Sedativum - Dokumentation eines Niedergangs - Hagen Frickmann - E-Book

Sedativum - Dokumentation eines Niedergangs E-Book

Hagen Frickmann

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Beschreibung

Durch einen Zufall stößt ein junger Militärgeheimdienstoffizier auf einen scheinbar banalen Erpressungsfall. Doch je tiefer er sich in die nicht für seine Augen bestimmten Akten vertieft, desto deutlicher wird für ihn, dass sich ein menschliches Drama hinter diesem Fall verbirgt. Im Mittelpunkt jener Affäre steht ein talentierter, noch nicht lange verheirateter Staatsanwalt, der sich durch ein riskantes Beziehungsmodell und ein noch riskanteres Doppelleben immer angreifbarer macht. So ist er schließlich gezwungen Entscheidungen zu treffen, die ihm in einer Gesellschaft, die bei scheinbarer Offenheit nur Verachtung für sexuelle Devianz übrig hat, Schritt für Schritt jegliche Perspektive rauben.

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Seitenzahl: 185

Veröffentlichungsjahr: 2021

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für die verbliebenden Freund(inn)e(n) der Freiheit

Ich bedanke mich bei Winfried Maaßen, Sandra Rojak, Niklas Klein und Gisela Frickmann für das konstruktiv kritische Gegenlesen des Manuskripts und die Verbesserungsvorschläge.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Einleitung

Die Hochzeitsnacht

Der Ausbruch

Die Perspektivlosigkeit

Flirt mit der Halbwelt

Spiel mit dem Feuer

Allein

Der Morgen danach

Die Aussprache

Ruhe im Busch

Happy End

Epilog

Zusammenfassung

Alle beschriebenen Personen und Handlungsabläufe sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit realen Personen oder Ereignissen ist zufällig und vom Autor nicht intendiert.

„Wohl brach ich die Ehe. Doch zuerst brach die Ehe mich.“

Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra

Protagonisten

Friedhardt, Maximilian, Oberstaatsanwalt

Müller, MacDonald “Mackie”, Zuhälter und Erpresser

Schüffner, Frank, Staatsanwalt

Schüffner, geb. Maurer, Victoria, Frau des Staatsanwalts, Unternehmerin

von Ludevicz, Egbert, Liebhaber von Victoria, Unternehmer

Warner, Tilo, Oberleutnant, Offizier beim militärischen Abschirmdienst

1. Prolog

“… Wenn man für Liebe bezahlen muss

Nur um einmal zärtlich zu sein …“

Chris Evans-Ironside, Hans-Joachim Horn-Bergnes, Kurt Gebegern,

Jenseits von Eden

Unter den historischen Denkern des griechischen Altertums waren es Aristippos von Kyrene und später Epikur, die versuchten, den Menschen mit ihren hedonistischen Lehren einen Sinn für das Gute, Schöne und Geile zu vermitteln. Zu Zeiten der Französischen Revolution und später in der Moderne bis Postmoderne wurden diese Gedanken durch verfemte Intellektuelle wie Donatien Alphonse François de Sade sowie zeitgenössische Philosophen wie Bernulf Kanitscheider wieder aufgegriffen. Wirklich durchsetzen konnten sich die Ideen von aufgeklärtem Hedonismus und folgenbewusster Libertinage nicht, während zugleich die Welten des Sexus und der Warendinge des Kommerzes einander stets nah waren. Der aufgeklärte Hedonist blieb ein misstrauisch beäugter Sonderling und dabei stets dem Verdacht eines gesellschaftszersetzenden Egoismus ausgesetzt. Die sozial förderliche Kraft des Hedonismus, der doch auf symbiotische Interaktion mit Dritten angewiesen ist, um zu sich selbst zu finden und nicht auf einem niedrigen selbstgenügsamen Niveau zu verharren, wurde dagegen selten gesehen und noch viel seltener betont. Zu groß war die Angst der Mächtigen vor der subversiven Kraft dieser den Individualismus betonenden und den Selbstbetrug ablehnenden Philosophie, die ein Beherrschen der Massen erschwert. So blieb der Hedonist ein einsamer Suchender, der sich zwar über jeden Gleichgesinnten freute, aber nicht missionieren ging. Denn die hedonistische Philosophie ist keine Lehre, die mit dem Stock eingeprügelt werden kann. Sie erschließt sich entweder von selbst oder niemals.

2. Einleitung

“[…] But take the simple gift I give,

And learn fromme how not to live.”

George Orwell,Entwurf für die Grabinschrift des Protagonisten

der Novelle Burmese Days

Montag, 03.09.2018

Die Geschichte, die ich erzählen möchte, ist eine gestohlene Geschichte. Sie war weder dazu bestimmt aufgezeichnet und noch viel weniger weitererzählt zu werden. Selbst diejenigen, die sie erlebt haben, kennen nur Versatzstücke von dem, was sich aufgrund kriminellen Amtsmissbrauchs seitens eines Kameraden vor mir als Ganzes offenbarte. Und doch haben mich die Aufzeichnungen persönlich zu sehr bewegt, als dass ich sie einfach als Beweisstück in einem banalen Disziplinarverfahren zu den Akten legen könnte. Alle Namen sind verändert und die Orte, an denen jene Ereignisse stattfanden, die einigen skandalös und anderen, so wie mir, vor allem interessant erscheinen mögen, werden von mir nicht genannt. Es geht auch nicht um das „wer“ und „wo“, vielmehr mögen die Ereignisse, wie ich sie teils aus vorliegenden Datenfragmenten, in Teilen auch aus meiner eigenen Phantasie rekonstruiert habe, für sich selbst sprechen.

Doch ich will von vorne beginnen. Mein Name ist Tilo Warner, ich bin Oberleutnant beim militärischen Abschirmdienst. Als vor einigen Wochen mein Dienstrechner ausfiel, wurde mir von unserer IT-Abteilung übergangsweise ein halbherzig formatierter und neu installierter Ersatzrechner, der eigentlich ausgesondert werden sollte, übergangsweise zur Verfügung gestellt. Ich hatte von Anfang an nur Schwierigkeiten damit. Das Laden des Betriebssystems dauerte exorbitant lange, es wurde eine lange Serie von Fehlermeldungen angezeigt und zu allem Überfluss schien die Festplatte derart beschädigt zu sein, dass sich Daten nur auf transportablen Speichermedien sichern ließen.

Bei dem Versuch, die von mir zuvor auf der Festplatte gesicherten Daten auf einem externen Datenträger zu speichern, wurde auf der beschädigten Festplatte versehentlich eine eigentlich gelöschte und formatierte Partition wiederhergestellt, die mir Einblick in Daten einer Sicherheitsklasse ermöglichte, auf die ich eigentlich keinen Zugriff haben sollte.

De facto waren die rekonstruierten Daten für niemandem beim Abschirmdienst bestimmt, denn es handelte sich um mitgeschnittene Kommunikationen einer Zielperson, die sich gar nicht im Bereich unserer Zuständigkeit bewegte und von unserer Dienststelle niemals hätte überwacht werden dürfen. Konkret ging es um den Oberstaatsanwalt Maximilian Friedhardt, der, wie ich mich inzwischen aus eigener Anschauung überzeugen konnte, ein ausgemachter Dreckskerl ist. Jedoch haben in unserem Land, was immer man persönlich darüber denken mag, auch Dreckskerle ihre Persönlichkeitsrechte, die zu schützen und nicht zu gefährden Gegenstand der Aufgabe der Sicherheitsdienste sein muss.

Wer damit ein grundsätzliches Problem hat, kann und darf nicht für die Sicherheit des Staates arbeiten, denn gerade in den Führungsetagen sind Saubermänner selten und es steht uns, als bezahlten Beobachtern, nicht zu, uns ein Urteil darüber zu bilden. Ich selbst habe mich diesbezüglich nie Illusionen hingegeben. Geschützt wird, wer zum System gehört, auch wenn er ein Dreckskerl von Oberstaatsanwalt ist, der sich persönlich der Rechtsbeugung und der Erpressung schuldig gemacht hat. Gewissensbisse sind dabei fehl am Platz oder man kann den Job des Staatsschützers halt nicht ausüben.

Zugleich sind Ermittlungen nach innen immer etwas weniger angenehm als Maßnahmen des Schutzes nach außen. Allerdings waren sie in diesem Fall gegen jenen Kameraden erforderlich, der die private Kommunikation Maximilian Friedhardts grundlos abgefangen und aufgezeichnet hatte, um seinerseits im Auftrag eines privaten Zuhälters den Oberstaatsanwalt damit zu erpressen. Die Angelegenheit war intern geklärt und der verantwortliche Obergefreite aus der IT schließlich formal wegen Drogenkonsums und damit verbundener Schädigung des Ansehens unseres Dienstherren unehrenhaft entlassen worden.

Die Details jenes etwas hässlichen Vorgangs habe ich mir anhand der Dateien in der rekonstruierten Festplattenpartition zusammenreimen können. Solche Ereignisse sind zweifellos unschön und sollten nach Möglichkeit nicht vorkommen, in der Realität sind sie jedoch gelegentlich eben doch an der Tagesordnung und dann unauffällig zu bereinigen; so weit, so banal.

Ich hätte denn auch meinerseits jenen Vorgang zweifellos schnell gedanklich abgetan und vermutlich sogar vergessen, wenn mir beim Sichten von Friedhardts Aufzeichnungen nicht ein Sachverhalt aufgefallen wäre, der meine Aufmerksamkeit erregte und schließlich fesselte. Verpackt in eine Skandalgeschichte aus devianten sexuellen Abenteuern fand sich die Beschreibung des Niedergangs einer großen Liebe, deren innerer Dramaturgie ich mich nicht entziehen konnte.

Ich begann nicht-autorisiert selbst zu recherchieren und fand schließlich immer mehr Hinweise, die erstens Friedhardts Aufzeichnungen bestätigten und zweitens seine fragmentierten Notizen zu einem mehr oder minder vollständigen Gesamtbild ergänzten. Was ich erfuhr, empfand ich gleichsam als so interessant, dass ich nicht umhin kann, diese Geschichte in pseudonymisierter Form aufzuschreiben und mithin für die Nachwelt zu erhalten.

Recherchen haben gleichwohl immer den Nachteil, dass man nur die Rahmenhandlung erfährt, jedoch wenig bis nichts zu den Motiven und zur Innenwelt der Agierenden. Wo immer diese Informationen fehlten oder nur vage aus dem retrospektiv nachvollziehbaren Verhalten der Akteure ableitbar waren, habe ich aus meiner Phantasie ergänzt und die Ereignisse somit abgerundet und verständlich gemacht. Es kann sein, dass ich mit meinen Einschätzungen dabei nicht immer richtig liege. Doch mag diese Geschichte vielleicht auch nicht zur Gänze wahr sein, so hoffe ich doch, dass sie dem geneigten Leser zumindest gut erfunden erscheint. Mir zumindest hat sich beim Recherchieren eine fremde und in ihrer Düsternis gleichsam faszinierende Welt aufgetan, so dass ich der Überzeugung bin, dass man die Ereignisse hätte erfinden müssen, wenn sie sich nicht exakt so zugetragen hätten. Zugleich erscheint mir das Geschehen so unwahrscheinlich, dass es eigentlich nur wahr sein kann, weil sich so etwas kaum jemand ausdenken würde. Aber machen Sie sich gerne selbst Ihr Bild.

3. Die Hochzeitsnacht

„Ich will doch nur spielen! Ich tu doch nichts!“

Annett Louisan,Das Spiel

Sonntag, 9. Juli 2017

Frank Schüffner lag kurz vor zwei Uhr in der Nacht schlaflos eng in Löffelchenstellung an seine nun auch kirchlich angetraute Braut Victoria angekuschelt. Wie immer, wenn er in dieser Position von hinten den Arm zärtlich um sie legte, war sie fast augenblicklich eingeschlafen. Dabei atmete sie fast geräuschlos. Frank spürte lediglich das regelmäßige Heben und Senken des Brustkorbs der Frau, mit der er tags zuvor für das Ja-Wort vor den Altar getreten war. Seine Braut wirkte im Schlaf friedlich und entspannt.

Einem oberflächlichen Beobachter hätte das in der Hochzeitsnacht engumschlungen im festlich geschmückten Hotelbett liegende Pärchen die Illusion konfliktfreien Glücks vermitteln können. Und was anderes hätte man als Unbeteiligter auch erwarten sollen von der Traumhochzeit zwischen dem Staatsanwalt Frank Schüffner und Victoria Schüffner, geborener Maurer, selbständiger Unternehmerin im Bereich Steuerberatung für Großunternehmen und Spross einer alteingesessenen Arzt- und Mäzenenfamilie? Victoria hatte umwerfend ausgesehen in ihrem engtaillierten, blütenweißen Hochzeitskleid und war der unangefochtene Mittelpunkt der bombastischen Feierlichkeit gewesen, wie sie ja auch sonst praktisch überall, wo sie auftauchte, mit ihrer Klasse und ihrer gewinnenden Art schnell im Zentrum der Aufmerksamkeit stand.

Franks Freunde waren vom Beginn seiner mehrjährigen Beziehung mit Victoria an ziemlich neidisch gewesen und hatten es nicht verstehen können, wie ein leptosomer, nicht eben maskuliner Spargeltarzan wie er eine solche Traumfrau vor den Altar führen konnte. Als die Festlichkeit schließlich dem Ende entgegenging, hatte er denn von seinen inzwischen etwas angeheiterten Weggefährten auch die eine oder andere schlüpfrige Empfehlung für die Hochzeitsnacht mit auf den Weg bekommen. Frank hatte diese neidgetriebenen, jedoch gewiss nicht böse gemeinten Kommentare galant weggelächelt und seine Freunde amüsiert in dem Glauben gelassen, dass es da tatsächlich etwas gäbe, worauf sie neidisch sein konnten.

Dabei hatte er es durchaus besser gewusst, dies jedoch wohlweislich für sich behalten, gingen die Interna ihrer Beziehung doch nur Victoria und ihn etwas an. Über die Besonderheiten seiner sehr speziellen Liebe zu dieser ebenso speziellen Frau hatte er nicht einmal mit seinen engsten Bezugspersonen gesprochen.

Dabei war es keineswegs so, dass seine Gefühle für Victoria nicht aufrichtig wären. Er hatte seinen Schwur vor dem Pfarrer am Vortag durchaus ernst gemeint gehabt. Victoria war definitiv und ganz sicher die Frau, mit der Frank sein Leben verbringen wollte. Umgekehrt war er sich auch der starken emotionalen Bindung Victorias an ihn sicher, jenes unerschütterten Urvertrauens, das sie in seinen Armen so schnell und wie ein rosiges Baby einschlafen ließ. Und als Frank ihr am Vortag vor dem Altar den Ehering an den Finger gesteckt und sie anschließend unter ihrem Schleier geküsst hatte, hätte ein zufälliger Beobachter das Geschehen schon auf wirklich inadäquate Weise mit den Augen fixieren müssen um zu erkennen, dass sich ihre Lippen dabei nur leicht verschränkt und ihre Zungen sich nicht berührt hatten.

Schon auf dem Weg zu ihrer reich mit roten Rosen geschmückten Hochzeitssuite hatte er gemerkt, dass Victoria vor allem müde war und froh, dass der Trubel der Feierlichkeit nun endlich vorbei und ohne größere Konflikte zwischen Vertretern ihrer nicht eben einfachen Verwandtschaft, unter der sich einige echte Charakterpersönlichkeiten befanden, über die Bühne gegangen war. Als sie, den Aufzug links liegenlassend, aneinandergeschmiegt die Treppe hochgegangen waren, waren ihr die Augen fast zugefallen.

An der Schwelle zur Suite angekommen, hatten sie, Franks eher schmächtiger Statur geschuldet, auf den Versuch des Überdie-Schwelle-Tragens wohlweislich verzichtet. Als sie dann endlich die Tür von innen abgeschlossen hatten, legte Victoria zügig das unbequeme Hochzeitskleid ab, dass ihr schon den ganzen Tag über die Bewegung eingeschränkt hatte.

Dabei bemerkte Frank etwas, das ihn denn doch überraschte. Er hatte eigentlich schon fest damit gerechnet gehabt, dass sie sich nach einem kurzen Gutenachtküsschen einfach schlafen legen würden. Doch unter dem verspielten Kleid kamen auf einmal eine grobmaschige weiße Netzstrumpfhose und weiße Satinreizwäsche mit Strapsen zum Vorschein, die Frank nicht anders als ein spezielles Geschenk an ihn und eine Einladung zugleich verstehen konnte. Besonders die Netzstrumpfhose war eine liebgewonnene Phantasie seinerseits, die Victoria zuvor jedoch immer als ordinär zurückgewiesen hatte.

Wenn Frank jedoch gehofft hatte, dass es nun gleich zur Sache gehen sollte, so sah er sich schnell getäuscht. Victoria ging zunächst zum Abschminken und Zähneputzen ins Badezimmer der Suite, während Frank es sich schon erwartungsfroh im Bett bequem gemacht hatte. Als sie schließlich doch mit zu ihm ins Bett kam, war ihr kalt und sie verschwand sofort unter der Bettdecke, so dass er von der mehr als appetitlichen Drapierung zumindest optisch nicht mehr viel hatte.

Frank hatte seine aufkeimende Frustration darüber heruntergeschluckt und versucht, Victoria durch Streicheln und immer wieder auch etwas fordernderes Fummeln zu erregen. Sie hatte ihn gewähren lassen, ihn dabei jedoch weder ermuntert noch war sie seinen Versuchen in irgend einer Weise aus eigener Motivation entgegengekommen. Auch das Reiben an der Vorderseite ihrer Scheide, wo Franks Erfahrung nach ihr G-Punkt liegen musste, hatte sie nicht richtig feucht werden lassen, so dass er schließlich zum Gleitmittel gegriffen hatte, um auf für sie beide schmerzfreie Weise in sie eindringen zu können. Auch dies hatte Victoria passiv und weitgehend lustlos über sich ergehen lassen. Sie hatte dabei keinerlei Zeichen von Vergnügen gezeigt und schon gleich gar nicht mitgefickt, ihren Angetrauten vielmehr bewusst oder unbewusst merken lassen, dass sie sich nur ihm zuliebe darauf einließ.

Als Frank schließlich merkte, dass ihm bei dieser begeisterungslosen und halb erzwungenen Fickerei sein Schwanz in Victorias Unterleib klein zu werden begann und sich nur durch Phantasien ganz vom Zusammenschrumpfen abhalten ließ, die mit einer liebevollen ehelichen Sexualität nun wirklich gar nichts mehr zu tun hatten, zog er ihn raus und legte sich schmusend neben sie. Ihre Frage, ob er denn nicht kommen wolle, überging er und seine Frau insistierte nicht auf einer Antwort. Kurz darauf bemerkte er an ihren gleichmäßigen, entspannten Atemzügen, dass sie eingeschlafen war.

Ja, natürlich hatte er kommen wollen, beantwortete er sich ihre Frage in Gedanken selbst, während er unbefriedigt und frustriert neben ihr lag und die Spannung in seinem Unterleib nur sehr langsam nachließ. Zugleich war er ein Idiot gewesen zu glauben, dass etwas, was auch sonst in ihrer Beziehung nie besonders gut funktioniert hatte, auf einmal in der besonderen Stresssituation im Zusammenhang mit der Hochzeitsfeier wie am Schnürchen hätte klappen sollen. Er war ja auch sonst nicht besonders erfolgreich damit, so etwas wie sexuelle Antizipation oder gar wollüstige Erregung in ihr zu induzieren. Oft wies sie explizit sexuelle Annäherungen dabei gleich initial ab, so dass er sich jedes Mal Hoffnungen machte, wenn sie ihn zumindest nicht sofort wegbiss. Aber oft genug war der Akt, wenn es überhaupt dazu kam, lustlos und mechanisch, was Frank seinerseits auf eine Weise abstieß, dass er solche Annäherungen schließlich immer seltener versuchte. Er fühlte sich, wenn er mit seinem Glied in ihren passiv empfangenden Körper stieß, wie ein Vergewaltiger, was ihm mit seiner Frau kein Vergnügen bereitete. Frank wollte, dass sie Sex mit ihm hatte, weil es ihr Spaß machte, nicht aus Pflichtgefühl heraus. Dann sollte sie es lieber ganz lassen.

Er hatte sich oft gefragt, wie es sein konnte, dass sie einerseits eine so zärtlich liebevolle Beziehung verband, sie sich gleichsam emotional extrem nahe standen, speziell die Facette des Sexuellen bei ihnen aber so schlecht funktionierte und ihr sexuelles Begehren nahezu inkompatibel war. Sie schien mit seiner leicht entrückten Art Sex zu genießen nichts anfangen zu können; hatte ihm sogar einmal nur halb im Scherz vorgeworfen, beim Ficken vermutlich an seine Gerichtsakten zu denken. Er hatte dies bestritten, es zugleich aber tunlichst vermieden, ihr die sexuelle Langweiligkeit vorzuwerfen, die er, wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, an ihr wahrnahm.

Dennoch fragte er sich, warum es so hatte kommen müssen und an welcher Stelle ihre Beziehung in eine solch merkwürdige Richtung abgedriftet war. Als Victoria und Frank sich vor ein paar Jahren kennengelernt hatten, war er sexuell noch relativ unerfahren gewesen und hatte sich, wie die meisten Studenten, überwiegend durch Onanieren Erleichterung verschafft. Victoria hatte zu diesem Zeitpunkt bereits über etwas Erfahrung verfügt und ihm anfangs durchaus auch etwas beigebracht. Schritt für Schritt hatten Sie sich durch die verschiedenen Facetten, Fetische und technischen Spielarten des Sexuellen durchprobiert, waren dabei aber nie wirklich bei etwas angekommen, das als gemeinsamer Fetisch getaugt hätte. Parallel dazu hatte ihre emotionale Nähe zugenommen und ihr Vertrauen zueinander war gewachsen.

Frank hatte sich dadurch nur allzu gerne eingeredet, dass sie sexuell schon noch zueinander finden und sich ihre diesbezüglichen Probleme dadurch von selbst lösen würden. Schließlich waren sie auf die Idee gekommen, sich externe Anregung zu holen und ihre Beziehung nach außen zu öffnen. Franks Hoffnung dabei war es gewesen, dass Victoria so ein wenig Spaß am Sex um des Sexes willen entwickeln würde. Tatsächlich war bei ihr zu diesem Zeitpunkt vor allem eine alte Verliebtheit in einen Exfreund wieder neu aufgeflammt, die zu einer kurzen Affäre führte. Ein nennenswerter Einfluss auf die Qualität ihrer sexuellen Beziehung zu Frank war dadurch jedoch nicht zu verzeichnen gewesen und nach wenigen Wochen hatte sich Victorias Nebenbeziehung wieder gelöst.

Für Frank war die offene Beziehung eher ein hypothetisches Konstrukt gewesen und greifbare sexuelle Gelegenheiten hatten sich ihm nie geboten, was zum einen unzweifelhaft an seinem wenig zum Casanova taugenden Wesen liegen mochte, zum anderen auch daran, dass er seine Priorität weiter auf die Umwerbung von Victoria setzte. Obwohl wenig beziehungserfahren, war er doch subtil genug um zu erkennen, dass eine sexuelle Nebenbeziehung seinerseits die Qualität seiner Hauptbeziehung sicherlich nicht zum Positiven entwickelt hätte. Victoria mochte vielleicht kognitiv zu ihrer Vereinbarung einer beidseitig offenen Beziehung stehen, ob sie damit auch emotional kränkungsfrei zurechtkommen würde, bezweifelte er dagegen stark. Insofern ging Frank realistisch davon aus, dass ihre Beziehung de facto eher eine halboffene war. Er gönnte aber seiner Partnerin dennoch dieses Abenteuer in der Hoffnung, dass von der externen sexuellen Antizipation etwas in ihre eigene Beziehung zurückstrahlen möge.

In praxi kehrte nach Victorias kurzem amourösem Abenteuer jedoch zunächst eher noch mehr sexuelle Funkstille in ihre Beziehung ein. Seine Partnerin wies ihn immer häufiger ab oder machte alternativ dazu auf eine derart lustlose Weise für ihn die Beine breit, dass es ihn auch nur frustrierte und er daher von sich aus lieber wichste, als sie zum Geschlechtsverkehr zu animieren. Dabei war und blieb ihre emotionale Bindung stark wie immer und Victoria pflegte ihm zu sagen, wie sehr sie ihn brauche, während er sie in stressigen Studienphasen zärtlich in den Schlaf schmuste. Er musste es als Factum anerkennen und sie sagte es ihm auch ganz offen, dass er für sie als ihr Partner gleichsam die Rolle ihrer besten Freundin einnahm, was den Grad ihres Vertrauens anging. Im Bewusstsein einer deutlichen Ambivalenz reagierte Frank gleichermaßen mit Resignation und Stolz auf diese Rollenzuweisung, die ein kleiner aber fordernder Teil von ihm zugleich als Verurteilung empfand. Ändern konnte und wollte er zugleich daran nichts.

Ohne dass Frank einen Weg gefunden hätte, diese Entwicklung zu beenden oder gar umzukehren, erlosch die erotische Komponente seiner Beziehung mit Victoria bei schwacher bis fehlender sexueller Kompatibilität zwischen ihnen beiden immer mehr. Der antizipative Reiz, der initial noch durch die Zugkraft des Neuen und die damit verbundene Neugier schwach am Leben gehalten worden war, wurde zusehends schwächer. Frank war sich dabei schmerzlich bewusst, diese Facette der Bedürfnisse seiner Frau vermutlich nicht in der von ihr benötigten Weise bedienen zu können. Er bedauerte das Fehlen dieser sexuellen Antizipation sehr, während es Victoria seltsam unbeteiligt zu lassen schien. Sie fragte ihn offen, ob er die Fickerei denn wirklich über eine liebevolle Beziehung stellen wolle und natürlich sagte er ihr, dass er dies nicht wolle.

Frank hatte es immer als mit seinem Selbstbild inkompatibel erachtet, Frauen bloß als eine Art Lappen, an dem man seinen Schwanz abwischen konnte, zu betrachten. Kognitiv lehnte er einen solchen Sexismus ab und verachtete insgeheim jene Pärchen, die ein rein mechanistisches Ficken als Teil ihrer quasi-obligatorischen Selbstoptimierung praktizierten. Für ihn hatte dieser Ansatz eher etwas von Selbstausbeutung und die faktische Austauschbarkeit der Partnerinnen und Partner bei einer solchen nicht-antizipativen Vögelei langweilte ihn. Frank wollte, dass Victoria mit ihm Sex hatte, weil ihr Sex mit ihm Spaß machte, ihm fehlte jedoch bis dato die Kreativität, wie er dieses Eigeninteresse in ihr erwecken sollte. Dennoch tröstete ihn, dass sie als Paar ja noch ein langes Leben vor sich haben würden, um auch in sexueller Hinsicht zueinander zu finden.

Nicht eben vereinfacht wurde die Situation dadurch, dass Frank im Rahmen seiner staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit in ein Provinzkaff versetzt worden war, während Victoria ihre Steuerberatungskanzlei weiterhin in der Großstadt betrieb und sie beide dort auch ihren Hauptwohnsitz hatten. Diese räumliche Trennung war in den Wochen vor der Hochzeit bereits oft genug Konfliktstoff gewesen und der junge Staatsanwalt hoffte inständig, dass sich dieser Konflikt nicht zu einem ernsthaften Problem ausweiten würde. Ihre ohnehin schon am Boden liegende Libido hatte die Situation zumindest unzweifelhaft nicht beflügelt, wobei der von Frank gerade erst erlebte lustlose und halb erzwungene Koitus in der Hochzeitsnacht nur einen weiteren Tiefpunkt darstellte.

Zugleich spürte Frank, dass Victoria, die friedlich in seinem Arm neben ihm schlief, bei ihm nicht unglücklich war, ganz im Gegenteil. Trotz seiner Verwirrung angesichts der in seiner Brust widerstreitenden Gefühle war dies eine Erkenntnis, die ihm Ruhe und Sicherheit bereitete und ihn schlussendlich doch neben seiner frisch angetrauten Gattin einschlafen ließ.

4. Der Ausbruch

„Ohne Dich kann ich nicht sein

Ohne Dich

Mit Dir bin ich auch allein

Ohne Dich“

Rammstein,ohne Dich

Donnerstag, 21. September 2017

Es war ein lauer Herbstabend, als sich Victoria Schüffner auf das von ihr geplante erste echte Date mit Ihrem Freund und Geschäftspartner Egbert von Ludevicz vorbereitete. Durch ihr weitgehend unentwickeltes Sexualleben mit Frank hatte sie sich seit ihrer kurzen Affäre mit ihrem ehemaligen Schulfreund während des Studiums schon lange nicht mehr so intensiv für ein Treffen mit einem Mann präpariert. Sie warf einen kritischen Blick auf die provozierende Reizwäsche an ihrem jungen, nicht weniger sexuell aufreizenden Körper, die in Kürze diskret unter seriöser Abendkleidung versteckt sein würde. Victoria war zufrieden mit dem, was sie sah und begann, sich weiter anzukleiden. Sie musste ein wenig die Zeit im Blick behalten, wenn sie zu dem geplanten Cocktailabend zu zweit mit Egbert nicht zu spät kommen wollte. Und zuvor gab es noch jene Aufgabe in Angriff zu nehmen, die sie heute wie auch die Tage zuvor unerledigt vor sich hergeschoben hatte.