Name?«

»Ich bin Amy«, sagte das Mädchen. »Kann ich bei euch was lernen?«

»Na klar. Ganz fertig ist unsere Schule noch nicht, aber lange dauert es nicht mehr.« Beruhigend lächelte ich sie an und wünschte, meine Eltern wären da. Dieses Mädchen war so nervös, dass sie bei einem falschen Wort von mir abhauen würde. Ich durfte jetzt keinen Fehler machen. »Magst du was trinken? Du siehst durstig aus.«

Sie war nicht nur durstig, sondern auch halb verhungert. Zum Glück hatten wir die Küche so gut wie fertig und auch schon ein paar Vorräte hergeschafft. Fasziniert sah ich zu, wie Amy einen ganzen Krug Wasser leer gluckerte und dann fünf Scheiben Brot ohne Aufstrich hinunterschlang.

Während sie beschäftigt war, ging ich rasch rüber zu den Handwerkern und Helfern. »Könnt ihr bitte erst mal irgendwas arbeiten, was keinen Krach macht? Wir haben einen Gast aus der Wildnis da.« Sie kapierten sofort und nickten. Zwar hatten sie nicht alle eine zweite Gestalt, aber sie kamen aus Walker-Familien. Selbst wenn beide Eltern Wandler sind, kann man Pech haben und als Mensch ohne Verwandlungsfähigkeiten geboren werden. Und man kann auch, wenn die Mutter die gesamte Schwangerschaft in zweiter Gestalt verbracht hat, als Tier zur Welt kommen, das zwar fast menschlich denken, aber sich nicht verwandeln kann.

Würde das Mädchen noch da sein, wenn ich wieder in die Küche kam? Uff, ja, sie hockte dort, wo ich sie zurückgelassen hatte. »Magst du mir was über dich erzählen?« Langsam verkrampften sich meine Mundwinkel vom vielen Lächeln.

»Wir haben als Mustangs gelebt, meine Mutter und ich«, erzählte die Fremde und beäugte gierig eine sechste Scheibe Brot. »Aber in unserer Gegend – weiter, viel weiter südlich – war es sehr trocken. Es gab nicht genug Gras für uns. Meine Mutter hat dann einen Teil der Zeit als Helferin auf einer Farm gearbeitet, sonst wären wir vielleicht verhungert.«

Ich war fasziniert. Wildpferde gab es zum Beispiel in Nevada und ich wusste, dass sie es dort nicht leicht hatten. Wenn sie aus Nevada stammte, musste Amy wochenlang unterwegs gewesen sein und viele, viele gefährliche Straßen überquert haben, um herzukommen. Sie musste einen sehr starken Willen haben.

Aber noch war nicht klar, ob sie bleiben würde. Misstrauisch sog Amy die Luft ein, sprang auf und machte ein paar Schritte rückwärts. »Du bist ein Raubtier!«

»Äh, ja, nicht zu ändern.« Ganz bewusst wandte ich mich halb von ihr weg und füllte die Wasserflasche nach, um ihr zu signalisieren, dass sie für mich keine Beute war. Amy entspannte sich wieder etwas.

Dann glotzten wir beide zur Tür, als ein Junge ohne anzuklopfen reinplatzte – ein großer, kräftiger Junge mit langen dunkelbraunen, fast schwarzen Haaren und einem kantigen Gesicht. Seine Nase sah aus, als wäre sie mal gebrochen gewesen. »He, ist das hier die Redcliff High? Ist ja ein beschissen weiter Weg bis hierher, mein Rad hatte zweimal einen Platten. Was sollen die ganzen Handwerker, ist die Bude etwa noch nicht fertig?«

»Nö, siehst du doch«, sagte ich zu Victor, dem Kampfhahnjungen aus meiner alten Schule. Der hatte mir gerade noch gefehlt. »Warum bleibst du nicht auf der Menschen-Highschool?«

»Geht dich das was an? Wo ist ’n der Schulleiter?«

»Mein Vater ist gerade unterwegs«, sagte ich zu ihm und wettete, dass er auf der normalen Schule Ärger hatte, weil er sich zu oft geprügelt hatte. Sollte ich das meinem Vater sagen? Nein, ich war keine Petze.

Victor ging zum Kühlschrank, riss ihn auf und nahm sich eine kalte Limo. Äh, bitte? Wieso hatte er nicht gefragt, ob er das durfte? Ich knurrte ihn an, worauf er einen Lachkrampf bekam. »Was war das denn? Nein, so ein böses, kleines Wölfchen. Hey, sag deinen Eltern, ich will mich anmelden.«

»Sag es ihnen selber, da kommen sie gerade«, fuhr ich ihn an, weil ich durch die Fenster sah, dass der Wagen meiner Eltern in die Einfahrt bog.

Amy blähte schon wieder nervös die Nüstern, die gerade Nasenlöcher waren, ihr Fuß scharrte auf dem Boden. Oje, sie war immer noch mehr Pferd als Mensch. Das würde ein gutes Stück Arbeit werden, sie in eine Klasse zu integrieren. Aber genau dafür sollte unsere Schule ja da sein. Und im Gegensatz zu Victor mochte ich sie.

»Ich hab uns ein paar Chicken Nuggets zum Aufbacken mitgebr…«, begann mein Vater, dann erst sah er den Kampfhahnjungen, den er aus meiner Highschool kannte. Ups. Er entschuldigte sich und kritzelte schnell ein paar Infos für ihn auf einen Zettel.

Victor nahm den Zettel und schleuderte die leere Pfandflasche in den Mülleimer, wo sie nicht hingehörte. »Komme zum Anmeldetag wieder«, sagte er, stapfte zu seinem Mountainbike und schwang sich drauf. Das mit dem Verabschieden hatte er irgendwie vergessen.

»Ich hoffe, du hast ihm ein falsches Datum für den Anmeldetag gesagt«, meinte ich zu meinem Vater, als er mit weiteren Farbeimern und Pinseln beladen reinkam.

»Ach komm, der wird schon. Er ist es nicht gewohnt, nett zu sein, auf der väterlichen Seite sind in seiner Familie alle Kampfhähne«, meinte mein Dad und verzog das Gesicht. »Außerdem war das mit den Chicken Nuggets wirklich schlechtes Timing.« Freundlich wandte er sich Amy zu. »Hallo, wer bist du denn? Wir kennen uns noch nicht …«

»Ich weiß«, sagte Amy und lächelte ihn scheu an.

Zehn Minuten später hatte ich den Auftrag, sie in einer der bereits fertiggestellten Hütten einzuquartieren und ihr schon mal ein bisschen Lesen und Schreiben beizubringen. Als Ausgleich durfte ich den Pinsel meiner Mutter in die Hand drücken. He, Moment mal, eigentlich sollten meine Eltern doch die Lehrer sein und nicht ich! Aber egal, ich hatte Spaß daran, Amy etwas beizubringen, und mir tat sowieso schon der Arm weh vom vielen Schleifen, Streichen und Schleppen. Trotzdem brauchten wir natürlich noch weitere echte Lehrkräfte. »Ich hätte eine Idee, wer ›Sei dein Tier‹ und Verwandlung unterrichten könnte«, sagte ich zu meinem Vater. »Wie wäre es mit Arula?« Ich hatte die junge Rotluchs-Wandlerin bei unserem gemeinsamen Kampf gegen AndrewMilling kennengelernt.

»Arula?« Verdutzt blickte mein Vater mich an. »Aber sie ist doch erst achtzehn, höchstens drei Jahre älter als du, oder?«

»Ja und? Sie ist cool und kennt sich in der Tierwelt super aus.« Arula war als Tier in den Bergen aufgewachsen. Dort hatte sie gelebt, bis sie Lust bekommen hatte, ihr Glück in der Menschenwelt zu versuchen. »Ihr wollt doch nicht etwa junge Leute diskriminieren, oder?«

»Das kommt drauf an, wer sie sind«, sagte mein Vater und grinste. »Aber Arula ist clever und nett. Du hast recht, ich sollte sie fragen, ob sie dabei sein möchte. Sie muss sich allerdings schnell entscheiden, denn bald startet ja schon unser Schulbetrieb.«

Nach dem Tag der Rache, der die Wandler-Welt sehr aufgewühlt hatte, waren wir ins ehemalige Sanderson-Haus umgezogen, das inzwischen immer mehr nach Redcliff High aussah.

Unsere Bude in San Francisco hatten wir an eine Familie mit drei Kindern vermietet. In Hütte Nummer 6 hier auf dem Gelände, die wie die anderen Hütten zwei Zimmer mit je zwei Betten hatte, hatte ich mich schon gemütlich eingerichtet. Das andere Bett war leer und wartete auf eine neue Freundin.

»Ich freue mich schon total auf den Anmeldetag!«, verkündete ich, als wir mit der ersten Lektion durch waren und Amy sich unter einem Baum ausruhte. »Bin sehr gespannt, wie viele neue Schüler vorbeikommen und gleich beschließen, dass sie hier lernen wollen.«

Doch meine Eltern blickten irgendwie bedrückt drein.

»Was ist?«, fragte ich alarmiert.

»Sierra … es gibt da ein kleines Problem«, sagte mein Vater. »Wir haben immer noch keine Genehmigung für die Schule. Die Behörde zickt herum und es dauert immer ewig, bis uns jemand antwortet.«

Ich war entsetzt. »Aber das Schuljahr soll in ein paar Tagen beginnen!«

»Ohne Genehmigung geht nichts. Wenn wir Pech haben, platzen unsere Pläne und wir können erst in einem Jahr mit der Schule loslegen«, sagte meine Mutter.

Fassungslos starrte ich die beiden an. In unser altes Haus konnten wir vorerst nicht zurück und meine Eltern hatten beide ihren Job gekündigt. Eigentlich gab es kein Zurück mehr, auch für mich nicht, weil meine Mutter mich in der Menschen-Highschool abgemeldet hatte.

»Ich telefoniere gleich noch mal mit der Behörde – vielleicht kriege ich raus, woran es eigentlich hakt.« Mein Vater blickte uns an. »Wir könnten das Risiko eingehen und den Anmeldetag trotzdem machen. Also darauf wetten, dass die Genehmigung rechtzeitig kommt.«

Meine Mutter nickte stumm.

»Okay«, sagte ich und versuchte, heiter-optimistisch zu klingen. Aber leicht fiel mir das nicht.

Und dann war es so weit, wir hatten Anmeldetag, an dem sich potenzielle neue Schülerinnen und Schüler bei uns umschauen und einschreiben konnten. Wer sicher war, dass er bleiben wollte, konnte gleich einziehen und die paar Tage bis zum Schulanfang hierbleiben.

»Sogar zwei Wölfe haben sich angekündigt, ein Junge und ein Mädchen«, berichtete mein Vater und ich freute mich fast tot, weil die einzigen Wolfs-Wandler, die ich bisher kennengelernt hatte, weit weg auf die ClearwaterHigh gingen.

Hatte ich bald ein richtiges Rudel? Das würde sich großartig anfühlen! Mein Vater hatte mir oft genug vorgeschwärmt, wie man sich in einem Rudel fühlte – die Mitglieder waren fast wie Familie. So gute Freunde hatte ich nie gehabt, wie hätte das auch gehen sollen? Keiner der Jugendlichen, die ich mochte und kannte, durfte wissen, wer und was ich wirklich war.

Wie wild schrubbten meine Mutter und ich die Steinplatten des Pools und füllten das ganze Ding mit frischem Salzwasser, während unsere Helfer Betten, Schreibtische und Sofas in die letzten noch nicht eingerichteten Hütten zwängten. Mein Dad befestigte mit heulendem Akkuschrauber eine Tafel in einem der drei Klassenzimmer, von denen eins vorläufig als Kunst- und Musikraum herhalten musste und das andere als Bio- und Chemielabor.

Wir schafften es gerade noch, die Gebäude fertigzubekommen, bis die ersten Interessenten anrückten. Bestimmt würde es ihnen hier gefallen, wir hatten uns so viel Mühe gegeben! Mehr als fünfzehn junge Wandler und Wandlerinnen hatten sich für heute angekündigt, da würden bestimmt gleich mehrere Mädchen dabei sein, die ich nett fand! Ich musste nur noch eins aussuchen und zu mir einladen. Amy wollte leider eine Pflanzenfresserin als Mitbewohnerin, meine Raubtierwitterung machte sie immer noch nervös.

»Na, aufgeregt?«, fragte Oliver Jolly, der neue Lehrer für Englisch, Spanisch und Tiersprachen. Er war Eidechse in zweiter Gestalt, ein kleiner Mann mit raschen, ruckartigen Bewegungen und einem netten Lächeln.

»Na klar, Sie nicht?«

Jolly blickte rüber zu meinem Vater. »Hast du schon gewusst, was Schulleiter am liebsten trinken?«

»Nee, was?«

»Leitungs-Wasser«, sagte er und lachte über seinen eigenen Witz. Ich fragte mich kurz, ob es eine gute Idee gewesen war, grünes Licht für seine Einstellung zu geben. Seit er hier war – noch nicht lange –, hatte er mir schon zehn Flachwitze erzählt.

»Seid ihr ganz sicher, dass ich das kann?«, stöhnte Arula leise. Sie war gerade eine junge Frau mit kurzen rotblonden Haaren und Sommersprossen. »Jugendliche unterrichten?«

»Du wirst es super machen«, flüsterte ich zurück. »Lass dir einfach nichts bieten und zeig uns all deine besten Verwandlungstricks, okay?«

»Okay.« Arula zog die Nase hoch, was sie gleich fünf Jahre jünger wirken ließ. Was war, wenn sie es tatsächlich nicht hinkriegte? Noch ein weiteres Fach zu unterrichten, würden meine Eltern nicht schaffen. Sie hatten bisher nicht mal jemand für Kunst und Musik finden können, er oder sie musste ja ein Wandler sein. Aber wenn uns die Behörde die erforderliche Genehmigung nicht gab, dann war sowieso alles vorbei, dann brauchten wir auch keine Lehrkräfte mehr. Arula und MrJolly wussten davon, verdrängten es aber gerade, so gut es ging.

Als Erstes traf ein etwas schüchtern wirkender Graureiherjunge mit seinen ebenfalls asiatisch aussehenden Eltern ein. »Schön, euch kennenzulernen«, sagte er, nachdem er sich getraut hatte, mich anzusprechen. »Es ist so toll, dass ihr das mit der Schule hier macht. Ich wollte echt nicht auf die andere Seite des Kontinents umziehen müssen, um auf eine Wandler-Schule gehen zu können.«

Danke, danke, danke, das tat gut nach all der Plackerei. »Das fühl ich«, versicherte ich ihm und der Junge – er hieß ShivaOkamura – meldete sich an Ort und Stelle für die neue Erstjahresklasse an. Ich konnte nur hoffen, dass wir ihm und den anderen nicht wieder absagen mussten.

Mein Vater begann, mit ihm und seinen Eltern alle Details zu klären, deshalb hatten ich und meine Mutter Zeit für einen Jungen mit Ohrring und buntem Piratentuch über den Haaren, der sich als »Crowley aus Texas« vorstellte. Unter dem Tuch ragte eine dunkle Haarsträhne hervor; vergeblich versuchte der Junge, sie wieder darunterzustopfen, sie ließ sich einfach nicht bändigen.

»Herzlich willkommen!«, sprudelte meine Mutter hervor, während Crowley, der mit seinen Großeltern hergekommen war, sich skeptisch umschaute. Ja, es war alles sehr ausgedörrt jetzt im September, aber das war normal in dieser Gegend und kannte er das nicht aus Texas? Oder gefielen ihm die Gebäude nicht?

»Was bist du?«, fragte ich ihn, aber er zuckte nur die Schultern.

»Keine Ahnung – dein Vater hat meine Eltern in der Klinik kennengelernt und irgendwas an mir gespürt«, sagte er ein bisschen hilflos. »Wahrscheinlich bin ich eine Krähe, dann macht mein Name Sinn. Wär cool