Sechs Spielarten des Todes – Sechs Horrorgeschichten - Malte S. Sembten - E-Book

Sechs Spielarten des Todes – Sechs Horrorgeschichten E-Book

Malte S. Sembten

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Beschreibung

Die Erzählungen dieses Bandes nähern sich vielfach der conte cruel, dem Grand Guignol, und ich verwende bewusst diese klassischen Begriffe, den die Tradition dieses Genres reicht weiter zurück als manche Fans wissen. Sie evozieren eine gewalttätige Welt, in der grausame Dinge geschehen. Nun ist die reale Welt bekanntlich gewalttätig genug. Warum ihre Evokation in der Literatur? Bei Malte S. Sembten hat das nichts Voyeuristisches: es wird nicht ausgemalt. Bilder haben wir genug im Kopf: sie müssen nur abgerufen werden. Es wird sozusagen konstatiert, als das was es: nämlich etwas Reales. Ist Literatur darin hilflos, dass sie die Gewalttätigkeit der Welt zwar heraufbeschwören, aber nicht bannen und schon gar nicht bewältigen kann? Oder ist das eine falsche Frage? Was ist die Wirkung einer guten Horrorgeschichte? Ist es sehr schräg, wenn ich sage, sie erhebt, erheitert, tröstet über die Misslichkeiten des Lebens und erwärmt das Herz? Und sie erhält die Welt interessant. Eine Welt, in der alles passieren kann, kennt keine Langeweile. Horror ist nicht einfach nur ein freies Spiel der Fantasie: er verbindet Spiel, Angst und das Aufmerken auf dunkle Realitäten.
Aber es sind nicht allein die Story und die Charaktere, es ist das Ambiente, dessen lebensechte Schilderung Malte S. Sembtens Texte über das Niveau der meisten anderen Horrorautoren erhebt. Manchmal fühlt man sich in die Welt der großen Abenteuerromane des 19. Jahrhunderts versetzt. Dann freilich wird es wieder ganz modern.
Die vorliegende Auswahl versammelt 6 Erzählungen und Novellen von Malte S. Sembten, die während der vergangenen 20 Jahre in Kollektionen und Anthologien erschienen sind und zumeist nur noch schwer zugänglich waren. Jeder Beitrag wurde für die Neuveröffentlichung vom Verfasser überarbeitet und mit einer Nachbemerkung versehen.

Dieses Buch enthält folgende sechs Erzählungen und Novellen:
› Ausgeliefert
› Die Hippokratischen Gesichter
› Wanted for Hell
› Geliebte Kettensäge
› Click or Tre@t
› Der Verfolgte
› Mit einem Nachwort von Marco Frenschkowski

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Ähnliche


 

 

 

Malte S. Sembten

 

 

 

Sechs Spielarten des Todes

 

 

 

 

Horrorgeschichten

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv, 2023

Cover: ©by Björn Craig/ Schweiz 

Korrektorat: Bärenklau Exklusiv

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die Handlungen dieser Geschichten sind frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Ausgeliefert 

Die Hippokratischen Gesichter 

Wanted for Hell 

Geliebte Kettensäge 

Click or Tre@t 

Der Verfolgte 

Storyanmerkung 

»Es ist an der Zeit für Dich« 

Über den Autor 

Über den Verfasser des Nachworts 

 

Das Buch

 

 

 

Die Erzählungen dieses Bandes nähern sich vielfach der conte cruel, dem Grand Guignol, und ich verwende bewusst diese klassischen Begriffe, den die Tradition dieses Genres reicht weiter zurück als manche Fans wissen. Sie evozieren eine gewalttätige Welt, in der grausame Dinge geschehen. Nun ist die reale Welt bekanntlich gewalttätig genug. Warum ihre Evokation in der Literatur?

Bei Malte S. Sembten hat das nichts Voyeuristisches: es wird nicht ausgemalt. Bilder haben wir genug im Kopf: sie müssen nur abgerufen werden. Es wird sozusagen konstatiert, als das was es: nämlich etwas Reales. Ist Literatur darin hilflos, dass sie die Gewalttätigkeit der Welt zwar heraufbeschwören, aber nicht bannen und schon gar nicht bewältigen kann? Oder ist das eine falsche Frage? Was ist die Wirkung einer guten Horrorgeschichte? Ist es sehr schräg, wenn ich sage, sie erhebt, erheitert, tröstet über die Misslichkeiten des Lebens und erwärmt das Herz? Und sie erhält die Welt interessant. Eine Welt, in der alles passieren kann, kennt keine Langeweile. Horror ist nicht einfach nur ein freies Spiel der Fantasie: er verbindet Spiel, Angst und das Aufmerken auf dunkle Realitäten.

Aber es sind nicht allein die Story und die Charaktere, es ist das Ambiente, dessen lebensechte Schilderung Malte S. Sembtens Texte über das Niveau der meisten anderen Horrorautoren erhebt. Manchmal fühlt man sich in die Welt der großen Abenteuerromane des 19. Jahrhunderts versetzt. Dann freilich wird es wieder ganz modern.

Die vorliegende Auswahl versammelt 6 Erzählungen und Novellen von Malte S. Sembten, die während der vergangenen 20 Jahre in Kollektionen und Anthologien erschienen sind und zumeist nur noch schwer zugänglich waren. Jeder Beitrag wurde für die Neuveröffentlichung vom Verfasser überarbeitet und mit einer Nachbemerkung versehen.

 

Dieses Buch enthält folgende sechs Erzählungen und Novellen:

Ausgeliefert

Die Hippokratischen Gesichter

Wanted for Hell

Geliebte Kettensäge

Click or Tre@t

Der Verfolgte.

 

Mit einem Nachwort von Marco Frenschkowski.

 

 

***

 

Sechs Spielarten des Todes

 

 

 

Ausgeliefert

(Eine Moritat)

 

 

Ich lasse den Klingelknopf los. Hinter der Tür geht das Licht an. Ich erkenne es am Türspion, der plötzlich gelb glüht.

Ich setze ein Lächeln auf. Rücke es zurecht. Gleichzeitig hebe ich die Thermobox mit dem Logo der Pizza-Auslieferung in den Sichtbereich der Linse.

Türriegelschnappen. Ein Türspalt so breit, wie die Sperrkette reicht.

»Pizza-Auslieferung. Ihre Pizzas sind da!«

»Wir haben aber nichts bestellt.«

»Moment.« Ich zücke irgendeinen Wisch. »Hier steht: Zweimal Pizza … Pizza Tutti Pomodoro für Jancke. Gibt’s zwei Janckes im Haus?«

Der Typ schüttelt den Kopf. »Nein … wir sind die Einzigen.« Lauter ruft er über die Schulter in die Wohnung hinein: »Hast du Pizza bestellt?«

»Pizza?« Eine Frauenstimme. »Nein.« Zögern. »Aber was ist denn drauf?«

Bin schon gespannt auf die Alte.

Das Minutenlicht im Treppenhaus erlischt.

Schluss mit dem Gelaber!

Ich verpasse der Tür einen Tritt. Die Sperrkette reißt ab. Dann sind wir drin in der Wohnung – ich und meine beiden Kumpels, die sich neben der Tür bereitgehalten haben.

Dem Typ steht der Mund offen.

Kebab knallt die Tür hinter uns zu. Ich hämmere dem Typ die Faust in die Fresse. Dann ein Tritt in den Wanst, dass er in die Knie geht und kotzt. Und noch eins in die Fresse, dass er Blut drüberrotzt.

Ich grinse. »Bitte sehr: Pizza Tutti Pomodoro, bestellt und ausgeliefert.«

So beginnen wir das Spiel immer, Kebab, Krähe und ich. Diesmal spielen wir es zu fünft. Das heißt, falls die beiden keine Bälger haben. Kinder dürfen aber auch mitspielen. Es ist ein kurzweiliges Spiel für die ganze Familie.

Der Typ macht große Augen. Sein Kinn tropft. Nixschnaller machen mich krank. Ich stoße sein Gesicht in den Brei. »Happi, Happi für den Pappi.«

Jetzt taucht die Alte im Flur auf, schaltet prompt die Sirene ein.

»Halt’s Maul, du Nutte«, sagt Krähe und dreht ihr den Arm auf den Rücken.

»Lasst meine Frau los!«, fordert der Typ. Aber es klingt, als würde er betteln.

Sie winselt. »Was wollt …« Das Schultergelenk knackt. Sie krümmt sich nach vorn. Krähe grapscht sich eine Titte und schmiert sie der Fotze in die Fresse.

Bevor der Typ jetzt was sagt, press’ ich seine Fresse in die Kotze. »Mit vollem Mund spricht man nicht«, das muss er noch lernen. »Und jetzt ein Löffelchen für Omi, ein Löffelchen für Opi …« Ich gebe etwas nach, und sein Gesicht hängt dicht über der Pfütze.

»Iss«, fauche ich. »Oder deine Alte strippt.«

Krähe reißt ihr die Bluse aus der Hose, dass die Knöpfe fliegen.

Der Typ stöhnt. Er presst die Augen zu und beginnt zu schlabbern wie ein Kätzchen. Über das Geräusch muss ich lachen. Mittendrin hört er auf.

»Los, weiter, sonst wird das Happi kalt.« Das kommt von Krähe, der mal wieder meine Sprüche klaut.

»Wenn du nicht aufisst, gibt’s morgen schlechtes Wetter.«

Aber er spuckt alles wieder aus, was er gerade brav geschluckt hat.

So geht’s nicht. Ich sporne ihn an. Es dauert ein paar Minuten, bis er alles drin hat. Mit seinem T-Shirt mache ich ihm den Mund sauber.

Jetzt, wo die Tafel aufgehoben ist, kann der gesellige Teil beginnen.

 

Wir haben’s uns im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Kebab, die Krähe und ich. Der Doktor (das ist er wirklich!) und die Nutte hocken vor uns auf dem Teppich. Sie versuchen krampfhaft, nicht auf die Pistole in Krähes Faust zu starren. Kebab hat den CD-Player angemacht, aber ich dresche sofort auf die Austaste. Scheiß Saxofongetute.

Kebab geht zum Bücherschrank. Was will er da? Der hat doch schon Probleme, ein Straßenschild zu lesen.

Er zieht die Schwarten raus, eine nach der anderen, und lässt sie auf den Boden plumpsen. Lauter schwere Bildbände. Architektur, Malerei, Fotografie.

Ich bewundere die Einrichtung. Sowas kenne ich sonst nur aus den Krimis, die im Fernsehen nach den Abendnachrichten laufen. Was von der Decke runterhängt und aussieht wie ein Ufo, ist ’ne Lampe. Die Möbel sind teils ultramodern, teils antik. An den Wänden hängen rahmenlose, bunt beschmierte Leinwände, aber auch gerahmte alte Ölschinken. Das Telefon von Porsche erinnert am Ehesten an einen platt getretenen Rennwagen.

Auch der Doc starrt aufs Telefon. Ich bücke mich und reiß das Kabel ab.

»Lass mal ’ne Kippe rüberwachsen.«

Einhändig fummelt Krähe eine Marlboro aus der Packung. Mit der anderen Hand hält er die Wumme im Schoß, als wär’s sein Pimmel, den er mitten auf die Visage der Nutte gerichtet hält. Ein Pimmel im Kaliber .375 Magnum.

»Nein. Die auf dem Tisch.«

Kebab grabscht nach der Packung und wirft sie her zu mir. Ich stecke mir eine Dunhill an. Vermurkse Rauchringe. »Jetzt dürft Ihr reden, DINKs.«

Krähe kichert. Er weiß es nicht besser.

»Double Income, No Kids.« Meine Autorität baut auf Wissen. »Massig Kohle, keine Kinder. Sonst hätten wir die Bälger längst plärren gehört. Stimmt’s, Doc?«

»Scheißdreck, guckt mal das hier!« Kebab schleppt einen von den Schinken herüber. Er pflanzt sich neben mir aufs Sofa. Kebabs Pfoten machen Schlieren auf den Hochglanzseiten. Er blättert. Lauter nackte Muskelneger mit Vorschlaghämmern zwischen den Schlegeln.

Kebab reißt eine Seite aus dem Buch und reibt sie dem Doc unter die Nase.

»Ist deine Alte geil auf Bimbos?«

»Was wollt ihr von uns? Was haben wir euch getan?«

»Habt ihr irgendwo Geld? Schmuck? Irgendwas?«

Die Nutte schluckt. Anscheinend hat sie eine Mutpille im Mund gehabt: »Ihr macht besser, dass ihr verschwindet. Unsere Nachbarn haben wahrscheinlich schon die Polizei gerufen!«

»Lüg nicht! Die Jacobis sind gar nicht zu Hause.« Ich lach der Nutte ins Gesicht. »Bei denen haben wir auch geklingelt.«

Ich rieche ihr Parfum. Ein Moschusduft, verpanscht mit dem Geruch der Angst.

»Zieh dich aus, du Schlampe!«

Der Doc will aufstehen. »Ich zeig euch, wo der Schmuck ist. Wir haben auch Bargeld da«.

Krähe drückt ihm den Lauf der Wumme unters Auge.

»Kommst auch noch an die Reihe, Wichser.«

Der Doc starrt Krähe ins Gesicht. Auf eine Art, dass Krähe zurückzuckt. Der Doc schnallt die Chance. Er boxt Krähes Schusshand weg. Die Wumme schlittert übers Parket. Krähe stürzt. Er kriegt die Faust zwischen die Beine gerammt und krümmt sich wie eine Made.

Die Nutte langt nach der Waffe. Kebab ebenso. Sie ist schneller, weiß aber nichts mit der Wumme anzufangen. Schon ist der Doc wieder auf den Beinen. Ich versuche ihn runterzureißen. Sein Ellenbogen trifft mich am Auge. Die Alte wirft ihm die Waffe zu. Aber er bekommt nur den Lauf zu fassen. Schon packt Kebab seinen Arm und verdreht ihn, bis es knackst. Die Waffe fällt auf den Boden. Ich schnapp sie mir.

Ich halte dem Doc das kalte Loch der Mündung an die Stirn.

Ich bin so wütend. Fast … fast drück ich ab.

Aber dann verpass ich ihm nur ’nen Tritt in den Wanst. Er geht in die Knie.

Die Nutte quiekt. Krähe schlägt ihr auf die Fresse. Ihre Lippe blutet.

Ich merke, dass mein Auge zuschwillt. Diese Wut! Dieser Hass! Ich beuge mich über den Doc. Ich pack ihn an den Haaren. Ich ramme sein Gesicht auf mein Knie. Und nochmal. Nochmal. Nochmal–nochmal–nochmal. Das viele Blut auf meiner Hose macht mich nur noch wilder.

Ich zücke mein Benzinfeuerzeug. Sag Krähe, er soll Docs Kopf festhalten. Mit dem Daumen zieh ich ein Augenlid hoch. Ich flüstere ihm ins Ohr.

»Du perverser …! Faustgefickter …!«

Dann halte ich die Flamme dicht an Docs Auge ran.

Er wirft sich nach hinten. Beginnt wie verrückt zu strampeln. Krähe kann ihn kaum noch halten. Da kommt Kebab. Legt dem Doc von hinten den Arm um den Hals. Doc beginnt zu röcheln. Ich zieh’ wieder sein Augenlid hoch. Lass eine Flamme aus dem Feuerzeug springen.

Schon kommt die Alte angekrochen.

»Tut das nicht!«

»Zieh dich aus!« Ganz ruhig sag ich das. Dabei ziehe ich Docs Wange unter dem Augapfel nach unten, bis er im rohen Fleisch zuckt. Das Auge schimmert feucht in der Flamme. Der Tanz der Flamme spiegelt sich in der Pupille wider. Es ist ein Tanz voll Vorfreude.

Wimmernd zieht die Nutte die Bluse aus. Trotzdem versenge ich dem Doc die Wimpern. Und schon wird’s ein bisschen laut.

Ich stoße den Doc von mir und hole was aus meiner Arschtasche. Eine Musikkassette.

Krähe legt sie ein. »Nicht zu laut«, sagte ich. »Grad so, als ob hier im kleinen Kreis ’ne Party abgeht.«

Und sie geht ab, die Party!

Die Nutte trägt natürlich keinen BH.

Scheiße, was für Titten! Würde man Gas reinfüllen, würde die Nutte an der Decke kleben. Dazu Nippel wie Babyschnuller.

In der Thermobox ist Kabelbinder. Ein Streifen ist für den Doc. Quer über den Dreitagebart. Der andere pappt über den geschwollenen Lippen der Nutte. So auf die feuchten braunen Augen reduziert, sieht die Alte recht fickbar aus.

Kebab und Krähe hieven die Nutte quer über den nächsten Sessel. Der Arsch wird zweckmäßig auf der Armlehne platziert. Ich gebe Krähe die Wumme zurück. Mach die Hose auf, um meinen eigenen Schießprügel in Anschlag zu bringen. »Kein Schwanz aus ’nem Buch«, sag ich zu der Nutte. »Nicht bloß zum Angaffen. Den spürst du richtig!«

Der mit der kleinsten Keule kommt immer zuletzt dran. So ist unsere Hackordnung. Den ersten Spatenstich hab immer ich. Am Ende schaufelt Kebab zu, was übrigbleibt.

Kebab macht ihr die Hose auf. Sie strampelt ein bisschen. Ihr Näschen läuft. Mein Schwanz pocht hart in meiner Faust. Ich reibe ihn wie ein Weltmeister. Gleich hat Kebab die Nutte soweit. Ihre Hose ist so eng, dass der Slip beim Runterziehen über die Knie rut…

Heilige Scheiße!!!

Krähe und Kebab starren. Dann sagt Krähe: »Boah, ist das eklig!«

Ich muss grinsen. »Hat dich dein Alter mit ’nem Lötkolben gevögelt?« Die Haut zwischen ihren Beinen sieht aus wie zerlaufener Käse. Dann wird mein Grinsen breiter. Das Fell um ihre ausgefranste Runzelmöse ist blond. An den Wurzeln ist das Muschihaar schwarz nachgewachsen. Die Nutte selbst ist brünett. Jetzt kann ich mir das Lachen nicht mehr verbeißen: Die Nutte mit der vernarbten Möse hat sich das Moos gefärbt!

»Wer will dich denn noch ficken?« Der Doc natürlich. So ein Perverser! Ich verpasste ihm einen Tritt zwischen die Beine. Dann pack ich meinen Schwanz wieder weg. Von dem Anblick ist er wieder schlaff geworden und leistet keine Gegenwehr.

Aber selbst die hässlichste Muschi hat das Recht auf einen guten Fick. »Kebab, guck mal in der Küche, mit was wir sie verwöhnen können.«

»Boah! Krass!«, tönt es sogleich von nebenan. Dann kommt Kebab zurück. In der Hand hält er ein komisches Metallding. Es ist mattgrau und sieht aus wie eine kleine Weltraumrakete.

»Was soll’n das darstellen?« Die Miene meiner beiden Gehirnazubis wird immer dämlicher. Ich lasse sie zappeln. Dann sage ich: »Ne Saftpresse. Zum Zitronen mit der Hand Ausdrücken.« Ich füge hinzu: »Philippe Starck heißt der Designer.«

»Stark!«

Scherzbold.

»Zu wem gehörst du eigentlich?«, mault Krähe. »Zu denen oder zu uns!« Dass ich das Ding auf einem der Designbände gesehen habe, die Kebab aus dem Regal gerissen hatte, verrate ich nicht. »Euer Boss«, belehre ich die beiden, »muss auch den Feind kennen.«

Krähe kräht: »Fotzensaft auspressen – voll krass!« Die Nutte staunt Bauklötze. Body Count haut ›Evil Dick‹ aus den Boxen.

Auch mein Böser wird wieder dick. Ich hol ihn aus. Er darf zugucken. Aus sicherer Entfernung.

 

Die Kassette ist aus. Alles ist jetzt still. Sogar die Nutte.

Der Blutfleck auf dem Sesselpolster wird immer größer. Der Doc starrt mich an. Wenn Blicke töten könnten.

Ich feixe ihm ins Gesicht. Diese feigen Spießer kann man gar nicht so weit treiben, dass sie zurückschlagen. Für die sind Waffen böse. Mit Gewalt, finden sie, löst man nie ein Problem. Lieber labern sie hinterher gelangweilte Bullen voll und gehen zum Psychiater. Am Ende wechseln sie die Wohnung und sichern sie mit Patentschlössern und ’ner teuren Alarmanlage. Nützt ihnen natürlich nichts, wenn der Bringdienst liefert.

Ich nehme die Kassette aus dem Tapedeck. Mein Ton wird sachlich. »Zurück zum Geld. Wenn Ihr brav unsere Kühlbox füllt, passiert euch nichts weiter. Dann seid ihr uns ruckzuck los.« Ich lächle freundlich.

Ich nicke Krähe zu, dass er den Doc mit der Wumme in Schach hält. Dann reiße ich dem Kerl den Klebestreifen vom Gesicht. Sein halber Dreitagebart geht mit ab. Er bleckt die Zähne … die, die ich ihm gelassen habe. Blut läuft ihm übers Kinn. Es dauert, bis er die Worte durchgekaut hat und ausspucken kann: »Im Schlafzimmer. Da ist ein Safe. Mit Kombinationsschloss. Ich zeig ihn euch, wenn ihr wollt.«

»Ist was Schönes drin?«

»Schmuck. Und Geld. Fünftausend in bar. Ihr könnt alles mitnehmen.«

… Wenn ihr uns nur nichts mehr antut, ergänze ich in Gedanken. Ich schicke Krähe mit der Wumme los. Er greift sich den Doc und verschwindet.

Ich überlege, ob ich auch der Nutte das Klebeband abreißen soll. Nein. Ich will nicht, dass sie jetzt irgendetwas sagt.

Ein Donnerschlag.

Ich zucke zusammen.

Irgendwo in der Wohnung ist die Wumme losgegangen.

Ich springe auf.

Noch ein Schuss. Lauter. Nicht von der Pistole.

»Was …«

Krähe verstummt. Doc steht in der Tür. Sein Ohr fehlt. Wange und Hals sind voller Blut. Mein Blick klebt auf der Pump Gun in seiner Hand.

Der Lauf qualmt noch.

Dann fliegt Kebab gegen die Bücherwand und sackt zusammen. Er bleibt liegen. In der Mitte offen, wie die Bilderbücher ringsumher.

Der Lauf schwenkt auf mich.

Ich reiße die Hände hoch.

»Bitte nicht schießen!«

Ist das wirklich meine Stimme?

Sein Kiefermuskel zuckt. Sein Abzugsfinger zuckt.

An meinem Bein rinnt etwas Warmes hinab und tröpfelt unten aus dem Hosenbein hervor.

Der Doc bemerkt es nicht. Er drückt auch nicht ab.

Er blickt zu der Nutte hin. Ihr Gesicht ist ganz blau. Im Nu ist er bei ihr. Versucht den Klebestreifen abzumachen. Aber er hat nur eine Hand frei. Während sie am Ersticken ist. Da reißt er grob an dem Streifen. Ein Stück vom Mundwinkel der Nutte wird sichtbar. Pfeifend zieht die Nutte die Luft ein.

Nun macht der Doc vorsichtig weiter, will ihr nicht wehtun. Voll konzentriert.

Jetzt oder nie!

Ich tu einen Riesensatz.

Aber die Augen der Nutte verraten mich.

Der Doc wirbelt herum.

Ich stolpere gegen eine Stehlampe, stürzte zu Boden. Dann erst spüre ich den Schmerz.

Der Gewehrkolben hat mir den Kiefer zertrümmert.

Einen Herzschlag später blicke ich direkt in den Lauf.

Er wandert über meinen Körper nach unten. Über meinen Eiern macht er halt.

»Nein, nicht!«, flehe ich. »Dürfen Sie das überhaupt? Sie haben doch gar keinen Waffenschein! Dafür kommen Sie ins Gefängnis. Ich bin noch gar nicht volljährig.« Das Letzte ist gelogen. Was aber egal ist. Mein Kiefer schmerzt wie die Hölle, ich kann gar nicht sprechen, und in Wahrheit kommen statt der Worte nur unverständliche Laute heraus.

Aber der Doc kann Gedanken lesen.

»Zwölf Blaue auf dem Schwarzmarkt«, nuschelt er. Er spuckt noch immer Blut. »Und meine Lizenz besteht darin, dass man Typen wie euch frei herumlaufen lässt.«

Der Gewehrlauf wandert wieder hoch, bis die Mündung genau in mein Gesicht zielt.

»Die Polizei wird glauben, dass die Flinte euch gehört. Die beiden überlebenden Zeugen werden das bestätigen.«

Wieder mache ich unverständliche Geräusche, bestärkt durch abwehrende Gesten.

Etwas arbeitet im Doc. Er ist doch zu feige, es zu tun!

Braver Bürger …

Was sagt er? Er zischt die Worte, so sehr muss er sich beherrschen.

»Kreaturen wie du, die sind keine Menschen. Sondern Abschaum. Schädliche Organismen. Feindliches Protoplasma …«

Ich kenne diese Sätze. Aus einer Fernsehtalkshow. Er muss sie auch gesehen haben. Irgendein pensionierter Richter hatte das gesagt und dann sein Buch vorgestellt.

Wieder scheint der Doc mir in den Kopf zu gucken, denn er sagt: »Der lange Arm, die harte Hand. Ein brauchbares Buch. Ein sittliches Buch. Ich kenne meine Pflicht, die Gesellschaft von Elementen wie Deinesgleichen zu säubern. Aber gib mir nur einen Grund, der dafür spricht, dass du weiteratmest. Dann lass ich dich laufen.«

Plötzlich schellt es an der Wohnungstür. Zum Schluss war die Party wohl doch etwas zu laut.

Der Doc wirft mir einen Stift hin. Mit dem Fuß schiebt er mir einen der Bildbände zu. Es ist der Starck-Band. Weil ich nicht sprechen kann, soll ich auf den zerrissenen Umschlag schreiben. Neben die raketenförmige Zitronenpresse.

Das schwarze Auge vor meinem Gesicht …

Ich hebe den Stift auf.

Umklammere ihn.

Die Türklingel kreischt.

Ich schreibe. Zittrige Buchstaben.

B I T T E

Denn mir fällt kein einziger Grund ein.

 

(Storyanmerkung:

Rache ist ein Gericht, das wird am besten kalt serviert. Oder heiß. Ganz egal. Hauptsache, es schmeckt.

Unter dem Titel ›Pizza-Party bei den DINKs‹ erstmals erschienen in: Nightlife Nr. 4, 1996.)

 

 

***

Die Hippokratischen Gesichter

 

 

Die Schrifttype war schnörkelreich und schwungvoll. Schwer zu entziffern.

Aber vor allem waren die Buchstaben spiegelverkehrt gedruckt worden.

Unlesbar.

Die Karte bestand aus handgeschöpftem Bütten. Vornehm, teuer. Jemand legte Wert auf Stil. Die Frage blieb, wer. Auf dem Umschlag, der die Karte enthalten hatte, stand kein Absender.

Chayefsky suchte, bis er eine geeignete Spiegelscherbe fand. Sie stammte vom Toilettenspiegel, den er wie alle Spiegelflächen im Büro zertrümmert hatte.

Er hielt den Splitter vor die Schrift. Mit äußerster Vorsicht vermied er, dass die Spiegelscherbe sein Gesicht einfing. Schließlich neigte der den Splitter, bis die beiden Zeilen darin sichtbar wurden.

 

Einladung zur Vernissage, stand auf der Karte.

 

›Die Hippokratischen Gesichter‹

 

Die Scherbe fiel ihm aus der Hand auf die Tischplatte. Ehe er es verhindern konnte, hatte er in ihr sein Spiegelbild erblickt.

 

 

Eine Woche zuvor.

Chayefsky entging nicht, dass die Hand seines Besuchers zitterte, während sie in die Innentasche des Jacketts fuhr. Der Mann zog ein Briefkuvert hervor, fingerte die Lasche auf und nahm einen Streifen mit Fotografien heraus. Erst nach einem zögernden Blick auf die Bilder fasste er sich ein Herz und reichte sie über die Tischplatte hinweg an Chayefsky weiter.

»Das auf den Fotos bin ich«, sagte der Besucher. »Ich hab die Bilder in einer Pixi-Fotokabine am Hauptbahnhof gemacht.« Beinahe entschuldigend erklärte er: »Für eine Jahreskarte der städtischen Verkehrsmittel.«

Die Männer saßen in Chayefskys beengtem Büro. Durch das Milchglas der Bürotür schimmerte spiegelverkehrt die Aufschrift:

 

GREGOR CHAYEFSKY

OKKULTER ERMITTLER

 

Chayefsky klappte die Bügel seiner Brille auseinander und schob sich die Brille auf die Nase.

Er stutzte, und die Worte des Besuchers klangen wie ein Echo in ihm nach.

Das auf den Fotos bin ich.

Die Fotos waren in Farbe. Die erste Aufnahme zeigte das hohlwangige Antlitz eines Todgeweihten.

---ENDE DER LESEPROBE---