Seefahrt in den 1960-70er Jahren auf Bananenjägern und anderen Schiffen - Klaus Perschke - E-Book

Seefahrt in den 1960-70er Jahren auf Bananenjägern und anderen Schiffen E-Book

Klaus Perschke

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Beschreibung

Klaus Perschke erzählt in diesem Band über seine Reisen als Nautischer Offizier in den 1960-70er Jahren auf einem Bananenjäger und einem alten Dampfschiff. Er befuhr ab 1952 zunächst vor dem Mast als Schiffsjunge, später als Matrose auf Frachtschiffen in der Linienfahrt nach Afrika und Fernost die Ozeane, später als Nautiker auf Reisen nach Hawaii. Klaus Perschke schreibt und reflektiert sehr detailgenau und selbstkritisch über ein Leben an Bord und im Urlaub an Land. Die Seefahrt war seine Leidenschaft von Jugend an. Nach einem Bordunfall musste er zu seinem großen Bedauern die Seefahrt beenden. - Aus Rezensionen: Ich bin immer wieder begeistert von der maritimen gelben Buchreihe. Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. Oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechselungsreiche Themen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlich hat. Alle Achtung!

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Seitenzahl: 337

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Klaus Perschke

Seefahrt in den 1960-70er Jahren auf Bananenjägern und anderen Schiffen

Band 104 in der mariitimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Vorwort des Autors

Klaus Perschkes Seefahrt vor dem Mast

Alles über Bananen

Anmusterung auf MS „BRUNSKOOG“

Kapitän Volker Melzer

Die Brückenoffiziere auf „BRUNSKOOG“

Die Brandkatastrophe auf dem MS „BRUNSLAND“

Werftprobe- und Jungfernfahrt durch den Nordostseekanal nach Hamburg

Übernahme der ersten Ladung

Unsere Jungfernreise nach Puerto Rico

Auf dem Atlantik

Unsere Azoren-Schiffspost

Weiterfahrt über den Atlantik nach Puerto Rico

Durch den Panamakanal nach Guayaquil

Unsere Flussreede von Guayaquil

Rückreise durch den Panamakanal nach Europa

Bunkerstopp in Willemstad

Hamburger Hafenliegezeit, alles Banane

Zweite Ausreise mit VW-Käfern von Hamburg nach Charlston

Ballastreise Charlston – Guayaquil via Panamakanal

Ankunft Guayaquil und Bananen-Übernahme

Zweite Rückreise nach Hamburg

Freizeitvergnügen an Bord

Wieder Bunkerstopp in Willemstad

Unüberlegter Wechsel von der Großen in die Küstenfahrt

Neues Glück bei der Küstenreederei Oskar Wehr

Die Überbrückungszeit – Reserveübung in der Bundeswehr

Ein Dampfschiff namens „FLENSAU“

Meine erste und unerfahrene Eisfahrt und ihre Folgen

Papierladen in Pitea und Rückreise durch die vereiste Ostsee in die Nordsee nach Cherbourg

Ballastreise nach Felixstowe / England zum „Autos laden“

Ein feuriger Zwischenfall

Fortsetzung der Autoreise nach Stockholm/Schweden

Urlaubsvertretung für Kapitän Paulsen

Wie meine Urlaubsvertretung für Kapitän Paulsen real verlief

Rückreise durch die Ostsee und den Kielkanal gen Westen

Der Hafen von Antwerpen

Ballastreise von Antwerpen nach Leningrad

Leningrader Außenreede- und Hafenliegezeit

Rückreise durch die Ostsee nach London zu den Tilbury-Docks

Ankunft in den Tilbury-Docks

Tilbury Docks - Hafenliegezeit

Zweite Reise nach Leningrad

Die Rückkehr von Kapitän Paulsen

Ballastreise nach Archangelsk ins Weiße Meer

Holz laden in Archangelsk

Leika, meine kleine, vierbeinige, russische Liebe

Rückreise nach London

Rückreise von Archangelsk nach London

Reiseabenteuer mit Diakon Gerd Engel

Mein rumänisches „Piruschka-Abenteuer“

Meine Mittelmeerfahrt

Die maritime gelben Buchreihe

Weitere Informationen

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers

Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche, ein Hotel für Fahrensleute mit zeitweilig bis zu 140 Betten.

In dieser Arbeit lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 kam mir der Gedanke, meine Erlebnisse bei der Begegnung mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen, dem ersten Band meiner maritimen gelben Reihe „Zeitzeugen des Alltags“: Seemannsschicksale.

Insgesamt brachte ich bisher über 3.800 Exemplare davon an maritim interessierte Leser und erhielt etliche Zuschriften als Reaktionen zu meinem Buch.

Reaktionen auf den ersten Band und die Nachfrage nach dem Buch ermutigten mich, in weiteren Bänden noch mehr Menschen vorzustellen, die einige Wochen, Jahre oder ihr ganzes Leben der Seefahrt verschrieben haben. Inzwischen erhielt ich unzählige positive Kommentare und Rezensionen, etwa: Ich bin immer wieder begeistert von der „Gelben Buchreihe“. Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights der Seefahrts-Literatur. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechselungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlich hat. Alle Achtung!

Zu den von mir bevorzugt gelesenen Büchern gehören Auseinandersetzungen mit der Zeitgeschichte und Biographien. Die meisten der von mir herausgegebenen Bücher befassen sich mit Seeleuten und Schiffen.

In diesem neue Band 104e geht es um Seefahrt auf Bananenjägern und anderen Schiffen in den 1970er Jahren.

Hamburg, 2019 Jürgen Ruszkowski

Ruhestands-Arbeitsplatz des Herausgebers

Vorwort des Autors

Klaus Perschke

Dies ist ein weiterer Teil meiner ganz persönlichen Autobiographie. Ohne Vorkenntnisse, wie man so etwas gestaltet, hatte ich mich eines Tages daran gewagt. Wenn man mit 65 Jahren in den Ruhestand versetzt wird, dann sollte man ein Hobby haben, sonst fällt man in ein Loch der Untätigkeit. Man wird plötzlich aus dem täglichen Arbeitsrhythmus entlassen, eigentlich stressfrei, weiß aber mit seiner plötzlichen Freizeit nicht viel anzufangen. Eins meiner Hobbys ist der Schrebergarten. Doch diese Beschäftigung erstreckt sich nur vom zeitigen Frühjahr bis in den späten Herbst. Sprachenlernen an der Volkshochschule im Winter war nicht mein Ding. „Schreiben“ schon eher. Und auf Grundlage der vielen alten Briefe, die ich damals in meinen Sturm- und Drangjahren nach Hause geschickt hatte und die zu meinem großen Erstaunen plötzlich aus der Versenkung bei meiner alten Mutter wieder auftauchten, ermutigte ich mich, diese Wahnsinnsidee in die Tat umzusetzen.

Autor Klaus Perschke mit Frau

Meine Göttergattin lächelte über mein Vorhaben.

Im Jahre 2009 veröffentlichte Herr Ruszkowski meine ersten beiden Bände in der von ihm publizierten maritimen gelben Buchreihe unter den Bandnummern 41 (bei Amazon unter ISBN 978-1511683791) und 42 (bei Amazon unter ISBN 978-1511726870). Im Jahre 2011 folgte Band 58 (bei Amazon unter ISBN 978-1511817585).

Ich hoffe nun, dass das, was aus meinen grauen Zellen aufs Papier entfleucht, dem Leser gefällt.

Also lieber Leser, bitte erwarte nicht etwas intellektuell Anspruchsvolles. Ich bin nicht so vermessen, dass ich unbedingt mit einem Günter Grass oder Heinrich Böll mithalten müsste. Günter Grass ist nie mein favorisierter Autor gewesen, Heinrich Böll in den 1970er Jahren war es schon eher. Siegried Lenz’ „Deutschstunde“ hatte mich gefesselt. Besonders gerne hatte ich im reifen Alter alle Bücher von Joseph Conrad (Band 83 in der maritimen gelben Buchreihe ­– (bei Amazon unter ISBN 978-1530990771) gelesen, sogar in englischer Sprache. Weiterhin hatte ich die packenden Romane von Lothar-Günther Buchheim verschlungen. Der Mann hatte qualifizierte Fachkenntnisse von der Kriegs- und Handelsschifffahrt. Experten, die das Schreiben zu ihrem Beruf wählten, haben die geschliffene Kunst des Schreibens studiert, sprich Literaturwissenschaften. Ich nicht. Mit anderen Worten: Ausschlaggebend bei meinem Versuch waren eigentlich die vielen Fotos und Briefe aus meiner Seefahrtszeit gewesen, die ich in einem Pappkarton verwahre und hin und wieder betrachtete. Meine Frau wollte diesen Pappkarton schon einmal im Müllcontainer entsorgen, ich konnte sie noch rechtzeitig stoppen! Es hängen zu viele schöne Erinnerungen an dieser Zeit auf See, die inzwischen Jahrzehnte zurückliegen. Ich glaube, jedem Seemann geht es so. Meine Frau schimpft: „Du lebst nur noch in der Vergangenheit, die Gegenwart ist wichtiger!“ Also ging ich einen Kompromiss ein. Ich habe die aus meiner Sicht interessantesten Fotos chronologisch sortiert und, abgesichert durch die Fahrzeiteintragungen in meinen Seefahrtsbüchern, weiter durch die Inhalte der alten Briefe, die ich damals an meine Eltern geschickt und die meine alte Mutter laufend gesammelt und bis heute aufgehoben hatte, zu einer aufeinander folgenden Seereisenreportage über den Alltag an Bord vor dem Mast verarbeitet. Der Ausspruch „vor dem Mast“ bedeutet nichts anderes, als die Ausbildungsjahre und die Matrosenfahrzeit, bevor man eine Seefahrtsschule zwecks Erwerbs eines nautischen Patentes besucht. Weiterhin hatte ich aus gegebenem Anlass zu der zurückliegenden, aber sehr interessanten deutschen politischen Entwicklung in Afrika und China Sekundarliteratur zur Aufhellung der Geschichte benutzt, die in diesem Zusammenhang in mein Manuskript eingeflossen ist.

Es trieb mich der Wunsch, jetzt in meinem letzten Lebensabschnitt als Rentner einmal alles, was ich damals erlebt und durchlitten hatte, niederzuschreiben, solange ich dazu noch in der Lage bin. Deshalb weise ich hier darauf hin, dass diese Autobiografie nur aus Fragmenten besteht. Manches ist verschüttet geblieben, doch ein Teil konnte mit Hilfe meines Bruders und mit guten Freunden durch „Weißt-du-noch-damals“-Erzählungen wieder ausgegraben werden. Und nachdem ich alles im Kopf Revue passieren ließ und als Entwurf erfasst hatte, peinigte ich die Tastatur meines Computers so lange, bis das, was Ihnen vorliegt, lieber Leser, herauskam. Vielleicht liest es ja doch der eine oder der andere, den ich noch aus meinen Cuxhavener Jugendjahren kenne oder der eine oder andere meiner damaligen Bordkollegen auf den nachfolgend aufgeführten Schiffen.

Es gibt nicht mehr viele Freunde und Bekannte meiner Generation, von den Kollegen, mit denen ich die Zeit vor dem Mast verbracht hatte oder meinen damaligen Schulkollegen, mit denen ich zusammen Ende der 1950er, Anfang der 1960ger Jahre in Bremerhaven-Gestemünde die Schulbank an der ehemals preußischen Seefahrtschule gedrückt hatte. Deshalb ist es immer eine große Freude, wenn mir plötzlich einer von denen wieder über den Weg läuft. Es findet dann sofort ein intensiver Gedankenaustausch statt: „Weißt du noch damals...?“ Bis jetzt habe ich Glück gehabt. Auf Umwegen hatte ich meinen damaligen 2. Steuermann auf der „ACHILLES“, den späteren NO-Kanallotsen und Eldermann der Brunsbütteler Lotsenbrüderschaft, Herrn Georg Richters wieder entdeckt. Den 88jährigen Rentner konnte ich in Bretten in der Nähe von Karlsruhe besuchen, und wir haben einige Stunden über die Zeit auf der ACHILLES geplaudert. Als nächstes hatte ich meinen alten Jugendfreund Hans-Uwe Westphal in Bremen ausgegraben. Hansi - ehemaliger Wasserschutzpolizeibeamter und heutiger Pensionär - und ich fuhren gemeinsam auf der „HARRIET E“ und auf der „KAMERUN“ der Ostafrika Linie. Ich hoffe, dass es so weiter geht, denn ich bin noch nicht am Ende. Ganz durch Zufall lernte ich beim Germanischen Lloyd einen Herrn Thorsten Knull kennen, mit dessen Vater ich von Ende 1956 bis 1957 zusammen eine Reise auf der „BAYERNSTEIN“ des Norddeutschen Lloyds gefahren hatte.

Dank auch an Herrn Titel vom Verband deutscher Reeder, der mir Sekundärliteratur über den Nachkriegsbeginn der deutschen Handelsschifffahrt besorgte und auch an Kapitän Stötzner von der Deutschen Afrika-Linie, von dem ich Fotos über die ersten beiden Afrikaschiffe erhielt, auf denen ich damals fuhr. Weiterhin bedanke ich mich für das Kartenmaterial vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, auf das ich beim Schreiben zurückgreifen konnte. Das Leben ist schon interessant und steckt voller Überraschungen.

Ich versuche, eine Art Plädoyer für meine Generation niederzuschreiben, die es ganz bestimmt nicht verdient hat, dass man sie heute belächelt und nachsichtig auf sie von oben herabsieht. Noch sind wir nicht im Pflegeheim. Noch nicht in der „black box“.

Wir, die heute über 70-80jährigen, waren gute Jahrgänge, jeder in seinem Beruf, auf seine Art. Wir waren aber auch nicht so verwöhnt, wie die heutigen Kids. Wenn die jungen Leute der heutigen Generation ihr Abitur bestanden haben, dann wollen sie keinen Beruf erlernen, sondern gleich ein durch Bafög abgesichertes Studium beginnen oder einen Job machen (früher kannten wir den Begriff „Job“ überhaupt nicht, aber alles, was aus den USA kommt, wird uns von den Printmedien und dem Fernsehen in Deutschland als „in“ verkauft!). Die Mehrzahl aller Jugendlichen, Studenten und Wirtschaftsakademiker von heute denkt leider in diesem Sinne. Und traurigerweise unterstützen deren Eltern die Ansichten ihrer „Weicheier“. Karriere, Profitmaximierung und „Knete machen“ ist deren Motto. Wir alten Knochen waren damals zur See gefahren, weil die Chance, einen Ausbildungsplatz an Land zu bekommen, eins zu zehn stand, genau wie heute. Natürlich gab es auch diejenigen, die sich berufen fühlten, zur See zu fahren, weil in deren Familien der Beruf des Kapitäns Tradition hatte. Damals war „Bafög“ ein Fremdwort für all die, die eine Seefahrtschule besuchen wollten. Heute wird die staatliche Unterstützung zum Studium als selbstverständlich vorausgesetzt. Wir mussten für die Zeit des Schulbesuchs unseren Unterhalt selbstverständlich selbst zusammensparen oder einen Kredit bei einer Bank oder Sparkasse aufnehmen. Unsere Heuern in den 1950ger Jahren waren weiß Gott nicht berauschend. Aber wir waren auch anspruchsloser, hatten es trotzdem gepackt und uns ehrlich durchgebissen in dieser Zeit nach dem letzten Kriege. Wer A sagte, musste auch B sagen, und die meisten von uns haben ihr Ziel erreicht.

Ein Kapitän hatte zu unserer Zeit noch einen hohen Stellenwert auf dem maritimen Arbeitsmarkt. Heute hat sich der Stellenwert etwas verschoben: Die Chartergeschäfte werden heute immer noch in den Büros der Reedereien durch die Logistikmanager geplant und abgewickelt, doch der heutige Kapitän muss, etwas sarkastisch ausgedrückt, wie der Fernfahrer einer großen Spedition seinen vorgegebenen Zeitplan einhalten und die Ladung löschen bzw. neue Ladung laden. Die Schiffe sind größer geworden, auch die Risiken sind größer geworden. Der Kommunikationsaustausch verläuft heute übers Internet und Satellitentelefonie. Aus den damaligen Stückgutschiffen wurden inzwischen sehr schnelle Containerschiffe, die gewaltige Kapazitäten an Containern transportieren. Dank ihrer Größen und Maschinenstärken, die nach oben fast ausgereizt sind, können diese Schiffe Wind und Wetter nahezu ignorieren. Mit ihren elektronischen Navigationsgeräten und ihrer hochtechnischen Antriebsausrüstung können die Reeder bis an die Grenze des Machbaren Schiffsbesatzungen reduzieren. Heute ist das, was wir damals als die „traditionelle“ Seeschifffahrt verstanden, ein rein kaufmännisches und logistisches Überseetransportunternehmen geworden. Aus dem Kapitän und seiner Mannschaft wurden „Überseetransportbegleiter“, die vielleicht alle halbe Jahre urlaubsreif und genervt von dem gewaltigen Stress an Bord abgelöst werden. Alles ist anonymer geworden. Zeit ist Geld. Diplombetriebswirte voller Theorien und null Ahnung von der Praxis und überbordender Bürokratismus dominieren in den Verwaltungen der Reedereien, der Wasserkopf der inneren Verwaltung jeder Reederei wächst und bläht sich auf. Und die meisten dieser klugen „positiv thinking“-Köpfe dieser Unternehmen kennen ihre Schiffe nur von den Probefahrtevents und Fotos, wissen nichts von nerviger Nebelfahrt, fürchterlichen Sturmfahrten, Überfällen von Seepiraten und Ausraubung der Schiffsladung. Brauchen sie auch nicht, dafür gibt es eben das international vorgeschriebene „auditierte und zertifizierte Bordpersonal“, welches alles im Griff hat, jedenfalls haben sollte! Das erinnert mich an den bekannten Spruch „jeder Seemann ein Artist, fünf Seeleute ein Zirkus.“

Es wurde höchste Zeit, dass wir Alten ausgemustert wurden, als die SAP-orientierten Wirtschaftsinformatiker und Diplom-BWLer ans Ruder kamen. Hafenliegezeiten werden nach Stunden und Minuten reguliert. Der Inhalt der Container bleibt für den Ladungsoffizier bis auf das Gefahrengut im Großen und Ganzen anonym. Er hat nie einen Containerinhalt gesehen, es sei denn, der Containerinhalt wurde ausgeraubt, war explodiert, oder lag ausgebrannt verstreut an Deck. Der Kapitän darf nur noch Konnossemente unterzeichnen. Den Rest erledigen die Makler, Reedereiverwaltungen und die Shipplaner in den Terminal-Offices aller großen Häfen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten und wird auch so weiter gehen. Aber kein noch so tüchtiger Ladungsoffizier hat heute noch die Übersicht über 6.000 Container, die für 8 bis 10 Häfen bestimmt sind. Und wenn von diesen 6.000 Containern auch nur 10 Prozent mit Gefahrengütern beladen sind, dann kann man nur hoffen, dass er weiß, wo diese an Bord abgestellt und untergebracht sind. Sonst „gute Nacht“ oder „armes Schwein“!

Meine Idee war, die damalige Seefahrt der heutigen gegenüber zu stellen. Ich will sie nicht glorifizieren. Sie hatte viel mit Knochenarbeit zu tun. Dafür war auch mehr Personal an Bord. Aber eins gab es damals auf den meisten deutschen Schiffen, und das ist heute fast verloren gegangen: Eine so genannte Kameradschaft! Der Personalmanager der Reederei sagt dann: „Das Betriebsklima an Bord ist ausgezeichnet.“ Kameradschaft kennt er gar nicht. Klingt sentimental und lächerlich, war aber für uns damals sehr wichtig. Nur das findet man eben heute nicht mehr an Bord der schwimmenden Dinosaurier mit deren internationalen Besatzungen unter den „flags of convenience“. Money makes the world go round! Für uns alte Hasen bedeutete das: Abtreten, die Zeiten haben sich für immer geändert.

Am 31.Januar 2008 hatte ich in der Mittagspause meine Frau beim Germanischen Lloyd abgeholt. Wir gingen bei diesem nasskalten Wetter an den Landungsbrücken spazieren. Sie musste sich nach den Vormittagstunden in ihrem Büro beim GL mit Blick auf den Innenhof unbedingt die Beine vertreten, frische Luft inhalieren, Hafenluft schnuppern. Ich kam auf meine Biographie zu sprechen. „Lass mich mit Deiner Autobiographie zufrieden! Wir schreiben heute das Jahr 2008, schau mal raus über die Elbe und sieh Dir dort die einlaufenden Schiffe von heute an. Das ist reale Seeschifffahrt: Einmannbrücke, kein Ausguck, sechs Mann an Deck und in der Maschine! Philippinos, Russen, der Kapitän ist Russe, Ukrainer oder Pole, selten noch Deutsche an Bord. Und Du träumst noch von deiner „EMMI OTTENS“, „KAMERUN“, „MUANSA“, „BAYERNSTEIN“! Alles alter Toback, Schnee von gestern. Ich will nichts davon hören, was damals abging, du lebst in der Vergangenheit! Wach mal wieder auf, Rentner!“ Peng! Sie hat ja so Recht!

Irgendwie tut das weh. Wir alle hatten damals doch auch unseren Beitrag geleistet, als die deutsche Handelsschifffahrt nach dem Krieg wieder angeschoben wurde! Okay, es war anfangs auch harte Knochenarbeit, aber wir lebten zusammen in einer Gemeinschaft und in einer Kameradschaft, die man heute auf den modernen Schiffen vermisst. Ich habe das Gefühl, je moderner und größer die Schiffe werden, desto einsamer verbringen die Kollegen ihren Arbeitstag an Bord und leben wie abgekapselt in ihren komfortablen Einmannkabinen. Man sieht sich nur zu den Essenszeiten, und oft ist das Bordklima auch hoch gereizt und angespannt.

Ich möchte die Erinnerungen an die 1950er und 60er Jahre nicht missen. Ich hatte tolle Kollegen kennengelernt. Und wenn der eine und andere noch am Leben ist, dann möchte ich ihn nach so langer Zeit noch einmal wiedersehen. Zum Beispiel Kapitän Bochow, der 1985 kurz vor meinen Dienstantritt beim DHI in Rente gegangen war, er hatte noch einige Jahre beim DHI als nautischer Seehandbuchschreiber in der Redaktion gearbeitet. Oder unseren Bootsmann Kurt Tietjen, beide waren Vorbilder für mich. Und natürlich werde ich auch noch einmal Kapitän Richters in Bretten bei Karlsruhe besuchen. Und meine Ex-Kollegen von der „BAYERNSTEIN“, unseren Ex-OA G. Knull, Harald Hilmer, Fritz Almstedt, Heini Winter, Harald Beck, Ernst Tesch in Timmendorf und Dieter Peschke, der irgendwo beim ARD-Fernsehen sitzen soll. Wir haben bestimmt heute alle unsere Wehwehchen, die blonden Haare sind einer Glatze gewichen, jeder muss heute seine Medikamente gegen Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Diabetes, Gicht, Rheumatismus einnehmen oder hat vielleicht auch schon ein künstliches Hüftgelenk. Etliche von uns hatten es zum Kapitän gebracht, waren an Bord „Master next God“. Wenn sie klingelten, kam der Chiefsteward angesprungen. Und wenn es ein guter Chiefsteward war, las er ihnen jeden Wunsch von den Lippen ab. Heute dagegen müssen sie selbst jeden Morgen ihre frischen Brötchen vom Bäcker holen, den Frühstückskaffee kochen, den Frühstückstisch decken, nach dem Frühstück wieder abdecken und auch abwaschen. Danach den lieben Max Gassi führen. Ich natürlich auch, da meine Frau „Gott sei Dank!“ noch arbeiten geht. Ich verkünde hier mit Stolz: „Ich bin der „vollautomatische Geschirrspüler“ zuhause, der Chauffeur meiner Gattin, der Gärtner vom Frühjahr bis in den Herbst hinein“, ich hab ja auch nichts dagegen, nein! Aber noch liegen wir nicht unter der Erde. Und ich möchte damit sagen, wir, alle meine Kollegen, wir waren doch eine tolle und erfolgreiche Generation, der Winzer würde sagen, ein guter Jahrgang. Oder hat da irgendwer Einwände? Bestimmt, das weiß ich genau, nämlich meine Frau. Die spottet dann garantiert: „Stell dich doch gleich in die Schulterklopfmaschine, du toller Hengst“.

Ja, die Frauen beherrschen immer wieder ihre Männer, sie bestimmen die Politik zuhause wie auch im Bundeskanzleramt. So ist das Leben! Hart aber gerecht!

Lieber Leser, ich bin jetzt am Ende, hoffentlich hat Ihnen dieser Ausflug in eine vergangene Epoche gefallen. Falls nicht, bitte beschweren Sie sich bei meiner Frau. Sie wird sofort die Initiative ergreifen, meine Memoiren an sich nehmen und ganz schnell durch den Büroschredder jagen. Ist ja nur Papierverschwendung in unserer heutigen Zeit. –

Eigentlich wollte ich das Manuskript für diesen neuen Band 104e bereits früher fertig gestellt haben. Hatte leider nicht geklappt. Beim Korrekturlesen entdeckte ich überraschend noch einige peinliche Fehler; also überarbeitete ich mein Skript noch einmal, korrigierte es und kam dabei ins Grübeln. Ist es möglich, dass ich trotz meines sogenannten „vollen geistigen Einsatzes“ doch noch den einen oder anderen Schnitzer übersehen habe? Okay, das war jetzt ironisch gemeint.

Diese vorliegenden Aufzeichnungen sind eine Art Aufarbeitung meiner etwas schwächelnden Erinnerungen an die Zeit auf dem „Bananendampfer“ „BRUNSKOOG“ der Reederei Willi Bruns & Co., hier in Hamburg, die vielen Hamburgern nicht unbekannt ist. Weiterhin die darauf folgende Übergangsfahrzeiten auf Küstenmotorschiffen, bis ich zum Schluss bei der Reederei Nissen & Co in Flensburg landete und auf dem Dampfschiff „FLENSAU“ strandete.

Doch zuerst ein paar Worte zu dem Kühlschiff „BRUNSKOOG“:

Zu den Transportgütern des „Bananendampfers“, zu meiner Zeit außer Bananen auch VW-Wagen (Käfer!), konnte man zum Beispiel auch „Fleisch aus Argentinien“ zählen, welches bis auf lausige minus 28 Grad während der Überfahrt heruntergekühlt wird. Beim Transport von Bananenladungen fuhren wir dagegen nur mit freundlichen plus 11,3 Grad über den Atlantik von Hafen zu Hafen. Die Maschinenleistung unserer Hauptmaschine war enorm, immerhin konnte die „BRUNSKOOG“ bis auf Freibord abgeladen noch eine Marschfahrt von über 22 Knoten bei „mäßig guten Wetter“ aufbringen. Für mich war die Zeit an Bord damals ein faszinierendes Erlebnis. Alle vorangegangenen „Wurstwagen“ (pardon…ich meine natürlich Frachtschiffe) brachten es mit Sonne, Mond, Sterne, von hinten gerade mal auf höchstens 12 Knoten. Also das ist schon ein gewaltiger Unterschied an Marschfahrt gegenüber einen Stückgut-, Massengutfrachter oder einem Tankschiff, wie der Supertanker „MOOFIELDS MONARCH“, der um die 100.000 dtw groß war.

Ihr Klaus Perschke

Klaus Perschkes Seefahrt vor dem Mast

Band 41 in der maritimen gelben Buchreihe von Klaus Perschke

Amazon-Direktdruck unter: ISBN 978-1511683791

als ebook im epub- und kindle-Format bei vielen Händlern zu beziehen: ISBN 978-3-7380-2293-3

Band 42 in der maritimen gelben Buchreihe von Klaus Perschke

Amazon-Direktdruck unter: ISBN 978-1511726870

als ebook im epub- und kindle-Format bei vielen Händlern zu beziehen: ISBN 978-3-7380-3946-7

hinter dem Mast

Band 58 in der maritimen gelben Buchreihe von Klaus Perschke

Amazon-Direktdruck unter: ISBN 978-1511817585

als ebook im epub- und kindle-Format bei vielen Händlern zu beziehen: ISBN 978-3-7380-4066-1

Alles über Bananen

Foto: Steve Hopson – wikipedia

Was sie für die Ernährung bedeuten, wo sie wachsen, wie sie nach Deutschland kommen und was ich damit zu tun hatte.

Laut Stefanie Goldscheider ist eine Banane eigentlich eine Beere, die weltweit sehr begehrt ist. „Diese typischer Waldpflanze der Tropen, die unter leichter Beschattung und im Windschutz, auf humusreichen, lockeren, feuchten Böden bestens gedeiht, leidet sehr unter extremen Klimaeinflüssen. Größe, Farbe, Form und Geschmack variieren sehr stark. Es gibt Babybananen, von denen man ein Dutzend essen muss, um satt zu werden und große Früchte, die bis zu 50 cm lang werden, von denen mehrere Personen auf einmal satt werden.

Der Ursprung der Bananenpflanze liegt im indisch-malaysischen Raum. Angebaut wurde die Banane schon vor Jahrtausenden in Südostasien. Von dort aus gelang sie bereits im ersten Jahrtausend n. Chr. durch arabische Seefahrer nach Afrika. In Mittel- und Südamerika tauchte die Bananenpflanze erst im 16. Jahrhundert auf, wo sie bis heute als die am meisten angebaute Frucht für den Welthandel produziert wird. Nach der Abschaffung der Sklaverei und im Zeitalter der Technisierung, welche schnelle Transporte und Frachtkühlung voraussetzt, wurden Bananen zum bedeutendsten Agrarprodukt der unabhängigen Staaten Süd- und Zentralamerikas.

Multinationale Konzerne wie zum Beispiel United Fruit Company wurden zu Unternehmern und Betreibern von ständig größer werdenden Bananenmonokulturen in den sprichwörtlichen Bananenrepubliken und sind es bis heute geblieben.

Bananen sind nach Reis, Weizen und Milch das viertgrößte landwirtschaftliche Handelsprodukt weltweit und die wichtigste Frucht überhaupt. Sie werden in mehr als 100 Staaten angebaut, aber trotz hoher Produktionsmengen, wie beispielweise in Indien und China, in manchen Ländern gar nicht exportiert, sondern im eigenen Land verbraucht! In vielen Staaten in Mittel- und Südamerika kommt der größte Teil der Exporterlöse aus dem Bananenhandel. In Ecuador sind über 30% der Arbeitsplätze vom Bananenanbau und Bananenhandel abhängig. Für die USA und die Staaten der Europäischen Union sind Bananen ein bedeutender Importartikel.“ (Vergleiche Stefanie Goldscheider)

Vor über 100 Jahren wurde der erste multinationale Konzern gegründet, der sich mit dem Handel dieser tropischen Frucht befasste. Seitdem teilen sich drei amerikanische Konzerne den Weltmarkt: die UNITED FRUIT COMPANY (heute „Chiquita“), die STANDARD FRUIT (heute „DOLE“) und „DEL MONTE“. Diese Unternehmen besitzen große Teile des Agrarlands in Mittel- und Südamerika und diktieren die Arbeitsbedingungen und die Preise! (siehe Stefanie Goldscheider, Biothemen bei Twitter in Facebook).

Ein Wort über den Transport: Bananen werden mit ziemlich schnellen Kühlschiffen befördert, die eine Marschfahrt von durchschnittlich 22 Knoten bis zum Zielhafen durchhalten und die weiterhin für eine konstante Laderaumtemperatur von 11,3°Celsius garantieren. Vorübergehend verfügte die UNITED FRUIT COMPANY weltweit über die größte einer solchen spezialisierten Kühlschiffflotte.

Anmusterung auf MS „BRUNSKOOG“

Anmusterung auf MS „BRUNSKOOG“, Werftprobefahrt

In Deutschland, also in Hamburg, gab es 1964 zunächst nur zwei Reedereien, die sich nach dem 2. Weltkrieg an das Kühltransportgeschäft heranwagten. Zum einen die Reederei Laeisz. Des weiteren die Reederei Willy Bruns & Co., beide in Hamburg ansässig, die erst Anfang der sechziger Jahren die ersten Kühlschiff-Neubauten bei der Schiffswerft Orstein & Koppel in Lübeck bauen ließen. Per Zufall hatte ich das große Glück, durch die Reederei Willy Bruns hier in Hamburg auf einen dieser yachtähnlich gebauten Kühlschiffe anzumustern. Der Name des Neubaus war MS „BRUNSKOOG“.

Mein Dienstantritt fiel bei Eis und Schnee auf den 1.März 1964 in Lübeck auf der O&K-Werft.

MS „BRUNSKOOG“

Ja, es war verdammt bitter kalt, als ich mich mit meinem Gepäck aus Cuxhaven kommend vor dem Eingangstor der Werft beim Pförtner meldete und mich auswies, dass ich ein Besatzungsmitglied der „BRUNSKOOG“ war und an Bord gehen wollte. Wir hatten damals minus 15 Grad in ganz Norddeutschland. Wie gesagt, die Hand fror fast am Koffer fest, als ich zu Fuß vom Pförtner weiter zur Ausrüstungspier durch den Schnee lief und anschließend die vereiste Gangway mit meinem schweren Koffer hinauf stolperte.

Oben an Bord wurden bei dieser Kälte die letzten Schweißarbeiten von den Werftarbeitern auf dem Hauptdeck bei Luke 2 verrichtet. Das Schiff hatte keine Verschanzung wie bei herkömmlichen Schiffen, sondern nur eine um das gesamte Schiffshauptdeck laufende Reling. Natürlich war kein Bootsmann oder Matrose weit und breit an Deck zu sehen. Die Deckscrew hatte einige Stunden vorher die Decksausrüstung und Festmacherleinen übernommen und verstauten sie gerade unten im Kabelgatt. Am nächsten Tag sollte die Proviantausrüstung für den Koch, sowie mehrere Paletten Bier, Zigaretten und Alkohol für den Chiefsteward übernommen werden.

Ich lief dem 1. Offizier über den Weg, welcher mir, nach der gegenseitigen Vorstellung, meinen Kammerschlüssel aushändigte und mich zu meiner Kabine begleitete. Sein Name war A. S. –oder der „schöne A“. A. war nicht ganz „ohne“, wie sich später noch herausstellen sollte. Er war ein hochgradiger Intrigant. Nach dem vorübergehenden Parken meines Gepäcks in meiner neuen Kabine brachte er mich zu Kapitän Melzer und stellte mich vor. Ich übergab Kapitän Melzer mein Seefahrtsbuch, mein nautisches Patent und meinen Reedereieinstellungsvertrag.

Kapitän Volker Melzer

Kapitän Volker Melzer und seine Vergangenheit im Dritten Reich

Verehrter Leser, zunächst möchte ich Ihnen Kapitän Volker Melzer vorstellen.

Kapitän Melzer war der interessanteste und respekteinflößendste Kapitän, den ich bis dato kennengelernt hatte. Er gehörte der Kriegsgeneration an, war Jahrgang 1920 und hatte sein Kapitänspatent für große Fahrt an der Seefahrtsschule in Königsberg 1943 erworben. Nach der Kapitänsprüfung (A6) wurde er, wie er mir in einer netten Plauderrunde oben auf der Brücke erzählte, sofort zur Kriegsmarine nach Pillau (Ostpreußen) dienstverpflichtet und zum U-Bootskommandanten umgeschult, da es einen gewaltigen Mangel an U-Bootfahrern und U-Boot-Kommandanten gab. Ein Einspruch damals bei den Nazis wäre absolut zwecklos gewesen. Nach seiner Ausbildung in Tauchfahrt und Torpedoschießen in der Ostsee bekam er sofort sein eigenes neues Boot zugeteilt und wurde damit auf „Feindfahrt“ geschickt – also ausgehend von Pillau westwärts durch die Ostsee, im getauchten Zustand an Kopenhagen vorbei, durch das Kattegat, weiter durch das Skagerrak, nordwärts an der norwegischen Küste vorbei bis querab von Bergen, von dort westwärts durch die Nordsee, zwischen den Shetland Islands und den Färöer Inseln hindurch in den Atlantischen Ozean und weiter auf Südkurs weitab von den Küsten Spaniens und Portugal vorbei bis querab von Cabo de Sao Vicente. Von dort auf Ostkurs bis in die Straße von Gibraltar zur von den Briten scharf bewachten Einfahrt ins Mittelmeer. Sein Befehl lautete, die Straße von Gibraltar zu durchbrechen. Das war ein Führerbefehl, natürlich von seinem Chef, Admiral Dönitz, den er auszuführen hatte.

Admiral Dönitz *16.09.1891 – † 24.12.1980

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_D%C3%B6nitz#Entlassung_aus_dem_Gef%C3%A4ngnis_und_Lebensabend

Damals war auch er als deutscher Marineoffizier ein überzeugter „Großdeutsches-Reich“-Fan und Adolf Hitler-Verehrer, hatte für Admiral Dönitz und den Führer einen Eid geschworen, seine Pflichten gegenüber Großdeutschland zu erfüllen. Leider hatte er aber, wie viele andere deutsche Marineoffiziere, die Intelligenz der britischen Navy total unterschätzt, welche ganz besonders scharf die Straße von Gibraltar überwachte, denn die Navy durfte unter keinen Umständen ein deutsches U-Boot ins Mittelmeer eindringen lassen. Und, was die deutschen U-Bootskommandanten damals auch noch nicht wussten, etliche aber vielleicht schon ahnten: Die Royal Navy hatte bereits vor den Deutschen ein hochempfindliches Ortungsgerät (ASTIC) entwickelt und auf allen ihrer U-Bootjägern in Einsatz gebracht. Aber das interessierte Admiral Dönitz nicht weiter, und seine U-Bootkommandanten fuhren damals in der Mehrzahl getaucht in ihr nasses Grab statt an Gibraltar vorbei ins Mittelmeer.

Die geheimnisvolle Navigation seines U-Boots im getauchten Zustand war bereits nach dem Passieren von Cabo Sao Vincente und dem Einschwenken in die Straße von Gibraltar geortet und verfolgt worden, man erwartete also sein Boot bereits. An der engsten Stelle jagten sie sein ahnungsloses und überraschtes Boot gleich mit zwei britischen U-Bootjägern und deckten es gezielt mit etlichen Ladungen Wasserbomben ein. Mit Erfolg und für Kapitän Melzer der größte Schock seines Lebens: Er hatte im ganzen Boot Wassereinbruch, in allen Zellen! Nur durch sein im getauchten Zustand verzweifeltes und nervenstarkes Fluchtmanöver auf die marokkanische Küste zu, wo er sein Boot in 10 Meter Tiefe auf den felsigen Grund aufsetzte, rettete all seinen Kameraden und ihm das Leben. Einer nach dem anderen konnte per Rettungstaucher (eine Sauerstoffdruckflasche kombiniert mit Alkalipatrone und Atembeutel) aus dem Turm aussteigen und kontrolliert auftauchen, –ironischerweise unter den Blicken der Besatzung der britischen Zerstörer, die ihnen noch grölend zuwinkten, – und an Land zu den spanischen Verbündeten schwimmen. Marokko war damals eine spanische Kolonie unter Franco. Sie wurden an der Küste von spanischen Militärangehörigen aus dem Wasser herausgeholt, wurden nach Tanger und später per Flugzeug nach Madrid ausgeflogen und der reichsdeutschen Botschaft übergeben. Dort wurden sie von mehreren Gestapomenschen wie Versager zum Verhör „heim ins Reich“, also nach Berlin gebracht. Die Verhöre waren damals sehr erniedrigend für alle Besatzungsmitglieder gewesen. Der Führer und Herr Dönitz waren sehr enttäuscht über ihren misslungenen U-Boot-Einsatz und Durchbruchversuch in der Straße von Gibraltar gewesen.

Kapitän Melzer wurde von fanatischen Gestapo-Angehörigen einer Gehirnwäsche unterzogen, danach zu einer zweiten nervigen U-Bootschulung zurück nach Pillau gebracht. Anschließend löste er einen Kameraden mit Nervenzusammenbruch ab, der ähnliches wie er durchlebt hatte. Natürlich bekam er eine neue Crew. Sein nächstes Boot lag in der Nähe von Bremen in einen U-Boots-Bunker, wo es überholt und repariert worden war. Nachdem sein neues Boot wieder einsatzbereit, also mit Brennstoff, Proviant, Torpedos und Besatzung ausgerüstet, war, ging es bei Nacht und Nebel aus dem Bunker Weser abwärts an Bremerhaven vorbei, im getauchten Zustand außerhalb der Minenfelder hindurch in die Deutsche Bucht und nordwärts durch die Nordsee. Vorbei an „Merry Old Englands“ Ostküste, weiter nordwärts vorbei an den Orkney-Islands, vorbei an den Shetlands, und nördlich von diesen umrundete er mit seinem Boot in sicherem Abstand die Shetlands mit Westkurs hinein in den Atlantischen Ozean. Von hier aus wieder mit weiten Abstand zu Irland auf Süd-Süd-West-Kurs in Richtung Cabo de Sao Vincente, und von dort ein zweites Mal zur Einfahrt der Straße von Gibraltar. Dieses Mal sollte der Durchbruch unter allen Umständen gelingen, denn sein Halbgott, Admiral Dönitz, bestand immer noch auf dem heimtückischen Einsatz im Mittelmeer, um den Feind, also die britischen Zerstörer, welche die deutschen Nachschubschiffe für Rommel von Italien nach Nordafrika empfindlich störten, abzulenken, anzugreifen und zu versenken.

Wieder gelang es Kapitän Melzer unbemerkt, wie er irrtümlicherweise annahm, unter Ausnutzung der Nähe zur marokkanischen Küste, im getauchten Zustand die Einfahrt der Straße von Gibraltar zu erreichen. Aber im entscheidenden Moment wurde der Durchbruch von den Briten doch noch entdeckt. Kapitän Melzers Boot wurde wieder wie beim ersten Durchbruchversuch von den Zerstörern geortet und unbarmherzig mit Wasserbomben eingedeckt. Er konnte ihnen nicht mehr ausweichen, der Wassereinbruch war nicht zu verhindern, Kapitän Melzer steuerte das Boot auch diese Mal verzweifelt mit voller Kraft der E-Motoren auf die marokkanische Küste zu, wo er es auch dieses Mal bei knapp 12 Metern Tiefe aufsetzen konnte und er und seine ganze Besatzung wieder mit Hilfe von Rettungstauchern aussteigen und auftauchen musste. Er hatte großes Glück und auch dieses Mal keinen Mann verloren.

Sie wurden wieder von den Spaniern an Land eingesammelt und nach Tanger gebracht. Ich nehme an, dass Admiral Dönitz auch dieses Mal laut geflucht hatte, als sich Kapitän Melzer telefonisch aus Tanger über Madrid in Berlin meldete und er ihm seine Versenkung meldete. Die Rückführung erfolgte per Flugzeug über Madrid nach Berlin, alle wurden sie wie klägliche Versager empfangen und mussten vor einen Kriegsmarine-Untersuchungsausschuss Bericht erstatten. Kapitän Melzer wurde als unfähiger Kommandant disqualifiziert und verschwand zu seinem Glück als Hafenkommandant in einem kleinen Hafen an der französischen Kanalküste. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits „die Schnauze gestrichen voll von der glorreichen U-Boot-Waffe der deutschen Kriegsmarine und ihrem obersten Chef Admiral Dönitz!

Das hatte mir Kapitän Melzer persönlich anvertraut. Der Auslöser dieses Gesprächs war meinerseits die Erwähnung, dass auch mein Vater damals in der Reichsmarine diente, allerdings nur als „Oberzahlmeister“, und er während des Krieges in „Boulogne-sur-Mer“ (französische Kanalküste gegenüber von Dover) in der Marineverwaltung als „Silberling“ seinen „Dienst für den Führer“ ableistete. Kapitän Melzer lachte verächtlich, denn er hasste alle „Silberlinge“ der Kriegsmarine. „Alles Drückeberger, keiner von ihnen war je an der Front in einen Kampf mit dem Feind verwickelt, alles Schlawiner, deshalb trugen sie ja auch „Silber“ statt „Gold“, die Herren „Überlebenskünstler!“ Ich musste ihm voll recht geben, daraufhin erzählte er mir oben auf der Brücke unter vier Augen seine Geschichte über seine erlebten Kriegserfahrungen. Er hasste den Krieg, er hasste Dönitz und seinen Stab in Berlin und alle Dönitzlakaien, die nur stramm standen und „Heil mein Führer“ stammeln konnten. Trotzdem, Herr Dönitz hatte ihn nie vergessen: Als die Bundesmarine in den 1950ziger Jahren wieder gegründet wurde, und die ersten U-Boote in Dienst gestellt wurden, meldete sich Herr Dönitz persönlich bei ihm und bot ihm eine Stelle als Kapitän zur See an. Kapitän Melzer lehnte das Angebot empört ab.

Unsere restliche Brückencrew

Entschuldigen Sie meinen Exkurs, lieber Leser, ich wollte Ihnen auf jeden Fall zunächst nur Kapitän Melzer vorstellen. Ein weißhaariger Mann, seine schneeweißen Haare hatte er wahrscheinlich den hautnahen Erlebnissen durch die Versenkung seiner U-Boote zu verdan-ken. Kapitän Melzer war ansonsten ein schweigsamer Mensch, er gab seine Befehle in ruhiger Tonlage. Er war der King, und er war ein entschlossener Navigator, was ich Ihnen noch beweisen werde. Übrigens, die Reederei Willi Bruns hatte 1964 vier ehemalige U-Boots-Kommandanten im festen Angestelltenverhältnis. Je drei waren an Bord eines neuen Kühlschiffes untergekommen, der vierte war der Reedereiinspektor Kapitän Körner. Alle vier kannten sich von den Kriegsjahren her. Offenbar hatte Willi Bruns ein Faible für ehemalige U-Boots-Kommandanten, die den U-Bootskrieg heil überlebt hatten.

Entschuldigen Sie meinen Exkurs, lieber Leser, ich wollte Ihnen auf jeden Fall zunächst nur Kapitän Melzer vorstellen. Ein weißhaariger Mann, seine schneeweißen Haare hatte er wahrscheinlich den hautnahen Erlebnissen durch die Versenkung seiner U-Boote zu verdanken. Kapitän Melzer war ansonsten ein schweigsamer Mensch, er gab seine Befehle in ruhiger Tonlage. Er war der King, und er war ein entschlossener Navigator, was ich Ihnen noch beweisen werde. Übrigens, die Reederei Willi Bruns hatte 1964 vier ehemalige U-Boots-Kommandanten im festen Angestelltenverhältnis. Je drei waren an Bord eines neuen Kühlschiffes untergekommen, der vierte war der Reedereiinspektor Kapitän Körner. Alle vier kannten sich von den Kriegsjahren her. Offenbar hatte Willi Bruns ein Faible für ehemalige U-Boots-Kommandanten, die den U-Bootskrieg heil überlebt hatten.

Die Brückenoffiziere auf „BRUNSKOOG“

Als vorletzter ist noch der Dritte Offizier Hagenah aus Otterndorf bei Cuxhaven zu erwähnen. Ein lustiger Kerl, der gerade sein nautisches Patent „Seesteuermann auf Großer Fahrt“ (A5) gemacht hatte. Ein sehr sympathischer Mitstreiter, er war natürlich ein paar Jahre jünger als ich. Er passte gut in unsere Brückencrew. Er kam aus einer „Klütenewer“-Familie, seine Eltern hatten ein eigenes älteres Küstenmotorschiff von ca. 200 BRT von Anno Tobak. Weiterhin war er der jüngste von sechs Kindern, er hatte noch fünf ältere Schwestern, die alle Lehrerinnen geworden waren! Er hatte als Jüngster keinen guten Stand im Weiberhaushalt seiner Eltern, weil er ewig von seinen Schwestern eins auf die Mütze bekam.

Der letzte unserer Brückencrew war der Funkoffizier. Name leider vergessen. Wir nannten ihn alle nur „Sparkie“. Bevor Sparkie zu uns kam, war er bei der Bundesmarine, wo man ihn zum Funker ausgebildet hatte. Offenbar war er ein guter „Tastenfunker“, denn er konnte wie im Schlaf 150 Funksignale pro Minute senden und desgleichen aufnehmen. Was er aber leider nicht wusste, war, dass Kapitän Melzer zum Zeitpunkt unseres Zusammenseins an Bord der „BRUNSKOOG“ auch die Fähigkeit besaß, sowohl 150 Funksignale aufzunehmen als auch zu senden. Das hatte man ihm damals bei der Kriegsmarine beigebracht, und mit dieser Fähigkeit überwachte er unter anderen „Sparkies“ Funkverkehr. Der Grund war, wie sich später herausstellte, dass Sparkie nebenbei per Funkverkehr „sein Abitur über ein Fernstudium nachmachen wollte“ und dabei öfters diverse Aufnahmen von Wetterberichten von Norddeich Radio verpasste. Ich werde Ihnen, lieber Leser, noch eine passende Story zu diesen Thema nachtragen.

Über unsere Maschinencrew weiß ich heute nicht mehr viel. Ich weiß nur, dass der Chiefingenieur ein ziemlich korpulenter und hochintelligenter Mann war, der seinen Maschinenbetrieb und seine Kellerkinder voll im Griff hatte.

In der Zeit vom 1. bis zum 10. März waren wir an Land in einer werfteigenen Pension untergebracht, da die Kabinen noch nicht bezugsfertig waren. In der Nacht vom 10. auf den 11. März übernachteten wir das erste Mal an Bord, eigentlich war das eine Zumutung von Seiten der Reederei. Die Kabinen wurden tagsüber durch die Klimaanlage ohne Luftbefeuchtung beheizt. Dagegen war nichts einzuwenden. Doch über Nacht wurde die Klimaanlage werftseitig abgeschaltet, und es wurde sehr, sehr kalt in allen Kabinen. Alle Kollegen und ich hatten die ganze Nacht wie Espenlaub geklappert. Morgens am 11. März um 06:00 Uhr mussten wir aufstehen, denn um 07:00 Uhr fand bereits die Werftprobefahrt der „BRUNSKOOG“ seitens der Werftleitung statt. Wir, die Besatzung, hatten noch nichts zu melden an Bord.

Es war ein ziemlich ungemütlicher Tag. Es war nasskalt und neblig obendrein. Und diese Saukälte zog durch alle Klamotten, obwohl ich mich so warm wie möglich angezogen hatte. Wir, die Nautiker, waren nur als Gäste oben auf der Brücke geduldet. Es war sehr unangenehm, da wir während der Werftprobefahrt fast nur draußen in der Nock verweilen durften. Die Geschwindigkeit der „BRUNSKOOG“ wurde in der Neustädter Bucht von den Maschinenbauingenieuren der Werft auf jeden Fall auf 23,5 Knoten hochgekitzelt, was die Hauptmaschine auch ohne Murren und Knurren durchhielt. Zurück an der O&K-Werft wurden wir wieder am Ausrüstungskai der Werft vertäut und warteten auf die letzte Ausrüstung.

Alle Laderäume der „BRUNSKOOG“ waren über eine durchgehbare Doppelverschalung an den Bordwänden und unter dem Hauptdeck von vorn bis achtern mit 10 cm dicken Kunststoffplatten isoliert. Sogar die Masthäuser von Luke 1 und 2, sowie Luke 3 und 4 und deren Außentüren waren isoliert, da in ihnen die Kühlaggregate standen, die die Laderäume bei einer konstanten „11,3°-Celsius“-Temperatur halten mussten. Die Außentüren waren wegen ihrer Gewichte sehr schwer zu bewegen. Das sollte unser 3. Offizier eines Tages zu spüren bekommen, als er bei schlechtem Wetter die Temperaturen ablesen musste. Doch davon später.

Die Brandkatastrophe auf dem MS „BRUNSLAND“