Secret Places Frankreich - Klaus Simon - E-Book

Secret Places Frankreich E-Book

Klaus Simon

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Beschreibung

Jeder Frankreich-Urlauber hat bereits den Eiffelturm gesehen, kennt die typischen Lavendelfelder und hat vom Loiretal gehört. Aber kennen Sie die erloschenen Vulkane der Auvergne, das Weinbaugebiet Sancerre oder die Gärten von Marqueyssac? Diese und weitere charmante Orte abseits des Trubels komibiniert mit wahren Geheimtipps bietet Ihnen dieser Reisebildband. Hidden Places und unbekannte Insidertipps – mit ganz viel Frankreich-Flair!

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SECRETPLACES

FRANKREICH

Traumhafte Orteabseits des Trubels

Hilke Maunder · Klaus Simon

INHALT

Vorwort

DER NORDEN UND WESTEN

1Cap Blanc-Nez & Cap Gris-Nez – England so nah

2Saint-Valery-sur-Somme – Bucht der Robben

3Cap de la Hague – Nucléaire, mon amour

4Côte d’Albâtre – Majestäten in Weiß

5La Villa du Temps retrouvé – Proust perdu

6Ouessant – 3400 Seemeilen bis Amerika

7Pays Bigouden – Frankreichs wilder Westen

8La Petite Ceinture – Auf dem Damm bleiben

9Le Marais Audomarois – Staunen im Sumpf

10Nordfrankreich – Land der Belfriede

11Dunkerque – Kunst am Kai

12Calais – 100 Prozent Spitze

13Route du Cidre – Genuss im Pays d’Auge

14Le Havre – Der Garten der Stille

15Mers-les-Bains – Belle Époque am Strand

16Fougères & Co. – Grenzfeste der Bretagne

17Saint-Lunaire – Juwel an der Smaragdküste

18Saint-Gilles-Croix-de-Vie – Sardinen-Stadt

19Île d’Yeu – Auftanken im Atlantik

DIE MITTE

20Dijon – Leben wie Gott in Ost-Frankreich

21Bibracte – Wo Cäsar siegte

22Saint-Christophe-en-Brionnais – 1A-Rinder

23Montbéliard – Fast wie im Ländle

24Cirque de Baume – Kunst- und Naturwunder

25Wasserfälle des Jura – Dem Regen sei Dank

26Romanik in der Auvergne – Aufschwung 1000

27Viehauftrieb Aubrac – Immer aufwärts

28Besançon – Kunst im Stadtraum

29Arnay-le-Duc – Museumsreife Tischkultur

30Vonnas – Frankreichs erstes Sternedorf

31Lac du Bourget – Der wilde Alpensee

32Le Bugey – Stille Schönheit

DER SÜDOSTEN

33Port-Cros – Zum Abtauchen wie geschaffen

34Venasque – Die Hauptstadt der Kirsche

35Château La Coste – Kunst im Weinberg

36Correns – Frankreichs erstes Bio-Dorf

37Calanques – Naturwunder in der großen Stadt

38Domaine du Rayol – Der Paradiesgarten

39Menton – Oden ans Mittelmeer

40Îles de Lérins – Insel-Träume vor Cannes

41Gorges du Verdon – Schlucht der Superlative

42Cucuron – Der stille Charme des Luberon

43Hinterland der Côte d’Azur – Grandios wild

44L’Esterel – Massiv am Meer

DER SÜDWESTEN

45Sète – Ein Hauch Italien

46Montpellier – Mit der Tram zu Tisch

47Saint-Guilhem-le-Désert – Für Pilger aller Art

48Das Gévaudan – Der Wolf geht um

49Gaillacois – Mittelalterliche Bastiden

50Gers – Wonnen der Gascogne

51Die Dordogne – Mord auf Rezept

52Saint-Émilion – Das große Graben

53Île de Ré – Das französische Sylt

54Guéthary – Kleinster Hafen der Basken

55Cambo-les-Bains – Beim Cyrano zu Hause

56Gorges de Galamus – Das Schlucht-Erlebnis

57Sentier Cathare – Der Weg der Ketzer

58Bethmale – Schnabelschuhe für die Liebe

59Saint-Hilaire – Der Teufelswein

60Causse du Larzac – Land der Tempelritter

Register

Bildnachweis

Impressum

Zwischen Ärmelkanal, Atlantikküste und Mittelmeer wartet ein Land voller Überraschungen auf Entdeckungen (von links nach rechts): patriotisch gesinnte Kuh auf dem Viehtrieb von Aubrac, der malerische Hafen von Saint-Martin-de-Ré auf der Île de Ré, Kirschenernte in Frankreichs erstem Bio-Dorf Correns, das Schloss Saint Germain de Livet an der Route du Cidre und eine gesunde Leckerei aus Dijon, dem neuen Zentrum für moderne Kochkunst.

WILLKOMMEN IN FRANKREICH

ERSTAUNLICHE EINBLICKE

Frankreichs Vielfalt und Schönheit können nackte Zahlen kaum fassen. Und geben doch erste Erkenntnisse über das typisch französische Savoir-vivre, machen bekannt mit Rekorden und Superlativen einer in vieler Hinsicht großen Nation. Bienvenue en France!

ALLE-WELT-LAND

Frankreich ist mit 632 834 Quadratkilometern der flächenmäßig größte Staat der Europäischen Union – und der einzige, der nicht nur in Europa, sondern auch in Afrika, Nord- und Südamerika und Ozeanien mit Überseegebieten vertreten ist. 543 965 Quadratkilometer entfallen auf das französische Festland. Wegen seiner sechseckigen Form heißt es auch Hexagon – und misst rund 1000 Kilometer von Ost nach West, von Nord nach Süd. Wer es bereist, findet Landschaften aus aller Welt dort vereint: Hochgebirge am Mont Blanc, Sahara-Feeling in den Dünen der Silberküste, Colorado-Felsen in Rustrel und den Grand Canyon am Verdon.

13,2 KILOGRAMM SCHOKOLADE

futtert jeder Franzose durchschnittlich pro Jahr. Anders als der Rest Europas lieben sie nicht Milchschokolade, sondern bevorzugen Chocolat noir, dunkle Schokolade mit mindestens 70 Prozent Kakaoanteil.

127,2MILLIARDEN EURO

So viel Geld besaß 2022 der reichste Franzose, Bernard Arnault. Der Inhaber der Luxusgruppe LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy) kommt damit auf Platz drei weltweit. Zu seinem Imperium gehören insgesamt 75 Marken von Veuve Clicquot bis Guerlain, Zeitungen wie »Les Échos« und »Le Parisien« sowie der deutsche Sandalenhersteller Birkenstock.

365 KÄSESORTEN

gibt es angeblich im Land – andere Quellen sprechen von 258 und 246. Doch eines ist gewiss: Die Käse-Vielfalt ist gigantisch. 46 Käsesorten aus Kuh-, Schafs- oder Ziegenmilch tragen die geschützte Ursprungsbezeichnung AOP, fast alle werden aus Rohmilch hergestellt.

81,2 PROZENT

der Gesamtbevölkerung lebt in Städten. Damit ist Frankreich bei der Urbanisierung Spitzenreiter in Europa – vor Spanien (81,06 %) und Griechenland (80,04 %). Dieser Trend steigert sich jährlich um 0,5 Prozent.

68 MILLIONEN

Einwohner leben in Frankreich – die meisten in der Hauptstadt Paris und ihrem Ballungsraum in der Île de France. Marseille und Lyon streiten sich seit Jahren darum, wer die zweitgrößte Stadt im Land ist – Lyons Ballungsraum ist größer; Marseilles Bevölkerung mit 870 731 Einwohnern in der Kernstadt jedoch höher (Lyon: 522 969). Nummer drei ist Toulouse mit 493 465 Einwohnern vor Nizza (342 669).

Quelle: Nationales Statistikamt INSEE

49 WELTERBESTÄTTEN

hat Frankreich: 42 Stätten hat die UNESCO als Welterbe der Kultur, sechs als Welterbe der Natur sowie eine als Natur- und Kulturwelterbe gelistet. Hinzu kommen 27 immaterielle Welterbegüter – vom Baguette zu den folkloristischen Prozessionsriesen, von den Tapisserien aus Aubusson bis zum Cantu in paghjella auf Korsika.

14. JULI

Der Quartorze Juillet ist Frankreichs Nationalfeiertag. Obwohl der 14. Juli im Allgemeinen mit dem Sturm auf die Bastille im Jahr 1789 in Verbindung gebracht wird, ist es in Wirklichkeit der 14. Juli 1790 und damit das Fest der Föderation, das mit Militärparade, Feuerwerk, Volksbällen und Gratiskonzerten groß gefeiert wird.

11 NATIONALPARKS

8 Nationalparks im Hexagon (Vanoise, Port-Cros, Pyrenäen, Cevennen, Écrins, Mercantour, Calanques, Forêt National) und drei in Übersee (Guadeloupe, Französisch-Guayana und La Réunion) schützen acht Prozent der Landesfläche. Der älteste Nationalpark ist der 1963 gegründete Nationalpark Port-Cros mit den Inseln Porquerolles und Port-Cros vor der Küste von Hyères. Der größte Nationalpark Kontinentalfrankreichs bewahrt das Natur- und Kulturerbe der Cevennen. Er ist zugleich Frankreichs einziger Nationalpark in einem Mittelgebirge – und gemeinsam mit den Hochplateaus der Causses ein Welterbe der UNESCO.

UNSER NACHHALTIGKEITSKODEX

Die Welt birgt viele Wunder, Abenteuer und spektakuläre Aussichten, die wir gerne erkunden möchten. Doch sie ist auch leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Hier ein paar Tipps, wie wir unsere Welt nachhaltig entdecken können:

Die Hauptsaison meiden: Wenn wir nicht gerade auf die Ferienzeiten angewiesen sind, können wir der Umwelt einen großen Gefallen tun, indem wir in der Nebensaison verreisen. Damit tragen wir zu einer gleichmäßigeren Auslastung der Umwelt und der Infrastruktur bei und der Urlaub wird dazu auch noch wesentlich entspannter.

Die Aufenthaltsdauer dem Reiseziel anpassen: Je weiter das Reiseziel ist, desto länger sollte der Aufenthalt sein. Dadurch lernen wir die Region nicht nur intensiver kennen, sondern stärken sie ganz nebenbei noch durch unsere Ausgaben vor Ort. Anfahrtsintensive Tagesausflüge sollten besser vermieden werden, das bedeutet nur Stress, sowohl für die Umwelt als auch für uns selbst.

Auf umweltschonende Verkehrsmittel setzen: Wo es möglich ist, reisen wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Das reduziert nicht nur die Luftverschmutzung, sondern schont auch unsere Nerven. Falls das nicht geht, helfen verschiedenste Plattformen dabei, den CO2-Ausstoß auszugleichen, vor allem, wenn das gewünschte Reiseziel nur mit dem Flugzeug zu erreichen ist.

Nur dort parken und campen, wo es erlaubt ist: Selbst, wenn wir uns noch so vorbildlich verhalten und unseren Aufenthaltsort so hinterlassen, wie wir ihn vorgefunden haben, stören wir den Lebensraum von Wildtieren und hinterlassen Spuren und Gerüche. Auch Lagerfeuer entzünden wir ausschließlich an den dafür vorgesehenen Stellen und achten dabei auf Waldbrandstufen und Naturschutzgebiete.

Ressourcen gewissenhaft nutzen: Manche Umweltressourcen sind bereits knapp, endlich sind auf jeden Fall alle. Um sie zu schonen, sollten wir sparsam mit ihnen umgehen, gerade in Gegenden, in denen zum Beispiel Wasser oder Strom nicht im Überfluss vorhanden sind.

Ein guter Gast sein: Nachhaltig unsere Umgebung zu erkunden bedeutet auch, der hiesigen Flora und Fauna mit Respekt zu begegnen. Pflanzen sollten auf keinen Fall gepflückt werden, aber sie stehen uns bestimmt gerne Modell für das eine oder andere Foto. Das gleiche gilt für wilde Tiere: wir füttern sie nicht, halten Abstand und beobachten sie aus der Ferne.

Auf den Wegen bleiben: Wer die vorgegebenen Wege verlässt, dringt nicht nur in die Rückzugsräume heimischer Arten ein, sondern trägt auch dazu bei, dass sich neue Wege bilden, was zur Erosion des Bodens führt.

Abfall wieder mitnehmen: Plastikverpackungen jeglicher Art, Dosen, Flaschen und Papiertaschentücher (es dauert Jahre, bis sich ein einzelnes Taschentuch vollständig abgebaut hat!) gehören nicht in die Natur, sondern artgerecht entsorgt. Am besten gleich eine wiederverwendbare Brotdose oder Trinkflasche mitnehmen. Dazu zählen natürlich auch Toilettenpapier und der Inhalt von (Chemie-) Toiletten. Entsprechende Entsorgungsstationen finden sich überall.

Lokal kaufen: Dadurch lernen wir Land und Leute besser kennen und unterstützen die regionale Wirtschaft, außerdem sind regionale Produkte meist auch preisgünstiger und qualitativ hochwertiger.

So wie wir die Umwelt respektieren, wollen wir auch unseren Mitmenschen und deren Kultur Respekt entgegenbringen, gerade im Hinblick auf deren Traditionen, Religion oder typische Gebräuche. So können ein Lächeln oder ein paar Worte in der Landessprache Berge versetzen!

VORWORT

ABSEITS AUSGETRETENER PFADE

Frankreich ist das beliebteste Reiseland der Welt. Entsprechend lang können die Schlangen am Mont Saint-Michel oder dem Papstpalast von Avignon sein. Für Frankreichkenner stellen wir 60 Ziele vor, die die Reiselust gen Westen aufs Neue wecken.

Die Bucht von Sormiou ist eine der Perlen des Nationalparks Calanques bei Marseille.

Ganz dem Genuss verschrieben: die Cité Internationale de la Gastronomie et du Vin in Dijon

Die Einsamkeit des Nationalparks Cevennen treibt im Frühjahr die schönsten Blüten.

Hors des sentiers battus – abseits ausgetretener Pfade – heißt es in Frankreich, wenn von etwas Neuem, Unbekanntem, Verstecktem die Rede ist. Genau auf solche Orte, Regionen, Museen oder auch Besichtigungen richtet sich unser Augenmerk bei der Auswahl für dieses Buch. Wir, Hilke Maunder und Klaus Simon, haben in Frankreich gelebt oder leben noch dort, bereisen das Land seit Jahrzehnten beruflich, aber auch privat, doch vor allem oft und in allen Himmelsrichtungen. Und wir staunen, dass wir noch immer aus dem Vollen schöpfen können. Denn das Füllhorn Frankreich bietet eine unendliche Auswahl an Entdeckungen. Was Lust und Frust zugleich bedeutet. Selbst bei noch höherer Reisetätigkeit wäre ein, wären in diesem Land sogar zwei Leben nicht lang genug, um alles zu erkunden. Wir nehmen diese Erkenntnis gelassen. Denn sie klingt wie eine Verheißung.

Einige unserer Entdeckungen führen an bekannte Plätze. Sogar Paris ist dabei. Doch in der französischen Hauptstadt lassen wir die Champs-Élysées oder die großen Boulevards außen vor und folgen lieber einer zum Wanderweg umgebauten ehemaligen Bahntrasse. In Dijon nimmt das Staunen über die städtebauliche Neuerfindung der burgundischen Hauptstadt durch die Cité Internationale de la Gastronomie et du Vin kein Ende. Der von der UNESCO zum Weltkulturerbe geadelte Wiederaufbaubeton Le Havre ist nicht Ziel, sondern Ausgangspunkt für einen Besuch im Garten der Stille. An die neue Uferfront von Marseille pilgert die Welt. Gut so, denn umso ungestörter kraxeln wir fernab vom Zentrum durch die wilden Felsbuchten des Nationalparks Calanques. Saint-Jean-de-Luz und Biarritz heißen die gehypten Häfen des Baskenlands. Unsere Empfehlung aber lautet Guéthary, der kleinste Hafen an der Côte Basque. Montpelliers Altstadt ist ein Touristenmagnet. Dort nehmen wir die Straßenbahn und surren fast lautlos durch die neuen Viertel der Boomtown des Languedoc, um es uns schließlich auf Frankreichs derzeit hippstem Food Market gut gehen zu lassen. Was wiederum zu den Quellen des Genusses führt: den Rindern aus dem Charolais-Brionnais oder den Magenputzern aus dem Calvados-Land.

Erstaunliche Einsamkeit

An die hundert Millionen ausländische Touristen reisen im Jahr nach Frankreich. Auch die Franzosen selbst sind ein reisefreudiges Volk. Umso erstaunlicher ist die Einsamkeit, die manche Ziele wie etwa die bretonische Île d’Ouessant oder der Parc national des Cévennes, zugleich ein Weltnaturerbe der UNESCO, bieten. Umso mehr verblüfft die ungeheure, in Europa kaum vermutete Weite des weltabgewandten Larzac. Kommt noch eine intakte Natur und im schönsten aller, dabei nicht seltenen Fälle eine schmackhafte, auf ihre regionalen Wurzeln bedachte Küche, ist das Glück kaum auszuhalten.

Wir sind für unsere Entdeckungen in die Tiefe der archäologischen Ausgrabungen am Mont Beuvray oder in die Höhlen von Saint-Émilion gestiegen, haben in den Sümpfen des Marais Audomarois den festen Boden unter den Füßen verlassen und auf den bürgerstolzen Belfrieden Nordfrankreichs unseren Horizont erweitert. Manchmal genügen nur ein paar Schritte, und die nächste Entdeckung wartet. Fortsetzung folgt. Versprochen.

DER NORDEN UND WESTEN

Von der Opalküste bis in die Vendée bestimmt das Meer den Lebensrhythmus.

Das Leben kann auch im Norden bunt sein – die Fischerboote an der Alabasterküste beweisen es.

1

CAP BLANC-NEZ UND CAP GRIS-NEZ – ENGLAND SO NAH

WINDIGES VERGNÜGEN

Vom Cap Blanc-Nez beträgt die Entfernung nach England über den Ärmelkanal etwa 30 Kilometer, Luftlinie wohlgemerkt. Vom Cap Gris-Nez aus trennen sogar nur 28 Kilometer die französische und die britische Küste. Zwischen beiden liegen 15 Kilometer Côte d’Opale mit endlosen Stränden und dem blaugrünen Meer.

Bei Ebbe wird der Strand zwischen dem Cap Blanc-Nez und dem Cap Gris-Nez zur Sandwüste.

Wolken und Sonnenstrahlen wechseln im Zeitraffer über sattgrünen Weiden, so schnell, dass man mit dem Hinterhergucken kaum nachkommt. Möwen krakeelen, die steife Brise schmeckt nach Jod. Über dem Ärmelkanal bäumt sich die bleiche Masse des Cap Blanc-Nez auf, ein 134 Meter hoher Kreidekoloss mit schütterem Grashaupt und kalkbleicher Stirn. An gut 80 Tagen im Jahr erreichen die Böen an der Klippenkante 30 Knoten und damit Sturmstärke. Nach dem Verlassen der windgeschützten Senke auf der Wiesenflanke des Kaps verlegt man sich auf die gegenwindbewährte Neigetechnik: Oberkörper nach vorn gebeugt, Kinn auf die Brust, und vorwärts zum Dover Patrol. Das Denkmal an der höchsten Stelle des Cap Blanc-Nez erinnert an die tapfere Seepatrouille aus Dover, die 1914 bis 1918 bei jedem Wind und Wetter die Meerenge zwischen englischer und französischer Ärmelkanalküste überwachte. Der Blick segelt übers Wasser, durch das sich eine Flotte von Fähren, Tankern und Frachtern schuftet. Von Calais nach Dover und zurück, und wieder von vorn, eine faszinierende Prozession, zu der sich täglich bis zu 500 Schiffe einfädeln.

Eine Farbe, eine Küste, ein Name

Am Fuß der strahlendweißen Kreideklippen schimmert der Ärmelkanal so blaugrün, dass man trotz des ruppigen Winds an die Südsee denken muss. Es war dieses Blaugrün, das den Unternehmer, Maler und Botaniker Édouard Lévêque 1911 auf die Idee brachte, der Ärmelkanalküste zwischen Calais und der Canche-Mündung den klangvollen Namen »Côte d’Opale«, Opalküste, zu verleihen.

Noch ein Kap, das Cap Gris-Nez, aber diesmal ist der Fels schmuddelgrau. Das zweite berühmte Kap der Côte d’Opale ist kein so spektakulärer Ort wie der kreidebleiche Bruder 15 Kilometer weiter nördlich. Bescheidene 50 Meter überragen seine zerschepperten Klippen die Küste. Das Cap Gris-Nez kann dafür mit einem anderen Rekord punkten. An keinem Punkt des Ärmelkanals liegen sich Frankreich und England näher. Nicht verwunderlich, dass die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg die Invasion der Alliierten hier erwarteten. Klippen und Strände wurden ab 1942 mit Beton verbarrikadiert, der den hochtrabenden Namen Atlantikwall bekam. Die Invasion fand dann in der Normandie statt, und die Reste des Atlantikwalls sind drei Generationen später eine Touristenattraktion geworden. Rund ums Kap wuchern aus Bombentrichtern Margeriten, Kornblumen, Klatschmohn.

Wissant liegt gefährlich nah am Wasser. Und wurde vom Ärmelkanal schon einmal überrollt.

INFO

VOM SANDE VERWEHT

Wissant, der einzige Küstenort zwischen den Kaps und ein schmuckes Fischerdorf, ist im Sommer ein beliebter Badeplatz. In den Gassen stehen die typischen Flobart-Boote plus dazugehörigem Traktor, mit dem die Fischer ihre Boote über den Sandstrand ins Wasser ziehen, vor den Katen. Kinder mit sonnengebleichten Haaren umlagern die Imbissstände am Marktplatz, und auf dem Mühlteich schnattern Enten. Die Idylle hinter dem Dünenkamm ist jedoch trügerisch. Immer wieder mal wirft der Ärmelkanal fauchend seine Fluten gegen die Uferpromenade. Vor rund 400 Jahren hat der Sand das gesamte Dorf verschluckt. Daran konnte selbst die heilige Wilgeforte nichts ändern, deren Statue in der Kirche des Orts steht. Die Heilige trägt einen Vollbart wie einst die Fischer von Wissant. Zu einem mächtigen Wall aufgestapelte Felsblöcke schützen Wissant inzwischen an der Uferstraße. Besser ist besser.

WEITERE INFORMATIONEN

Kaps, terredes2capstourisme.fr

Opalküste, cote-dopale.com

Wissant, ville-wissant.fr

2

SAINT-VALERY-SUR-SOMME – BUCHT DER ROBBEN

IM WECHSEL DER GEZEITEN

Zweimal am Tag flieht der Ärmelkanal aus der großen Somme-Bucht, bis zu 14 Kilometer weit. Und schon liegt Saint-Valery-sur-Somme auf dem Trockenen. Zum offenen Meer hin breitet sich für wenige Stunden eine Sandwüste mit spiegelnden Seen und goldfischteichgroßen Lachen aus – ein artenreicher Lebensraum.

Lasst Blumen und Bojen leuchten! In Saint-Valery-sur-Somme ist die Botschaft angekommen.

Rien ne va plus auf der Route blanche, der schmalen Küstenstraße von Le Hourdel nach Cayeux. Der Wind hat das Asphaltband in eine Dünenlandschaft verwandelt. Maxim Marzi packt den Feldstecher aus und schaut über die Somme-Bucht. Je nach Gezeitenkoeffizient umfasst das Terrain des Ökotourenführers bis zu 70 Quadratkilometer. Es ist das Reich von Austernfischer, Möwe und Brachvogel. In der Picardie heißt die Baie de la Somme die »Robbenbucht«. Um den Namen zu verstehen, muss man mit Maxim zu den Sandbänken bis fast hinter den Horizont gehen. Dorthin, wo sich die Robben und Seehunde in den größten Kolonien Nordfrankreichs räkeln.

Einige Tiere kennt er mit Namen. Adelaide zum Beispiel. Sie wurde im Sommer zuvor kläglich heulend aufgefunden. Das Muttertier hatte ihr Junges zurückgelassen, weil Reiter den Robben zu nahe gekommen waren. Nach dem Aufpäppeln wurde Adelaide wieder in die Freiheit entlassen. Angst vor Menschen hat sie seither nicht mehr, auch nicht vor den Schaulustigen am Leuchtturm von Le Hourdel, wo Adelaide am liebsten auf einer Kiesbank faulenzt.

Eine Bucht verlandet

Wenn sich die Flut in die Bucht zurückdrückt, liegt der feuchte Geruch von Algen über Saint-Valery-sur-Somme. Durch die mittelalterliche Porte Guillaume schritt einst Jeanne d’Arc dem Scheiterhaufen in Rouen entgegen. Die Altstadt thront samt gotischer Pfarrkirche auf einer Anhöhe. Zur Kapelle der Fischer im Westen führt ein schöner Spaziergang. Drinnen hängen Segelschiffsmodelle unter der Decke, vom Vorplatz schweift der Blick über die Somme-Bucht, die unaufhaltsam verlandet. Queller, Strandaster und Seelilie sind die ersten Pflanzen, die auf dem von der See und der Somme angeschwemmten Schlick Wurzeln schlagen. Später werden daraus Salzwiesen. Zwei Drittel ihrer Wasserfläche hat die Bucht so in den vergangenen drei Jahrhunderten verloren.

Die Somme-Bucht, ein Öko-Paradies auf Abruf, weil ihm das Wasser ausgeht? Vielleicht. Noch vor ein paar Jahrzehnten konnten Kutter in Saint-Valery-sur-Somme anlegen. Heute haben nur noch Fischerbötchen und federleichte Segelschiffe genug Wasser unter dem Kiel. Darüber freuen sich die 350 Vogelarten, die in der Unzugänglichkeit der Weite Nist- und Rastplätze finden. Darüber freuen sich Robben und Seehunde, die immer seltener von Schiffen belästigt werden. Was wiederum Maxim ganz besonders freut.

Dass sich diese Robbe auf einer Sandbank bei Le Hourdel wohl fühlt, ist ganz offensichtlich.

INFO

IMMER MIT ABSTAND

Laetitia Dupuis zählt von Juni bis Mitte September die Robben- und Seehundpopulation in der Somme-Bucht. Sie und die freiwilligen Helfer von der Association Picardie Nature schlagen Alarm, wenn sich Kajakfahrer oder Wanderer ohne sachkundigen Führer anpirschen. »Jedes Jahr verlieren wir Heuler durch so genannte Tierfreunde«, begründet Laetitia den Einsatz bei jedem Wind und Wetter. Aus demselben Grund bietet der Verein begleitete Exkurse zum Robben-Watching an. »Mit uns kann man die Fauna und Flora der Bucht erkunden, ohne Schaden anzurichten. Außerdem ist es viel zu gefährlich, allein bei Ebbe rauszugehen«, fügt Laetitia hinzu. Ist notiert. Einen Tipp, wie man die Bucht umweltverträglich erkunden kann, hat sie auch noch: Der Chemin de Fer de la Baie de Somme, eine nostalgische Dampfeisenbahn umrundet die Bucht von Le Crotoy bis Cayeux-sur-Mer. Radtransport gratis!

WEITERE INFOS

Saint-Valery-sur-Somme, saint-valery-sur-somme.fr

Somme-Bucht, tourisme-baiedesomme.fr

chemindefer-baiedesomme.fr

3

CAP DE LA HAGUE – NUCLÉAIRE, MON AMOUR

KONTRASTE IM NORDWESTEN

Das wilde Cap de la Hague wird vom vielleicht dramatischsten Küstenwanderweg der Normandie gesäumt. Und es trägt schwer an der in seiner Mitte sorgfältig kaschierten usine. Denn in der »Fabrik« genannten Anlage wird Frankreichs Atommüll wiederaufbereitet. Was für die Region Fluch und Segen zugleich bedeutet.

Ebbe am Ärmelkanal. Die Fischerboote sinken im nussschalengroßen Becken von Port Racine auf den Sand. Über dem Hafen, der von sich behauptet, der kleinste der Normandie zu sein, sind die Seile, mit denen das Dutzend Boote vertäut ist, straff zwischen dem schützenden Granitdeich und den Kabinen der Fischer und Sommerfrischler gespannt. Kinder befüllen Plastikeimer mit Salzwasser. Altherrenhände streicheln einen patschnassen Labrador, ganz sacht. Ausflügler reden munter durcheinander auf den austerngrauen Felsen, über die sich der Küstenwanderweg GR 223 hinweghangelt. Auf gut 25 Kilometern Länge umrundet der Wanderweg das Kap. Es geht über Klippen, Kieselwälle, längs eines Dünengebirges, über Kais, die die Sintflut aufzuhalten vermöchten, quer durch Weiden mit vom Wind niedergeknüppeltem Gras. Es ist die pure Idylle. Und doch: Als die junge Atommacht Frankreich 1961 den Beschluss fasste, eine Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Kernbrennstoffe zu bauen, fiel die Wahl auf ein weit von den Pariser Technokratenbüros entferntes, unzugängliches Stück Land im Herzen des Kaps, zwischen den Dörfern Jobourg und Beaumont-Hague.

Über 60 Jahre später übertrifft die Usine de retraitement de la Hague mit sieben Kilometern Hochsicherheitszaun an Größe längst beide Dörfer. In der usine arbeiten zudem mehr Menschen als Jobourg und Beaumont-Hague Einwohner zählen. Von der Existenz der mehrere Hundert Hektar großen Anlage bekommt man trotzdem wenig mit. Hohlwege, Talsohlen und Hecken verstellen die Sicht. Die Menschen am Kap sehen die Aufbereitungsanlage eher positiv. Frankreich hat mit der Atomkraft ohnehin keine Probleme: Vive le nucléaire!

Kühe mit Brille

Beim Weiler Danneville belagern Kühe den Küstenwanderweg. Sie tragen Brillen, was die Rinder als pies normandes ausweist, mit den für die normannische Rasse typischen, im Fell wie ein Brillengestell gezeichneten Kringeln um die Augen. Von nun an geht es stramm nach Westen an die Spitze des Kaps. Fette Weiden links, über die aus Strandkieseln aufgeschüttete Mäuerchen ein abstraktes Muster legen. Eine Handvoll papageienbunter Boote ruht an der Pointe de la Loge im Tang. Ein Bunker des Atlantikwalls versinkt im Sand. Vom Dach des Betonungetüms schweift der Blick über Felsbänke und Wellen zur Spitze des Kaps. Unten gurgelt der Ärmelkanal bedrohlich. Strudel tanzen wild im tintenblauen Wasser. Einen Kilometer vor der Küste trotzt der Phare de la Hague seit 1838 dem Sog der bis zu zwölf Knoten schnellen Passage Raz Blanchard. Man möchte bleiben und stundenlang den sicher auf einem gischtumschäumten Fels verankerten Leuchtturm betrachten.

Die Dünen von Biville stehen samt ihren Feuchtbiotopen unter strengem Naturschutz.

Kieselsteine, mal schokoladenei-, mal straußeneigroß, klickern und knirschen unter den Füßen. Der Weg führt über einen meterhohen Deich, den die brodelnden Fluten vom Kieselstrand auf den Küstensaum geworfen haben. An seinem Ende liegt Goury. Am kreisrunden Hafen fällt die achteckige Station der Nationalen Seenotrettungsgesellschaft SNSM ins Auge, von deren Rampe das knallorangefarbene Rettungsboot »Mona Rigolet« bei Gefahr in die türkisblauen und petrolgrünen Fluten gelassen wird. Jährlich gibt es über hundert Einsätze, vom Fischkutter in Seenot bis zur Segeljacht mit gebrochenem Mast und Motorschaden. Im Dorf selbst verfängt der raue Charme von Flechten und Moosen überzogenem Granitgemäuer. Eine Fish-’n’-Chips-Bude hat während der Saison für Ausflügler geöffnet.

Woran ein Pie-normande-Rind zu erkennen ist? An der »Brille«, dem Fellkringel ums Auge!

Hortensien und sonst nichts verstellen an der kargen Küste den Blick aufs Wasser.

Heidekraut, Farn, Brombeeren, Ginster polstern die Steilhänge mit einem dichten, stacheligen, krautigen Pelz. Petite Irlande, Klein-Irland, nennen die Menschen vom Cap de la Hague die Steilküste an der Westflanke des Kaps. Die Ufer werden zusehends schroffer. Der Weg schlingert am Abgrund entlang. Der Blick stürzt 60, 80, über 100 Meter in die Tiefe. Unten läuft der Atlantik Amok. Landeinwärts ein anderes Bild. Der Blick über eine Talsenke hinweg fällt auf blaue und weiße Schlote. Die nicht enden wollende Masse aus fensterlosem Beton gehört zur Wiederaufbereitungsanlage für Kernbrennstoffe La Hague. Noch eine Wegkehre, und die usine ist wieder aus den Augen.

Libellen statt Panzer

Stille am Nez de Jobourg. 128 Meter über dem tintenblauen Wasser prescht die Felsnase in den Ärmelkanal vor. Immer geradeaus: die graugrüne Silhouette der britischen Kanalinsel Aurigny. Wanderer halten sich an Ginsterbüschen fest. Andere kehren verschüchtert um und trudeln im sicheren Hafen der Restaurantterrasse ein, die ein paar hundert Meter weiter nördlich über den ginsterblühenden Klippen schwebt.

Südlich des Nez de Jobourg hangelt sich der Küstenwanderweg von Felsnase zu Steilklippe, von einer unzugänglichen Kieselbucht zu einem liliengesäumten Bachlauf. Letzter Zwischenstopp am Aussichtspunkt Treize Vents. Die Brise scheucht den Blick über den Sandstrand am Saum der monumentalen, dabei völlig unverbauten Bucht, fliegt über sattgrüne Hänge und landet bei den Dünengebirgen von Biville, in denen die französische Armee früher Panzerschießübungen und Manöver abhielt.

Dann kaufte die Küstenschutzbehörde das Areal und stellte die bis zum Horizont davonrollenden Sandberge unter Naturschutz, inklusive ihrer einzigartigen Fauna und Flora. Ein Drittel aller in Frankreich verbreiteten Libellenarten sind hier beheimatet. Knotiges Mastkraut, Europäischer Strandling, wilder Männertreu und Dünennelken bilden dichte, buntgescheckte Teppiche. Ein Bild von überwältigender Schönheit!

Auch wenn die Wellen in Goury hoch schlagen: Der Phare de la Hague trotzt jedem Sturm.

INFO

TROPENTRAUM

Seit der Gründung des Parc botanique de Vauville 1947 konnten am südwestlichen Ende des Cap de la Hague über 600 Pflanzen der südlichen Hemisphäre akklimatisiert werden. »Im besonders geschützten Teil des Tropengartens werden im Jahresmittel drei Grad mehr als im Palmenhochwald gemessen«, erklärt Eric Pellerin, der das familiäre Erbe inklusive des spätmittelalterlichen Herrenhauses übernommen hat. Rund um das Gemäuer gedeihen Tasmanischer Baumfarn, Japanische Livistona-Palmen, ein Yuccawald, Feigen- und Eukalyptusbäume, Bananenstauden, Palmen und Mittelmeerzistrosen. Jenseits der perfekten Südseeillusion schimmert das Naturschutzgebiet Mare de Vauville, das den Küstenwanderweg vom Dünenkamm am Strand trennt. Bis Mitte der 1970er-Jahre gehörte das Sumpf- und Tümpelareal den Pellerins. Dann verkaufte der Großvater das Gelände für einen symbolischen Preis an die Gemeinde. Mit einer Auflage: Das Areal darf nicht bebaut oder erschlossen werden, sondern es muss im Naturzustand geschützt bleiben.

WEITERE INFORMATIONEN

encotentin.fr/la-hague

Mit umwerfender Aussicht wohnt man über dem Hafen von Port-Racine im L’Erguillère, hotel-lerguillere.com

jardin-vauville.fr

Der Golfstrom macht es möglich: In den Gärten blüht der Agapanthus kräftig.

4

CÔTE D’ALBÂTRE – MAJESTÄTEN IN WEISS

KREIDEKLIPPEN DER NORMANDIE

Die Alabasterküste zwischen Le Havre im Westen und Le Tréport im Osten begeistert Wanderer und Strandspaziergänger. Doch Vorsicht! Wo die Klippen zu brüchig sind, donnern schon mal urplötzlich Tonnen von Kreidefels herunter. Dass die alabasterfarbene Küste einst Künstler in Scharen anzog, überrascht heutige Romantiker nicht.

Strandwanderer aufgepasst! Immer wieder donnern große Felsmassen aus den Klippen.

Cyriaque liegt lachend im rosshaardicken Gras, wenige Schritte vom Abgrund entfernt. Knapp hundert Meter tiefer lässt der Ärmelkanal die Kieselsteine an die Kalkklippen der normannischen Alabasterküste klickern. Cyriaque hat den Kopf voll verrückter Zitate. Eins davon stammt von Guy de Maupassant. »Eine bewunderungswürdige Straße zwischen Himmel und Meer, eine Wiesenstraße verläuft über dieser großen Mauer, am Rand der Erde, über dem Ozean«, rezitiert er den an der Côte d’Albâtre aufgewachsenen Romancier.

Cyriaque ist Naturführer und zugleich Teilzeitangestellter der Küstenschutzbehörde. So einer kennt sich aus und weiß, wo der Fels brüchig ist. Die Wanderung führt über eine schwindelerregende Treppe runter an den Strand. Kieselsteine knirschen unter den Schuhen. Dann breitet sich die Strandsichel von Étretat aus. Der berühmteste Ort der Côte d’Albâtre brummt. Belle-Époque-Villen machen sich mit Türmchen und Erkern wichtig. Zu Uferbars umfunktionierte Fischerboote ruhen am Kai. In den Gassen tummeln sich die Tagesausflügler. Es geht noch einmal ordentlich hoch her. Ziel ist die Falaise d’Aval am Westende des Strands. Von der Klippenkante ist der Blick auf die Aiguille, eine einsam aus dem Wasser aufragende Felsnadel, und die wuchtige Manneporte, ein Felstor weiter westlich, schlicht umwerfend.

Segel setzen

Der drahtige kleine Mann am Steuerrad nennt sich Asterix und sieht mit Schnauzbart auch so aus. Seinen Nachnamen kannte nicht einmal das Office de Tourisme in Fécamp, über das der Törn mit dem Langustinenfischerboot »Tante Fine« gebucht werden kann. Die alte Dame, Baujahr 1962, gehört einem gemeinnützigen Verein, der das historische Segelschiff und noch ein zweites in Tausenden von Arbeitsstunden restauriert hat.

Im Hafen tuckert »Tante Fine« am Musée Les Pêcheries vorbei. Der Bau war ursprünglich eine Fischfabrik. Jetzt wird hier anhand von Hafenmodellen, Booten, Netzen, Räucheröfen die Geschichte der kühnen Fischer von Fécamp gezeigt, die sich bis Island wagten. Das Architekturbüro Die Werft hat ein gläsernes Ufo aufs Museumsdach gesetzt und ein neues Wahrzeichen für die Alabasterküste geschaffen. Mit vier Knoten pflügt sich das Schiff durchs atlantikblaue Wasser. Landeinwärts gleißen die weißen Klippen in der Sonne, zum offenen Meer scheint die Freiheit grenzenlos.

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