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„Chaos bricht an allen Ecken des Schachbretts aus.“
Verzweiflung, Angst, Bedrohung – ein Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt. Während Anduin und Linnéa leibhaftiger Vergangenheit gegenüberstehen, Mason wie ein Spürhund an ihren Fersen hängt und Idris um die Rückkehr zu seinem Sohn bangt, steuern alle auf eine letzte Konfrontation zu. Auch Annika, Spencer und Wanrea finden sich im Strudel der Ereignisse wieder. Als neue Figuren das Schachbrett betreten, stellt sich die Frage, wer den Schlüssel der Macht endgültig in den Händen hält.
Tauche ein letztes Mal in das Abenteuer ein, das mit Linnéa und Idris seinen Anfang nahm und zu einer wahrhaft fantastischen Reise geworden ist. Das Finale der Secrets-Trilogie offenbart endlich die unglaubliche Wahrheit über die Geschichte der Aqua’lu – so unfassbar, so mutig, so tragisch!
„Wir mussten erst zu Monstern werden, damit neue Generationen unschuldig aufwachsen können.“
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Celeste Ealain
SciFi/Fantasyroman
© 2024
Alle Rechte vorbehalten
Dieses Werk ist Teil 3 der Secrets-Trilogie.
1. Auflage 2024
Umschlaggestaltung: © Jaqueline Kropmanns,
www.jaqueline-kropmanns.de
Portraitfoto: © Peter Berger, www.peterberger.at
Illustrationen: © Bethany Gilbert @Bethgilbert_art; Cornelia Hiemann, @co.hie_illustration, Kateryna Vikovska @vikovskaya_art
Lektorat: Judith Bannicke; www.worttraumlektorat.net /Korrektorat: Jenn Ashes, Stefan Plocknitzer, Judith Bannicke
Printed in Germany
ISBN: 978-3-384-28987-2 (Softcover)ISBN: 978-3-384-28988-9 (Hardcover)
Verlag & Druck: tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Dieses Werk ist doppelt urheberrechtlich geschützt!
Dieses Buch enthält Passagen, die für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet sind!
Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Inhaltsverzeichnis
Triggerwarnung!
Danksagung
Was bisher geschah (Band 1 & 2)
Prolog
1 | Wie ein Traum
2 | Schlaf im Meer
3 | Unliebsame Rolle
4 | Ausgewechselter König
5 | Bermuda-Dreieck
6 | Verschollene Stadt
7 | Neues Leben
8 | Kampf gegen Giganten
9 | Königliche Abnabelung
10 | Geist aus der Vergangenheit
11 | Krümeljagd
12 | Hotel California
13 | Ein Date mit Folgen
14 | Vertraute Gespräche
15 | Gruß aus der Heimat
16 | Gespielte Naivität
17 | Frontenwechsel
18 | Hände der Unschuld
19 | Tiefgreifende Entscheidungen
20 | Verzweifelte Maßnahme
21 | Holpriges Geständnis
22 | Verschleierung
23 | Kampf mit Dämonen
24 | Worte der Ungewissheit
25 | Waghalsiger Versuch
26 | Stunden der Angst
27 | Beherzte Flucht, süßer Verrat
28 | Klärendes Gespräch
29 | Ungebetene Gäste
30 | Kurzer Prozess
31 | Es muss mehr zu holen geben
32 | Opfer der Dämmerung
33 | Verlorene Geschichte
35 | Aus tiefster Kraft
36 | Wenn Charme verfliegt
37 | Gedankenkarussell
38 | Wunsch nach Wahrheit
39 | Mein Feind, mein Freund
40 | Erwachtes Selbstbewusstsein
41 | Enttäuschende Frucht
42 | Tick, Tack
43 | So wird verhandelt
44 | Unerwarteter Geist
45 | AufbruchstimmunG
46 | Eintauchen in Geschichte
47 | Psychologischer Machtkampf
48 | Falscher Empfang
49 | Das Herz triumphiert über jeden Plan
50 | Vertrauensbildung
51 | Blanke Nerven
52 | Zögerliches Herantasten
53 | Schmerz verbindet
54 | Ich bin eine Sirena
55 | Kostbarer Prinz und giftige Schlangen
56 | Verzweifelte Begierde
57 | Wenn die Macht entgleitet
58 | Gesprengte Angst
59 | Die Furcht im Nacken
60 | Die absolute Wahrheit
61 | Manche Entscheidungen trifft man nicht selbst
62 | Sturm bis zum Untergang
63 | Das Meer erhebt sich
64 | Keine Gnade
65 | Alles fügt sich zusammen
66 | Das Leben nimmt, das Leben gibt
Epilog
Über die Autorin
Playlist
Never enough – Loren Allred
Where’d you go – Fort minor
Still – Jupiter Jones
Unfaithful – Rihanna
Man’s Road – Amerika
Born this way – Lady Gaga
Enemy – Imagine Dragons
Take on me – A-ha (unplugged)
Teeth – 5 seconds of summer
Sharks – Imagine Dragons
Hotel California – The eagles
A kind of magic – Queen
Sacrifice – Elton John
Bleeding out – Imagine Dragons
Bright Eyes – Art Garfunkel
Less than zero – The Weeknd
Who wants to live forever – Queen
Russian Roulette – Rihanna
Ich bin bereit – Vaiana
Sucker for pain – Lil Wayne, Wiz Kahlifa & Imagine Dragons & Logic & Ty Dolla $ign feat. X Ambassadors
Conquest of paradise – Vangelis
Snuff – Slipknot
Stay – Shakespears Sister
Ashes – Céline Dion
Lieber Lesende,
ich möchte dich, bevor du diese Geschichte beginnst, auf ein paar Dinge aufmerksam machen und dich danach bitten, genau zu überlegen, ob du diese Story wirklich lesen willst.
Dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Diese schließen Blut, Erstickungsangst, physische Gewalt, sexuelle Handlungen sowie psychische Belastungen mit ein. In manchen Fällen war es notwendig, Charaktere ethisch und moralisch verwerfliche Grenzen überschreiten zu lassen oder sie übertrieben mit Klischees zu skizzieren.
Mir ist als Autorin zu jedem Zeitpunkt wichtig, dass du dich in meiner Welt fallen lassen kannst und wohlfühlst, um die herausragende Story um Linnéa, Idris, Spencer, Wanrea und Annika mit allen Sinnen zu genießen.
Du hältst mit „Secrets never told“ das Finale der Secrets-Trilogie in deinen Händen. Für mich ist das heute noch unvorstellbar. So viel Zeit, Energie, Mut, Liebe, aber auch Unsicherheit, Zweifel und Durchhaltevermögen stecken in jeder einzelnen Silbe. Mir war stets wichtig, mich vom Mainstream abzuheben und Lesende mit außergewöhnlichen Plots, tiefgreifenden Emotionen und zerbrechlichen, authentischen Charakteren in einem Mix verschiedener Genres zu überzeugen.
Dies neben einem Hauptberuf, parallel zu einem Onlineshop, der Entwicklung von handgemachten Goodies etc. zu meistern, ist ein Balanceakt. Zudem noch das Marketing völlig allein zu bewerkstelligen …
Die Buch-Community, die mich auf Instagram, TikTok und Facebook unterstützt, kann Berge versetzen und verleiht mir Flügel. Nur euch habe ich zu verdanken, dass ich es auf die Longlist des Selfpublishing Buchpreises 2022 geschafft habe und Gewinnerin des Skoutz-Awards 2023 bin. Auch jene Thalia-Filialen in Österreich und Deutschland, die den Mut bewiesen haben, eine kleine Selfpublisherin auf ein Podest zu stellen, haben ihren Beitrag geleistet. Das ist nicht selbstverständlich und werde ich euch niemals vergessen!
Ihr seid alle meine Helden!
Danke, dass ihr meine Leidenschaft unterstützt!
Die authentische und lebhafte Gestaltung des technischen Teils habe ich dem CEO der Subspirit AG, Herrn Epelbaum, in der Schweiz zu verdanken (www.subspirit.ch).
Ich möchte mich auch bei meinen Testleser:innen Lena, Ramona, Anna und Stefan, dem Korrektorat von Jenn sowie meiner Lektorin Judith bedanken, ohne die ich niemals diese Qualität und Umsicht in die Geschichte hätte bringen können.
Vor allem Anna muss hervorgehoben werden: Du hast Teil 3 wirklich gerettet, als ich schon alles hinwerfen wollte.
Danke an die wichtigsten Menschen in meinem Leben,
die mich durch tiefe Täler und sonnige Höhen gestützt haben, egal, was dafür nötig war:
Meine Eltern.
Und nicht zuletzt jenem Mann, der diese Leidenschaft nicht nur begleitet, sondern durch den sie sogar noch brillanter, extravaganter und lebhafter werden darf:
Meinem Schatz Stefan.
Danke, dass du mich liebst und akzeptierst, wie ich bin und mich mit dieser Leidenschaft teilst, die mir oft alles abverlangt.
D
ie Londoner Journalistin Linnéa Samson wird für die Story ihres Lebens nach Französisch-Polynesien geschickt. Mit Chefredakteur Miles Finham soll sie für den National Geographic auf einer scheinbar unbewohnten Insel eine geheimnisvolle Frauengruppe interviewen, die gänzlich ohne Männer lebt.
Vor Linnéas Augen wird Miles ermordet und sie von einem Unterwasserwesen ins Meer verschleppt, in eine Kolonie, die unter dem Wasser atmet und lebt. Idris, Kämpfer des Volkes der Aqua’lu, offenbart ihr, dass sie als Frau der Neuen Welt unwissentlich in ein regelmäßiges Ritual gerutscht ist, dem sie nun nicht entkommen kann und das mit ihrem Tod im Meer enden wird.
Linnéa kommt dennoch Idris und seinem Volk näher: Sie erfährt von der Aufzucht der Aqua’lu-Söhne am Meeresgrund, ihren geschichtlichen Höhlen und dem Glauben an die Gottheit Mana. Jede sich ihr bietende Gelegenheit nutzt sie, um zu entkommen. Enttäuscht von der menschlichen List, holt Idris sie immer wieder zurück. Bis eines zwischen den beiden Verständnis, Zuneigung und sexuelle Neugier entflammen.
König Kopaun, Herrscher der Aqua’lu, sieht Linnéa als Bedrohung. Er möchte den Einfluss durch die Neue Welt so gering wie möglich halten, um zu gewährleisten, dass ihre Frauen auf der Insel Manui sie als Götter betrachteb und deshalb nicht verlassen. Der Mythos um die Wassermenschen soll unter dem Deckmantel des Schweigens bleiben. Perlen und Diamanten sowie ein Heer aus speziell ausgebildeten Aqua’lu – den Cleanern – sind für diese Verschwiegenheit nötig. Um dem Aussterben seiner Rasse entgegenzuwirken, wurden unzählige Tabus und Regeln aufgestellt, an die sich das Volk zu halten hat.
Olean ist König Kopauns Berater und Spitzel sowie Idris’ Freund. Versehentlich beobachtet er Linnéa und Idris in einem intimen Moment, wodurch es bei ihr zu schweren Verletzungen kommt. Idris begleitet sie zurück in die Menschenwelt, um sie zu retten, obwohl er dadurch ein todbringendes Tabu seines Königs bricht.
Als Linnéa in einem Krankenhaus auf Tahiti erwacht, entrinnt sie gerade noch rechtzeitig dem Tötungsversuch ihres Kollegen Sam. Ihr Wissen um die Aqua’lu macht sie zur Zielscheibe. Zurück in London, setzt Herausgeber Bannet sie wegen des fehlenden Artikels unter Druck. Ihr wird bewusst, dass sie sich in Idris verliebt hat und bangt um sein Leben, während sie einen positiven Schwangerschaftstest verarbeiten muss.
In diesem verzweifelten Moment zieht sie ihre verhasste Schwester Annika ins Vertrauen, eine auf DNA-Mutationen spezialisierte Wissenschaftlerin. Nach einer Liaison mit Linnéas Ex-Verlobten herrschte lange Funkstille zwischen ihnen. Nun jagt Sam sie beide und entpuppt sich als Cleaner. Sie überreden ihn zu einem Deal. Linnéa konfrontiert sich mit König Kopaun, verspricht, aus Gründen der Verschwiegenheit, auf der Insel Manui zu bleiben. Dafür soll Idris am Leben bleiben und mit ihr das Kind großziehen. Annika verpflichtet sich, mit ihrem Lebenspartner und Laborkollegen Spencer, eine umfangreiche Forschung aufzubauen, um weibliche Generationen an Aqua’lu zu schaffen, die wie die Männer im Meer atmen und leben können. König Kopaun stimmt zu.
Kamil, Idris’ und Linnéas Hybrid-Sohn, kommt zur Welt. Ihr Leben auf der Insel wirft allerdings Schatten auf die Gemeinschaft, da Linnéa die Neue Welt nicht verheimlichen kann und einzigartige Vorzüge genießt: unter anderem, Kamil auf der Insel selbst großzuziehen, während die Söhne der Aqua’lu in die Kinderstube im Meer gebracht werden. Linnéa darf sogar eine Beziehung mit Idris führen, ohne ihn mit den Frauen der Insel teilen zu müssen.
Die Unzufriedenheit im Dorf wird vom König erkannt. Jegliche Versuche, die Unruhen zu unterbinden, misslingen. Daher setzt er Idris unter Druck, sich auf politische Funktionen vorzubereiten. Linnéa hilft Idris dabei, stärker zu werden und lehrt ihn kulturelle Gepflogenheiten der Menschen.
Wanrea ist eine Aqua’lu, die sich von der Insel Manui retten konnte. Sie wollte den dortigen Riten und Tabus entkommen. Sam hat sie gejagt, gefunden und gegen eine körperliche Gefälligkeit vor seinem König vertuscht, sie entdeckt zu haben.
Knapp zwei Jahre später entsteht in Tikitiki, Neuseeland, ein geheimes Labor mit Hilfe der Reichtümer der Aqua’lu. Annika wird der erste weibliche Embryo eingepflanzt, der aus Wanreas Eizelle und Sams Sperma in vitro befruchtet wurde.
Wanrea bekommt im Labor ein neues Zuhause, während sich eine Liebesbeziehung zwischen Sam und Annika entwickelt und Spencer Annika emotional ziehen lassen muss. Die Arbeit und das Zusammenleben vor Ort sind für das Dreiergespann nicht leicht. Vor allem, nachdem Wanrea mehr über Kultur sowie Gepflogenheiten der Menschen gelernt hat und auf Gleichberechtigung und Freiraum beharrt. Sie versucht, Spencers Interesse zu wecken, um mit ihm ein gemeinsames Leben aufzubauen.
Bannet hat bis dato keine Aufklärung um Finhams Tod, zu den Bewandtnissen der Insel Manui und Linnéas Verbleib. Er landet mit dem teuer erkauften Söldner Mason Patrick auf Manui, um sich selbst ein Bild zu machen und stößt auf gähnendes Nichts. Das Volk war bereits auf die Insel Motu Teiku weitergezogen. Daher beauftragt er Mason, alles aufzuklären. Zuvor setzt der Söldner allerdings ein Schreiben auf, um der Regierung in Französisch-Polynesien mittels Korruptionsvorwürfen Schwierigkeiten zu bereiten.
Sam erhält den Auftrag, in Papeete, der Hauptstadt von Tahiti, den Cleaner Juza aufzusuchen, um herauszufinden, wer hinter diesem Brief stecken könnte.
Annika versucht indes, einen besseren Draht zu Wanrea aufzubauen, die mehr und mehr in Einsamkeit und Unzufriedenheit verfällt. Die Aqua’lu offenbart, dass Sam nicht mit jeder Frau zärtlich umgeht. Eine Anspielung, die Annika nicht gut aufnimmt. Daher kommt es zum Eklat, als dieser – ohne Juza gefunden zu haben – zurück nach Neuseeland reist. Sam will sich von den Vorwürfen freimachen. Währenddessen bricht der vermummte Mason im Labor ein, um Unterlagen zu entwenden. Sam wird von einem Schuss tödlich getroffen und Anni verletzt, sodass sie beinahe auch ihr Baby verliert.
Trauernd reist Linnéa mit Idris und Kamil nach Neuseeland, um ihrer Schwester in diesen dunklen Stunden beizustehen. König Kopaun sieht Linnéas Versprechen, die Insel nicht zu verlassen, als gebrochen und schickt den Cleaner Anduin – seinen leiblichen Sohn und Anführer der Cleaner – hinter ihnen her. Er droht, Kamil mit in die Kinderstube am Meeresgrund zu nehmen.
Im Labor in Tikitiki soll ein Ärzteteam Annika bei der Geburt helfen. Sams Begräbnis steht noch bevor und Spencer schließt inzwischen die Sicherheitslücke im Labor, um die Mitarbeiter vom Kündigen abzuhalten.
König Kopaun schickt Idris nach Tahiti, um Sams Arbeit zu vollenden. Präsident Fritsch ist dort gefoltert worden und informiert Idris über den Diebstahl eines Zeitungsartikels aus Chile. In diesem wird über ein weibliches Skelett berichtet, das die gleichen aquatischen Mutationen aufweist wie jene der Aqua’lu. Außerdem ist eine Pariser Delegation auf dem Weg, um den Korruptionsfall zu ergründen.
Mason, der Mr Fritsch Gewalt angetan hat, klemmt sich hinter die Geschichte, aber auch Linnéa hat Lunte gerochen. Da König Kopaun sie geschlagen und ihr Kamil entrissen hat, reist sie nach Chile, in der Hoffnung, ihrer Familie irgendwann ein unabhängiges Leben zu ermöglichen.
Linnéa nimmt Idris zuliebe Anduin mit nach Chile, nachdem ihr klar wurde, dass in den Höhlen der Aqua’lu deren Geschichte an einigen Stellen verborgen wurde. Dort erfährt sie von Annika, dass Wanrea genetisch näher an einem Menschen als einem Aqua’lu ist und die von Kopaun verbreitete Entstehungsgeschichte so nicht stimmen kann.
Präsident Fritsch wird tot in Papeete aufgefunden. Idris’ Suche nach Juza scheitert und Linnéa verlangt, den Auftrag abzubrechen. Doch Idris gibt nicht auf und bereitet sich auf die Pariser Delegation vor.
Recherchen in den Unterlagen aus Tikitiki offenbaren Bannet, dass Annika Linnéas Schwester ist und im Labor illegale DNA-Experimente betrieben werden. Bannet schickt Mason nach Chile, um mehr über das Skelett herauszufinden, wo er auf Linnéa und Anduin trifft und sie beschattet.
König Kopaun scheint bezüglich des Zeitungsartikels und Juzas Verschwinden nervös zu werden. Jemand versucht Anduin und Linnéa von der weiteren Verfolgung der Quelle um das Skelett abzubringen. Gleichwohl machen sie sich auf die Suche, Mason ist ihnen auf den Fersen. In der Höhle in Caleta Vítor angekommen, werden Linnéa und Anduin von Männern angegriffen, die wie die Aqua’lu jadefarbene Augen, allerdings keine Kiemen, Stacheln oder Rückenkämme besitzen. Sie werden in einem Hubschrauber weggebracht, auf dem Mason rechtzeitig einen Sender platzieren kann.
Idris begrüßt in Papeete zusammen mit der Sekretärin Mrs Flores, dem Finanzchef Mr Simons und dem Assistenten Aisea die Delegation. Doch Letzterer fällt ihm in den Rücken und behauptet, Idris sei der interimistische Regierungschef mit Verantwortung für die Prüfungsergebnisse.
Annika bringt ein gesundes Mädchen – Talula – zur Welt, während Wanreas Eifersucht auf die frisch gebackene Mutter wächst.
Als König Kopaun vom Verschwinden von Linnéa und Anduin erfährt, verlangt er die sofortige Rückbeorderung aller international verteilten Cleaner. Olean ist verunsichert und rätselt, was seinem Anführer solche Angst bereitet.
Linnéa und Anduin kommen auf einer Bohrinsel an, die sich als Unterwasserstadt herausstellt und werden dort von einer ungewöhnlichen Führungsriege willkommen geheißen.
Oder doch nicht?
Vor sehr langer Zeit
„W
enn ihr zurückbleibt, wird es kein Entrinnen mehr geben. Bist du dir sicher?“ Der eindringliche Blick haftete auf der angesprochenen Person und Angst und Sorge spiegelten sich darauf wider. Die Botschaft war unmissverständlich, doch im Antlitz des Gegenübers waren weder Furcht noch Schock abzulesen, sondern pure Gewissheit. Mit stolzer Haltung schien die Entscheidung bereits gefallen zu sein.
„Ihr opfert euch alle für das Volk. Das ist ein fataler Fehler. Nur deinem klaren Verstand verdanken wir es, dass wir aus der Dämmerung erwacht sind. In Wahrheit sollte uns niemand anderer als du in diese ungewisse Zukunft führen und leiten. Wir können nicht ständig auf der Flucht leben.“
Als die Hand tröstend auf der eigenen Schulter landete, begleitet durch einen Gesichtsausdruck, der einer direkten Kampfansage glich, wurde klar, dass alle Überredungskünste vergebens waren.
„Es geht nicht anders. Ihr müsst alles daransetzen, dass das Wissen um die Dämmerung fortbesteht. Gebt es an die nächsten Generationen weiter, haltet es fest und vergesst niemals die Gefahr dahinter. Wir werden sie besiegen. Dadurch könnt ihr fliehen, selbst wenn für diese Freiheit viele sterben müssen … sogar durch unsere eigene Hand. Wir ermorden unseresgleichen, um sicherzustellen, dass so eine Dunkelheit nie wieder unseren Willen bestimmt und uns letztendlich bricht. Niemand darf jemals wieder so viel Macht besitzen. Hörst du? Niemand! Stellt sicher, dass wir das alles nicht umsonst getan haben.“
Fassungslosigkeit und Hoffnungslosigkeit paarten sich mit Angst, als diese Worte vernommen wurden. Ohne Orientierung, Anführer oder Heimat und mit ungewisser Zukunft … Wie sollten sie überleben? Wie ginge das überhaupt? Wer sollte sie lenken und künftig die Entscheidungen fällen? Wie sollten zerrissene Familien, nur halbe Kreaturen, für den Fortbestand kämpfen?
Mehr als eine verneinende Geste konnte dem Gesagten nicht entgegengebracht werden. Man wollte nicht glauben, dass alles vorbei sein sollte.
Für immer.
War es wirklich besser, gebrochen frei zu sein, als unversehrt in Gefangenschaft? War der freie Wille es wert, alles zu zerstören und aufzugeben, was über Jahrhunderte fruchtbaren Bestand gehabt hatte?
„Danke, für euer Opfer“, waren die letzten Worte, die zwischen ihnen ausgesprochen wurden.
Südpazifik
H
underte Fuß unter dem Meer standen Linnéa und Anduin in einer Welt aus Glas. Zwar war es ihr nicht neu, sich unter der Wasseroberfläche wiederzufinden, dennoch war es etwas gänzlich anders, wenn es sich um eine futuristische Stadt inmitten des Pazifiks handelte. Einem Reich, umgeben von bunter Artenvielfalt, geschützt in einer transparenten Hülle, gefüllt mit Atemluft, aber vor allem vor dem menschlichen Auge verborgen … Linnéa hätte laut aufgelacht, wäre es nicht real, sondern nur ein böser Traum. Allerdings befanden sie sich hier auf festem Boden – zu greifbar, um erträumt zu sein – und auch die Personen vor ihnen waren mehr als lebendig.
Drei Throne waren gegenüber von ihnen platziert.
Links saß der Befehlshaber der Eskorte, die Linnéa und Anduin unfreiwillig in dieses gläserne Unterwasserreich begleitet hatte.
Lauernd. Abwartend.
Rechts hatte ein maorisch wirkender Anführer seinen Platz gewählt, die Kleidung aus indigener Webkunst mit goldenen Fäden. Auch der Federschmuck in seinem Haar wirkte edel. Nicht zu vergessen, saß abseits auf dem vierten Stuhl eine Schönheit, die ohne Zweifel der Frau vor ihnen rein äußerlich das Wasser reichen konnte. Der mittige Thron gehörte natürlich genau ihr, der prunkvollen Grazie, die gebieterisch stehengeblieben war.
Sie war eindeutig die Herrscherin. Ihr Blick ging durch und durch und obwohl Linnéa sie nicht kannte, erzeugte ihre pure Anwesenheit augenblicklich den Impuls, vor dieser Frau auf die Knie zu gehen und das Kinn zu senken. Als sie einen Seitenblick zu Anduin riskierte, wirkte selbst er komplett überfordert.
„Es ist uns eine Freude, euch hier begrüßen zu dürfen“, kam es aus dem Mund des Mannes, der auf dem rechten Stuhl saß, in akzentdurchtränktem Englisch. „Die Königin lässt fragen, was Euch so lange aufgehalten hat.“
Besagte Königin ließ es sich währenddessen nicht nehmen, näher an sie heranzuschreiten. Es musste in diesem Moment nichts gesagt werden, denn die Wahrheit lag allgegenwärtig in der Luft. Sowohl Linnéa als auch Anduin spürten es instinktiv … was diese Frau tatsächlich war.
Linnéa hielt den Atem an. Diese kühlen, kalkulierenden Augen lagen eine Millisekunde auf ihr, schwenkten aber dann auf ihr scheinbar wahres Interesse: den Aqua‘lu.
Noch immer hing die unmissverständliche Frage in der Luft.
Die Königin lässt fragen, was euch so lange aufgehalten hat.
Sie ist die Königin. Die Königin wovon?
Wenn Linnéa es nicht besser wüsste, würde sie meinen, ihr stehe leibhaftig die erste weibliche Aqua’lu direkt gegenüber. Und das in einem Hauch von nichts gehüllt. Nie zuvor hatte sie solch ein zartes, wirr durcheinander gewebtes Seidenmaterial gesehen. Es schillerte wie Perlmutt und war durch winzige Löcher dazwischen halb transparent. Auch ihr langes, rötlich schimmerndes Haar hätte jeden hochklassigen Friseur vor Neid erblassen lassen. Kein Experte könnte diese Farbenpracht nur annähernd nachahmen und wäre deshalb von Grund auf beschämt.
Das schmale Haupt der Königin zierten seitlich transparente Kämme, die diese wallende Mähne mit vereinzelt kunstvoll geflochtenen Zöpfen teilten. Auf ihrer Stirn prangte eine zarte Krone, bespickt mit Perlen und Muscheln. Ähnlich sah es auch bei der Frau aus, die abseits in dem Empfangssaal Platz genommen hatte und offenbar nur eine Randfigur dieser Führungsriege darstellte.
Die Königin war eine atemberaubende Schönheit. So attraktiv, dass Linnéa das erste Mal im Leben die Tendenz verspürte, sich für das andere Geschlecht zu interessieren. Dieses makellose Gesicht, die hohen Wangenknochen, die vollen Lippen, die ebenmäßige Haut, kamen Vollkommenheit gleich. Zudem brachte ihre Gestalt alles mit, was eine Aqua’lu auszeichnete: Die jadefarbenen Augen, die dunklen Schatten der Kiemen, die sich unter dem weißen, edlen Stoff abzeichneten und auch die drei Einkerbungen an ihren Handgelenken, die beim Drehen und Wenden unter ihrem prunkvollen Armschmuck hervortraten, waren unverkennbar. Zwei Auslässe der Drüsen und womöglich eine für den typischen Stachel, der scheinbar nicht nur den Männern vorbehalten war.
Selbst die leuchtenden Streifen entlang des Leibes, beginnend unter den Achseln und bis zu den Fußgelenken hinabreichend, waren zu erahnen, da sie sich durch das transparente Material ihres Gewandes abhoben. Lediglich die an den Innenseiten der Schenkel und Waden befindlichen Schwimmhäute, die sich erfahrungsgemäß erst bei Kontakt mit Wasser zu einer Schwimmhilfe verbanden, waren durch die Länge des Kleides nicht auszumachen.
Ob sie über den charakteristischen Rückenkamm verfügt, kann ich noch nicht beurteilen.
„Hawe tidi eswa Kirili?“, versuchte es nun der Mann in einer anderen Sprache.
„Sie hat mit dir gesprochen“, kam der mentale Hinweis von links, sodass Linnéa Anduin einen kurzen Seitenblick schenkte. „Danke für den Tipp, aber ich arbeite noch an etwas Unverfänglichem.“
Doch kaum waren ihre Worte aus den Gedanken getreten, riss die königliche Aqua’lu die Augen auf. Misstrauisch blickte sie zwischen ihnen hin und her, als ahnte sie, dass hier eine stille Kommunikation zum Einsatz kam.
Die bekennende Leibgarde rückte näher heran. Linnéa bekam es mit der Angst zu tun, als sie die drohende Haltung des Anführers erblickte, der sich vom linken Thron erhoben hatte, um das Geschehen besser einschätzen zu können.
Linnéa konnte erkennen, wie der Atem der Königin sich beschleunigt hatte und ihre Hand vor Schock auf der Brust lag.
Hat sie Anduins Worte etwa vernommen? Aber warum überrascht sie diese Tatsache? Sie kommuniziert doch offensichtlich mit den anderen Männern gleichermaßen mental? Zumindest nahm sie es an.
„Die Königin erfragt, ob Ihr sie hören könnt und mit ihresgleichen kommuniziert“, erkundigte sich der Anführer von rechts in gebrochenem Englisch.
Mit ihresgleichen …
Obwohl es offensichtlich schien und dieser Wunsch so lange auf Linnéas Seele gebrannt hatte, war es noch immer unfassbar.
Sie befeuchtete ihre Lippen und das Blut rauschte so rasch durch ihre Adern, dass ein leichtes Dröhnen in ihren Ohren entstand. Mit dem Wissen, dass jede falsche Antwort sie beide das Leben kosten könnte, tastete sie sich vorsichtig heran. „Ich bitte um Verzeihung, was meint die ehrwürdige Königin mit ‚ihresgleichen’?“
Es war abzulesen, dass eine mentale Kommunikation zwischen den Anwesenden ablief. Dennoch konnte Linnéa nichts hören, was sie schwer verunsicherte.
Ich dachte, Idris hat mir den Kommunikationskanal für die Aqua’lu geöffnet, damit ich mit allen sprechen kann. Warum kann ich sie also nicht hören? Gibt es womöglich verschiedene Kanälen wie beim Funk?
Blitzartig gingen die zuvor freundlich angehauchten Gesichtszüge der Herrscherin verloren und sie sah Linnéa missbilligend an.
„Die Königin schätzt es nicht, wenn Spiele mit ihr getrieben werden. Ihr seid bestimmt im Bilde, dass der Mann zu Eurer Linken kein Mensch ist.“ Die Stimme des indigenen Machthabers wurde dunkler und eine Warnung schwang unmissverständlich darin mit.
Linnéa spähte für einen Augenblick zu Anduin, da sie seinen Rat suchte, erhielt allerdings eine verneinende Geste. Welche Wahl hatte sie?
„Ich versichere, es ist kein Spiel. Mir war nicht bewusst, dass es weibliche Individuen dieser Spezies gibt. Wenn es darum geht, ja, ich kann mit meinem Begleiter auf mentale Weise kommunizieren. Was allerdings die Königin betrifft: Falls sie mich ebenfalls mental angesprochen haben sollte, konnte ich ihre Nachricht nicht empfangen.“
Nun blickten sich die beiden Männer hinter der Königin an und tuschelten hörbar etwas in einer fremden Sprache. Dieses Verhalten schien der Königin böse aufzustoßen, denn sie hob ihr Haupt und ihre Lippen waren zu einer verächtlichen Linie gepresst.
Mit einem Mal stand der Häuptling, Anführer, König oder welchen Titel er auch immer bekleidete, auf und kam direkt zu ihnen heran, um neben der Königin haltzumachen. Linnéa empfand es als unhöflich, dass sie weder jemand aufklärte noch sich ihnen vorstellte. Die Sitten und Gebräuche dieser Personen konnten unmöglich so fernab jedweder anderen Nation liegen.
„Ihr müsst erschöpft sein. Während wir eine Unterredung mit Eurem Begleiter führen, werdet Ihr von Prinzessin Moai zu einer unserer Unterkünfte begleitet.“ Er unterstrich das Gesagte mit einer weisenden Handbewegung in Richtung der abseits sitzenden jungen Dame, die sich bisher nicht in das Gespräch eingemischt hatte. Doch in Linnéa schrillten die Alarmglocken. Sie blickte Anduin schockiert an, der nur mit verbissenem Ausdruck nickte.
„Das ist nicht gut! Irgendetwas stimmt da nicht, Anduin!“
Diese Worte führten sofort zu Fleisch gewordenen Handschellen, die Linnéa von hinten packten und rücklings mit sich zogen, während sich die vorgestellte Prinzessin auf dem Weg hinaus aus dem Saal zu ihr und ihrem unfreiwilligen Geleit gesellte.
„Anduin! Mach etwas! Lass das nicht zu!“ Linnéa wehrte sich, stemmte ihre Beine gegen die gedrängte Richtung und versuchte vehement, ihre Arme loszureißen. Sie behielt den Aqua’lu verbissen im Auge, der sich indes besagter Königin zuwandte.
„Erzähl ihnen bloß nichts! Hörst du?“, kreischte Linnéa, als sie gnadenlos zwischen den weit geöffneten Toren hindurchgeschleift wurde. Allerdings folgte keine Antwort. Alles, was sie noch sah, war ein verheißungsvoller, raubtierhafter Ausdruck auf dem Gesicht der machtverströmenden Königin, begleitet von einem hochgezogenen Mundwinkel.
Tikitiki, Neuseeland
A
nnika konnte nicht aufhören, in dieses blasse Gesicht zu starren. Zu viele Erinnerungen spulten vor ihrem inneren Auge ab. Die erste Begegnung mit Sam hätte nicht furchterregender sein können: Diese Verfolgungsjagd, die Angst um das Leben ihrer Schwester und ihr eigenes war allgegenwärtig gewesen. Nie hätte sie für möglich gehalten, dass ihre anfängliche Neugierde aufgrund seiner Anatomie, ihre Bewunderung für dieses Wunder der Natur, bei ihm einen Schalter hätte umlegen können. Aus dem kalkulierenden, funktionierenden Cleaner war ein empfindsames Wesen, ein liebender Partner, Freund und Helfer geworden. Was ein paar gemeinsame Jahre bewirken konnten … Aber wer hätte auch ahnen können, dass ihre letzte Begegnung noch viel schlimmer enden würde als die erste begonnen hatte. Nämlich in einer Trauer und Kälte, die nach ihrem Herzen packte und Annika zweifeln ließ, ob es je wieder aus Freude klopfen oder von Wärme erfüllt werden würde. Nur noch ihr kleines Mädchen konnte das ändern.
Ihr war bewusst, dass sie endlich loslassen sollte, doch ihre Finger wirkten gefroren und steif, was mitunter daran lag, dass die Temperatur des Meeres nur 16 Grad betrug. Der unerbittliche Wind, der ihr durchs Haar tobte, machte es nicht unbedingt besser. Sie stand bereits seit mindestens fünfzehn Minuten bis zur Hüfte im Wasser. Die letzten Meter waren sie zu dritt – Spencer, Wanrea und sie selbst – mit Sams Leichnam tiefer in das kühle Medium gestiegen, um seine Stammesbrüder dort übernehmen zu lassen. Mitarbeiter des Labors hatten sich freiwillig erklärt, seinen kalten Körper mittels Bahre bis zum Strand zu transportieren. Nun hielten trauernde Hände Sams Überreste empor, sodass sein Gesicht noch über die Oberfläche ragte, als der Morgen sich am Horizont entfaltete. Die Nuance an Morgenröte auf seinen Wangen heuchelte Leben, wo keines mehr wohnte.
Spencer und Wanrea standen ihr als Betroffene bei, obgleich der Wissenschaftlerin bewusst war, dass die Aqua’lu nicht aus freien Stücken mitgekommen war. So eine freundschaftliche Bindung war zu Sam nicht entstanden, doch scheinbar half Spencers Bezirzen jedes verfluchte Mal, sodass auch ihr Antlitz etwas Kummer trug.
Annika streichelte über Sams grünlich gefärbte Haut und konnte die Tränen gerade noch zurückhalten. Sie war froh, dass Talula der Zeremonie nicht beiwohnte.
„Leb wohl, mein Liebling. Ich werde dich nie vergessen.“ Ihr Herz wog schwer wie Blei. Selbst die blühenden Farben des Tagesanbruchs und das fröhliche Treiben der Vögel am Firmament konnten sie nicht milder stimmen. Zwar hatte sie Oleans und Idris’ Vorschlag zu dem Schlaf im Meer zugestimmt, dennoch störte sie der Gedanke, kein Grab zu haben, an dem sie sich ausheulen und ihr Innerstes preisgeben konnte, wann immer sie es brauchte. Ihr war auch erklärt worden, dass dieses Ritual für Aqua’lu eher eine einsame Entscheidung war und diese Männer vor ihr nur auf Kopauns Geheiß extra angereist waren, um seinen Körper weit genug fortzutragen, damit Sams Anomalie in keine überraschten Fischerhände trieb.
Aber Annika war nicht dumm. Sie wusste exakt, was mit seinem wunderschönen Körper dort unten am Meeresgrund innerhalb von wenigen Stunden passieren würde. Ihr Gehirn malte sich die furchtbarsten Szenarien mit Haien und anderen Raubtieren aus, die sich bereits Servietten umgehängt hatten. Wut und Zorn darüber wollten sich in ihr aufbäumen, doch die Vernunft blickte auf diese geschlossenen Lider, weil sie wusste, Sam hätte sich kein anderes Ende als dieses gewünscht. Er gehörte einfach hierher. Jede seiner Haarsträhnen, Muskelstränge, Nervenzellen und Hautschuppen gebührten dem Meer, selbst wenn Annika zu seinem Zuhause geworden war. Sie wollte ihm dies nicht verwehren. Daher gab sie ihren Fingern den Befehl, den Körper im Wasser von sich wegtreiben zu lassen, bis einer der Aqua’lu ihr zunickte, während die anderen mit seinem Leib bereits unter die glasklare Oberfläche absanken.
Nun gab es kein Halten mehr. Die Tränen traten hervor, ihre Knie wurden schwach im Augenblick dieser Endgültigkeit. Spencer fing sie auf, sodass sie sich an seine Schulter lehnen und die letzten Wellen von Sams Untergang beobachten konnte.
Motu Teiku, Französisch-Polynesien
Olean blickte um sich. Ihm war bewusst, Linnéa und Idris würden ihn den Haien vorwerfen, wenn sie mitbekämen, dass ein Teil der zurückbeorderten Cleaner regelmäßig ihr zurückgelassenes Domizil zur Kommunikation mit der Außenwelt nutzte. Gelegentlich wagten sie verbotenerweise einen Blick in den Kühlschrank und bedienten sich, was er ihnen nicht verübeln konnte. Die Versuchung überkam ihn auch regelmäßig. Dass sie es sich allerdings auf ihrem Sofa oder dem gemeinsamen Bett bequem machten …
Oh ja, sie würden mich eindeutig umbringen!
Doch welche Optionen gab es sonst? Die Höhlen auf dem Meeresgrund quollen über. Eawen hatte am Festland einige der Aqua’lu untergebracht und nicht jeder war nach so vielen Jahren an Land flexibel genug, es rund um die Uhr unter Wasser auszuhalten. Zwar würden sie dies ihrem König niemals unter die Nase reiben, Olean konnte es ihnen allerdings vom Gesicht ablesen. Sie waren wohl hart gesottene Männer, wenn es um Kampfeinsätze, Spionage, Überwachung und Mordanschläge ging … Aber sich am dunklen Meeresgrund in Putzerstationen für die tägliche Reinigung anzustellen, um durch fleißige, hungrige Fischchen, die lose Hautschuppen oder Essensreste zwischen den Zähnen abzupften, war nicht mehr ihre Königsdisziplin. Auch die ständige Kälte in die Knochen kriechen zu spüren und rohen Fisch zu sich zu nehmen, war für sie alles andere als eine Wunschvorstellung. In diesem Sinne waren sie im Vergleich zu den ansässigen Aqua’lu verweichlicht. Sie suchten stets die Zerstreuung, Abwechslung und so wie Olean selbst, machte ihnen die Rückbeorderung zu schaffen. Außerdem gerieten sie bei den Aqua’lu-Frauen in Erklärungsnot, warum so viele „Götter“ plötzlich die Insel überfluteten. Es als Ehre anzusehen, dass sie nun unter ihnen weilten oder durch eine drohende Gefahr näher bei ihren Schützlingen sein zu wollten, wurde mit sehr viel Skepsis aufgenommen. Bei sich überschlagenden, geäußerten Zweifeln mit einem „Wollt ihr etwa die Götter oder gar Manas Willen in Frage stellen?“ zu antworten, würde irgendwann nicht mehr ausreichen.
Noch nie war es in der Zeit der Aqua’lu vorgekommen, dass alle männlichen Individuen an einem Ort versammelt waren. Sogar bei größeren Besprechungen wurden lediglich die Ergebnisse weitergeleitet. Was früher trainierte Tümmler auf Seetang transportiert hatten, wurde später über Satellitentelefone und nun das Internet kommuniziert. Denn unter dem Wasser war die mentale Kommunikation ein Vorteil, aber an der Oberfläche nur hinderlich. Was dies betraf, wären sie ohne die Erfindungen der Menschen noch immer im vorsintflutlichen Stadium hängengeblieben. Wahrscheinlich war es die einzige Technologie der Menschheit, ohne die die Aqua’lu nicht mehr für Ordnung und Überleben sorgen könnten. König Kopaun begründete die Nutzung dieser Gerätschaften immer mit dem Argument, dass sie ohne die Gefahr durch die Menschen überhaupt nicht gezwungen wären, sich anzupassen.
Dem Oberhaupt der Aqua’lu missfiel es bei Audienzen immer, wenn internationale Cleaner mit innovativen Ideen oder Vorschlägen zur Weiterentwicklung und Anpassung prahlten. Denn auch sie stellten seiner Meinung nach ein Virus für sein Volk dar, die Bequemlichkeiten an Land zu sehr zu genießen und zu vergessen, dass dort draußen in Wahrheit der Feind lebte. Olean hatte erkannt, dass das Oberhaupt alles daransetzte, sie im Griff zu behalten, eine Vernetzung nur bedingt zuzulassen, Kontrollen untereinander durchzuführen und auch vor Strafen nicht zurückzuschrecken. Das Grundziel durfte niemals aus den Augen gelassen werden: das Volk um jeden Preis zu schützen und eine Offenlegung zu vermeiden.
Als Olean Sams Zeremonie über die Videoübertragung beobachtete, wurde ihm abermals bewusst, warum die Berührung zur Neuen Welt derart ungesund war. All dieser technologische Zauber würde die Stammesbrüder an Mana zweifeln lassen. Daher sollten die Cleaner sich auch nicht vermehren, denn sie hätten keine konformen Erkenntnisse an ihre Nachkommen weiterzugeben. Nur jene Erfahrungen, die sie den Menschen näherbrachten und den Aqua’lu mehr entfremden würden.
„Das ist also besagte Forscherin, die das erste Aqua’lu-Mädchen mit Kiemen ausgetragen hat?“, wollte Heju neben ihm wissen, der Annika gerade auf dem Laptop wie durch Zauberhand näher heranzog. Was er da ständig mit seinen Fingern auf den Tasten bewerkstelligte, war ihm schier ein Rätsel.
„Ja, das ist sie“, teilte Olean ihm mental mit, starrte auf ihre traurige Miene und fühlte sich schäbig. Als er sich im Schlafzimmer der aus Menschenhand gebauten Hütte umsah, wurde ihm die Tragweite dieser Videobotschaft bewusst. Der blasse Aqua’lu rieb sich mit den Händen über sein dichtes, kurzes Haar und stieß angestaute Luft aus.
„Und du willst ihr ausgerechnet am Tag, an dem Samfor den Schlaf im Meer antritt, beichten, dass ihre Schwester spurlos verschwunden ist?“ Heju blickte über eine dunkle Vorrichtung auf seiner Nase, die er Sonnenbrille nannte. Dabei hatte Olean immer angenommen, sie wären nur zum Schutz gegen die Helligkeit außerhalb der Hütte gedacht. Doch was wusste er schon über die Sitten und Gebräuche der Menschen. Wenn er seinen Stammesbruder so musterte, ärgerte es ihn, wie gerade und weiß seine Zähne waren und dass sein schwarzes Haar am Oberkopf Locken besaß, während das kurze im Genick Muster verewigt hatte, das durch abrasierte dünne Linien entstand.
Wozu soll das bitte gut sein?
Statt wie er selbst nackt oder in einem Schutzpanzer der Kämpfer vor ihm zu sitzen, besaß Heju die Respektlosigkeit, mit menschlichen Kleidern auf Linnéas Arbeitssessel zu thronen und etwas im Mund zu kauen, das nicht weniger wurde. Olean verstand, warum König Kopaun sich ihren Anblick immer ersparen wollte, obwohl die Cleaner für das Volk essenziell waren. Sie brachten das größte Opfer für sie alle, dennoch fiel es ihm schwer, sich fortwährend darauf zu besinnen. Denn die Person, die ihn gerade fragend ansah, hatte so verflucht wenig von einem Aqua’lu, dass es wehtat.
Olean massierte seine steif gewordenen Finger, da er sie zu lange zu einer Faust geballt hatte. „Ja, wir können es nicht mehr hinauszögern. Idris wurde bisher nicht darüber informiert und ich befürchte, er wird seine Aufgabe auf Papeete sofort hinschmeißen. Wir brauchen ihn aber dort, bis sich die Situation aufgelöst hat, vor der König Kopaun bangt.“
Im Gesicht seines Gegenübers war Misstrauen abzulesen. „Willst du mir weismachen, dass sogar du als linke Hand des Königs nicht weißt, was die ganze Aufregung soll?“
Olean musste schwer schlucken. Denn er wusste tatsächlich nichts. Es vor dem Cleaner allerdings zuzugeben, würde seine Stellung mindern, wozu er nicht im Entferntesten bereit war.
Plötzlich fiel ein bewegter Schatten durch die offenen Fenster, der sich nach einem quietschenden und scharrenden Geräusch an der Vordertür und dann sich nähernden Schritten manifestierte. Als ein tropfender, schnaufender Aqua’lu im Türrahmen stehenblieb, war Olean erleichtert, da er nicht mehr im Zugzwang war, die Frage seines neugierigen Stammesbruders zu beantworten.
Der Geruch von Salz und Stein haftete schwer an dem Neuankömmling. „Heju, du bist wieder an der Reihe. Ich fühle meine Finger nicht mehr und kann den Hammer nicht länger halten.“
Ein grummelndes Klicken kam aus Hejus Rachen und sein düsterer Blick sprach Bände. „Ich fasse es nicht, dass ich diese unbarmherzige Ausbildung zum mordenden Spitzel über Jahre hinweg ertragen musste, um seit Tagen wie ein Minenarbeiter im Akkord Bodenschätze abzubauen.“
Gerädert sprang er vom Stuhl, zog sich das Hemd aus, um es achtlos zu Boden gleiten zu lassen. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm. Er lehnte sich über die Tastatur, drückte ein paar Tasten, sodass per Befehl das mobile Gerät von dem Träger auf der anderen Seite der Welt an die schluchzende Annika weitergereicht wurde. Olean sah, wie sie verwirrt den Besitzer des Handys anblickte und fragte: „Ich dachte, es geht bloß um eine Videoaufnahme. Was ist denn so wichtig?“
Dann ließ der Mann an ihrer Seite den Arm von ihr gleiten, sodass sie das Gerät mit zitternden Fingern übernahm und Olean mit glasigen Augen anstarrte. „Was kann ausgerechnet jetzt so dringend sein?“
„Ich drücke dir die Daumen“, vernahm er noch Hejus Stimme in seinen Gedanken, als dieser beim Hinausgehen bereits seine Hose öffnete, um sich wenig später in die Fluten zu stürzen.
Olean benetzte nervös seine Lippen, winkte mit halbherzigem Lächeln in die Kamera und begann dann mühevoll zu tippen.
Papeete, Französisch-Polynesien
I
dris war heilfroh, dass Annika ihn am Laptop angerufen hatte. Er war verzweifelt. Der Tag war ein absolutes Desaster gewesen. Ab dem Moment, an dem Aisea sich erdreistet hatte, ihn ohne Absprache zum Verantwortlichen im Regierungsgremium zu erheben – wohlgemerkt mit seinen laienhaften Französischkenntnissen –, war alles vor ihm abgelaufen wie im Schnelldurchlauf. Er hatte Hände geschüttelt, obwohl er es nicht mochte, die schweißgetränkte, warme Haut von Menschen anzufassen. Ihm wurde bestätigend auf die Schulter geklopft. Lediglich Mrs Flores hatte ein Gebet gen Himmel geschickt und dann das kleine Kreuz an ihrer Kette geküsst. Idris hatte nicht das Gefühl, dass das ein gutes Zeichen war.
Idris vermisste sein Leben als Kämpfer. Unter Wasser hatte er immer gewusst, was zu tun war und wie er mit Problemen umzugehen hatte. Doch in Anbetracht der Umzingelung von Menschen, der nicht enden wollenden Aufgabe, souverän zu wirken, sich anzupassen und alles rechtzeitig zu verarbeiten, was auf ihn einprasselte, konnte er nicht der Mann sein, der er glaubte zu sein.
Aisea war ihm seit seiner List gekonnt aus dem Weg gegangen, hatte nur angespannt gegrinst, während Idris nicht entgangen war, wie sehr er aus jeder Pore vor Furcht stank. Mit finsterem Blick hatte Idris ihm nach der Besprechung noch zu verstehen gegeben, dass dies Konsequenzen haben würde. Mental zu kommunizieren, hatte er sich nicht getraut, da der Finanzchef Mr Simons unweit entfernt stand. Der Aqua’lu wollte keine Drohungen aussprechen, die auch er oder Mrs Flores aufschnappen konnten. Idris hatte bereits ausreichend Bekanntschaft damit gemacht, wie unberechenbar Mitarbeiter wurden, wenn sie Angst bekamen.
Jetzt und hier Annikas Gesicht zu sehen, das so viel Mitgefühl und Trauer in sich vereinte, tat seiner Seele gut. Nachdem er Linnéa nicht erreicht hatte und damit rechnete, dass ihr Ausflug mit Anduin zum Strand wohl oder übel länger dauern würde, war Annika die einzige Person, die ihm aus der Klemme helfen konnte. Er las nochmals seine getippte Nachricht und schickte sie in den parallelen Chat.
Es tut mir leid, dass ich der Zeremonie nicht beigewohnen konnte. Ihr seid 23 Stunden voraus. Ich habe es mir zwar als Erinnerung am Handy gestellt, aber durch die Ankunft der Pariser Delegation ist viel schiefgelaufen. Heute ist einiges passiert, was mich völlig überfordert hat. Bitte erzähl, wie geht es dir und dem Baby? Ist es außer Gefahr?
Annikas Lippen waren fest aufeinandergepresst, als fiele es ihr schwer, zu reden. Ihre Lider waren geschwollen und die Nasenspitze gerötet, sofern er das beim Licht der kleinen Tischlampe neben ihr richtig einschätzte. Sie trug ein schwarzes, hochgeschlossenes Kleid und ihr Haar war zu einem strengen Zopf gebunden. Er hatte sie nie zuvor ohne Make-up gesehen. Sie massierte sich kurz ihre sichtbar angespannte Stirn. Wie sie so nach Antworten suchte, erkannte er die ähnliche Gestik und Mimik, die auch Linnéa eigen war. Schmerzhaft krampfte sich sein Magen zusammen und eine gähnende Leere breitete sich in ihm aus. Annikas Anblick brachte Idris dazu, seine Liebste noch inniger zu vermissen. Seine Augen hielten an Linnéas Schwester fest und ergründeten nahezu verzweifelt jeden Zentimeter von ihr nach weiteren Parallelen.
„Wie ich sehe, hat dich das Büro des Präsidenten zu so später Stunde noch nicht aus den Klauen gelassen. Ist es bei euch nicht erst früher Morgen? Oder beginnst du deine Arbeit immer um diese Zeit?“
Idris sah an seiner Kleidung herab, die an ihm klebte und unangenehm roch. Er hatte sich mit den Unterlagen der Untersuchung und Linnéas altem Laptop ins ehemalige Büro von Mr Fritsch – seinem Vorgänger – zurückgezogen. Und ja, er war abermals nicht zum Schlafen, Umziehen oder Essen gekommen. Sein Magen bestätigte dies mit einem klagenden Grummeln.
Zumindest seine Finger gehorchten ihm noch und er erkannte, dass ihm das Tippen ein klein wenig leichter fiel. War der Körper nicht ein Wunderwerk der Natur? Vermochte er in Notsituationen nicht Unglaubliches zu leisten? Ihm wurde bewusst, dass der beste Lehrmeister im Leben die drohende Zeit war.
Ich habe hier übernachtet. Sieht man mir das an?
Idris bewerkstelligte gerade so ein halbes Lächeln und steckte Annika damit an. Ihre Erwiderung war bezaubernd, doch drang sie nicht bis zu ihren Augen vor.
„Ein wenig.“ Nun kam sie näher ins Bild, wischte sich eine einsame Träne von der Wange und wechselte auf einen nüchternen, professionellen Ausdruck. „Es ist schon in Ordnung. Olean hat es bestimmt aufgezeichnet, wie ich den kleinen Spion kenne.“
Ein Zwinkern kam ihm entgegengeflogen.
„Und danke der Nachfrage, mir geht es den Umständen entsprechend gut, wobei ich weiß, dass Talula, Spencer und Wanrea im Moment meine Stützen sind. Sonst würde ich den ganzen Schlamassel hier nicht mehr überblicken.“ Als sie kurz den Blick senkte, wusste er, dass sie bemüht war, die Fassung zu bewahren.
Talula also.
Idris konnte nicht anders, als sie anzustrahlen.
Als sie bei dieser Nachricht die Augen zu gefährlichen Waffen formte, gab sie ein skeptisches: „Sam hat dir davon erzählt, nicht wahr?“ von sich.
Idris deutete auf sein Herz und gestikulierte, dass er keine Ahnung hätte, wovon sie sprach, dennoch konnte er seinen linken Mundwinkel nicht im Zaum halten. Sam hatte ihm zu Lebzeiten erzählt, dass er Annika mit diesem Namensvorschlag regelmäßig zur Weißglut gebracht hatte.
„Ja, okay, der Name war nicht meine Idee. Sam hatte darauf bestanden.“
Ihre Haltung lockerte sich, sie stand langsam auf und durch das Wackeln des Displays war offensichtlich, dass sie woanders hinging. Im Hintergrund konnte Idris erkennen, dass sie sich nicht zu Hause, sondern in der Forschungseinrichtung aufhielt. Die hellgrauen, kahlen Wände hatte er sich eingeprägt.
Plötzlich drehte sie den Laptop und vor sich sah Idris einen transparenten Behälter, in dem ein winziges Baby in rosafarbenem Anzug unter einer weißen Decke friedlich schlief. Eine Hand war zu einer winzigen Faust geballt, die das Kleine versuchte, komplett in den Mund zu stopfen. Es scheiterte natürlich kläglich.
Bei dem Anblick dachte er unweigerlich an Kamil, den er seit über einer Woche nicht mehr gesehen oder gehört hatte. Wie schon zuvor beim Gedanken an Linnéa spürte er das vertraute Ziehen in seinem Herzen, welches fast zu einem täglichen Begleiter geworden war. Er musste beim nächsten Kontakt zu Olean auf einen Videocall bestehen, um wenigstens Kamil sehen zu können.
Sie ist unglaublich hübsch. Das habt ihr beide prima hinbekommen.
„Danke … Ich wünschte, Sam hätte sie sehen und ein einziges Mal im Arm halten können.“ Sie hielt inne, um den Laptop wieder umzudrehen, doch er hatte gesehen, wie schwer sie beim letzten Satz geschluckt hatte. Annika ging auf leisen Sohlen zur kleinen Lampe zurück, die den ansonsten gedimmten Raum erhellte. Sie seufzte schwer. Idris wurde deutlich, wie erschöpft sie nach Sams Tod, der schweren Geburt und der Bestattung sein musste.
„Rein wissenschaftlich gesehen, ist sie den ersten Tests zufolge perfekt geworden. Sie verfügt über ein duales Atmungssystem, den Rückenkamm, Drüsen samt Verteidigungssystem sowie Schwimmhilfen. Alles in allem scheint sie sich gut zu entwickeln. Leider konnten wir ihr Sprachzentrum offenbar nicht mit extrahieren, aber Spencer hat vorgeschlagen, dass wir das auch im Nachhinein einpflanzen können. Ich weiß bislang nicht, ob mir diese Idee gefällt.“ Annika ließ sich auf den Sessel fallen und legte den Laptop auf dem Tisch vor sich ab.
„Ob sie allerdings fruchtbar ist und sich alle gewünschten Attribute weiterentwickeln können, werden wir erst über die Jahre sehen. Nur für den Fall, dass dein König fragen sollte … Schon wieder.“ Sie rollte theatralisch mit den Augen, was Idris amüsierte, bis sie ihn dann auf eine Art und Weise ansah, die nichts Gutes verhieß. Da war eine Bitterkeit, die sie tief durchdrang und sein Instinkt sagte ihm, dass es nicht mit Sams Tod zusammenhing.
„Idris, ich sehe, wie fertig du bist. Was ist wirklich da drüben los? Spuck es schon aus. Gerade jetzt sollte ich dir eine bessere Schwägerin sein.“
Idris hielt inne und besann sich auf ihre Worte.
Was meint sie mit „gerade jetzt“?
Weil Linnéa nicht da war und Sam ihn nicht unterstützen konnte? Wirkte er so hilfsbedürftig, als würde er nichts allein geregelt bekommen? Diese Annahme schmerzte, doch musste er sich eingestehen, dass sie nicht unbegründet war.
Ich bin an meine Grenzen gestoßen. Ich versuche alles, um dieser Anschuldigung auf Korruption entgegenzuwirken, doch ich habe das Gefühl, je mehr ich vorlege, umso mehr werden meine Bemühungen entkräftet. Nicht nur das. Der Assistent des ehemaligen Präsidenten hat mich geschickt in die Angriffslinie gestellt und ich werde ihm nicht Herr. Offenbar scheint König Kopaun mir keine weiteren Cleaner als Unterstützung zu schicken. Ich habe das Gefühl, hier im Stich gelassen zu werden. Irgendetwas wird mir verheimlicht und ich wünschte, Linnéa wäre hier.
Annika räusperte sich und konnte ihm aus einem unerfindlichen Grund nicht in die Augen sehen. Idris rätselte stets im Umgang mit Menschen, ob deren Verhalten etwas verschleierte oder in ihrem Umfeld gängig war. In diesem Punkt hatte er viel zu wenig direkt mit ihnen zu tun gehabt. Gerade Aiseas Raffinesse zeugte abermals davon, wie viel er zwischen den Zeilen übersah.
„Ich gebe dir jetzt einen gut gemeinten Rat, Idris. Hör auf, es allen recht zu machen. Das ist nicht möglich. Du kannst nicht an allen Fronten gleichzeitig stehen. Wichtig ist, dass du die innere Kraft und Ruhe wiederfindest. Das bedeutet, du musst essen, schlafen und trinken, egal, wie banal sich das anhört. Denn wenn du unkonzentriert bist, entstehen Fehler und exakt die kannst du dir gerade mit der Pariser Delegation und dem intriganten Assistenten nicht leisten.“ Ihr Blick war gestochen scharf auf ihn gerichtet und Idris erkannte die knallharte Laborchefin in ihr. Sie wäre gewiss eine ebenbürtigere Gegenspielerin für Aisea.
Du meinst, ich soll einen Tag nicht zur Überprüfung gehen und AUSSCHLAFEN?
Er schmunzelte sie belustigt an, denn sie hatte gewiss etwas anderes mit ihrer Ansprache angedeutet.
„So in etwa war es gedacht. Allerdings muss man dafür eine geschickte Ausrede finden.“
Schön und gut, das ist leicht gesagt, sinnierte Idris und rieb sich die Augen, die nichts gegen Annikas Plan einzuwenden hätten. Plötzlich fiel ihm ein, dass Annika heute das Gespräch gesucht hatte.
Was war eigentlich der Grund für deinen Anruf?
„In erster Linie wollte ich dir helfen. Olean hat anklingen lassen, dass du Unterstützung benötigst, was du mir eben bestätigt hast. Ich habe Zugang auf Sams Dropbox und nach dem, was du mir schilderst, müssen wir dringend nach juristischen und buchhalterischen Spezialisten suchen, die dir vor Ort behilflich sein können. Wir werden gemeinsam einen Schlachtplan aufstellen.“ Sie mied weiterhin den direkten Blickkontakt, klickte mit dem Touchpad auf Buttons, als würde sie in einem Ordner parallel nach etwas suchen. Sein Instinkt gewann die Oberhand – hier stimmte etwas nicht.
Anni, wir kennen uns schon solange. Das ist doch nicht alles, oder?
Resigniert seufzte sie, erwiderte endlich seinen Blick, als gänzlich andere Emotionen sich zur Bitterkeit und Trauer auf ihrem Antlitz hinzugesellten: Wut und Verzweiflung. Sie öffnete den Mund und fing zu sprechen an. Was er hörte, lähmte seinen Verstand, seine Atmung – gar seinen ganzen Körper. Mit schreckgeweiteten Augen starrte er auf den Bildschirm, als Annikas Worte weiter auf ihn herabprasselten und keinen Sinn ergaben. Denn seine Welt zerbrach in tausend Scherben.
Motu Teiku, Französisch-Polynesien
E
awen blickte sich auf der Insel um. Jedes Mal, wenn sie dieses Fleckchen Erde betrat, schnürte es ihr die Kehle zu und sie bekam Platzangst. Wie in einem Sog der Erinnerung landete sie in ihrer bedrückenden Vergangenheit als gebärfähige Frau der Aqua’lu, ohne Rechte und mit der Pflicht des Gehorsams. Ihren Lebensabend konnte sie nun inmitten der Menschen auf den Hauptinseln verbringen und war Nutznießerin des Reichtums ihres Volks. Dies allerdings nur, weil sie Aufgaben für König Kopaun regelte, Stillschweigen bewahrte und sich um die Transporte von Lebensmitteln, Rohstoffen und anderen notwendigen Gebrauchsgegenständen kümmerte. Lediglich Rohdiamanten und Perlen wurden ihr nicht anvertraut.
Jedes Mal ihresgleichen in dieser traditionellen Kleidung am Lagerfeuer zu sehen, mit gegarten Fischen, gebeiztem Fleisch und Früchten, die die Insel hergab, stach ihr mitten ins Herz. Vor allem, seit die Frau aus der Neuen Welt zu ihnen gestoßen war.
Als sie damals mit ihr im engen Boot gesessen hatte, um der Journalistin die Insel Manui näherzubringen, hatte sie Samfor für diesen Alleingang hinter König Kopauns Rücken verflucht. Er hatte die Idee geboren, Linnéa zu ihnen zu lotsen. Niemals hätte sie für möglich gehalten, dass die Engländerin solch eine Veränderung in ihre Mitte bringen könnte. Eawen hatte damals eher gehofft, dass der König frisches Blut gewähren würde und die Möglichkeit in Kauf nahm, die Gene der Aqua’lu zu stärken, doch er war alles andere als erfreut über Linnéas Anwesenheit gewesen. Dass die Menschenfrau heute hier unter ihnen leben würde, hätte sie nie zu träumen gewagt. Sie hatte sogar unschätzbar wertvolles Wissen mitgebracht, um ihr Volk künftig im Meer zu vereinen. Es zeigte ihr, dass Mana mächtig war und selbst über ihre ländlichen Grenzen hinaus wirkte. Nicht einmal das todbringende Tabu Linnéas unerlaubter Präsenz auf diesem heiligen Boden hatte etwas daran ändern können.
Die rotblonde Frau war geblieben. Samt ihrer modernen Welt, die täglich die Unruhe unter den Frauen und Männern schürte. Was Eawen allerdings mehr betrübte, war die Tatsache, dass auch König Kopauns neue Anweisungen zusätzlich Unsicherheit und Unmut unter ihnen säten. Die Frauen auf Motu Teiku kannten keine Cleaner. Bisher waren ihnen nur die Götter vertraut gewesen, die einmal zur Vollmondnacht für sie kämpften, um die Erlaubnis zu erhalten, sich eine von ihnen von der Insel zu erwählen. Eine, deren Wärme sie schöpften und auskosteten und wodurch neues Leben entsprang. Sie sahen sonst kaum männliche Individuen, um das Mysterium um die göttlichen Gestalten zu bewahren.
Aber jetzt?
Überall liefen die Aqua’lu-Männer herum, in menschliche Kleidung gehüllt, mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte die Neuzeit einen Riss auf diesem geschichtsträchtigen Boden verursacht.
Eawen konnte bloß verständnislos den Kopf darüber schütteln, als sie den schmalen Pfad durch den durchwachsenen Dschungel in Richtung Lichtung beschritt. Vereinzelt war das Zirpen von Insekten zu vernehmen und der feuchte Geruch des Waldbodens stieg ihr in die Nase.
Wenn es sich nur nicht so vertraut anfühlen würde … Der nachgebende, weiche Untergrund unter ihren blanken Füßen, die Wurzeln und Lianen, die sich kräftig sowohl in die Lüfte als auch die Erde streckten und die sie mit ihren Fingern ertastete. Die vereinzelten Lichtstrahlen, die sich durch das dichte Palmendach zwängten und ihre Stirn streichelten. Sogar der betörende Duft nach Früchten war unverkennbar und ließ das Gefühl von Zugehörigkeit an diesem Ort entstehen. Selbst wenn sie damals in Manui groß geworden war.
Die Aqua’lu drückte regelmäßig dünne Äste zur Seite, um auf dem Weg voranzukommen, bis sie endlich bei den Hütten der Frauen im Zentrum der Insel angekommen war. Obwohl sie auf geschäftiges Treiben gefasst war, erwartete sie eine Ansammlung von stark gestikulierenden Aqua’lu, die die Stimme gegeneinander erhoben. Eawen war entsetzt, allein die Gesichtszüge der Frauen zu sehen, die so viel Wut, Zorn und Verunsicherung trugen. Kinder lugten hinter den Beinen ihrer Mütter hervor, junge Mädchen starrten mit verwundertem Ausdruck hin und her. Daher beschleunigte sie ihre Schritte, um den Grund dieser Unruhe zu erfahren.
„Seht ihr denn nicht, dass wir Gefangene sind? Zuerst die rotblonde Frau, die ihren eigenen Gott hat, nun diese Männer, die unsere Augen tragen, aber fremd sprechen und fremd riechen!“ Die eigentümliche, klickende Sprache tönte durch die Gruppe. „Wo sind unsere Götter nun? Warum gebieten sie diesen Fremden keinen Einhalt? Täglich wird das todbringende Tabu gebrochen. Wo ist der König? Wieso zählt unsere Stimme nicht?“, hetzte eine große, starke Aqua’lu unter ihnen auf. Sie gebärdete sich auf einem kleinen Felsen und sprach so energisch, dass alle einen Sicherheitsabstand eingenommen hatten. Eine andere wagte vorsichtig, ihr Paroli zu bieten: „Es ist nicht an uns, die Entscheidungen des Königs infrage zu stellen. Wir sind Aqua’lu, wir sind die stolzen Frauen, auf die sie bauen und zählen können. Wir sind gut im Kochen, wir sind gut in der Erziehung der Kinder und in der Lehre des Mana. Wir sind verantwortlich für den Fortbestand und sollten uns dankbar schätzen, dass wir hier Schutz haben und für unser Wohlsein und die Verpflegung gesorgt wird.“
Die Frau auf dem Felsen wurde sichtlich aufgebrachter. „Unser Volk lebt auf einem Berg aus Lügen. Wir wissen nichts von dem, was da draußen ist. Wir dürfen keine Fragen stellen, wir müssen unsere Söhne opfern und wir sollen uns jeden Zyklus in Geduld üben, von einem der Götter erwählt zu werden. Ob wir das wollen oder nicht. Wir dürfen keine Entscheidungen fällen und werden bei Änderungen nicht mit einbezogen.“ Ihr Atem beschleunigte sich unverzüglich vor Aufregung. „Werden wir einfach wieder stillschweigend mit verbundenen Augen von hier aus woandershin verfrachtet? Bekommen wir abermals ein neues Zuhause, werden vertrieben? Wäre es nicht auch an uns, uns zu verteidigen? Für uns und unsere Zukunft zu kämpfen?“
Eawen sprang genau in die Mitte des entstandenen Kreises, um sich die argumentierenden Frauen. Mit erhobenem Haupt sprach sie zu ihnen: „Und welche Zukunft soll das sein? Denkt ihr, da draußen liegt die Freiheit und wartet mit offenen Armen auf euch? Wird euch die Wahrheit schützen, nähren und umsorgen? Glaubt ihr, andere als unsere Götter, die euch in Empfang nehmen, werden euch huldigen und schätzen? Wie wollt ihr Mana begründen, dass ihr die Tradition mit Füßen tretet? Wie wollt ihr euren Söhnen, die von den Göttern trainiert, gelehrt und geprüft werden, erklären, dass ihr eure eigenen Wege geht?“ Erst jetzt wurde Eawen bewusst, wie ihr Puls in die Höhe schoss und ihr Herz aufgeregt in der Brust pumpte. Die Sonne brannte schwer auf ihren Scheitel und der Geruch des knisternden Lagerfeuers trat in ihre Nase.
Als die Frau mit verächtlichem Blick vom Felsen stieg, näher kam und mit ausgestrecktem Finger auf sie deutete, lag schlagartig jegliche Aufmerksamkeit auf ihr. Eawens Mund wurde trocken und ihr linkes Knie begann verräterisch zu zucken. Früher hatte sie Einfluss auf die Frauen nehmen können, selbst wenn ihr diese Lüge schwer auf der Seele gebrannt hatte. Nein, sie fand nicht gut, was hier passierte. Nein, sie hatte kein gutes Gewissen dabei, diese Frauen bewusst im Dunkeln zu lassen …
Aber es war nicht an ihr, das zu ändern.
Wollte sie die Verantwortung dafür tragen, dass alle auf ein Floß stiegen und in die weite Welt glitten, um die künftige Saat der Aqua’lu ein für alle Mal verkümmern zu lassen? Sollte sie mittragen, dass eine ganze Spezies über Nacht ausgerottet werden würde? Nein, auch das konnte sie nicht und dieses Wissen wog viel schwerer als all die Sünden, die sie bis jetzt begangen hatte.
Eawen konnte nur weiterhin heimlich Frauen bei der Flucht vor dem sicheren Ertrinkungstod retten oder überreden, zurückzukehren und an Mana und ihrer langjährigen Kultur festzuhalten. Sie vermochte lediglich an deren Vernunft zu appellieren und den Stolz in ihnen aufkeimen zu lassen, auf ihre einzigartige Spezies, die Mana höchstpersönlich mit seinen Händen geformt hatte. Und seine Gottheit erzürnte man nicht. Niemals!
„Ausgerechnet du wagst es, dieses ganze Treiben zu unterstützen? Du hast gelebt wie wir, du bist gegen deinen Willen genommen worden wie wir und du hast gelitten wie wir. Du solltest dich schämen, in unserem Namen zu sprechen, jetzt, wo du selbst ihre Kleidung trägst und des Nachts nicht in unseren Hütten schläfst. Du hast kein Recht dazu!“
Eawen versuchte, den Kloß in ihrem Hals durch mehrfaches Schlucken zur Flucht zu zwingen. Was sollte sie diesem verbalen Angriff noch entgegenbringen? All die Zeit hatte sie erfolgreich Ruhe einkehren lassen können. Doch nun? Diese Frauen entwickelten einen klareren Verstand, eine bessere Beobachtungsgabe und einen stärkeren Willen. Wer konnte hier noch ein Wunder bewirken, wenn nicht Mana selbst?
„Was ist hier los? Was soll die Unruhe?“, ertönte Oleans mentale Stimme. Seine Augen musterten kühl jede einzelne Frau, während er in erhabener Haltung nackt zwischen den dicken Blättern heraustrat und in Richtung Feuerstelle schritt. Und es schien Wunder zu wirken. Augenblicklich senkten die Frauen ihr Haupt, ein paar schlichen langsam aus dem Kreis der Verschworenen, zurück zu ihrer Arbeit oder Hütte. Stille umhüllte die Szene und erstickte die erhitzten Gemüter.
Kein weiteres Widerwort, keine Antwort erfolgte von der mutigen Rebellin, während sich Oleans und Eawens Blicke trafen. Sie sprachen Bände.
Ozeanien
„Mein König, es ist mir gelungen, alle Stammesbrüder und Cleaner in die große Höhle zu laden, wie von euch verlangt. Es wurde für diesen Anlass der herrschaftliche Tisch abgebaut, um mehr Platz zu schaffen. Ob wirklich alle hineinpassen, kann ich allerdings nicht sagen. Wir hatten den Bedarf bisher nicht …“ Olean zögerte, während seine Hände hinter seinem Rücken verschränkt miteinander rangen. Das gedämpfte Licht, das von den neonfarbenen Korallen an der Decke der sauerstoffgefüllten Blase im Thronsaal ausging, drückte schwer auf seine Nerven. Die Anspannung war allgegenwärtig zu spüren, als sein Oberhaupt sich vom Thron erhob.
„Gute Arbeit, Olean. Ich bin sehr zufrieden.“
Blitzartig breitete sich Gänsehaut auf seinen blassen Körper aus, da er diese Worte noch nie zuvor aus dem königlichen Geist vernommen hatte. War das ein gutes oder schlechtes Zeichen? Meinte er dies aus tiefstem Herzen? Olean rätselte still in sich hinein und überlegte, wo der Haken war. „Danke, mein König.“
„Gut, bevor wir uns zur großen Verkündung aufmachen, gibt es von Anduin oder Idris Neuigkeiten?“
Der Berater riskierte einen kurzen Seitenblick auf den Herrscher, der die Mundwinkel gebieterisch nach unten zog, während sein Kinn leicht nach oben gereckt war. Für den feierlichen Anlass hatte er seine Kampfrüstung angelegt, die durch transparente, in Regenbogenfarben schillernde Fischschuppen bedeckt war. Hier und da waren schwarze Perlen in den Harnisch eingearbeitet und an der Brust sowie den Schultern dienten größere Platten aus dem Panzer von Meeresschildkröten zum Schutz. Nur die Beine waren beinahe unbedeckt, um seinen Schwimmhäuten im Wasser nicht im Wege zu stehen. Natürlich rundete sein edles Zepter das imposante Erscheinungsbild ab.
„Idris wurde über Linnéas Verschwinden unterrichtet. Ihre Schwester sollte ihn allerdings soweit beschwichtigen, sodass er seiner Aufgabe in Papeete weiterhin nachgeht.“ Zumindest hoffte Olean dies inständig. Er konnte nur zu Mana beten, dass bei all dem Druck nicht auch Idris blindlings ins Verderben lief. „Wie von euch gewünscht, hat Annika die Erlaubnis erhalten, ihn durch Zugriff auf Samfors Netzwerk zu unterstützen. Was Anduin betrifft, kann ich leider keine positive Rückmeldung geben, mein König. Durch den Abzug des Großteils unserer Augen und Ohren ist das Unterfangen einer Suche auch kaum realisierbar.“ Olean unterbrach seinen Bericht in der Hoffnung, sein Oberhaupt würde die Dringlichkeit erkennen. Doch dieser schwieg. Vor allem wurde ihm gerade bewusst, dass dieser sich überhaupt nicht nach Juzas Verbleib erkundigte.
„Auch die Angreifer, die das Regierungsoberhaupt in Papeete und Sam im Labor ermordet haben, können ohne Cleaner nicht ausfindig gemacht werden. Selbst wenn bisher keine Drohung über die entwendeten Unterlagen eingelangt ist, wäre dem dringend nachzugehen, mein König. Vielleicht sollten wir in Erwägung ziehen …“, testete Olean sein Glück.
„Schweig still!“
Olean beruhigte seine Atmung. Gerade war sein Oberhaupt noch so zufrieden mit ihm gewesen. Diesmal würde es kein Luftringen geben. Hoffentlich.
„Ich habe andere Pläne.“ Kopaun schien tief in Gedanken versunken zu sein. „Wenn Anduin wie stets zuverlässig alle Vorhaben mit mir vorab abgestimmt hätte, wäre es nicht so weit gekommen.“
Wenn Olean es nicht besser wüsste, hätte er ihm beinahe Kummer in der Stimme angedichtet.
„Nie zuvor war mein missratener Sohn versucht gewesen, einen Alleingang hinter meinem Rücken zu organisieren. Scheinbar hat die Frau aus der Neuen Welt auch seinen Verstand vergiftet. Und ausgerechnet du hast sie gedeckt, Olean! Ihr alle habt nicht gewusst, dass ihr etwas auslöst, was unmöglich aufzuhalten ist.“
